Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 358/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 46/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a R 80/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.01.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes bzw. einer Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit streitig.
Der am 00.00.1921 in Konin bei Lodz geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz - BEG - (vgl. den mit dem Bezirksamt für Wiedergutmachung in Koblenz geschlossenen Vergleich vom 06.05.1963). Vor der Verfolgung lebte er in Warschau. Im November 1940 wurde der Kläger in das dortige Ghetto eingewiesen, in dem er im Judenrat als Büroarbeiter tätig war. Ende Juli 1942 flüchtete er mit einigen Arbeitskollegen aus dem Ghetto und versteckte sich mit ihnen bei katholischen Frauen in Wlochy (bei Warschau). Dort lebte er bis zu seiner Befreiung im Januar 1945.
Zu seinem weiteren Verfolgungsschicksal gab der Kläger anlässlich seines Antrages auf Entschädigungsleistungen nach dem BEG wegen eines Freiheitsschadens in einer eidlichen Aussage am 15.11.1962 an, dass er nach der Befreiung nach Walbrzych (Waldenburg) gezogen sei und sich dort niedergelassen habe. Im Jahre 1946 habe er geheiratet und sei mit seiner Ehefrau und der einjährigen Tochter 1948 nach Israel ausgewandert.
Im Juni 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten. In dem Rentenantragsformular führte der Kläger aus, dass er nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehöre und sich seit 1948 in Israel aufhalte. Mit Bescheid vom 14.07.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 in Höhe von damals 167,75 Euro monatlich. Der Berechnung der Rente legte sie rentenrechtliche Zeiten vom 01.11.1940 bis zum 17.01.1945 (= Tag der Befreiung des Klägers), u.a. eine "Ghettobeitragszeit" vom 01.11.1940 bis zum 31.07.1942, zugrunde. Der Kläger legte am 22.07.2004 Widerspruch ein und machte geltend, die Zeit bis zum 31.12.1949 sei als Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts bzw. als Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Anschluss an Zeiten der Freiheitsentziehung bzw. -beschränkung ergänzend zu berücksichtigen. Insoweit führte der Kläger aus, nach der Befreiung im Januar 1945 nach Walbrzych gegangen zu sein. Dort habe er im März 1946 geheiratet und sich mit Hilfe der jüdischen illegalen Einwanderungsorganisation auf den Weg nach Palästina gemacht. Er und seine Frau seien über die Tschechoslowakei zunächst nach Österreich in das Lager Admont gekommen, wo sie etwa 1/2 Jahr lang fest gesessen hätten. Dann hätten sie nach Italien weiterfahren können und seien bis nach der Geburt der Tochter N in einem Ort bei Turin geblieben. Das Schiff, das sie nach Palästina hätte bringen sollen, sei von den Engländern aufgebracht worden und sie seien in Zypern interniert worden. Von dort aus hätten sie dann endlich im Februar 1948 nach Palästina einwandern können. In dem gesamten Zeiraum von seiner Befreiung bis Ende 1949 sei er verfolgungsbedingt krank und dadurch arbeitsunfähig gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2005 wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt nicht als Ersatzzeit anerkannt werden könne, weil der Kläger nach seiner Befreiung in Wlochy nicht das "Inland" verlassen habe.
Der Kläger hat am 20.07.2005 Klage erhoben, mit der er weiterhin die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts bzw. Arbeitsunfähigkeit vom 18.01.1945 bis zum 31.12.1949 begehrt und ergänzend vorgetragen hat, sich nach seiner Befreiung zunächst in seine Geburtsstadt Konin begeben zu haben, wo er vor dem Krieg mit den Eltern im eigenen Haus der Familie gewohnt habe, um dort nach überlebenden Familienmitgliedern zu suchen. Er habe dort jedoch niemanden vorgefunden. Das Haus sei von Deutschen beschlagnahmt worden und bei seinem Eintreffen von Polen bewohnt gewesen, die das Haus nicht hätten herausgeben wollen. Die Atmosphäre dort sei feindlich gewesen. Daher habe er sich nach Walbrzych begeben, wo sich eine große Anzahl von Überlebenden der Lager zusammengefunden habe und betreut worden sei. Von dort habe er an seine Schwester geschrieben, die bereits vor dem Krieg nach Palästina ausgewandert sei, und auf deren Antwort gewartet. Dann habe er seine spätere Frau kennen gelernt, die sich in einer ähnlichen Situation wie er selbst befunden habe, und nach wenigen Monaten hätten sie beschlossen, sich zusammen zu tun und zu heiraten. Nachdem seine Schwester geantwortet habe, dass sie ihn in Palästina erwarte, hätten sie im Frühjahr 1946 Walbrzych verlassen. Sie hätten über die Tschechoslowakei ausreisen müssen, um nach Österreich zu kommen. Von dort hätten sie versucht, sofort nach Israel zu gelangen, hätten aber in einem Lager Admont bei Graz ungefähr ein halbes Jahr abwarten müssen, bis sie die erforderlichen Papiere erhalten hätten. Von dort aus hätten sie nach Italien weiterfahren können und bis nach der Geburt der Tochter im März 1947 in einem Ort bei Turin bleiben müssen. Dann sei es ihnen gelungen, auf ein Schiff nach Palästina zu kommen. Dieses sei von den Engländern aufgebracht worden, er und seine Familie seien in Zypern interniert worden und hätten erst im Februar 1948 nach Palästina ausreisen können.
