L 9 AR 49/07

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 20 AS 1819/05
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AR 49/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist eine Entscheidung noch nicht ergangen, kennt das SGG kein Rechtsmittel gegen die Untätigkeit des Gerichts (vgl. BSG, Beschlüsse vom 4. September 2007 – Az.: B 2 U 308/06 B und 21. Mai 2007 – Az.: B 1 KR 4/07 S; BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – Az.: 1 PBvU 1/02; EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 – Az.: 75529/01).
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Untätigkeit des Sozialgerichts Altenburg wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren (Az.: S 20 AS 1819/05) streiten die Beteiligten über die Zuordnung der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Beschwerdeführers zur richtigen Krankenkasse betreffend den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Mai 2005.

Der im Jahre 1957 geborene Beschwerdeführer beantragte im Dezember 2004 für sich und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau und Sohn Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte diese für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Mai 2005.

Der Beschwerdeführer legte dagegen Widerspruch ein und begehrte höhere Kosten für die Unterkunft und Heizung. Mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2005 berücksichtigte die Beklagte für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar 2005 bis 30. Mai 2005 auch die Gebühren für den Kabelanschluss als Kosten der Unterkunft. Den Beschwerdeführer führte sie in diesem Bescheid als pflichtversichertes Mitglied in der DAK (Ost), seine Ehefrau als familienversichert bei der DAK (Ost) und seinen Sohn als familienversichert bei der AOK Thüringen.

Den weitergehenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2005 zurück. Die dagegen erhobene Klage wird beim Sozialgericht Altenburg unter dem Az.: S 20 AS 591/05 geführt.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 15. Februar 2005 führte die Beklagte nunmehr auch den Sohn des Beschwerdeführers als familienversichertes Mitglied bei der DAK (Ost) im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Mai 2005.

Sowohl gegen den Änderungsbescheid vom 9. Februar 2005 als auch gegen den Änderungsbescheid vom 15. Februar 2005 legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. März 2005 abermals Widerspruch ein. Die Beklagte habe die Zugehörigkeit zur Krankenkasse mit den Bescheiden willkürlich mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geändert. Diese stehe im Widerspruch gegen das Grundrecht, eine Krankenkasse frei wählen zu können.

Gegen den nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2005 hat der Beschwerdeführer ebenfalls Klage erhoben, die am 4. Juli 2005 beim Sozialgericht Altenburg eingegangen ist. In der Folge hat die zuständige Kammervorsitzende das Verfahren wegen des engen sachlichen Zusammenhangs mit dem Rechtsstreit Az.: S 20 AS 591/05 bearbeitet. Nachdem dem Beschwerdeführer dort keine Post zugestellt werden konnte, hat die zuständige Kammervorsitzende zunächst vergeblich beim Einwohnermeldeamt zur (vermeintlich) neuen Anschrift des Beschwerdeführers ermittelt. Auf ihre Nachfrage hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor unter der alten Anschrift erreichbar ist.

Mit richterlicher Verfügung vom 10. Oktober 2007 hat die Kammervorsitzende den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Rechtsstreites mit dem Az.: S 20 AS 591/05 geworden seien. Die vorliegende Klage sei deshalb (wegen doppelter Rechtshängigkeit) unzulässig.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2007 hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er die Klage nicht zurücknehme. Außerdem hat er auf Seite 2 unten des Schriftsatzes ausgeführt: "Gleichzeitig rüge ich und lege Beschwerde ein gegen die Missachtung des beantragten beschleunigten Verfahrens durch das Gericht."

Mit richterlicher Verfügung vom 5. November 2007 hat das Sozialgericht die Beschwerde an das Thüringer Landessozialgericht weitergeleitet.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sozialgerichts Altenburg zuständigen Kammervorsitzenden aufzugeben, den Rechtsstreit mit den Az.: S 20 AS 1819/05 beschleunigt zu bearbeiten und alsbald einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Auf Hinweis des früheren Berichterstatters des Senats hat der Beschwerdeführer unter dem 3. Dezember 2007 erklärt, er halte die Beschwerde gegen die Untätigkeit des Gerichts aufrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist mangels Statthaftigkeit unzulässig.

Nach § 172 Abs. 1 SGG sind alle Entscheidungen des Sozialgerichts mit Ausnahme der Urteile und Entscheidungen des Vorsitzenden, die bereits ergangen sind, mit der Beschwerde anfechtbar soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Ist eine Entscheidung – so wie hier – noch gar nicht ergangen, mithin auch bei einer Verzögerung einer solchen Entscheidung, kennt das SGG kein Rechtsmittel gegen die Untätigkeit des Gerichts.

Die Konstruktion eines außerordentlichen Rechtsbehelfs der Untätigkeitsbeschwerde ist nicht möglich. Das in der Verfassung verankerte Gebot der Rechtsmittelklarheit erfordert, dass die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt werden und ihre Voraussetzungen für den Bürger erkennbar sind. Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, welche Ziel erreichen werden können und wie er hierzu vorgehen muss. Mit dem Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit unvereinbar ist es daher, wenn von Teilen der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts konstruiert werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Für eine im Gesetz nicht vorgesehene Untätigkeitsbeschwerde ist kein Raum (vgl. Bundessozialgericht, Beschlüsse vom 4. September 2007 – Az.: B 2 U 308/06 B und 21. Mai 2007 – Az.: B 1 KR 4/07 S; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003 – Az.: 1 PBvU 1/02; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 8. Juni 2006 – Az.: 75529/01, alle nach juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Selbst nach der teilweisen vertretenen Gegenansicht, die eine Untätigkeitsbeschwerde grundsätzlich für statthaft hält (vgl. Sächsisches Landessozialgericht (LSG)., Beschluss vom 8. Februar 2007 – Az.: L 2 B 31/07 AS; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2002 – Az.: L 10 B 29/01 SB, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Mai 2007 – Az.: L 2 B 31/07 R, alle nach juris), würde sich im vorliegenden Fall im Übrigen nichts anderes ergeben. Dann hätte der Beschwerdeführer substantiiert und inhaltlich plausibel einen sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Stillstand des Verfahrens darlegen müssen, der einer Rechtsschutzverweigerung gleichkommt (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 28. April 2005 – Az.: L 6 B 85/04 KR; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, vor § 143, Rdnr. 3 d). Sein Vortrag genügt diesen Anforderungen nicht, denn er hat lediglich lapidar gerügt, dass sein Antrag auf ein "beschleunigtes Verfahren", das im SGG nicht existiert, missachtet worden sei.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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