Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1002/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2751/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 1.250.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung der Vertragspartnerumlagen für ihre Versicherten in Baden-Württemberg und H. an die Antragstellerin verpflichtet ist.
Die Antragstellerin ist eine Innungskrankenkasse mit Sitz in Baden-Württemberg, die Antragsgegnerin eine solche mit Sitz in K., die dem Wohnortprinzip unterfällt und Versicherte im räumlichen Bereich der Antragstellerin hat.
Bei den Vertragspartnerumlagen handelt es sich Aufwendungen für Sprechstundenbedarf, also für Arzneimittel, Verbandsmittel, Materialien u.s.w., die nicht versichertenbezogen von den Vertragsärzten verordnet werden. Impfstoffe machen mit ca. 50 % den größten Teil der Kosten aus. Nach dem für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung H. geltenden Gesamtvertrag vom 7. Mai 1980 (dort § 3 Abs. 7) wird der Sprechstundenbedarf im Rahmen einer besonderen Vereinbarung zur Verfügung gestellt. Nach der Sprechstundenvereinbarung zwischen den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung H. vom 1. Juli 2005 wird der Sprechstundenbedarf auf den Namen der A. H. verordnet und die Verbände der Krankenkassen regeln die Kostenverteilung des Sprechstundenbedarfs unter sich. Die Aufteilung erfolgt ab 2005 nach der bundesweiten Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (KM 6-Statistik). In Baden-Württemberg gelten noch die Gesamtverträge, die mit den vier Rechtsvorgängern der durch Fusion mit Wirkung zum 1. Januar 2005 entstandenen Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vereinbart worden sind. Die Sprechstundenbedarfsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg datiert vom 22. Februar 2005. Die Aufteilung der Kosten erfolgt im Verhältnis der Fallzahlen der ärztlichen Behandlung der jeweiligen Kassenart.
Die Antragstellerin errechnete für die Antragsgegnerin (und andere einstrahlende Krankenkassen) die Umlagebeiträge für die Vertragspartnerumlage und forderte diese ein. Die Antragsgegnerin, die die Regelungen für sich nicht als bindend ansieht, folgte dem nicht. Die Bemühungen der Antragstellerin auf eine - aus ihrer Sicht - sachgerechte Verteilung der Vertragspartnerumlage durch Abschluss einer bundesweiten Vereinbarung oder aber einer solchen allein mit der Antragsgegnerin ("bilaterale Vereinbarung") dauern seit 1999 an. Zuletzt scheiterte der Versuch einer bundesweiten Vereinbarung auf einer Konferenz der Vorstände der IKK-Landesverbände am 26. Februar 2008. Die Antragstellerin führt das auf das Desinteresse der Antragsgegnerin am Zustandekommen der Vereinbarung zurück, was diese in Abrede stellt. Die Antragsgegnerin beziffert ihre Forderungen an die Antragsgegnerin seit 2003 einschließlich der Hochrechnungen bis 2008 auf 10.723.022,07 EUR. Für die Zukunft erwartet sie aufgrund zunehmender Mitgliederzahlen der Antragsgegnerin eine weiter steigende Kostenbelastung.
Die Antragstellerin hat am 20. März 2008 beim Sozialgericht Stuttgart Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Dieses hat sich mit Beschluss vom 28. März 2008 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen. Mit Beschluss vom 28. April 2008, den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 2. Mai 2008, hat das SG den Antrag abgelehnt, da es an einem Anordnungsgrund fehle. Die Antragstellerin habe seit 2005 Zeit gehabt, den geltend gemachten Anspruch in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Im Übrigen würde die beantragte Anordnung eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, deren Ergebnis abzuwarten der Antragstellerin auch im Hinblick auf den von ihr angegebenen Streitwert von 1.158.653,04 EUR zugemutet werden könne.