Mit Urteil vom 12.01.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, bei der Rentenberechnung eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes vom 18.01.1945 bis zum 31.12.1949 anzuerkennen und die Regelaltersrente entsprechend ab dem 01.07.1997 neu festzustellen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts weder die Zugehörigkeit zum dSK noch einen zeitweiligen Aufenthalt in Deutschland noch eine Aufenthaltsnahme im Ausland bis Mai 1945 voraussetze. Ausreichend sei vielmehr, dass die Aufenthaltsnahme im Ausland auf Verfolgungsmaßnahmen beruhe, wobei diese nicht alleinige Ursache gewesen sein müssten. Es bestehe vorliegend jedoch kein vernünftiger Zweifel, dass die Auswirkungen der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen die Auswanderung des Klägers wesentlich mitverursacht hätten. Dieser habe glaubhaft gemacht, dass er von Polen über die Tschechoslowakei, Österreich, Italien und Zypern im Februar 1948 mit dem Eintreffen in Israel seinen Aufenthalt dort habe nehmen wollen, weil er in der bisherigen Heimat im Gebiet um Konin keinen Halt mehr gefunden habe, nachdem durch die Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft von seinem familiären und sonstigen Umfeld niemand mehr überlebt habe, der ihm nahe gestanden habe. In Polen habe er nicht mehr im eigenen Haus wohnen können, weil dieses inzwischen von Polen bewohnt worden sei, die es nicht hätten herausgeben wollen. Aufgrund der Folgen und Auswirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sei der Kläger ins Ausland bzw. nach Israel gegangen, um dort einen neuen Anfang zu machen, unbelastet von den Erinnerungen an die Verfolgung, die bei ihm durch die Stätte seiner Heimat ausgelöst worden seien. Der Kläger habe verfolgungsbedingt in seiner eigenen Heimat nicht mehr richtig Fuß fassen, aber auch nicht sofort nach Israel gelangen können, weil er durch die Auswanderungsschwierigkeiten und damaligen politischen Ereignisse die historisch allgemein bekannten Schwierigkeiten gehabt habe, sofort nach Israel zu gelangen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 06.02.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.02.2006 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Anerkennung eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes seien schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einer Auswanderung des Klägers aus dem Inland fehle; denn der Kläger habe sich - was unstreitig sei - auch nach dem Ende seiner Verfolgung nicht in Deutschland aufgehalten. Abgesehen davon sei auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt vorliegend nicht gegeben. Soweit die Rechtsprechung des BSG im Einzelfall auch bei einer Auswanderung nach Kriegsende eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts anerkannt habe, seien Verfolgungsschicksale von Versicherten betroffen gewesen, die ihren Wohnsitz zu Beginn der Verfolgung in Deutschland gehabt hätten, bei deren Lebensplanung demzufolge - die Verfolgung hingeweggedacht - von einem Aufenthalt im Inland habe ausgegangen werden können. Ob ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt als Ersatzzeit in der deutschen Rentenversicherung auch dann anzuerkennen sei, wenn der Versicherte im Ausland geboren worden sei, zu Beginn der Verfolgung im Ausland gewohnt habe, dort befreit worden sei und nach der Befreiung eine neue Existenz im Ausland aufgebaut habe, sei bislang höchstrichterlich jedoch nicht entschieden. Abgesehen davon setze die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts voraus, dass aufgrund dieses Aufenthalts eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung verfolgungsbedingt unterblieben sei. Die Kompensation unterbliebener Beitragszahlungen beziehe sich mithin nur auf solche Zeiten, in denen ansonsten, also ohne die Verfolgung, aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung weiter geleistet worden wären. In seiner Entscheidung vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R) habe das Bundessozialgericht in diesem Zusammenhang erneut hervorgehoben, dass ein verfolgungsbedingter Schaden dann nicht entstanden sein könne, wenn dem Betroffenen eine Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung ohnehin nicht möglich gewesen sei. Für Personen, deren Herkunft im sog. Generalgouvernement liege, bedürfe es demnach für die Möglichkeit einer Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung der Zugehörigkeit zum FRG-berechtigten Personenkreis. Erforderlich sei insoweit die Zugehörigkeit zum dSK, die der Kläger jedoch selbst verneint habe. Bezüglich der Schilderungen des Klägers im Berufungsverfahren zu seinem Weg nach der im Januar 1945 erfolgten Befreiung sei unter Berücksichtigung der Entfernung beider Orte von ca. 210 km im Übrigen zweifelhaft, dass er binnen weniger Stunden von Konin nach Walbrzych gelangt sei. Die Entfernung zwischen Wlochy und Konin habe ca. 170 km betragen.
Die Beklagte hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2008 insoweit zurückgenommen, als der Kläger die Neufeststellung der Regelaltersrente mit Wirkung ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 18.01.1945 bis zum 08.05.1945 begehrt, und lediglich noch beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.01.2006 zu ändern und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts die Zugehörigkeit zum dSK nicht erforderlich sei, denn ansonsten bliebe diese Regelung in den meisten Fällen unanwendbar, weil die jüdischen Einwohner Mittel- und Ostpolens überwiegend keine Angehörigen des dSK gewesen seien. Der Gesetzgeber habe aber wohl kaum diesen gesamten Personenkreis von der Neuregelung ausschließen wollen. Vielmehr sei er (der Kläger) bereits durch die Anerkennung von Ghettobeitragszeiten in den Bereich des deutschen Sozialversicherungsrechts einbezogen worden. Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Anerkennung einer Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger zur Glaubhaftmachung seines damaligen Gesundheitszustandes seine Ehefrau als Zeugin benannt. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 15.08.2007 hat er ausgeführt, im Januar 1945 aus seinem Versteck in Wlochy befreit worden und von dort - über Konin - nach Walbrzych in Niederschlesien gegangen zu sein. Er habe gehofft, noch jemanden von seiner Familie finden zu können; dies sei jedoch nicht eingetreten. Er sei zunächst nach Konin und nicht nach Warschau gegangen, weil er gewusst habe, dass er in Warschau niemanden mehr gehabt habe. In Konin habe er jedoch Familie gehabt, die er dort habe suchen wollen. Er erinnere sich nicht, wie viel Zeit nach der Befreiung vergangen gewesen sei, bevor er sich auf den Weg von Wlochy nach Konin gemacht habe, welchen Weg er dorthin genommen habe und wie lange er unterwegs gewesen sei. Er sei zu Fuß gegangen und - wenn möglich - auf einen vorbeifahrenden Pferdewagen gesprungen. In Konin habe er sich ca. eine Woche aufgehalten und sei dann mit dem Zug nach Walbrzych gefahren, wobei er einige Stunden unterwegs gewesen sei. Er sei nach Walbrzych gegangen, weil es dort eine Ansammlung von überlebenden Juden gegeben habe, die von dort aus nach Israel hätten fahren wollen. Es habe dort eine Organisation gegeben, die sich bemüht habe, dieses zu ermöglichen. Während seines mehrjährigen Aufenthaltes im Versteck habe er unbehandelte Leiden gehabt und sei zu Ärzten und Krankenhäusern gegangen, die ihn jedoch nicht hätten annehmen und behandeln wollen. Er habe an jahrelanger Unterernährung gelitten und nicht richtig essen können. Im Versteck habe er an Typhusfieber, Dysenterie und Hautausschlag gelitten. Er habe eine unbehandelte Verletzung am Bein gehabt und nach Jahren der Angst, entdeckt zu werden, auch an Schlaflosigkeit gelitten. Tagsüber habe er unerträgliche Kopfschmerzen gehabt. Es seien immer mehr Juden nach Walbrzych gekommen und es habe sich ein Übergangslager gebildet, wo man begonnen habe, ihnen zu helfen. Da so kurz nach dem Krieg nicht viel vorhanden gewesen sei, habe es kaum Medikamente gegeben, mit denen er hätte versorgt werden können. Da keine geregelte Behandlung möglich gewesen sei, habe er natürlich auch keine entsprechenden Unterlagen. Er habe reisefähig werden wollen, um zu seiner Schwester nach Israel ziehen zu können. In dieser Zeit habe er auch seine Frau kennen gelernt, die er 1946 geheiratet habe. Gemeinsam hätten sie sich über verschiedene Stationen auf den Auswanderungsweg gemacht, bis sie schließlich 1948 von Italien aus ein Schiff nach Israel genommen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) sowie die Akte des Amtes für Wiedergutmachung, Saarburg, (Az: xxx) verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die - nach Rücknahme der Berufung im Übrigen lediglich noch gegen die Anerkennung einer Ersatzzeit vom 09.05.1945 bis 31.12.1949 gerichtete - zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Berechnung der Regelaltersrente eine Ersatzzeit auf Grund verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes für die Zeit vom 09.05.1945 bis zum 31.12.1949 zugrunde zu legen, denn der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2005 ist insoweit rechtswidrig.
