Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KG 1282/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 KG 1248/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.01.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Zeitraum vom August 1992 bis Dezember 1995 gewährtes Kindergeld zurückfordern kann.
Der 1958 geborene Kläger beantragte mit seiner Ehefrau für das 1985 geborene gemeinsame Kind S. erstmals im Februar 1986 und nach Geburt der gemeinsamen Tochter S. 1988 im Januar 1989 auch für die Tochter Kindergeld (Antragsvordruck ausgefüllt unter dem 30.12.1988). Nach Vorlage des vom Kläger und seiner Ehefrau am 19.01.1989 ausgefüllten Fragebogens zum Nachweis des Einkommens in den Kalenderjahren 1986 und 1987 wurde Kindergeld mit Bescheid vom 26.01.1989 antragsgemäß gewährt.
Am 15.04.2003 wurde der Beklagten im Rahmen des Datenaustausches mit der Oberfinanzdirektion S. bekannt, dass der Kläger als Grenzgänger Einkommen in der Schweiz erzielt. Der Kläger wurde aufgefordert, in dem ihm übersandten Fragebogen mitzuteilen, ob und in welcher Höhe vom schweizer Arbeitgeber Familienzulage gewährt worden ist (undatiertes Schreiben der Beklagten, Blatt 36 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 20.04.2004 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass über den Kindergeldanspruch wegen des fehlenden Eingangs des Fragebogens noch nicht entschieden worden sei und Kindergeld nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung ab Januar 1996 zurückgefordert werde. Am 28.04.2004 gab die Ehefrau des Klägers telefonisch an, keinen Fragebogen erhalten zu haben; ihr Ehemann arbeite in der Schweiz, sie sei Hausfrau. Die Kindergeldzahlung wurde ab Mai 2004 eingestellt.
Nach Eingang der angeforderten Unterlagen hob die Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2004 die Kindergeldbewilligung ab August 1992 bis einschließlich Dezember 1995 auf und forderte gezahltes Kindergeld in Höhe von 2883,69 EUR zurück. Dem Kläger sei ab August 1992 Kinderzulage von monatlich 160 und ab Januar 1993 von monatlich 180 Schweizer Franken gewährt worden, was dem deutschen Kindergeld vergleichbar sei. Ein Anspruch auf Zahlung eines Unterschiedsbetrages bestehe nicht.
Für den Zeitraum ab Januar 1996 bis April 2004 wurde jeweils mit gesonderten Bescheiden vom 19.10.2004 die Festsetzung von Kindergeld aufgehoben und Kindergeld gem. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung zurückgefordert, unter Minderung des Rückforderungsbetrags durch den seit Juni 2002 anzuerkennenden Anspruch der Ehefrau auf Grund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz. Gegen diese Bescheide wurde Einspruch eingelegt und anschließend Klage zum Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben, das mit Urteil vom 18.10.2007 die Bescheide betreffend die Jahre 1996 bis 1998 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen hat.
Gegen den Bescheid betreffend den Zeitraum von 1992 bis 1995 wurde Widerspruch eingelegt, der nicht näher begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 8 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) sei für ein Kind, für das vergleichbare Leistungen außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG gewährt worden seien, kein Kindergeld zu gewähren. Soweit die Ausländerleistungen geringer gewesen seien, könne ein Ausgleichsbetrag gezahlt werden. Vorliegend seien die in der Schweiz gewährten Kinderzulagen höher als das vergleichsweise zustehende Kindergeld. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) X habe die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und Leistungen zurückgefordert werden können, denn der Kläger sei den Hinweisen in Vordrucken und den Merkblättern auf seine Verpflichtung, Änderungen mitzuteilen, grobfahrlässig nicht nachgekommen. Gemäß § 20 Abs. 3 BKGG sei die Beschränkung der rückwirkenden Aufhebung auf maximal zehn Jahre in der Regelung des § 45 Abs. 3 SGB X nicht anwendbar. Der Widerspruchsbescheid wurde am 02.03.2005 abgesandt.
Der Kläger hat am 04.04.2005 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben und geltend gemacht, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die vom Arbeitgeber in der Schweiz gewährte monatliche Kinderzulage den Bezug deutschen Kindergelds ausschließe. Auch sein Steuerberater habe ihm nie einen entsprechenden Hinweis erteilt.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung von Kindergeld erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt. Im Antragsformular werde gefragt, ob der Antragsteller oder sein Ehegatte Geldleistungen für das Kind von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erhalten habe. Es werde auch nach Berufstätigkeit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gefragt, weshalb der Kläger habe erkennen können, dass es auf diese Umstände ankomme. Ein unterbliebener Hinweis eines Steuerberaters könne ihn nicht entlasten, denn das etwaige Verschulden des Steuerberaters müsse dem Kläger als eigenes Verschulden zugerechnet werden.