Die Antragstellerin hat hiergegen am 2. Juni 2008 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin sieht weiterhin die Antragsgegnerin als an die Sprechstundenvereinbarungen, die Teil der Gesamtverträge seien, gebunden an. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, nachdem die Verhandlungen über eine Vereinbarung gescheitert seien und die Auslagen für den Sprechstundenbedarf der insgesamt drei Direktkrankenkassen in den Jahren 2003 bis 2006 für H. und Baden-Württemberg, ergänzt um die Hochrechnung der zu erwartenden Ausgaben der Jahre 2007 und 2008, zu einer Gesamtforderung von 27.766.345,04 EUR führe. Dies mache für die Antragstellerin drei Beitragssatzzehntel aus und führe zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin bei der Mitgliederwerbung im Hinblick auf den anstehenden Gesundheitsfond.
Die Antragstellerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. April 2008 aufzuheben und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, für ihre im Bezirk der Antragstellerin wohnenden Mitglieder die gesamtvertraglich bestimmte Vertragspartnerumlage seit dem Jahre 2005 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Bereits vor dem SG hat sie vorgetragen, es liege kein Anordnungsanspruch vor, denn die Verteilung der Kosten des Sprechstundenbedarfs sei nicht Gegenstand der Gesamtverträge. Sie, die Antragsgegnerin, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen noch gar nicht gegründet gewesen sei, sei nicht in die Kostenverteilung zwischen den Krankenkassen in H. und Baden-Württemberg einbezogen. Die von ihr aufgrund der Gesamtverträge an die Kassenärztlichen Vereinigungen entrichteten Gesamtvergütungen erfolgten mit befreiender Wirkung auch für den Sprechstundenbedarf. Zudem fehle der Anordnungsgrund. Es seien weitere Verhandlungen innerhalb des IKK-Systems vorgesehen, denen sie sich nicht verschließe. Im Übrigen sei es der Antragstellerin zumutbar, das Hauptsacheverfahren durchzuführen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Diese kann auch in der Form einer vorläufigen Feststellung erfolgen (Beschluss des Senats vom 11. Juni 2008, L 11 KR 2438/08 ER-B). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Der Senat kann hier offen lassen, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist, denn es fehlt jedenfalls am Anordnungsgrund.
Unter Anordnungsgrund ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzten könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Februar 2008, L 5 KR 507/08 ER-B, ZMGR 2008, 154, und Beschluss des Senats vom 2. Juli 2008, L 11 KR 1942/08 ER-B).
Auch der Senat sieht wie das SG hier keinen Anlass einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorzugreifen. Neben der Klärung im Hauptsacheverfahren besteht die Möglichkeit eine bundesweite oder bilaterale Vereinbarung herbeizuführen. Der IKK-Landesverband Nord, dem die Antragsgegnerin angehört, hat sich zu weiteren Verhandlungen bereit erklärt (Schreiben vom 7. März 2008). Zudem hat die Antragstellerin in dem von ihr vorgelegten Schreiben vom 11. Februar 2008 der Antragsgegnerin mitgeteilt, im Falle dass keine Einigung zustande komme, die Sprechstundenvereinbarung zu kündigen. Damit bestünde zumindest für die Zukunft ein Weg, sich weiteren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen - zumindest vorübergehend - zu entziehen.
Eine Feststellung der Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung der geltend gemachten Forderung käme zudem einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich, denn die "Wettbewerbsvorteile", die die Antragstellerin nunmehr zu Unrecht bei der Antragsgegnerin sieht, kämen dann ihr selbst zugute. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist aber nur unter sehr engen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen möglich.
Die geltend gemachten "Wettbewerbsvorteile" bestehen auch nicht im vorgetragenen Umfang. Die von der Antragstellerin ins Felde geführte Gesamtforderung von 27.766.345,04 EUR kann in ihrer Gänze nicht stehen gelassen werden. Zum einen sind darin Forderungen ab 2003 enthalten, obwohl in diesem Verfahren nur die Feststellung der Zahlungspflicht ab 2005 begehrt wird. Zum anderen erfasst die Summe nicht nur die Antragsgegnerin, sondern auch zwei weitere Direktkassen, die nicht Beteiligte dieses Verfahrens sind und gegen die - soweit ersichtlich - die Antragstellerin auch nicht parallel gerichtlich vorgeht. Es ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Forderungen für 2007 und 2008 bereits fällig sind, nachdem die Antragstellerin insoweit ausdrücklich nur Hochrechnungen vorgelegt hat. Aktuell relevant wären damit nur die Forderungen für 2005 und 2006 an die Antragsgegnerin, die 2.396.821,00 EUR und 5.245.278,00 EUR, insgesamt also 7.642.099,00 EUR ausmachen (s. Übersicht auf Aktenseite 18 der Senatsakten). Das liegt deutlich unter einem Beitragszehntel, das nach den Angaben der Antragstellerin 9.805.061,00 EUR ausmacht.