Nach § 250 Abs. 1 Zif. 4 Buchst. b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - sind Ersatzzeiten u.a. Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 des BEG gehören.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Kläger ist unstreitig Verfolgter im Sinne des § 1 BEG (vgl. insoweit auch den mit dem Bezirksamt für Wiedergutmachung in Koblenz geschlossenen Vergleich vom 06.05.1963). Er macht die Berücksichtigung von Ersatzzeiten geltend, die nach dem vollendeten 14. Lebensjahr (hier: 05.05.1935) und vor dem 01.01.1992 liegen. Während des streitigen Zeitraumes hat auch keine Versicherungspflicht bestanden. Insoweit kann offen bleiben, ob der Kläger vom Zeitpunkt seiner Einreise nach Israel bis zum 31.12.1949 Beiträge zur israelischen Nationalversicherung entrichtet hat; denn die Anrechnung von Ersatzzeiten bis zum 31.12.1949 erfolgt allein auf Grund der Tatsache, dass der Verfolgte, sich auf Grund von Verfolgungsmaßnahmen im Ausland aufgehalten hat (- dazu siehe unten -; vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 7/05 R, in SozR 4-2600 § 250 Nr. 2, m.w.N.).
Ferner hat der Kläger seinen Wohnsitz bis zum 30.06.1945 außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen. Er hielt sich vor Kriegsende verfolgungsbedingt im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, nämlich zunächst in Konin (Reichsgau Wartheland) und nachfolgend in Walbrzych (Niederschlesien) auf - dort galten seit dem 01.01.1942 die Ostgebieteverordnung vom 22.12.1942 bzw. seit dem 01.01.1940 die "Schlesien-Verordnung" vom 16. Januar 1940 - und hat diesen mit Kriegsende am 08.05.1945 verlassen.
Der Senat hält es für glaubhaft gemacht - und auf diesen Beweismaßstab kommt es gemäß § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG - (iVm § 1 Abs.2 ZRBG) im Rahmen des § 250 Abs.1 Ziffer 4 b SGB VI an -, dass sich der Kläger vor Ende des Krieges am 08.05.1945 (zuletzt) in Walbrzych aufhielt.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss also mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr.4).
Nach der dabei erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände ist es unter Berücksichtigung seiner schlüssigen und widerspruchsfreien Schilderungen überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger, der - wie ihm bekannt war - seine Familie in Warschau verloren hatte, sich von seinem Befreiungsort Wlochy (bei Warschau) aus zunächst in seinen Geburtsort Konin begab, um dort Überlebende seiner Familie zu suchen. Nachdem er dort jedoch keine Verwandten mehr auffand und das Haus der Familie von Polen bewohnt war, die es nicht herausgeben wollten, begab er sich ca. eine Woche später von Konin nach Walbrzych. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Kläger keine genauen Angaben mehr zu dem zeitlichen Ablauf seines Weges von Wlochy über Konin nach Walbrzych machen kann. Dennoch ist es - auch unter Berücksichtigungen der Angaben der Beklagten - überwiegend wahrscheinlich, dass er noch vor Ende des Krieges am 08.05.1945 Niederschlesien - und damit den Geltungsbereich der RVO - erreichte. Der Kläger hatte von Wlochy bis Konin - entsprechend der Angaben der Beklagten - eine Wegstrecke von ca. 170 km zu bewältigen, die er im Wesentlichen zu Fuß zurücklegte. Selbst bei einer täglichen Wegstrecke von nur 5 km hätte der Kläger den Weg dann aber bereits in 34 Tagen zurückgelegt und Konin somit schon ca. Ende Februar (1945) erreicht. In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger sich in Konin lediglich eine Woche aufhielt und anschließend mit dem Zug auf den Weg nach Walbrzych machte, das nach den Angaben der Beklagten ca. 210 km von Konin entfernt lag, ist es auch überwiegend wahrscheinlich, dass die Zugfahrt - den Schilderungen des Klägers folgend - lediglich wenige Stunden dauerte und er Walbrzych noch vor Ende des Krieges erreichte.
Hat sich der Kläger aber vor Kriegsende in Walbrzych (Niederschlesien) aufgehalten, so hat er den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze mit Kriegsende am 08.05.1945 verlassen und sich folglich im Ausland befunden; denn zu diesem Zeitpunkt endete die faktische Zugehörigkeit Niederschlesiens zum deutschen Reich (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.1978 - 5 RJ 86/77 -).
Der - mit Kriegsende beginnende - Auslandsaufenthalt des Klägers wurde auch durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen. Nach der Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung" ist jede Bedingung ursächlich, die nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (BSG, Urteil vom 13.09.1978, a.a.O.; grundlegend: BSGE 13, 175). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hat das BSG in der zuvor genannten Entscheidung die Verfolgung als wesentliche Bedingung für den Auslandsaufenthalt angenommen, wenn sich ein Verfolgter verfolgungsbedingt bei Kriegsende in einem Gebiet befunden hat, in dem bis zum Kriegsende die Reichsversicherungsgesetze anwendbar waren, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich jedoch mit seiner Befreiung beendet wurde, das also Ausland wurde. Der Auslandsaufenthalt habe - so das BSG - insofern nicht nach dem Krieg, sondern mit dem Kriegsende begonnen. Insbesondere eines "Ortswechsels" im Sinne des Überschreitens von Staatsgrenzen oder Demarkationslinien bedarf es danach somit nicht. Nichts anderes ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 250 Abs.1 Nr.4 b SGB VI. Danach sollten auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich dieser Vorschrift erfasst werden, die jemals in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt waren - und sei es auch nur durch Eingliederung ihres Heimatgebietes. Ihnen sollte (längstens bis zum 31.12.1949) eine Überlegungsfrist zur Rückkehr in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze eingeräumt werden, ohne dass den Versicherten im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Aufenthalt im Ausland und die daher nicht bestehende Möglichkeit des Aufbaus weiterer Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung Nachteile in der Rentenversicherung entstehen (BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 7/05 R -).