Gegen den dem Kläger am 12.02.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 12.03.2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger verweist auf das Urteil des Finanzgerichts vom 18.10.2007, in dem das Gericht zu dem Schluss gelangt sei, dass Kindergeld für die Jahre 1996 bis einschließlich 1998 nicht zurückverlangt werden könne. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für einen früheren Zeitraum bei gleichem Sachverhalt Kindergeld zurückerstattet werden solle. Das Finanzgericht bescheinige, dass er die Aufnahme einer Beschäftigung in der Schweiz nicht hätte anzeigen müssen, weshalb die Unterstellung nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, er habe vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt, nicht nachvollziehbar sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.01.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2005 betreffend die Zeiträume vom 1992 bis 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Das Urteil des Finanzgerichts stehe der Bewertung einer groben Fahrlässigkeit durch unterlassene Anzeige nicht entgegen. Das Finanzgericht habe keine Anlaufhemmung im Sinne des § 170 Abs. 2 Abgabenordnung angenommen, da die Mitteilung über Änderungen der Verhältnisse beim Kindergeld, zu der der Kindergeldberechtigte nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz verpflichtet sei, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine Anzeige i. S. dieser Vorschrift sei. Das Finanzgericht sei aber von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen, was sich daraus ergebe, dass es eine leichtfertige Steuerverkürzung angenommen habe. Deshalb sei auch eine verlängerte, fünfjährige Festsetzungsfrist angewandt worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG hat entscheiden können, ist zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg sowie der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung und die Rückforderung von Kindergeld für die Zeit vom 01.08.1992 bis 31.12.1995 ist rechtmäßig.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn zum Zeitpunkt seines Erlasses vorliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist und nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zu Minderung des Anspruchs geführt haben würde.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine gesetzliche Mitteilungspflicht besteht nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I für solche Tatsachen und nach Nr. 2 für Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung - hier Kindergeld nach dem BKGG - erheblich sind.
Diese Voraussetzungen liegen für den am 26.01.1989 ergangenen Dauerverwaltungsakt zur Bewilligung von Kindergeld für die beiden Kinder des Klägers vor, denn der Kläger hat ab August 1992 Kinderzulage nach Schweizer Recht für beide Kinder erhalten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKGG (i. d. F. vom 30.01.1990) wurde Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das bereits Leistungen, die außerhalb des Geltungsbereiches des Bundeskindergeldgesetzes gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind, gezahlt werden oder bei einem entsprechenden Antrag zu zahlen wären. Nach § 8 Abs. 2 BKGG war Kindergeld jedenfalls in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Kindergeld und der niedrigeren ausländischen Leistung bezahlt. Nach dem damals geltenden § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BKGG kam es somit auf die materielle Rechtslage an und nicht darauf, ob die vergleichbare ausländische Leistung auch tatsächlich gezahlt wurde (BSG-SozR 5870 § 8 Nr. 12 und 14). Die nach Schweizer Recht unstreitig tatsächlich gewährte Kinderzulage von monatlich 160 bzw. 180 Schweizer Franken überstieg das in diesem Zeitraum gewährte Kindergeld von monatlich 120 bzw. 140 DM, sodass nach der genannten Regelung kein Anspruch auf Kindergeld bestand, auch nicht in Höhe eines Unterschiedsbetrages. Damit ist von einer leistungsschädlichen Einkommenserzielung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auszugehen. Auf die Frage des Verschuldens kommt es für diesen Rücknahmetatbestand nicht an