Die hier vorliegende Konstellation entspricht damit nicht derjenigen, die dem Beschluss des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 3. April 2007, L 5 KA 560/07 ER-B, zugrunde lag. Dort war Antragstellerin eine kassenzahnärztliche Vereinigung und das Gericht stellte auf die Gefährdung der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung ab, wenn Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Gesamtvergütung nicht pünktlich und vollständig errichtet werden. Dass die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, wenn die Beteiligten ihre unterschiedlichen Rechtsansichten außerhalb des gerichtlichen Eilverfahrens klären und die Antragstellerin zunächst keine Zahlungen der Antragsgegnerin erhält, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bemisst sich der Streitwert in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers - im Rechtsmittelverfahren des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG - für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG), betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).
Es ist also auf das wirtschaftliche Interesse an der angestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen abzustellen. Der Streitwert orientiert sich hier an den von der Antragstellerin geltend gemachten Forderungen der Jahre 2005 bis 2008, nämlich 44.284.541,16 (45.225.115,16 EUR abzüglich 21.978,00 EUR für 2003 und 918.596,00 EUR für 2004). § 52 Abs. 4 GKG begrenzt den Streitwert auf 2.500.000,00 EUR. Nach Punkt B.7.1 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand 1. April 2007, s. www.justiz.rlp.de) beträgt der Streitwert in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Viertel bis die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache, je nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache. Von daher ist es sachgerecht, den Streitwert auf 1.250.000 EUR festzusetzen. Der Senat ändert damit zugleich die Festsetzung des Streitwerts für die erste Instanz. (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 1.250.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung der Vertragspartnerumlagen für ihre Versicherten in Baden-Württemberg und H. an die Antragstellerin verpflichtet ist.
Die Antragstellerin ist eine Innungskrankenkasse mit Sitz in Baden-Württemberg, die Antragsgegnerin eine solche mit Sitz in K., die dem Wohnortprinzip unterfällt und Versicherte im räumlichen Bereich der Antragstellerin hat.
Bei den Vertragspartnerumlagen handelt es sich Aufwendungen für Sprechstundenbedarf, also für Arzneimittel, Verbandsmittel, Materialien u.s.w., die nicht versichertenbezogen von den Vertragsärzten verordnet werden. Impfstoffe machen mit ca. 50 % den größten Teil der Kosten aus. Nach dem für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung H. geltenden Gesamtvertrag vom 7. Mai 1980 (dort § 3 Abs. 7) wird der Sprechstundenbedarf im Rahmen einer besonderen Vereinbarung zur Verfügung gestellt. Nach der Sprechstundenvereinbarung zwischen den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung H. vom 1. Juli 2005 wird der Sprechstundenbedarf auf den Namen der A. H. verordnet und die Verbände der Krankenkassen regeln die Kostenverteilung des Sprechstundenbedarfs unter sich. Die Aufteilung erfolgt ab 2005 nach der bundesweiten Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (KM 6-Statistik). In Baden-Württemberg gelten noch die Gesamtverträge, die mit den vier Rechtsvorgängern der durch Fusion mit Wirkung zum 1. Januar 2005 entstandenen Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vereinbart worden sind. Die Sprechstundenbedarfsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg datiert vom 22. Februar 2005. Die Aufteilung der Kosten erfolgt im Verhältnis der Fallzahlen der ärztlichen Behandlung der jeweiligen Kassenart.
Die Antragstellerin errechnete für die Antragsgegnerin (und andere einstrahlende Krankenkassen) die Umlagebeiträge für die Vertragspartnerumlage und forderte diese ein. Die Antragsgegnerin, die die Regelungen für sich nicht als bindend ansieht, folgte dem nicht. Die Bemühungen der Antragstellerin auf eine - aus ihrer Sicht - sachgerechte Verteilung der Vertragspartnerumlage durch Abschluss einer bundesweiten Vereinbarung oder aber einer solchen allein mit der Antragsgegnerin ("bilaterale Vereinbarung") dauern seit 1999 an. Zuletzt scheiterte der Versuch einer bundesweiten Vereinbarung auf einer Konferenz der Vorstände der IKK-Landesverbände am 26. Februar 2008. Die Antragstellerin führt das auf das Desinteresse der Antragsgegnerin am Zustandekommen der Vereinbarung zurück, was diese in Abrede stellt. Die Antragsgegnerin beziffert ihre Forderungen an die Antragsgegnerin seit 2003 einschließlich der Hochrechnungen bis 2008 auf 10.723.022,07 EUR. Für die Zukunft erwartet sie aufgrund zunehmender Mitgliederzahlen der Antragsgegnerin eine weiter steigende Kostenbelastung.
Die Antragstellerin hat am 20. März 2008 beim Sozialgericht Stuttgart Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Dieses hat sich mit Beschluss vom 28. März 2008 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen. Mit Beschluss vom 28. April 2008, den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 2. Mai 2008, hat das SG den Antrag abgelehnt, da es an einem Anordnungsgrund fehle. Die Antragstellerin habe seit 2005 Zeit gehabt, den geltend gemachten Anspruch in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Im Übrigen würde die beantragte Anordnung eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, deren Ergebnis abzuwarten der Antragstellerin auch im Hinblick auf den von ihr angegebenen Streitwert von 1.158.653,04 EUR zugemutet werden könne.
Die Antragstellerin hat hiergegen am 2. Juni 2008 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin sieht weiterhin die Antragsgegnerin als an die Sprechstundenvereinbarungen, die Teil der Gesamtverträge seien, gebunden an. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, nachdem die Verhandlungen über eine Vereinbarung gescheitert seien und die Auslagen für den Sprechstundenbedarf der insgesamt drei Direktkrankenkassen in den Jahren 2003 bis 2006 für H. und Baden-Württemberg, ergänzt um die Hochrechnung der zu erwartenden Ausgaben der Jahre 2007 und 2008, zu einer Gesamtforderung von 27.766.345,04 EUR führe. Dies mache für die Antragstellerin drei Beitragssatzzehntel aus und führe zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin bei der Mitgliederwerbung im Hinblick auf den anstehenden Gesundheitsfond.
Die Antragstellerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. April 2008 aufzuheben und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, für ihre im Bezirk der Antragstellerin wohnenden Mitglieder die gesamtvertraglich bestimmte Vertragspartnerumlage seit dem Jahre 2005 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Bereits vor dem SG hat sie vorgetragen, es liege kein Anordnungsanspruch vor, denn die Verteilung der Kosten des Sprechstundenbedarfs sei nicht Gegenstand der Gesamtverträge. Sie, die Antragsgegnerin, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen noch gar nicht gegründet gewesen sei, sei nicht in die Kostenverteilung zwischen den Krankenkassen in H. und Baden-Württemberg einbezogen. Die von ihr aufgrund der Gesamtverträge an die Kassenärztlichen Vereinigungen entrichteten Gesamtvergütungen erfolgten mit befreiender Wirkung auch für den Sprechstundenbedarf. Zudem fehle der Anordnungsgrund. Es seien weitere Verhandlungen innerhalb des IKK-Systems vorgesehen, denen sie sich nicht verschließe. Im Übrigen sei es der Antragstellerin zumutbar, das Hauptsacheverfahren durchzuführen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Diese kann auch in der Form einer vorläufigen Feststellung erfolgen (Beschluss des Senats vom 11. Juni 2008, L 11 KR 2438/08 ER-B). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Der Senat kann hier offen lassen, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist, denn es fehlt jedenfalls am Anordnungsgrund.
Unter Anordnungsgrund ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzten könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Februar 2008, L 5 KR 507/08 ER-B, ZMGR 2008, 154, und Beschluss des Senats vom 2. Juli 2008, L 11 KR 1942/08 ER-B).
Auch der Senat sieht wie das SG hier keinen Anlass einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorzugreifen. Neben der Klärung im Hauptsacheverfahren besteht die Möglichkeit eine bundesweite oder bilaterale Vereinbarung herbeizuführen. Der IKK-Landesverband Nord, dem die Antragsgegnerin angehört, hat sich zu weiteren Verhandlungen bereit erklärt (Schreiben vom 7. März 2008). Zudem hat die Antragstellerin in dem von ihr vorgelegten Schreiben vom 11. Februar 2008 der Antragsgegnerin mitgeteilt, im Falle dass keine Einigung zustande komme, die Sprechstundenvereinbarung zu kündigen. Damit bestünde zumindest für die Zukunft ein Weg, sich weiteren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen - zumindest vorübergehend - zu entziehen.
Eine Feststellung der Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung der geltend gemachten Forderung käme zudem einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich, denn die "Wettbewerbsvorteile", die die Antragstellerin nunmehr zu Unrecht bei der Antragsgegnerin sieht, kämen dann ihr selbst zugute. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist aber nur unter sehr engen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen möglich.
Die geltend gemachten "Wettbewerbsvorteile" bestehen auch nicht im vorgetragenen Umfang. Die von der Antragstellerin ins Felde geführte Gesamtforderung von 27.766.345,04 EUR kann in ihrer Gänze nicht stehen gelassen werden. Zum einen sind darin Forderungen ab 2003 enthalten, obwohl in diesem Verfahren nur die Feststellung der Zahlungspflicht ab 2005 begehrt wird. Zum anderen erfasst die Summe nicht nur die Antragsgegnerin, sondern auch zwei weitere Direktkassen, die nicht Beteiligte dieses Verfahrens sind und gegen die - soweit ersichtlich - die Antragstellerin auch nicht parallel gerichtlich vorgeht. Es ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Forderungen für 2007 und 2008 bereits fällig sind, nachdem die Antragstellerin insoweit ausdrücklich nur Hochrechnungen vorgelegt hat. Aktuell relevant wären damit nur die Forderungen für 2005 und 2006 an die Antragsgegnerin, die 2.396.821,00 EUR und 5.245.278,00 EUR, insgesamt also 7.642.099,00 EUR ausmachen (s. Übersicht auf Aktenseite 18 der Senatsakten). Das liegt deutlich unter einem Beitragszehntel, das nach den Angaben der Antragstellerin 9.805.061,00 EUR ausmacht.
Die hier vorliegende Konstellation entspricht damit nicht derjenigen, die dem Beschluss des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 3. April 2007, L 5 KA 560/07 ER-B, zugrunde lag. Dort war Antragstellerin eine kassenzahnärztliche Vereinigung und das Gericht stellte auf die Gefährdung der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung ab, wenn Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Gesamtvergütung nicht pünktlich und vollständig errichtet werden. Dass die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, wenn die Beteiligten ihre unterschiedlichen Rechtsansichten außerhalb des gerichtlichen Eilverfahrens klären und die Antragstellerin zunächst keine Zahlungen der Antragsgegnerin erhält, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bemisst sich der Streitwert in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers - im Rechtsmittelverfahren des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG - für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG), betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).
Es ist also auf das wirtschaftliche Interesse an der angestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen abzustellen. Der Streitwert orientiert sich hier an den von der Antragstellerin geltend gemachten Forderungen der Jahre 2005 bis 2008, nämlich 44.284.541,16 (45.225.115,16 EUR abzüglich 21.978,00 EUR für 2003 und 918.596,00 EUR für 2004). § 52 Abs. 4 GKG begrenzt den Streitwert auf 2.500.000,00 EUR. Nach Punkt B.7.1 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand 1. April 2007, s. www.justiz.rlp.de) beträgt der Streitwert in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Viertel bis die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache, je nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache. Von daher ist es sachgerecht, den Streitwert auf 1.250.000 EUR festzusetzen. Der Senat ändert damit zugleich die Festsetzung des Streitwerts für die erste Instanz. (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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