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger seinen Aufenthalt im Ausland verfolgungsbedingt genommen und auch bis zum 31.12.1949 beibehalten. Er hielt sich bis zum Kriegsende aufgrund der Verfolgung in Walbrzych (Niederschlesien) auf, denn er hatte durch die Verfolgung seine Familie in Warschau verloren und sich nach seiner Befreiung nach Walbrzych begeben, um von dort nach Palästina auszuwandern, nachdem er auch in Konin, seinem Geburtsort, keine Verwandten mehr gefunden hatte. Er ging nach Walbrzych, weil es dort ein "Lager" für Juden gab, in dem sie betreut wurden. Dort hielt er sich einige Zeit auf, um sich behandeln zu lassen und um die Antwort seiner Schwester aus Palästina abzuwarten, ob er dorthin kommen könne. Der Umstand, dass der Kläger sich mehrere Monate in Walbrzych befand und dort heiratete, unterbricht den Zusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt nicht; denn dies vermag nicht die Annahme zu begründen, dass er sich mit seinem Verfolgungsschicksal abgefunden hatte und in Walbrzych auf Dauer niederlassen wollte. Der Kläger war vielmehr von Beginn an nach Walbrzych gegangen, um von dort nach Palästina auszuwandern, weil dort noch eine Schwester lebte. Nachdem seine Schwester mitgeteilt hatte, dass sie ihn in Palästina erwarte, bereitete der Kläger seine Auswanderung vor. So befand er sich bereits im Juli 1946 im DP-Lager Admont. Der Aufenthalt in diesem Lager diente - entsprechend dem Zweck der DP-Lager - der Auswanderung nach Palästina. Auch der nachfolgende Aufenthalt in Österreich, Italien und Zypern war durch Nachwirkungen der Verfolgung bedingt; denn der Kläger wollte von vornherein wegen der Verfolgung Europa verlassen und nach Palästina einwandern, wenn ihm dies auch erst im Juni 1948 gelungen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es vorliegend im Übrigen unerheblich, dass sich der Kläger weder anfänglich im Kerngebiet des Deutschen Reiches aufhielt oder dorthin zurückkehrte, noch dass er nach dem 08.05.1945 an seinem damaligen Aufenthaltsort keine Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung erwerben konnte, weil er sich (nur) bis zum 08.05.1945 durch Eingliederung Niederschlesiens im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze befand; denn für die Berücksichtigung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten ist weder ein anfänglicher Aufenthalt noch eine Rückkehr im bzw. ins "Kerngebiet" des Deutschen Reiches erforderlich (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 15.06.2007, Az: L 14 R 363/06). Schon in seiner Entscheidung vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) hat das BSG die Tatsache, dass der dortige Kläger (der von 1920 bis 1938 in Deutschland lebte, dann nach Polen in das Ghetto Warschau ausgewiesen und 1944 in ein SS-Lager in Österreich gebracht wurde, wo er im Mai 1945 befreit wurde) letztlich erst nach Deutschland hätte zurückkehren müssen, um durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben, während die in Deutschland befreiten Verfolgten die Möglichkeit hatten, dort (unmittelbar) durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben, nicht als anspruchsausschließend angesehen. Gerade hierfür habe der Gesetzgeber den Verfolgten, die sich bei Kriegsende im Ausland befunden hätten, eine Überlegungsfrist bis zum 31.12.1949 eingeräumt. Im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 13.09.1978 hat das BSG auch in seinem jüngsten Urteil vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R) ausgeführt, dass auch einem Versicherten, der erst durch Eingliederung seines Heimatgebiets in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt und nach dem Ende der Verfolgungsmaßnahmen ausgewandert sei, die Folgezeit bis Ende 1949 als Verfolgungsersatzzeit im Sinne einer rentenunschädlichen "Überlegungsfrist" anzurechnen sei. Der Umstand, dass die dortige Klägerin (die in Lodz geboren und dort bis zu ihrer Befreiung im Januar 1945 nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt war) - außer während ihrer Verfolgungszeit - einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung zu keinem weiteren Zeitpunkt aufgewiesen habe, schließe - so das BSG in der genannten Entscheidung - ihren Anspruch auf Anrechnung von Verfolgungsersatzzeiten grundsätzlich nicht aus; denn allein mit Zurücklegung dieser Zeiten sei ein Tatbestand gesetzt worden, der - in Verbindung mit der Verfolgteneigenschaft - das Geltendmachen einer Ersatzzeit im Sinne von § 250 Abs.1 Nr.4 SGB VI ermögliche. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R) auf Grund der dortigen Formulierung, die (den Verfolgten bis zum 31.12.1945 zustehende) Überlegungsfrist sei "jedenfalls dann" einzuräumen, wenn Deutschland nicht lediglich kurzfristige Zwischenstation bei der Ausreise gewesen, sondern - wie in dem dort zu entscheidenden Fall - ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland (im Anschluss an den Aufenthalt in den (ehemaligen) eingegliederten und besetzten Gebieten) begründet worden sei, missverständlich ist. Daraus lässt sich jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht schließen, dass nunmehr ein Aufenthalt in Deutschland im Anschluss an den Aufenthalt in den (ehemaligen) eingegliederten oder besetzten Gebieten grundsätzlich Voraussetzung für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes ist; denn dies würde eine völlige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 13.09.1978 - 5 RJ 86/77 - und vom 14.08.2003 - B 13 RJ 27/03 R -) bedeuten, ohne dass der 13. Senat dies - was ggf. aber zu erwarten gewesen wäre - in seiner Entscheidung vom 29.03.2006 in irgend einer Weise kenntlich gemacht hat.
Soweit die Beklagte schließlich unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R) die Auffassung vertritt, eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes liege mangels eines entsprechenden Schadens nicht vor, wenn dem Verfolgten aufgrund des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung ohnehin nicht möglich gewesen sei, vermag dies eine andere Beurteilung vorliegend nicht zu rechtfertigen; denn der der Entscheidung des BSG zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier zu entscheidenden nicht vergleichbar. Während in dem dortigen Streitverfahren die Klägerin zu keiner Zeit einen Bezug zu den Reichsversicherungsgesetzen aufwies (sie floh aus ihrer Heimat, in der zu keinem Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze galten, in ein drittes Land und kehrte nach der Befreiung in ihre Heimat zurück), ist vorliegend - wie bereits ausgeführt - durch den Aufenthalt des Klägers in Niederschlesien bis zum Kriegsende ein solcher Bezug gegeben.
Da somit bereits die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts vom 09.05.1945 bis zum 31.12.1949 erfüllt sind, bedarf es vorliegend keiner Prüfung mehr, ob in dem streitigen Zeitraum darüber hinaus eine Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat im Hinblick auf die dargestellten, nicht eindeutigen Ausführungen des BSG (Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 7/05 R -) zu der Frage, ob die Anerkennung eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts als Ersatzzeit zumindest eine Zwischenstation in Deutschland erfordert, gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes bzw. einer Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit streitig.