Auch die Pflicht zur Mitteilung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I hat der Kläger verletzt. Eine Mitteilung über die gewährte Kinderzulage aus der 1992 aufgenommenen Beschäftigung in der Schweiz hat der Kläger nicht gemacht. Der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger dieser Verpflichtung zur Mitteilung auch grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Dies ist dann der Fall, wenn der Begünstigte einfachste und (ganz) nahe liegende Überlegungen nicht angestellt bzw. dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. hierzu Kasseler Kommentar-Steinwedel, § 45 SGB X Rdnr. 39 mwN). Das Außerachtlassen von Hinweisen auf Handlungspflichten, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, ist im allgemeinen grob fahrlässig, wie auch das Unterschreiben von Formularen, ohne sich um deren Inhalt zu kümmern (vgl. Steinwedel a. a. O., mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 5870 Nr. 1 zu § 13 BKGG). Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass in den Antragsformularen, die der Kläger mit seiner Ehefrau unter dem 28.01.1986 und unter dem 30.12.1988 ausgefüllt hat, jeweils ausdrücklich nach Geldleistungen gefragt worden ist, die für die Kinder von einer Stelle außerhalb des Bundesgebiets Deutschland gewährt werden. Ebenso hat der Kläger unterschriftlich bestätigt, das "Merkblatt über Kindergeld" erhalten zu haben. Auch in dem unter den 19.01.1989 ausgefüllten Fragebogen zum Nachweis des Einkommens in den Kalenderjahren 1986 und 1987 bestätigte der Kläger, dass ihm die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung aller Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sein können, bekannt ist und ihm das Merkblatt über Kindergeld, von dessen Inhalt er Kenntnis genommen habe, vorliegt. Auf den Zeitablauf von dreieinhalb Jahre seit der Antragstellung bis zum Eintritt der maßgeblichen Änderungen kann sich der Kläger zur Entlastung nicht berufen. Spätestens zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in der Schweiz hätte Anlass bestanden, sich anhand des ausgehändigten Merkblatts oder durch gezielte Nachfrage bei der Familienkasse zu vergewissern, inwieweit sich Auswirkungen auf den Anspruch auf Kindergeld durch die Arbeitsaufnahme in der Schweiz und den Bezug von schweizer Kinderzulage ergeben. Zwar war zum Zeitpunkt der Belehrung durch Aushändigung des Merkblatts nach der damaligen Rechtslage nur die tatsächliche Gewährung von Kinderzulage nach schweizer Recht und nicht das Bestehen eines Anspruchs maßgebend. Erst 1989/1990 nach In-Kraft-Treten der Neufassung von § 8 BKGG stand bereits der Anspruch auf eine schweizer Kinderzulage der Gewährung von Kindergeld nach deutschem Recht entgegen. Ein möglicher diesbezüglicher Irrtum ist aber unerheblich, weil der Kläger unstreitig ab dem Rückforderungszeitraum die schweizer Kinderzulage auch tatsächlich erhalten hat, worauf in den genannten Informationsunterlagen entsprechend dem alten Recht abgestellt wurde. Soweit der Kläger auf die Ausführungen im Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2007 Bezug nimmt, ändert dies nichts an der Beurteilung des Senats. Auch das Finanzgericht geht von leichtfertigem Verhalten des Klägers aus. Die vom Finanzgericht angestellten Erwägungen zur Frage der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung hinsichtlich des Eintritts von Verjährung erlauben keinen Rückschluss für eine andere Bewertung des Verschuldensmaßstabs.
Die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestattetet die rückwirkende Änderung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung jedoch nur, wenn die Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrig gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlässt (§ 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Diese Regelung ist nach dem BKGG, anders als § 45 Abs. 3 SGB X (§ 11 Abs. 3 BKGG), auch anwendbar.
Die Jahresfrist beginnt mit Kenntnis der Rücknahmegründe. Hierzu gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Dauerverwaltungsaktes ergibt. Damit sind auch die Tatsachen von Bedeutung, die den Umfang der Rechtswidrigkeit bestimmen, da der Verwaltungsakt nach der Vorschrift der §§ 45, 48 SGB X zurückzunehmen ist, "soweit" er rechtswidrig ist (vgl. Steinwedel, a. a. O. § 45 Rdnr. 26 ff). Darüber hinaus muss sich die Kenntnis auch auf Tatsachen, die die übrigen Rücknahmevoraussetzungen betreffen, erstrecken. Damit sind auch die Umstände von Belang, die die Behörde im Rahmen des auszuübenden Ermessens zu berücksichtigen hat (vgl. Steinwedel a. a. O. mit Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 26 und 27). Kenntnis bedeutet das Wissen der maßgebenden Umstände mit hinreichender Sicherheit für den Erlass eines Rücknahmebescheids. Damit beginnt die Jahresfrist in der Regel frühestens mit der Anhörung des Begünstigten (vgl. Steinwedel a. a. O.; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42).
Nach diesen Grundsätzen ist die Jahresfrist seitens der Beklagten gewahrt. Am 15.04.2003 wurde der Beklagten im Rahmen des Datenaustausches mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart bekannt, dass der Kläger als Grenzgänger Einkommen in der Schweiz erzielt. In der Mitteilung sind die Jahre ab 1999 bis 2001 genannt, ohne dass erkennbar wird, ob eine frühere oder auch spätere Berufstätigkeit in der Schweiz vorliegt. Zwar kann für diesen Zeitraum unterstellt werden, dass während der Berufstätigkeit in der Schweiz auch Anspruch auf Familienzulage bestanden hat, jedoch ist nicht erkennbar, wieweit die in der Vergangenheit liegende Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids vom 26.01.1989 reicht. Aufzuklären war daher der Beginn und gegebenenfalls das Ende der Tätigkeit in der Schweiz. Der Akte ist nicht zu entnehmen, wann der Kläger erstmals aufgefordert worden ist, Angaben zu seiner Tätigkeit als Grenzgänger in der Schweiz zu machen, da ein entsprechendes Schreiben an den Kläger undatiert ist und der Entwurf des Schreibens nur eine Verfügung zur Wiedervorlage zum 10.01.2004 enthält. Jedenfalls wurde der Kläger mit Schreiben vom 20.04.2004 an die Beantwortung des übersandten Fragebogens erinnert. Die angeforderten Unterlagen sind nach beantragter Fristverlängerung jedenfalls vor Erlass des angefochtenen Bescheids vom 19.10.2004 eingegangen. Die Erklärung ist somit zwischen dem 20.04. und 19.10.2004 eingegangen, sodass die grundsätzlich hieran anknüpfende Jahresfrist mit Erlass des Bescheids am 19.10.2004 noch nicht abgelaufen war. Soweit im Schrifttum daher Zweifel bestehen, ob die Anknüpfung für den Fristbeginn an die durch die Behörde durchgeführte Anhörung zutreffend ist, da die Behörde den Fristbeginn in der Hand habe (vgl. Schoch NVwZ 1985, 880, 884; a. A. Steinwedel a.a.O.), kann dies dahinstehen. Eine Verwirkung des Rechts der Behörde auf Rücknahme durch Verzögerung des Anhörungsverfahrens (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Steinwedel a. a. O.) ist vorliegend nicht erkennbar. Eine Verwirkung liegt vor, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit gewartet hat und besondere Umstände hinzugetreten sind, die die nunmehrige Erhebung des Anspruchs als unzulässig erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 41, 275 ,278; BSGE 62, 10, 16). Zwar ist nach außen eine Tätigkeit der Beklagten erst durch das Schreiben der Beklagten vom 20.04.2004 und damit nach Ablauf eines Jahres nach Mitteilung der Oberfinanzdirektion, die Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hatte, erkennbar geworden, jedoch sind aus Sicht des Klägers in diesem Zeitraum keine Maßnahmen getroffen worden, die sein Vertrauen auf den Bestand der Kindergeldbewilligung bekräftigt hätten und die die Rücknahme der Kindergeldbewilligung für die Vergangenheit als unbillig erscheinen lassen. Allein der Zeitablauf seit Bekanntwerden der Verdachtsgründe durch den Datenaustausch, der für den Kläger auch nicht erkennbar war, begründet keine Unbilligkeit i. S. der Verwirkung bzw. zwingt zur Anknüpfung des Beginns der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 SGB X an andere Vorgänge.
Die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung liegen somit vor. Da nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt rückwirkend mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nur aufgehoben werden "soll", wenn die in den Nrn. 1 bis 4 dieser Vorschrift geregelten Voraussetzungen vorliegen, folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass die Behörde nicht in jedem Fall gezwungen ist, den Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben. Dies muss vielmehr nur im Regelfall geschehen. Ausnahmsweise kann die Behörde jedoch davon absehen. Für diesen Ausnahmefall ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, welches sich auf die Entscheidung der Frage erstreckt, ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben oder von einer Aufhebung abgesehen werden soll. Dagegen ist die Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung (BSG, Urteil vom 28.02.1990 - 10 RKg 22/89 -, veröffentlicht in juris; BSG 59, 111, 115).
In den Fällen des § 48 Abs 1 S 2 Nr. 3 SGB X kann die Frage, ob ein atypischer Fall gegeben ist, nicht losgelöst von der mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes eng zusammenhängenden Rückforderung der überzahlten Leistung beurteilt werden (BSG, Urteil vom 11.1.1989 10 RKg 12/87 = SozR 1300 § 48 Nr. 53). Die Typik oder Atypik eines besonderen Sachverhalts muss auch danach beurteilt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die mit der Aufhebung des Verwaltungsakts zusammenhängende Rückerstattung der Leistung unbillig ist (vgl BSG, Urteil vom 28.2.1990 a.a.O.). Vorliegend ist unter Berücksichtigung der Ausführungen zur groben Fahrlässigkeit des Klägers und dem Umstand, dass seitens der Beklagten kein vorwerfbares schuldhaftes Verwaltungshandeln mitgewirkt hat, kein sonstiger Umstand zu erkennen, der die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids und die Rückforderung der überzahlten Kindergeldbeträge unbillig macht. Solche sind seitens des Klägers auch nicht vorgetragen worden. Ermessenserwägungen waren daher nicht anzustellen.
Die Rückforderung des Betrages in Höhe von 2883,69 EUR, der in seiner Höhe nicht zu beanstanden ist und gegen die der Kläger auch keine Einwände erhoben hat, ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X begründet, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Zeitraum vom August 1992 bis Dezember 1995 gewährtes Kindergeld zurückfordern kann.