Der am 00.00.1921 in Konin bei Lodz geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz - BEG - (vgl. den mit dem Bezirksamt für Wiedergutmachung in Koblenz geschlossenen Vergleich vom 06.05.1963). Vor der Verfolgung lebte er in Warschau. Im November 1940 wurde der Kläger in das dortige Ghetto eingewiesen, in dem er im Judenrat als Büroarbeiter tätig war. Ende Juli 1942 flüchtete er mit einigen Arbeitskollegen aus dem Ghetto und versteckte sich mit ihnen bei katholischen Frauen in Wlochy (bei Warschau). Dort lebte er bis zu seiner Befreiung im Januar 1945.
Zu seinem weiteren Verfolgungsschicksal gab der Kläger anlässlich seines Antrages auf Entschädigungsleistungen nach dem BEG wegen eines Freiheitsschadens in einer eidlichen Aussage am 15.11.1962 an, dass er nach der Befreiung nach Walbrzych (Waldenburg) gezogen sei und sich dort niedergelassen habe. Im Jahre 1946 habe er geheiratet und sei mit seiner Ehefrau und der einjährigen Tochter 1948 nach Israel ausgewandert.
Im Juni 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten. In dem Rentenantragsformular führte der Kläger aus, dass er nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehöre und sich seit 1948 in Israel aufhalte. Mit Bescheid vom 14.07.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 in Höhe von damals 167,75 Euro monatlich. Der Berechnung der Rente legte sie rentenrechtliche Zeiten vom 01.11.1940 bis zum 17.01.1945 (= Tag der Befreiung des Klägers), u.a. eine "Ghettobeitragszeit" vom 01.11.1940 bis zum 31.07.1942, zugrunde. Der Kläger legte am 22.07.2004 Widerspruch ein und machte geltend, die Zeit bis zum 31.12.1949 sei als Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts bzw. als Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Anschluss an Zeiten der Freiheitsentziehung bzw. -beschränkung ergänzend zu berücksichtigen. Insoweit führte der Kläger aus, nach der Befreiung im Januar 1945 nach Walbrzych gegangen zu sein. Dort habe er im März 1946 geheiratet und sich mit Hilfe der jüdischen illegalen Einwanderungsorganisation auf den Weg nach Palästina gemacht. Er und seine Frau seien über die Tschechoslowakei zunächst nach Österreich in das Lager Admont gekommen, wo sie etwa 1/2 Jahr lang fest gesessen hätten. Dann hätten sie nach Italien weiterfahren können und seien bis nach der Geburt der Tochter N in einem Ort bei Turin geblieben. Das Schiff, das sie nach Palästina hätte bringen sollen, sei von den Engländern aufgebracht worden und sie seien in Zypern interniert worden. Von dort aus hätten sie dann endlich im Februar 1948 nach Palästina einwandern können. In dem gesamten Zeiraum von seiner Befreiung bis Ende 1949 sei er verfolgungsbedingt krank und dadurch arbeitsunfähig gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2005 wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt nicht als Ersatzzeit anerkannt werden könne, weil der Kläger nach seiner Befreiung in Wlochy nicht das "Inland" verlassen habe.
Der Kläger hat am 20.07.2005 Klage erhoben, mit der er weiterhin die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts bzw. Arbeitsunfähigkeit vom 18.01.1945 bis zum 31.12.1949 begehrt und ergänzend vorgetragen hat, sich nach seiner Befreiung zunächst in seine Geburtsstadt Konin begeben zu haben, wo er vor dem Krieg mit den Eltern im eigenen Haus der Familie gewohnt habe, um dort nach überlebenden Familienmitgliedern zu suchen. Er habe dort jedoch niemanden vorgefunden. Das Haus sei von Deutschen beschlagnahmt worden und bei seinem Eintreffen von Polen bewohnt gewesen, die das Haus nicht hätten herausgeben wollen. Die Atmosphäre dort sei feindlich gewesen. Daher habe er sich nach Walbrzych begeben, wo sich eine große Anzahl von Überlebenden der Lager zusammengefunden habe und betreut worden sei. Von dort habe er an seine Schwester geschrieben, die bereits vor dem Krieg nach Palästina ausgewandert sei, und auf deren Antwort gewartet. Dann habe er seine spätere Frau kennen gelernt, die sich in einer ähnlichen Situation wie er selbst befunden habe, und nach wenigen Monaten hätten sie beschlossen, sich zusammen zu tun und zu heiraten. Nachdem seine Schwester geantwortet habe, dass sie ihn in Palästina erwarte, hätten sie im Frühjahr 1946 Walbrzych verlassen. Sie hätten über die Tschechoslowakei ausreisen müssen, um nach Österreich zu kommen. Von dort hätten sie versucht, sofort nach Israel zu gelangen, hätten aber in einem Lager Admont bei Graz ungefähr ein halbes Jahr abwarten müssen, bis sie die erforderlichen Papiere erhalten hätten. Von dort aus hätten sie nach Italien weiterfahren können und bis nach der Geburt der Tochter im März 1947 in einem Ort bei Turin bleiben müssen. Dann sei es ihnen gelungen, auf ein Schiff nach Palästina zu kommen. Dieses sei von den Engländern aufgebracht worden, er und seine Familie seien in Zypern interniert worden und hätten erst im Februar 1948 nach Palästina ausreisen können.