Der 1958 geborene Kläger beantragte mit seiner Ehefrau für das 1985 geborene gemeinsame Kind S. erstmals im Februar 1986 und nach Geburt der gemeinsamen Tochter S. 1988 im Januar 1989 auch für die Tochter Kindergeld (Antragsvordruck ausgefüllt unter dem 30.12.1988). Nach Vorlage des vom Kläger und seiner Ehefrau am 19.01.1989 ausgefüllten Fragebogens zum Nachweis des Einkommens in den Kalenderjahren 1986 und 1987 wurde Kindergeld mit Bescheid vom 26.01.1989 antragsgemäß gewährt.
Am 15.04.2003 wurde der Beklagten im Rahmen des Datenaustausches mit der Oberfinanzdirektion S. bekannt, dass der Kläger als Grenzgänger Einkommen in der Schweiz erzielt. Der Kläger wurde aufgefordert, in dem ihm übersandten Fragebogen mitzuteilen, ob und in welcher Höhe vom schweizer Arbeitgeber Familienzulage gewährt worden ist (undatiertes Schreiben der Beklagten, Blatt 36 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 20.04.2004 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass über den Kindergeldanspruch wegen des fehlenden Eingangs des Fragebogens noch nicht entschieden worden sei und Kindergeld nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung ab Januar 1996 zurückgefordert werde. Am 28.04.2004 gab die Ehefrau des Klägers telefonisch an, keinen Fragebogen erhalten zu haben; ihr Ehemann arbeite in der Schweiz, sie sei Hausfrau. Die Kindergeldzahlung wurde ab Mai 2004 eingestellt.
Nach Eingang der angeforderten Unterlagen hob die Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2004 die Kindergeldbewilligung ab August 1992 bis einschließlich Dezember 1995 auf und forderte gezahltes Kindergeld in Höhe von 2883,69 EUR zurück. Dem Kläger sei ab August 1992 Kinderzulage von monatlich 160 und ab Januar 1993 von monatlich 180 Schweizer Franken gewährt worden, was dem deutschen Kindergeld vergleichbar sei. Ein Anspruch auf Zahlung eines Unterschiedsbetrages bestehe nicht.
Für den Zeitraum ab Januar 1996 bis April 2004 wurde jeweils mit gesonderten Bescheiden vom 19.10.2004 die Festsetzung von Kindergeld aufgehoben und Kindergeld gem. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung zurückgefordert, unter Minderung des Rückforderungsbetrags durch den seit Juni 2002 anzuerkennenden Anspruch der Ehefrau auf Grund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz. Gegen diese Bescheide wurde Einspruch eingelegt und anschließend Klage zum Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben, das mit Urteil vom 18.10.2007 die Bescheide betreffend die Jahre 1996 bis 1998 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen hat.
Gegen den Bescheid betreffend den Zeitraum von 1992 bis 1995 wurde Widerspruch eingelegt, der nicht näher begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 8 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) sei für ein Kind, für das vergleichbare Leistungen außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG gewährt worden seien, kein Kindergeld zu gewähren. Soweit die Ausländerleistungen geringer gewesen seien, könne ein Ausgleichsbetrag gezahlt werden. Vorliegend seien die in der Schweiz gewährten Kinderzulagen höher als das vergleichsweise zustehende Kindergeld. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) X habe die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und Leistungen zurückgefordert werden können, denn der Kläger sei den Hinweisen in Vordrucken und den Merkblättern auf seine Verpflichtung, Änderungen mitzuteilen, grobfahrlässig nicht nachgekommen. Gemäß § 20 Abs. 3 BKGG sei die Beschränkung der rückwirkenden Aufhebung auf maximal zehn Jahre in der Regelung des § 45 Abs. 3 SGB X nicht anwendbar. Der Widerspruchsbescheid wurde am 02.03.2005 abgesandt.
Der Kläger hat am 04.04.2005 beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben und geltend gemacht, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die vom Arbeitgeber in der Schweiz gewährte monatliche Kinderzulage den Bezug deutschen Kindergelds ausschließe. Auch sein Steuerberater habe ihm nie einen entsprechenden Hinweis erteilt.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung von Kindergeld erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt. Im Antragsformular werde gefragt, ob der Antragsteller oder sein Ehegatte Geldleistungen für das Kind von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erhalten habe. Es werde auch nach Berufstätigkeit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gefragt, weshalb der Kläger habe erkennen können, dass es auf diese Umstände ankomme. Ein unterbliebener Hinweis eines Steuerberaters könne ihn nicht entlasten, denn das etwaige Verschulden des Steuerberaters müsse dem Kläger als eigenes Verschulden zugerechnet werden.