Mit Urteil vom 12.01.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, bei der Rentenberechnung eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes vom 18.01.1945 bis zum 31.12.1949 anzuerkennen und die Regelaltersrente entsprechend ab dem 01.07.1997 neu festzustellen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts weder die Zugehörigkeit zum dSK noch einen zeitweiligen Aufenthalt in Deutschland noch eine Aufenthaltsnahme im Ausland bis Mai 1945 voraussetze. Ausreichend sei vielmehr, dass die Aufenthaltsnahme im Ausland auf Verfolgungsmaßnahmen beruhe, wobei diese nicht alleinige Ursache gewesen sein müssten. Es bestehe vorliegend jedoch kein vernünftiger Zweifel, dass die Auswirkungen der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen die Auswanderung des Klägers wesentlich mitverursacht hätten. Dieser habe glaubhaft gemacht, dass er von Polen über die Tschechoslowakei, Österreich, Italien und Zypern im Februar 1948 mit dem Eintreffen in Israel seinen Aufenthalt dort habe nehmen wollen, weil er in der bisherigen Heimat im Gebiet um Konin keinen Halt mehr gefunden habe, nachdem durch die Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft von seinem familiären und sonstigen Umfeld niemand mehr überlebt habe, der ihm nahe gestanden habe. In Polen habe er nicht mehr im eigenen Haus wohnen können, weil dieses inzwischen von Polen bewohnt worden sei, die es nicht hätten herausgeben wollen. Aufgrund der Folgen und Auswirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sei der Kläger ins Ausland bzw. nach Israel gegangen, um dort einen neuen Anfang zu machen, unbelastet von den Erinnerungen an die Verfolgung, die bei ihm durch die Stätte seiner Heimat ausgelöst worden seien. Der Kläger habe verfolgungsbedingt in seiner eigenen Heimat nicht mehr richtig Fuß fassen, aber auch nicht sofort nach Israel gelangen können, weil er durch die Auswanderungsschwierigkeiten und damaligen politischen Ereignisse die historisch allgemein bekannten Schwierigkeiten gehabt habe, sofort nach Israel zu gelangen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 06.02.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.02.2006 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Anerkennung eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes seien schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einer Auswanderung des Klägers aus dem Inland fehle; denn der Kläger habe sich - was unstreitig sei - auch nach dem Ende seiner Verfolgung nicht in Deutschland aufgehalten. Abgesehen davon sei auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt vorliegend nicht gegeben. Soweit die Rechtsprechung des BSG im Einzelfall auch bei einer Auswanderung nach Kriegsende eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts anerkannt habe, seien Verfolgungsschicksale von Versicherten betroffen gewesen, die ihren Wohnsitz zu Beginn der Verfolgung in Deutschland gehabt hätten, bei deren Lebensplanung demzufolge - die Verfolgung hingeweggedacht - von einem Aufenthalt im Inland habe ausgegangen werden können. Ob ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt als Ersatzzeit in der deutschen Rentenversicherung auch dann anzuerkennen sei, wenn der Versicherte im Ausland geboren worden sei, zu Beginn der Verfolgung im Ausland gewohnt habe, dort befreit worden sei und nach der Befreiung eine neue Existenz im Ausland aufgebaut habe, sei bislang höchstrichterlich jedoch nicht entschieden. Abgesehen davon setze die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts voraus, dass aufgrund dieses Aufenthalts eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung verfolgungsbedingt unterblieben sei. Die Kompensation unterbliebener Beitragszahlungen beziehe sich mithin nur auf solche Zeiten, in denen ansonsten, also ohne die Verfolgung, aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung weiter geleistet worden wären. In seiner Entscheidung vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R) habe das Bundessozialgericht in diesem Zusammenhang erneut hervorgehoben, dass ein verfolgungsbedingter Schaden dann nicht entstanden sein könne, wenn dem Betroffenen eine Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung ohnehin nicht möglich gewesen sei. Für Personen, deren Herkunft im sog. Generalgouvernement liege, bedürfe es demnach für die Möglichkeit einer Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung der Zugehörigkeit zum FRG-berechtigten Personenkreis. Erforderlich sei insoweit die Zugehörigkeit zum dSK, die der Kläger jedoch selbst verneint habe. Bezüglich der Schilderungen des Klägers im Berufungsverfahren zu seinem Weg nach der im Januar 1945 erfolgten Befreiung sei unter Berücksichtigung der Entfernung beider Orte von ca. 210 km im Übrigen zweifelhaft, dass er binnen weniger Stunden von Konin nach Walbrzych gelangt sei. Die Entfernung zwischen Wlochy und Konin habe ca. 170 km betragen.
Die Beklagte hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2008 insoweit zurückgenommen, als der Kläger die Neufeststellung der Regelaltersrente mit Wirkung ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 18.01.1945 bis zum 08.05.1945 begehrt, und lediglich noch beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.01.2006 zu ändern und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts die Zugehörigkeit zum dSK nicht erforderlich sei, denn ansonsten bliebe diese Regelung in den meisten Fällen unanwendbar, weil die jüdischen Einwohner Mittel- und Ostpolens überwiegend keine Angehörigen des dSK gewesen seien. Der Gesetzgeber habe aber wohl kaum diesen gesamten Personenkreis von der Neuregelung ausschließen wollen. Vielmehr sei er (der Kläger) bereits durch die Anerkennung von Ghettobeitragszeiten in den Bereich des deutschen Sozialversicherungsrechts einbezogen worden. Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Anerkennung einer Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger zur Glaubhaftmachung seines damaligen Gesundheitszustandes seine Ehefrau als Zeugin benannt. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 15.08.2007 hat er ausgeführt, im Januar 1945 aus seinem Versteck in Wlochy befreit worden und von dort - über Konin - nach Walbrzych in Niederschlesien gegangen zu sein. Er habe gehofft, noch jemanden von seiner Familie finden zu können; dies sei jedoch nicht eingetreten. Er sei zunächst nach Konin und nicht nach Warschau gegangen, weil er gewusst habe, dass er in Warschau niemanden mehr gehabt habe. In Konin habe er jedoch Familie gehabt, die er dort habe suchen wollen. Er erinnere sich nicht, wie viel Zeit nach der Befreiung vergangen gewesen sei, bevor er sich auf den Weg von Wlochy nach Konin gemacht habe, welchen Weg er dorthin genommen habe und wie lange er unterwegs gewesen sei. Er sei zu Fuß gegangen und - wenn möglich - auf einen vorbeifahrenden Pferdewagen gesprungen. In Konin habe er sich ca. eine Woche aufgehalten und sei dann mit dem Zug nach Walbrzych gefahren, wobei er einige Stunden unterwegs gewesen sei. Er sei nach Walbrzych gegangen, weil es dort eine Ansammlung von überlebenden Juden gegeben habe, die von dort aus nach Israel hätten fahren wollen. Es habe dort eine Organisation gegeben, die sich bemüht habe, dieses zu ermöglichen. Während seines mehrjährigen Aufenthaltes im Versteck habe er unbehandelte Leiden gehabt und sei zu Ärzten und Krankenhäusern gegangen, die ihn jedoch nicht hätten annehmen und behandeln wollen. Er habe an jahrelanger Unterernährung gelitten und nicht richtig essen können. Im Versteck habe er an Typhusfieber, Dysenterie und Hautausschlag gelitten. Er habe eine unbehandelte Verletzung am Bein gehabt und nach Jahren der Angst, entdeckt zu werden, auch an Schlaflosigkeit gelitten. Tagsüber habe er unerträgliche Kopfschmerzen gehabt. Es seien immer mehr Juden nach Walbrzych gekommen und es habe sich ein Übergangslager gebildet, wo man begonnen habe, ihnen zu helfen. Da so kurz nach dem Krieg nicht viel vorhanden gewesen sei, habe es kaum Medikamente gegeben, mit denen er hätte versorgt werden können. Da keine geregelte Behandlung möglich gewesen sei, habe er natürlich auch keine entsprechenden Unterlagen. Er habe reisefähig werden wollen, um zu seiner Schwester nach Israel ziehen zu können. In dieser Zeit habe er auch seine Frau kennen gelernt, die er 1946 geheiratet habe. Gemeinsam hätten sie sich über verschiedene Stationen auf den Auswanderungsweg gemacht, bis sie schließlich 1948 von Italien aus ein Schiff nach Israel genommen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) sowie die Akte des Amtes für Wiedergutmachung, Saarburg, (Az: xxx) verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die - nach Rücknahme der Berufung im Übrigen lediglich noch gegen die Anerkennung einer Ersatzzeit vom 09.05.1945 bis 31.12.1949 gerichtete - zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Berechnung der Regelaltersrente eine Ersatzzeit auf Grund verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes für die Zeit vom 09.05.1945 bis zum 31.12.1949 zugrunde zu legen, denn der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2005 ist insoweit rechtswidrig.
Nach § 250 Abs. 1 Zif. 4 Buchst. b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - sind Ersatzzeiten u.a. Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 des BEG gehören.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Kläger ist unstreitig Verfolgter im Sinne des § 1 BEG (vgl. insoweit auch den mit dem Bezirksamt für Wiedergutmachung in Koblenz geschlossenen Vergleich vom 06.05.1963). Er macht die Berücksichtigung von Ersatzzeiten geltend, die nach dem vollendeten 14. Lebensjahr (hier: 05.05.1935) und vor dem 01.01.1992 liegen. Während des streitigen Zeitraumes hat auch keine Versicherungspflicht bestanden. Insoweit kann offen bleiben, ob der Kläger vom Zeitpunkt seiner Einreise nach Israel bis zum 31.12.1949 Beiträge zur israelischen Nationalversicherung entrichtet hat; denn die Anrechnung von Ersatzzeiten bis zum 31.12.1949 erfolgt allein auf Grund der Tatsache, dass der Verfolgte, sich auf Grund von Verfolgungsmaßnahmen im Ausland aufgehalten hat (- dazu siehe unten -; vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 7/05 R, in SozR 4-2600 § 250 Nr. 2, m.w.N.).
Ferner hat der Kläger seinen Wohnsitz bis zum 30.06.1945 außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen. Er hielt sich vor Kriegsende verfolgungsbedingt im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, nämlich zunächst in Konin (Reichsgau Wartheland) und nachfolgend in Walbrzych (Niederschlesien) auf - dort galten seit dem 01.01.1942 die Ostgebieteverordnung vom 22.12.1942 bzw. seit dem 01.01.1940 die "Schlesien-Verordnung" vom 16. Januar 1940 - und hat diesen mit Kriegsende am 08.05.1945 verlassen.
Der Senat hält es für glaubhaft gemacht - und auf diesen Beweismaßstab kommt es gemäß § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG - (iVm § 1 Abs.2 ZRBG) im Rahmen des § 250 Abs.1 Ziffer 4 b SGB VI an -, dass sich der Kläger vor Ende des Krieges am 08.05.1945 (zuletzt) in Walbrzych aufhielt.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss also mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr.4).
Nach der dabei erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände ist es unter Berücksichtigung seiner schlüssigen und widerspruchsfreien Schilderungen überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger, der - wie ihm bekannt war - seine Familie in Warschau verloren hatte, sich von seinem Befreiungsort Wlochy (bei Warschau) aus zunächst in seinen Geburtsort Konin begab, um dort Überlebende seiner Familie zu suchen. Nachdem er dort jedoch keine Verwandten mehr auffand und das Haus der Familie von Polen bewohnt war, die es nicht herausgeben wollten, begab er sich ca. eine Woche später von Konin nach Walbrzych. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Kläger keine genauen Angaben mehr zu dem zeitlichen Ablauf seines Weges von Wlochy über Konin nach Walbrzych machen kann. Dennoch ist es - auch unter Berücksichtigungen der Angaben der Beklagten - überwiegend wahrscheinlich, dass er noch vor Ende des Krieges am 08.05.1945 Niederschlesien - und damit den Geltungsbereich der RVO - erreichte. Der Kläger hatte von Wlochy bis Konin - entsprechend der Angaben der Beklagten - eine Wegstrecke von ca. 170 km zu bewältigen, die er im Wesentlichen zu Fuß zurücklegte. Selbst bei einer täglichen Wegstrecke von nur 5 km hätte der Kläger den Weg dann aber bereits in 34 Tagen zurückgelegt und Konin somit schon ca. Ende Februar (1945) erreicht. In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger sich in Konin lediglich eine Woche aufhielt und anschließend mit dem Zug auf den Weg nach Walbrzych machte, das nach den Angaben der Beklagten ca. 210 km von Konin entfernt lag, ist es auch überwiegend wahrscheinlich, dass die Zugfahrt - den Schilderungen des Klägers folgend - lediglich wenige Stunden dauerte und er Walbrzych noch vor Ende des Krieges erreichte.
Hat sich der Kläger aber vor Kriegsende in Walbrzych (Niederschlesien) aufgehalten, so hat er den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze mit Kriegsende am 08.05.1945 verlassen und sich folglich im Ausland befunden; denn zu diesem Zeitpunkt endete die faktische Zugehörigkeit Niederschlesiens zum deutschen Reich (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.1978 - 5 RJ 86/77 -).
Der - mit Kriegsende beginnende - Auslandsaufenthalt des Klägers wurde auch durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen. Nach der Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung" ist jede Bedingung ursächlich, die nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (BSG, Urteil vom 13.09.1978, a.a.O.; grundlegend: BSGE 13, 175). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hat das BSG in der zuvor genannten Entscheidung die Verfolgung als wesentliche Bedingung für den Auslandsaufenthalt angenommen, wenn sich ein Verfolgter verfolgungsbedingt bei Kriegsende in einem Gebiet befunden hat, in dem bis zum Kriegsende die Reichsversicherungsgesetze anwendbar waren, dessen faktische Zugehörigkeit zum Deutschen Reich jedoch mit seiner Befreiung beendet wurde, das also Ausland wurde. Der Auslandsaufenthalt habe - so das BSG - insofern nicht nach dem Krieg, sondern mit dem Kriegsende begonnen. Insbesondere eines "Ortswechsels" im Sinne des Überschreitens von Staatsgrenzen oder Demarkationslinien bedarf es danach somit nicht. Nichts anderes ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 250 Abs.1 Nr.4 b SGB VI. Danach sollten auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich dieser Vorschrift erfasst werden, die jemals in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt waren - und sei es auch nur durch Eingliederung ihres Heimatgebietes. Ihnen sollte (längstens bis zum 31.12.1949) eine Überlegungsfrist zur Rückkehr in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze eingeräumt werden, ohne dass den Versicherten im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Aufenthalt im Ausland und die daher nicht bestehende Möglichkeit des Aufbaus weiterer Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung Nachteile in der Rentenversicherung entstehen (BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 7/05 R -).