Gegen den dem Kläger am 12.02.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 12.03.2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger verweist auf das Urteil des Finanzgerichts vom 18.10.2007, in dem das Gericht zu dem Schluss gelangt sei, dass Kindergeld für die Jahre 1996 bis einschließlich 1998 nicht zurückverlangt werden könne. Es sei nicht nachvollziehbar, dass für einen früheren Zeitraum bei gleichem Sachverhalt Kindergeld zurückerstattet werden solle. Das Finanzgericht bescheinige, dass er die Aufnahme einer Beschäftigung in der Schweiz nicht hätte anzeigen müssen, weshalb die Unterstellung nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, er habe vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt, nicht nachvollziehbar sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.01.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2005 betreffend die Zeiträume vom 1992 bis 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Das Urteil des Finanzgerichts stehe der Bewertung einer groben Fahrlässigkeit durch unterlassene Anzeige nicht entgegen. Das Finanzgericht habe keine Anlaufhemmung im Sinne des § 170 Abs. 2 Abgabenordnung angenommen, da die Mitteilung über Änderungen der Verhältnisse beim Kindergeld, zu der der Kindergeldberechtigte nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz verpflichtet sei, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine Anzeige i. S. dieser Vorschrift sei. Das Finanzgericht sei aber von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen, was sich daraus ergebe, dass es eine leichtfertige Steuerverkürzung angenommen habe. Deshalb sei auch eine verlängerte, fünfjährige Festsetzungsfrist angewandt worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG hat entscheiden können, ist zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg sowie der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung und die Rückforderung von Kindergeld für die Zeit vom 01.08.1992 bis 31.12.1995 ist rechtmäßig.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn zum Zeitpunkt seines Erlasses vorliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist und nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zu Minderung des Anspruchs geführt haben würde.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine gesetzliche Mitteilungspflicht besteht nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I für solche Tatsachen und nach Nr. 2 für Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung - hier Kindergeld nach dem BKGG - erheblich sind.
Diese Voraussetzungen liegen für den am 26.01.1989 ergangenen Dauerverwaltungsakt zur Bewilligung von Kindergeld für die beiden Kinder des Klägers vor, denn der Kläger hat ab August 1992 Kinderzulage nach Schweizer Recht für beide Kinder erhalten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKGG (i. d. F. vom 30.01.1990) wurde Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das bereits Leistungen, die außerhalb des Geltungsbereiches des Bundeskindergeldgesetzes gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind, gezahlt werden oder bei einem entsprechenden Antrag zu zahlen wären. Nach § 8 Abs. 2 BKGG war Kindergeld jedenfalls in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Kindergeld und der niedrigeren ausländischen Leistung bezahlt. Nach dem damals geltenden § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BKGG kam es somit auf die materielle Rechtslage an und nicht darauf, ob die vergleichbare ausländische Leistung auch tatsächlich gezahlt wurde (BSG-SozR 5870 § 8 Nr. 12 und 14). Die nach Schweizer Recht unstreitig tatsächlich gewährte Kinderzulage von monatlich 160 bzw. 180 Schweizer Franken überstieg das in diesem Zeitraum gewährte Kindergeld von monatlich 120 bzw. 140 DM, sodass nach der genannten Regelung kein Anspruch auf Kindergeld bestand, auch nicht in Höhe eines Unterschiedsbetrages. Damit ist von einer leistungsschädlichen Einkommenserzielung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auszugehen. Auf die Frage des Verschuldens kommt es für diesen Rücknahmetatbestand nicht an