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger seinen Aufenthalt im Ausland verfolgungsbedingt genommen und auch bis zum 31.12.1949 beibehalten. Er hielt sich bis zum Kriegsende aufgrund der Verfolgung in Walbrzych (Niederschlesien) auf, denn er hatte durch die Verfolgung seine Familie in Warschau verloren und sich nach seiner Befreiung nach Walbrzych begeben, um von dort nach Palästina auszuwandern, nachdem er auch in Konin, seinem Geburtsort, keine Verwandten mehr gefunden hatte. Er ging nach Walbrzych, weil es dort ein "Lager" für Juden gab, in dem sie betreut wurden. Dort hielt er sich einige Zeit auf, um sich behandeln zu lassen und um die Antwort seiner Schwester aus Palästina abzuwarten, ob er dorthin kommen könne. Der Umstand, dass der Kläger sich mehrere Monate in Walbrzych befand und dort heiratete, unterbricht den Zusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt nicht; denn dies vermag nicht die Annahme zu begründen, dass er sich mit seinem Verfolgungsschicksal abgefunden hatte und in Walbrzych auf Dauer niederlassen wollte. Der Kläger war vielmehr von Beginn an nach Walbrzych gegangen, um von dort nach Palästina auszuwandern, weil dort noch eine Schwester lebte. Nachdem seine Schwester mitgeteilt hatte, dass sie ihn in Palästina erwarte, bereitete der Kläger seine Auswanderung vor. So befand er sich bereits im Juli 1946 im DP-Lager Admont. Der Aufenthalt in diesem Lager diente - entsprechend dem Zweck der DP-Lager - der Auswanderung nach Palästina. Auch der nachfolgende Aufenthalt in Österreich, Italien und Zypern war durch Nachwirkungen der Verfolgung bedingt; denn der Kläger wollte von vornherein wegen der Verfolgung Europa verlassen und nach Palästina einwandern, wenn ihm dies auch erst im Juni 1948 gelungen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es vorliegend im Übrigen unerheblich, dass sich der Kläger weder anfänglich im Kerngebiet des Deutschen Reiches aufhielt oder dorthin zurückkehrte, noch dass er nach dem 08.05.1945 an seinem damaligen Aufenthaltsort keine Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung erwerben konnte, weil er sich (nur) bis zum 08.05.1945 durch Eingliederung Niederschlesiens im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze befand; denn für die Berücksichtigung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten ist weder ein anfänglicher Aufenthalt noch eine Rückkehr im bzw. ins "Kerngebiet" des Deutschen Reiches erforderlich (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 15.06.2007, Az: L 14 R 363/06). Schon in seiner Entscheidung vom 13.09.1978 (5 RJ 86/77) hat das BSG die Tatsache, dass der dortige Kläger (der von 1920 bis 1938 in Deutschland lebte, dann nach Polen in das Ghetto Warschau ausgewiesen und 1944 in ein SS-Lager in Österreich gebracht wurde, wo er im Mai 1945 befreit wurde) letztlich erst nach Deutschland hätte zurückkehren müssen, um durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben, während die in Deutschland befreiten Verfolgten die Möglichkeit hatten, dort (unmittelbar) durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung deutsche Versicherungszeiten zu erwerben, nicht als anspruchsausschließend angesehen. Gerade hierfür habe der Gesetzgeber den Verfolgten, die sich bei Kriegsende im Ausland befunden hätten, eine Überlegungsfrist bis zum 31.12.1949 eingeräumt. Im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 13.09.1978 hat das BSG auch in seinem jüngsten Urteil vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R) ausgeführt, dass auch einem Versicherten, der erst durch Eingliederung seines Heimatgebiets in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt und nach dem Ende der Verfolgungsmaßnahmen ausgewandert sei, die Folgezeit bis Ende 1949 als Verfolgungsersatzzeit im Sinne einer rentenunschädlichen "Überlegungsfrist" anzurechnen sei. Der Umstand, dass die dortige Klägerin (die in Lodz geboren und dort bis zu ihrer Befreiung im Januar 1945 nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt war) - außer während ihrer Verfolgungszeit - einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung zu keinem weiteren Zeitpunkt aufgewiesen habe, schließe - so das BSG in der genannten Entscheidung - ihren Anspruch auf Anrechnung von Verfolgungsersatzzeiten grundsätzlich nicht aus; denn allein mit Zurücklegung dieser Zeiten sei ein Tatbestand gesetzt worden, der - in Verbindung mit der Verfolgteneigenschaft - das Geltendmachen einer Ersatzzeit im Sinne von § 250 Abs.1 Nr.4 SGB VI ermögliche. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Entscheidung des BSG vom 29.03.2006 (B 13 RJ 7/05 R) auf Grund der dortigen Formulierung, die (den Verfolgten bis zum 31.12.1945 zustehende) Überlegungsfrist sei "jedenfalls dann" einzuräumen, wenn Deutschland nicht lediglich kurzfristige Zwischenstation bei der Ausreise gewesen, sondern - wie in dem dort zu entscheidenden Fall - ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland (im Anschluss an den Aufenthalt in den (ehemaligen) eingegliederten und besetzten Gebieten) begründet worden sei, missverständlich ist. Daraus lässt sich jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht schließen, dass nunmehr ein Aufenthalt in Deutschland im Anschluss an den Aufenthalt in den (ehemaligen) eingegliederten oder besetzten Gebieten grundsätzlich Voraussetzung für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes ist; denn dies würde eine völlige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 13.09.1978 - 5 RJ 86/77 - und vom 14.08.2003 - B 13 RJ 27/03 R -) bedeuten, ohne dass der 13. Senat dies - was ggf. aber zu erwarten gewesen wäre - in seiner Entscheidung vom 29.03.2006 in irgend einer Weise kenntlich gemacht hat.
Soweit die Beklagte schließlich unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 08.09.2005 (B 13 RJ 20/05 R) die Auffassung vertritt, eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes liege mangels eines entsprechenden Schadens nicht vor, wenn dem Verfolgten aufgrund des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung ohnehin nicht möglich gewesen sei, vermag dies eine andere Beurteilung vorliegend nicht zu rechtfertigen; denn der der Entscheidung des BSG zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier zu entscheidenden nicht vergleichbar. Während in dem dortigen Streitverfahren die Klägerin zu keiner Zeit einen Bezug zu den Reichsversicherungsgesetzen aufwies (sie floh aus ihrer Heimat, in der zu keinem Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze galten, in ein drittes Land und kehrte nach der Befreiung in ihre Heimat zurück), ist vorliegend - wie bereits ausgeführt - durch den Aufenthalt des Klägers in Niederschlesien bis zum Kriegsende ein solcher Bezug gegeben.
Da somit bereits die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Ersatzzeit wegen eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts vom 09.05.1945 bis zum 31.12.1949 erfüllt sind, bedarf es vorliegend keiner Prüfung mehr, ob in dem streitigen Zeitraum darüber hinaus eine Anschlussersatzzeit wegen Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat im Hinblick auf die dargestellten, nicht eindeutigen Ausführungen des BSG (Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 7/05 R -) zu der Frage, ob die Anerkennung eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts als Ersatzzeit zumindest eine Zwischenstation in Deutschland erfordert, gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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