Auch die Pflicht zur Mitteilung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I hat der Kläger verletzt. Eine Mitteilung über die gewährte Kinderzulage aus der 1992 aufgenommenen Beschäftigung in der Schweiz hat der Kläger nicht gemacht. Der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger dieser Verpflichtung zur Mitteilung auch grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Dies ist dann der Fall, wenn der Begünstigte einfachste und (ganz) nahe liegende Überlegungen nicht angestellt bzw. dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. hierzu Kasseler Kommentar-Steinwedel, § 45 SGB X Rdnr. 39 mwN). Das Außerachtlassen von Hinweisen auf Handlungspflichten, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, ist im allgemeinen grob fahrlässig, wie auch das Unterschreiben von Formularen, ohne sich um deren Inhalt zu kümmern (vgl. Steinwedel a. a. O., mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 5870 Nr. 1 zu § 13 BKGG). Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass in den Antragsformularen, die der Kläger mit seiner Ehefrau unter dem 28.01.1986 und unter dem 30.12.1988 ausgefüllt hat, jeweils ausdrücklich nach Geldleistungen gefragt worden ist, die für die Kinder von einer Stelle außerhalb des Bundesgebiets Deutschland gewährt werden. Ebenso hat der Kläger unterschriftlich bestätigt, das "Merkblatt über Kindergeld" erhalten zu haben. Auch in dem unter den 19.01.1989 ausgefüllten Fragebogen zum Nachweis des Einkommens in den Kalenderjahren 1986 und 1987 bestätigte der Kläger, dass ihm die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung aller Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sein können, bekannt ist und ihm das Merkblatt über Kindergeld, von dessen Inhalt er Kenntnis genommen habe, vorliegt. Auf den Zeitablauf von dreieinhalb Jahre seit der Antragstellung bis zum Eintritt der maßgeblichen Änderungen kann sich der Kläger zur Entlastung nicht berufen. Spätestens zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in der Schweiz hätte Anlass bestanden, sich anhand des ausgehändigten Merkblatts oder durch gezielte Nachfrage bei der Familienkasse zu vergewissern, inwieweit sich Auswirkungen auf den Anspruch auf Kindergeld durch die Arbeitsaufnahme in der Schweiz und den Bezug von schweizer Kinderzulage ergeben. Zwar war zum Zeitpunkt der Belehrung durch Aushändigung des Merkblatts nach der damaligen Rechtslage nur die tatsächliche Gewährung von Kinderzulage nach schweizer Recht und nicht das Bestehen eines Anspruchs maßgebend. Erst 1989/1990 nach In-Kraft-Treten der Neufassung von § 8 BKGG stand bereits der Anspruch auf eine schweizer Kinderzulage der Gewährung von Kindergeld nach deutschem Recht entgegen. Ein möglicher diesbezüglicher Irrtum ist aber unerheblich, weil der Kläger unstreitig ab dem Rückforderungszeitraum die schweizer Kinderzulage auch tatsächlich erhalten hat, worauf in den genannten Informationsunterlagen entsprechend dem alten Recht abgestellt wurde. Soweit der Kläger auf die Ausführungen im Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2007 Bezug nimmt, ändert dies nichts an der Beurteilung des Senats. Auch das Finanzgericht geht von leichtfertigem Verhalten des Klägers aus. Die vom Finanzgericht angestellten Erwägungen zur Frage der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung hinsichtlich des Eintritts von Verjährung erlauben keinen Rückschluss für eine andere Bewertung des Verschuldensmaßstabs.
Die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestattetet die rückwirkende Änderung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung jedoch nur, wenn die Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrig gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlässt (§ 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Diese Regelung ist nach dem BKGG, anders als § 45 Abs. 3 SGB X (§ 11 Abs. 3 BKGG), auch anwendbar.
Die Jahresfrist beginnt mit Kenntnis der Rücknahmegründe. Hierzu gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Dauerverwaltungsaktes ergibt. Damit sind auch die Tatsachen von Bedeutung, die den Umfang der Rechtswidrigkeit bestimmen, da der Verwaltungsakt nach der Vorschrift der §§ 45, 48 SGB X zurückzunehmen ist, "soweit" er rechtswidrig ist (vgl. Steinwedel, a. a. O. § 45 Rdnr. 26 ff). Darüber hinaus muss sich die Kenntnis auch auf Tatsachen, die die übrigen Rücknahmevoraussetzungen betreffen, erstrecken. Damit sind auch die Umstände von Belang, die die Behörde im Rahmen des auszuübenden Ermessens zu berücksichtigen hat (vgl. Steinwedel a. a. O. mit Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 26 und 27). Kenntnis bedeutet das Wissen der maßgebenden Umstände mit hinreichender Sicherheit für den Erlass eines Rücknahmebescheids. Damit beginnt die Jahresfrist in der Regel frühestens mit der Anhörung des Begünstigten (vgl. Steinwedel a. a. O.; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42).
Nach diesen Grundsätzen ist die Jahresfrist seitens der Beklagten gewahrt. Am 15.04.2003 wurde der Beklagten im Rahmen des Datenaustausches mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart bekannt, dass der Kläger als Grenzgänger Einkommen in der Schweiz erzielt. In der Mitteilung sind die Jahre ab 1999 bis 2001 genannt, ohne dass erkennbar wird, ob eine frühere oder auch spätere Berufstätigkeit in der Schweiz vorliegt. Zwar kann für diesen Zeitraum unterstellt werden, dass während der Berufstätigkeit in der Schweiz auch Anspruch auf Familienzulage bestanden hat, jedoch ist nicht erkennbar, wieweit die in der Vergangenheit liegende Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids vom 26.01.1989 reicht. Aufzuklären war daher der Beginn und gegebenenfalls das Ende der Tätigkeit in der Schweiz. Der Akte ist nicht zu entnehmen, wann der Kläger erstmals aufgefordert worden ist, Angaben zu seiner Tätigkeit als Grenzgänger in der Schweiz zu machen, da ein entsprechendes Schreiben an den Kläger undatiert ist und der Entwurf des Schreibens nur eine Verfügung zur Wiedervorlage zum 10.01.2004 enthält. Jedenfalls wurde der Kläger mit Schreiben vom 20.04.2004 an die Beantwortung des übersandten Fragebogens erinnert. Die angeforderten Unterlagen sind nach beantragter Fristverlängerung jedenfalls vor Erlass des angefochtenen Bescheids vom 19.10.2004 eingegangen. Die Erklärung ist somit zwischen dem 20.04. und 19.10.2004 eingegangen, sodass die grundsätzlich hieran anknüpfende Jahresfrist mit Erlass des Bescheids am 19.10.2004 noch nicht abgelaufen war. Soweit im Schrifttum daher Zweifel bestehen, ob die Anknüpfung für den Fristbeginn an die durch die Behörde durchgeführte Anhörung zutreffend ist, da die Behörde den Fristbeginn in der Hand habe (vgl. Schoch NVwZ 1985, 880, 884; a. A. Steinwedel a.a.O.), kann dies dahinstehen. Eine Verwirkung des Rechts der Behörde auf Rücknahme durch Verzögerung des Anhörungsverfahrens (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Steinwedel a. a. O.) ist vorliegend nicht erkennbar. Eine Verwirkung liegt vor, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit gewartet hat und besondere Umstände hinzugetreten sind, die die nunmehrige Erhebung des Anspruchs als unzulässig erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 41, 275 ,278; BSGE 62, 10, 16). Zwar ist nach außen eine Tätigkeit der Beklagten erst durch das Schreiben der Beklagten vom 20.04.2004 und damit nach Ablauf eines Jahres nach Mitteilung der Oberfinanzdirektion, die Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hatte, erkennbar geworden, jedoch sind aus Sicht des Klägers in diesem Zeitraum keine Maßnahmen getroffen worden, die sein Vertrauen auf den Bestand der Kindergeldbewilligung bekräftigt hätten und die die Rücknahme der Kindergeldbewilligung für die Vergangenheit als unbillig erscheinen lassen. Allein der Zeitablauf seit Bekanntwerden der Verdachtsgründe durch den Datenaustausch, der für den Kläger auch nicht erkennbar war, begründet keine Unbilligkeit i. S. der Verwirkung bzw. zwingt zur Anknüpfung des Beginns der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 SGB X an andere Vorgänge.
Die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung liegen somit vor. Da nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt rückwirkend mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nur aufgehoben werden "soll", wenn die in den Nrn. 1 bis 4 dieser Vorschrift geregelten Voraussetzungen vorliegen, folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass die Behörde nicht in jedem Fall gezwungen ist, den Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben. Dies muss vielmehr nur im Regelfall geschehen. Ausnahmsweise kann die Behörde jedoch davon absehen. Für diesen Ausnahmefall ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, welches sich auf die Entscheidung der Frage erstreckt, ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben oder von einer Aufhebung abgesehen werden soll. Dagegen ist die Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung (BSG, Urteil vom 28.02.1990 - 10 RKg 22/89 -, veröffentlicht in juris; BSG 59, 111, 115).
In den Fällen des § 48 Abs 1 S 2 Nr. 3 SGB X kann die Frage, ob ein atypischer Fall gegeben ist, nicht losgelöst von der mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes eng zusammenhängenden Rückforderung der überzahlten Leistung beurteilt werden (BSG, Urteil vom 11.1.1989 10 RKg 12/87 = SozR 1300 § 48 Nr. 53). Die Typik oder Atypik eines besonderen Sachverhalts muss auch danach beurteilt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die mit der Aufhebung des Verwaltungsakts zusammenhängende Rückerstattung der Leistung unbillig ist (vgl BSG, Urteil vom 28.2.1990 a.a.O.). Vorliegend ist unter Berücksichtigung der Ausführungen zur groben Fahrlässigkeit des Klägers und dem Umstand, dass seitens der Beklagten kein vorwerfbares schuldhaftes Verwaltungshandeln mitgewirkt hat, kein sonstiger Umstand zu erkennen, der die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids und die Rückforderung der überzahlten Kindergeldbeträge unbillig macht. Solche sind seitens des Klägers auch nicht vorgetragen worden. Ermessenserwägungen waren daher nicht anzustellen.
Die Rückforderung des Betrages in Höhe von 2883,69 EUR, der in seiner Höhe nicht zu beanstanden ist und gegen die der Kläger auch keine Einwände erhoben hat, ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X begründet, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved