Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 291/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 464/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Januar 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Cottbus zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Tatbestand:
Der Kläger (Jahrgang 1967) wendet sich gegen eine Aufforderung der Beklagten, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben; diese ist ergangen, weil die Beklagte ihn als Partner der im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) stehenden A B (im Folgenden: AB – Jahrgang 1958) iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c iVm Abs. 3a SGB II ansieht.
AB beantragte erstmals im Oktober 2004 für sich und ihren im J 1984 geborenen Sohn S (SB) Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, sie wohne mit ihrem Sohn, der mit dem Kläger nicht verwandt ist, im eigenen Haus, und zwar in einer zwei Zimmer, Küche, Bad und WC umfassenden Haushälfte von 54 qm² Größe. Diese Haushälfte gehöre ihr, die andere gehöre und werde bewohnt vom Kläger. Insoweit gab sie an, sie lebe von diesem getrennt; die Sachbearbeiterin vermerkte in den Antragsunterlagen der AB, der Kläger sei "eine eigene Bedarfsgemeinschaft". AB reichte Unterlagen zur Bewirtschaftung des Hauses ein. Die entsprechenden Belege sind unterschiedlich adressiert, etwa nur an den Kläger (z. B. B S-H/Kommunaler Abfallentsorgungsverband "N"), Herrn J R c/o B (D V), Herrn und Frau R und B (Bezirksschornsteinfeger, S- und Ü L). Die Schuldzinsen für die Finanzierung des Gebäudes auf ca. 100.000,00 EUR iHv 422,33 EUR monatlich würden sogar – so gab AB an – hälftig getragen.
Die Beklagte bewilligte AB Leistungen zunächst unter Zugrundelegung von Kosten der Unterkunft (KdU) ausgehend von drei Bewohnern und 1/3 der Gesamtaufwendungen für das Haus und ab dem 01. Februar 2005 ausgehend von der Hälfte der Kosten mit der Begründung, ABs Sohn SB bezahle keine Miete. Ab dem 01. August 2006 bewilligte sie der Bedarfsgemeinschaft aus AB und SB Leistungen, wobei KdU auf der Basis der hälftigen Unterkunftsaufwendungen nur für AB gewährt wurden. Zu diesem Zeitpunkt sah die Beklagte zudem Anlass zu überprüfen, ob eine "eheähnliche Gemeinschaft" vorliege, da die unterschied¬lichen Adressierungen der die Bewirtschaftung des Hauses betreffenden Rechnungen in den Blick geraten waren. Besuche des Außendienstes, die daraufhin stattfanden, sind wie folgt dokumentiert:
"Sachverhalt 26.07.2006 9:30 Uhr B.K. Gemeinsam sowie Klingel Es ist nicht zu erkennen, dass es um zwei getrennte WE sich handelt bei der Betrachtung des Hauses von außen. Herr R war zu Hause.
26.07.2006 19:10 Uhr Frau B besteht auf einen Termin am nächsten Tag. Wenn Sie Termine bekommt, dann müssen wir auch welche bei ihr machen. Am Tag (26.07.2006) hat sie eine Überprüfung des Wohnraumes abgelehnt."
"Sachverhalt Kontrolle erfolgte am Donnerstag den 27.07.2006 09:30 Uhr
Folgende Räume scheint Fr. B allein zu bewohnen: Schlafzimmer, Kinderzimmer (Sohn S) Bad in Absprache mit Hr. R gemeinsame Küchennutzung mit Hr. R. Nach Angabe von Fr. B hat Hr. R ein Wohn- und Schlafzimmer. Wohnfläche ges. 108 qm². Schlaf- und Kinderzimmer von Fr. B sind zirka 45 qm². Wasser, Strom, Abwasser sind nicht extra."
Die Beklagte forderte AB mit Schreiben vom 08. August 2006 unter Bezugnahme auf die Mitwirkungsbestimmungen des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) auf, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers sowie einen Eigentumsnachweis und einen Nachweis über die Kreditverträge bzgl. des Eigenheims vorzulegen. AB erhob Widerspruch; es bestehe nur eine Wohngemeinschaft in gemeinsamen Eigentum und keine eheähnliche Gemeinschaft. Die dazu bereits 2002 getroffenen Vereinbarungen lege sie bei. Dabei handelt es sich um zwei maschinenschriftliche, handschriftlich auf November 2002 datierte Erklärungen. Die erste ist mit "Erklärung zur Widerlegung der Vermutung nach § 9 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch" unterschrieben und enthält die Erklärung, die Unterzeichnenden (AB und der Kläger) würden sich nicht gegenseitig unterhalten, sie erhielten von anderen Angehörigen keine Leistungen, sie wirtschafteten nicht "aus einem Topf", sie unterstützen sich nicht gegenseitig, auch nicht in finanziellen Notlagen und sie führten keine gemeinsamen Konten. Die zweite Erklärung gibt die Vereinbarung zur Nutzung der Wohnräume innerhalb des gemeinsamen Wohnhauses wieder. Die Küche und das Bad würden gemäß mündlich vereinbarter Zeiten benutzt, dem Kläger stehe die alleinige Nutzung des Wohnzimmers sowie des Esszimmers zu, AB nutze als Wohnraum das Schlafzimmer und SB bewohne ein eigenes Zimmer. AB verpflichtet sich zudem, die Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 320,00 EUR zum 5. des laufenden Monats an den Kläger zu zahlen. Weiterhin reichte AB einen Grundbuchauszug ein, wonach hälftiges Teileigentum am bewohnten Haus besteht, sowie in Ablichtung die erste Seite eines von AB und dem Kläger im November 1998 abgeschlossenen Bauspardarlehensvertrages mit der B S-H über eine Bausparsumme von 200.000,00 DM.
Die Beklagte teilte AB mit, ein Widerspruch liege nicht vor, da es an einem Bescheid fehle; in der Sache gehe sie weiter davon aus, dass eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe, eine Erklärung, die auf § 9 Abs. 5 SGB II Bezug nehme und vom November 2002 stamme, könne nichts anderes ergeben. AB machte deutlich, der Kläger sei nicht bereit ihr Unterlagen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auszuhändigen. Die vorgelegten Vereinbarungen habe man zur wechselseitigen Absicherung getroffen, da es weder dem Kläger noch ihr möglich sei, den anderen Miteigentümer bei einem Auszug auszuzahlen. Anlässlich eines Anrufs von SB bei der Beklagten, dessen genauer Zeitpunkt nicht aus der Akte hervorgeht, wurde folgender Vermerk aufgenommen:
"Zahlung ab 01.08.06 unklar wegen eheähnlicher Gemeinschaft. Herr R ist nicht der Vater von S. Nach Befragung ist davon auszugehen, dass eine eheähnliche Gemeinschaft der Mutter mit Herrn R nicht vorliegt."
Die Beklagte kündigte an, zum 01. Oktober 2006 die Leistungen an AB mangels Mitwirkung einzustellen. Dies wurde mit Bescheid vom 21. September 2006 umgesetzt. Auf den Widerspruch von AB kam es zu einem weiteren Hausbesuch, der wie folgt protokolliert wurde:
"Anlass für das Zusammenziehen: Hausbau Zeitpunkt des Zusammenlebens: seit 1999 Genaue Beschreibung der räuml. Situation: Flur gemeinsame Nutzung, Garderobe von beiden genutzt, Bad gemeinsame Nutzung (Herrensache sind mit im Spiegelschrank), Küche gemeinsame Nutzung. Frau B gibt an, das Schlafzimmer im hinteren Bereich allein zu nutzen, in diesem steht auch ein Fernseher. Ihr Sohn hat ein eigenes Zimmer. Herr R (ehemaliger Lebensgefährte) nutzt das große Wohnzimmer, dies wird gelegentlich von beiden genutzt. Weiterhin hat Hr. R ein Schlafzimmer, in dem auch seien persönliche Wäsche untergebracht ist. Zur Küchennutzung folgende Anmerkung: jeder kocht separat, die Mahlzeiten werden lt. Angabe Frau B getrennt von einander angeschafft und werden bis heute gemeinsam genutzt, ebenso der Kühlschrank. Es befinden sich jedoch im Haus noch weitere 2 Kühlschränke, mit je 2 Gefrierfächern. Diese sind außer Betrieb. Der Einkauf von Lebensmitteln erfolgt nach Aussage von Fr. B getrennt. Die Anschaffungen im Haus wurden damals gemeinsame getätigt. Nach Angaben der Fr. B kommt Hr. R für die Kreditleistungen und die Nebenkosten finanziell auf. Über sein Konto laufen alle finanziellen Verpflichtungen, Frau B beteiligt sich anteilmäßig. Frau B gibt weiterhin an, dass sie auch bereit ist auszuziehen, dies jedoch bis jetzt nicht getan hat, da Hr. R sie in der Vermögensklärung nicht auszahlen könnte."
Das Sozialgericht (SG) Cottbus ordnete auf Antrag der AB die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 (ohne Rechtsmittelbelehrung) unter Bezugnahme auf §§ 60 ff SGB II zur Beibringung von Einkommens- und Vermögensnachweisen auf. Es bestehe eine Einstehensgemeinschaft iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser darlegte, man habe sich 2002 getrennt und sei wechselseitig nicht berechtigt über Einkommen und Vermögen zu verfügen, wies die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2007 zurück.
Mit der Klage wurde geltend gemacht, im Zeitpunkt des Hausbaus habe eine partnerschaftliche Beziehung bestanden. Im November 2002 habe man sich wegen persönlicher Differenzen getrennt. Damit sei eine räumliche Trennung innerhalb des Hauses in der Weise verbunden gewesen, dass jeder seinen eigenen Schlafraum habe. Einen Auszug könne weder der Kläger noch AB realisieren, da der jeweils andere Miteigentümer nicht ausgezahlt werden könne. Die von AB eingereichten Erklärungen seien 2005 verfasst worden, entsprächen aber den Tatsachen.
Das SG Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2000 abgewiesen. Voraussetzungen für eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 3 Buchst 3c SGB II seien gegeben. Die Voraussetzungen der Vermutung für das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft seien erfüllt, denn AB und der Kläger lebten seit 1999 zusammen, hätten gemeinsam ein Haus angeschafft, das sie gemeinsam finanziert hätten und sie träten insoweit – ausweislich der Nebenkostenrechnungen – gegenüber Dritten gemeinsam auf. Die Widerlegung der Vermutung sei nicht gelungen. Die eingereichte Erklärung sei erst nachträglich entstanden. Das gemeinsame Wohnen spreche für eine enge Bindung, zumal das Wohnhaus nicht aus zwei getrennten Wohneinheiten verfüge. Getrennte Schlafzimmer belegten nichts anders, da derartiges auch in ehelichen Gemeinschaften nicht unüblich sei. Gemeinsam angeschaffte Haushaltsgegenstände würden gemeinsam benutzt. AB zahle allein die Hausratsversicherung. Die behauptete Auflösung der Lebensgemeinschaft sei in Anbetracht des langen Zeitablaufs nicht glaubhaft; es spreche alles dafür, dass man weiter füreinander einstehen und den anderen nicht in Schwierigkeiten bringen wolle. Entgegenstehende Erklärun¬gen komme keine durchgreifende Bedeutung zu, diese seien in Abhängigkeit vom Verfahrensstand und nahezu wortgleich (Kläger und AB) abgegeben worden.
Mit seiner Berufung hat der Kläger zunächst mit einem von ihm selbst verfassten Schriftsatz wie folgt begründet: Aus den Anschriften der Rechnungen würden zu weit reichende Folgerungen gezogen, auch bei Wohngemeinschaften würde ggfs jeder Bewohner in entsprechenden Rechnungsanschriften auftauchen. Er lebe von AB getrennt, habe ein abgeschlossenes Schlafzimmer und eine abgeschlossene Wohnstube, in der sein Kühlschrank und sein Hausrat stehe. Er habe ein eigenes WC mit Waschgelegenheit. Das Bad benutze er nur in Absprache mit AB, ansonsten gehe er zu seinen Eltern, die nebenan wohnen. Dort werde auch seine Wäsche gewaschen. Er weist auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse hin (Einkommen im Wachschutz zwischen 450,00 und 1.100,00 EUR). Das Haus sei mit ca 79.000,00 EUR belastet; eine Auseinandersetzung würde unweigerlich zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz seiner Person und der der AB führen. Alle Gesichtspunkte sind im Weiteren durch einen später eingegangenen Anwaltsschriftsatz präzisiert und vertieft worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die an die Dauer des Zusammenlebens anknüpfende Vermutung zu ihren Gunsten streite. Der "Vortrag des Berufungsklägers zu den Wohnverhältnissen hinsichtlich seiner Eltern" werde bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge betreffend AB haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4 iVm § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte (§ 143 SGG) und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung des Klägers ist im Sinne einer Zurückweisung an das SG begründet, da das Verfahren vor dem SG an wesent¬lichen Mängeln leidet (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und im Rahmen des dem Senat insoweit eingeräumten Ermessens der Zurückverweisung der Vorrang gegenüber einer Sachent¬scheidung des Senats gebührt.
Das Verfahren vor dem SG ist fehlerhaft, da das SG den Kläger nicht angehört und Zeugen nicht vernommen hat – dazu (1) – und weil es durch Gerichtsbescheid entschieden hat – dazu (2) -.
(1) Indem es Beweise nicht im notwendigen Umfang erhoben hat, hat das SG dem Amts¬ermittlungs¬grundsatz (§ 103 SGG) nicht genügt. Dies ist – wie in § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorausgesetzt – ein Verstoß gegen eine das Verfahren regelnde Norm (ein Fehler auf dem Weg zum Urteil, während die Entscheidung des SG nach dem derzeitigen Sachstand nicht als in der Sache unzutreffend kritisiert werden kann). Dieser Mangel ist wesentlich im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da das Urteil – was angesichts der Art des Defizits keiner weiteren Begründung bedarf – auf diesem Mangel beruhen kann.
Aufgrund unzureichender Amtsermittlung kann eine Zurückverweisung nur dann erfolgen, wenn es nach der vom SG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auf die unterlassene Beweiserhebung ankommt. Ferner darf die Sach- und Rechtslage nicht dahingehend zu beurteilen sein, dass es auf die unterlassene Beweiserhebung nicht ankommt, mit anderen Worten, es stände einer Zurückverweisung entgegen, wenn der Rechtsstreit unter Gesichtspunkten zu entscheiden ist, die von dem Verfahrensmangel nicht betroffen sind. Beides ist hier nicht der Fall. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass prozessual die Situation einer isolierten Anfechtungsklage besteht, wobei der erhobene Anspruch auf Auf¬hebung des Bescheides vom 14. Dezember 2006/Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2007 begründet ist, wenn die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen der Beklagten (das durch Bescheid geltend zu machen ist, dazu Schoch in LPK-SGB II, § 60 RdNr 2 mwN) nach § 60 Abs. 4 SGB II nicht vorliegen. Dabei ist zu Recht nur in Streit, ob der Kläger Partner der AB ist, dessen Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist, mithin - § 9 Abs. 2 SGB II – die Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft besteht, deren Mitglieder AB und der Kläger (sowie SB) sind. Diese Situation besteht, wenn die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II erfüllt sind, was unter Beachtung der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II zu prüfen ist, wonach ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (ua) vermutet wird, wenn "die Partner länger als ein Jahr zusammenleben".
Ohne Belang ist, dass das SG zum rechtlichen Gehalt des Begriffs der Einstehensgemeinschaft nichts weiter ausgeführt hat, denn der Inhalt seiner weiteren Ausführungen zeigt, dass insoweit die rechtlichen Vorgaben, wie sie sich aus Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung ergeben, zum Ausgangspunkt genommen worden sind. Aus den den Sachverhalt würdigenden Erörterungen wird deutlich, dass das SG auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 3 SGB II (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 – BGBl I S 1706), die dem Ziel geschuldet war, auch gleichgeschlechtliche lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften zu erfassen (vgl. die Gesetzesbegründung BT Drucks 16/1410 – bei Partnern unterschiedlichen Geschlechts kann es demnach bei der "eheähnlichen Gemeinschaft" verbleiben), weiterhin die von der (Verfassungs-)Rechtsprechung (BVerfGE 87, 234) entwickelte Begriffsbestimmung zur Anwendung gebracht hat. Diese besagt, dass als eheähnliche Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau anzusehen ist, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Zu erfassen sind solche Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann; nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher stellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar. Davon ausgehend hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen (zur Bestimmung der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach diesem Maßstab etwa BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R) den Kläger anzuhören und AB, je nach erreichtem Sachstand gegebenenfalls auch SB und/oder die Eltern des Klägers zu hören. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II sind im Kern innere Tatsachen, die nicht festgestellt werden können, ohne zu beurteilen, ob die von dem Beteiligten dazu aufgestellten Behauptungen glaubhaft sind, was wiederum nicht ohne Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten möglich ist. Ob das von den Beteiligten gezeichnete Bild hin¬reichend klar und überzeugend ist, muss dann im Sinne einer Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Abgleich der Bekundungen des Klägers, der Zeugenaussagen, der Gesamtumstände, der Indizien, der Entwicklung des Verfahrens usw. in freier Beweiswürdigung (§ 128 SGG) entschieden werden. Dabei bedarf hier keiner abschließenden Erörterung, ob eine Anhörung bzw. Vernehmung in jedem Falle – etwa auch bei grob widersprüchlichem Vortrag oder begründbar abwegigen Einlassungen – notwendig ist, denn ein derartiger Fall liegt nicht vor. Der Kläger hat einen im Ausgangspunkt nicht unplausiblen Sachverhalt geschildert (Trennung im Jahre 2002 aus persönlichen Gründen nach gemeinsamem Hausbau) und es gibt keine erdrückende Indizienlage für oder gegen das (Fort-) Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Soweit das SG nach bisherigem Sachstand als Maßstab seiner Würdigung der Hinweistatsachen genommen hat, dass aufgrund dieser Tatsachen die Vermutung nach § 7 Abs. 3 a SGB II nicht widerlegt sei, besteht ebenfalls kein Raum für die Feststellung, das SG habe seine Entscheidung verfahrensfehlerfrei aufgrund einer bestimmten rechtlichen Beurteilung der Vermutungsbestimmung getroffen. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird letztlich nicht deutlich, ob das SG annehmen will, dass die Vermutung nach § 7 Abs. 3 a Nr 1 SGB II ("länger als ein Jahr zusammenleben" – allein diese Alternative kommt in Betracht) immer dann greift, wenn die Personen, bezüglich derer vermutet wird, sie könnten eine eheähnliche Gemeinschaft bilden, "unter einem Dach wohnen" – dies würde der Senat für unzutreffend halten – oder, was der Vermutung allerdings im erheblichen Umfang die "Schlagkraft" nimmt, dass auch die Vermutung selbst bereits – so der Wortlaut! – Partnerschaftlichkeit und "Zusammenleben" voraussetzt, mithin eine wie auch immer zu bestimmende persönliche Nähe oder Beziehung der Beteiligten (vgl. Senatsbeschluss vom 04. Juli 2007 – L 10 B 855/07 AS ER – allgemein zur Problematik Wenner, Soziale Sicherheit, 2006, 146, 147 ff; Spellbrink, NZS 2007, 121, 125ff). Gleichviel welches Verständnis der Vermutung das SG zugrunde gelegt hat (und zugrunde legen wird), ist die Beweiserhebung im oben dargelegten Sinne notwendig, da die Vermutung – und Gegenteiliges nimmt das SG jedenfalls nicht an – widerlegbar ist, denn die Anhörung des Klägers und der Zeugin oder der Zeugen sind im Grundsatz zur Widerlegung geeignet, selbst wenn die Vermutung im Ausgangspunkt ausgehend vom äußeren Sachverhalt des Zusammenlebens unbeschränkt angewandt wird.
(2) Nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine das Verfahren regelnde Bestimmung; liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vor, wird durch eine solche Entscheidung allein durch den Kammervorsitzenden der Kläger seinem gesetzlichen Richter – Art 101 Abs. 1 Satz 2 Grund¬gesetz – entzogen, weil keine Kompetenz besteht, ausnahmsweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu entscheiden (vgl. BSG SozR 4-1500 § 105 Nr. 1). Dass die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorgelegen haben, ist mit den Erörterungen zur Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes bereits dargelegt – der Sachverhalt ist jedenfalls nicht iSd Vorschrift geklärt, so dass – was indes nicht anzunehmen sein dürfte – offen bleiben kann, ob er frei von besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten ist (dazu etwa LSG NRW – Urteil vom 30. Juli 2007 – L 20 SO 15/06 (juris) - "bereits die Fülle der zu berücksichtigenden Tatsachen (führt) zur besonderen tatsächlichen Schwierigkeit", ähnlich LSG Sachsen-Anhalt – Urteil vom 25. Januar 2007 – L 6 UI 110/06, juris). Auf dem Umstand, dass das SG nicht in der zwingend vorgesehenen Besetzung entschieden hat, kann beruhen, wie die Entscheidung in der Sache ausgefallen ist.
Der Senat verweist den Rechtsstreit in Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen an das SG zurück (zur folgenden Argumentation vgl Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. Dezember 2007– L 2 VG 32/07 – zitiert nach juris). Zwar können Verstöße des SG gegen seine Amtsermittlungspflicht nur im Ausnahmefall zu einer Zurückverweisung führen, weil auch die Berufungsinstanz im sozialgerichtlichen Verfahren als vollständige Tatsacheninstanz ausgestaltet ist. Bei der Ausübung des Ermessens kommt prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zu. Im Zweifel ist die Entscheidung des LSG, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – B 13 RJ 194/03 B, Beschluss vom 14. Februar 2006 – B 9 a SB 22/05 B, jeweils veröffentlicht in juris). Der Senat handhabt die Zurückverweisung deshalb zurückhaltend und führt ergänzende Ermittlungen regelmäßig selbst durch. In die Ermessensentscheidung ist jedoch auch einzubeziehen, dass die Beteiligten des Verfahrens das Recht auf zwei vollständige Tatsacheninstanzen haben. Hat das Sozialgericht – wie hier – bezogen auf einen komplexen Sachverhalt alle grundlegenden Ermittlungen nicht durchgeführt und sich im Ergebnis den rechtserheblichen Behauptungen des Klägers nicht gestellt, so würde den Beteiligten faktisch eine volle Instanz genommen, sofern das Berufungsgericht den Sachverhalt erstmals in der gebotenen Form aufklären würde. Dies zu vermeiden ist aus Sicht des Senats in Verfahren der vorliegenden Art von Gewicht. Wenn die Entscheidung wesentlich auch von der authentischen und glaubwürdigen Darstellung des Sachverhalts durch die Beteiligten abhängt, können von der Möglichkeit, seine Sache gegebenenfalls in zwei Instanzen und zunächst gegenüber einem – so die Regel – (nach der Richterzahl) von Laien dominierten Spruchkörper zu vertreten, nicht unerhebliche Wirkungen bzgl Ablauf und Ergebnis des Rechtsstreits ausgehen. Aus diesen Erwägungen führt auch die Entscheidung durch Gerichtsbescheid zur Zurückverweisung. Der Prozessökonomie trägt der Senat durch zügige Entscheidung des Rechtsstreits Rechnung.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung zur Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger (Jahrgang 1967) wendet sich gegen eine Aufforderung der Beklagten, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben; diese ist ergangen, weil die Beklagte ihn als Partner der im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) stehenden A B (im Folgenden: AB – Jahrgang 1958) iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c iVm Abs. 3a SGB II ansieht.
AB beantragte erstmals im Oktober 2004 für sich und ihren im J 1984 geborenen Sohn S (SB) Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, sie wohne mit ihrem Sohn, der mit dem Kläger nicht verwandt ist, im eigenen Haus, und zwar in einer zwei Zimmer, Küche, Bad und WC umfassenden Haushälfte von 54 qm² Größe. Diese Haushälfte gehöre ihr, die andere gehöre und werde bewohnt vom Kläger. Insoweit gab sie an, sie lebe von diesem getrennt; die Sachbearbeiterin vermerkte in den Antragsunterlagen der AB, der Kläger sei "eine eigene Bedarfsgemeinschaft". AB reichte Unterlagen zur Bewirtschaftung des Hauses ein. Die entsprechenden Belege sind unterschiedlich adressiert, etwa nur an den Kläger (z. B. B S-H/Kommunaler Abfallentsorgungsverband "N"), Herrn J R c/o B (D V), Herrn und Frau R und B (Bezirksschornsteinfeger, S- und Ü L). Die Schuldzinsen für die Finanzierung des Gebäudes auf ca. 100.000,00 EUR iHv 422,33 EUR monatlich würden sogar – so gab AB an – hälftig getragen.
Die Beklagte bewilligte AB Leistungen zunächst unter Zugrundelegung von Kosten der Unterkunft (KdU) ausgehend von drei Bewohnern und 1/3 der Gesamtaufwendungen für das Haus und ab dem 01. Februar 2005 ausgehend von der Hälfte der Kosten mit der Begründung, ABs Sohn SB bezahle keine Miete. Ab dem 01. August 2006 bewilligte sie der Bedarfsgemeinschaft aus AB und SB Leistungen, wobei KdU auf der Basis der hälftigen Unterkunftsaufwendungen nur für AB gewährt wurden. Zu diesem Zeitpunkt sah die Beklagte zudem Anlass zu überprüfen, ob eine "eheähnliche Gemeinschaft" vorliege, da die unterschied¬lichen Adressierungen der die Bewirtschaftung des Hauses betreffenden Rechnungen in den Blick geraten waren. Besuche des Außendienstes, die daraufhin stattfanden, sind wie folgt dokumentiert:
"Sachverhalt 26.07.2006 9:30 Uhr B.K. Gemeinsam sowie Klingel Es ist nicht zu erkennen, dass es um zwei getrennte WE sich handelt bei der Betrachtung des Hauses von außen. Herr R war zu Hause.
26.07.2006 19:10 Uhr Frau B besteht auf einen Termin am nächsten Tag. Wenn Sie Termine bekommt, dann müssen wir auch welche bei ihr machen. Am Tag (26.07.2006) hat sie eine Überprüfung des Wohnraumes abgelehnt."
"Sachverhalt Kontrolle erfolgte am Donnerstag den 27.07.2006 09:30 Uhr
Folgende Räume scheint Fr. B allein zu bewohnen: Schlafzimmer, Kinderzimmer (Sohn S) Bad in Absprache mit Hr. R gemeinsame Küchennutzung mit Hr. R. Nach Angabe von Fr. B hat Hr. R ein Wohn- und Schlafzimmer. Wohnfläche ges. 108 qm². Schlaf- und Kinderzimmer von Fr. B sind zirka 45 qm². Wasser, Strom, Abwasser sind nicht extra."
Die Beklagte forderte AB mit Schreiben vom 08. August 2006 unter Bezugnahme auf die Mitwirkungsbestimmungen des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) auf, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers sowie einen Eigentumsnachweis und einen Nachweis über die Kreditverträge bzgl. des Eigenheims vorzulegen. AB erhob Widerspruch; es bestehe nur eine Wohngemeinschaft in gemeinsamen Eigentum und keine eheähnliche Gemeinschaft. Die dazu bereits 2002 getroffenen Vereinbarungen lege sie bei. Dabei handelt es sich um zwei maschinenschriftliche, handschriftlich auf November 2002 datierte Erklärungen. Die erste ist mit "Erklärung zur Widerlegung der Vermutung nach § 9 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch" unterschrieben und enthält die Erklärung, die Unterzeichnenden (AB und der Kläger) würden sich nicht gegenseitig unterhalten, sie erhielten von anderen Angehörigen keine Leistungen, sie wirtschafteten nicht "aus einem Topf", sie unterstützen sich nicht gegenseitig, auch nicht in finanziellen Notlagen und sie führten keine gemeinsamen Konten. Die zweite Erklärung gibt die Vereinbarung zur Nutzung der Wohnräume innerhalb des gemeinsamen Wohnhauses wieder. Die Küche und das Bad würden gemäß mündlich vereinbarter Zeiten benutzt, dem Kläger stehe die alleinige Nutzung des Wohnzimmers sowie des Esszimmers zu, AB nutze als Wohnraum das Schlafzimmer und SB bewohne ein eigenes Zimmer. AB verpflichtet sich zudem, die Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 320,00 EUR zum 5. des laufenden Monats an den Kläger zu zahlen. Weiterhin reichte AB einen Grundbuchauszug ein, wonach hälftiges Teileigentum am bewohnten Haus besteht, sowie in Ablichtung die erste Seite eines von AB und dem Kläger im November 1998 abgeschlossenen Bauspardarlehensvertrages mit der B S-H über eine Bausparsumme von 200.000,00 DM.
Die Beklagte teilte AB mit, ein Widerspruch liege nicht vor, da es an einem Bescheid fehle; in der Sache gehe sie weiter davon aus, dass eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe, eine Erklärung, die auf § 9 Abs. 5 SGB II Bezug nehme und vom November 2002 stamme, könne nichts anderes ergeben. AB machte deutlich, der Kläger sei nicht bereit ihr Unterlagen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auszuhändigen. Die vorgelegten Vereinbarungen habe man zur wechselseitigen Absicherung getroffen, da es weder dem Kläger noch ihr möglich sei, den anderen Miteigentümer bei einem Auszug auszuzahlen. Anlässlich eines Anrufs von SB bei der Beklagten, dessen genauer Zeitpunkt nicht aus der Akte hervorgeht, wurde folgender Vermerk aufgenommen:
"Zahlung ab 01.08.06 unklar wegen eheähnlicher Gemeinschaft. Herr R ist nicht der Vater von S. Nach Befragung ist davon auszugehen, dass eine eheähnliche Gemeinschaft der Mutter mit Herrn R nicht vorliegt."
Die Beklagte kündigte an, zum 01. Oktober 2006 die Leistungen an AB mangels Mitwirkung einzustellen. Dies wurde mit Bescheid vom 21. September 2006 umgesetzt. Auf den Widerspruch von AB kam es zu einem weiteren Hausbesuch, der wie folgt protokolliert wurde:
"Anlass für das Zusammenziehen: Hausbau Zeitpunkt des Zusammenlebens: seit 1999 Genaue Beschreibung der räuml. Situation: Flur gemeinsame Nutzung, Garderobe von beiden genutzt, Bad gemeinsame Nutzung (Herrensache sind mit im Spiegelschrank), Küche gemeinsame Nutzung. Frau B gibt an, das Schlafzimmer im hinteren Bereich allein zu nutzen, in diesem steht auch ein Fernseher. Ihr Sohn hat ein eigenes Zimmer. Herr R (ehemaliger Lebensgefährte) nutzt das große Wohnzimmer, dies wird gelegentlich von beiden genutzt. Weiterhin hat Hr. R ein Schlafzimmer, in dem auch seien persönliche Wäsche untergebracht ist. Zur Küchennutzung folgende Anmerkung: jeder kocht separat, die Mahlzeiten werden lt. Angabe Frau B getrennt von einander angeschafft und werden bis heute gemeinsam genutzt, ebenso der Kühlschrank. Es befinden sich jedoch im Haus noch weitere 2 Kühlschränke, mit je 2 Gefrierfächern. Diese sind außer Betrieb. Der Einkauf von Lebensmitteln erfolgt nach Aussage von Fr. B getrennt. Die Anschaffungen im Haus wurden damals gemeinsame getätigt. Nach Angaben der Fr. B kommt Hr. R für die Kreditleistungen und die Nebenkosten finanziell auf. Über sein Konto laufen alle finanziellen Verpflichtungen, Frau B beteiligt sich anteilmäßig. Frau B gibt weiterhin an, dass sie auch bereit ist auszuziehen, dies jedoch bis jetzt nicht getan hat, da Hr. R sie in der Vermögensklärung nicht auszahlen könnte."
Das Sozialgericht (SG) Cottbus ordnete auf Antrag der AB die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 (ohne Rechtsmittelbelehrung) unter Bezugnahme auf §§ 60 ff SGB II zur Beibringung von Einkommens- und Vermögensnachweisen auf. Es bestehe eine Einstehensgemeinschaft iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser darlegte, man habe sich 2002 getrennt und sei wechselseitig nicht berechtigt über Einkommen und Vermögen zu verfügen, wies die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2007 zurück.
Mit der Klage wurde geltend gemacht, im Zeitpunkt des Hausbaus habe eine partnerschaftliche Beziehung bestanden. Im November 2002 habe man sich wegen persönlicher Differenzen getrennt. Damit sei eine räumliche Trennung innerhalb des Hauses in der Weise verbunden gewesen, dass jeder seinen eigenen Schlafraum habe. Einen Auszug könne weder der Kläger noch AB realisieren, da der jeweils andere Miteigentümer nicht ausgezahlt werden könne. Die von AB eingereichten Erklärungen seien 2005 verfasst worden, entsprächen aber den Tatsachen.
Das SG Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2000 abgewiesen. Voraussetzungen für eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 3 Buchst 3c SGB II seien gegeben. Die Voraussetzungen der Vermutung für das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft seien erfüllt, denn AB und der Kläger lebten seit 1999 zusammen, hätten gemeinsam ein Haus angeschafft, das sie gemeinsam finanziert hätten und sie träten insoweit – ausweislich der Nebenkostenrechnungen – gegenüber Dritten gemeinsam auf. Die Widerlegung der Vermutung sei nicht gelungen. Die eingereichte Erklärung sei erst nachträglich entstanden. Das gemeinsame Wohnen spreche für eine enge Bindung, zumal das Wohnhaus nicht aus zwei getrennten Wohneinheiten verfüge. Getrennte Schlafzimmer belegten nichts anders, da derartiges auch in ehelichen Gemeinschaften nicht unüblich sei. Gemeinsam angeschaffte Haushaltsgegenstände würden gemeinsam benutzt. AB zahle allein die Hausratsversicherung. Die behauptete Auflösung der Lebensgemeinschaft sei in Anbetracht des langen Zeitablaufs nicht glaubhaft; es spreche alles dafür, dass man weiter füreinander einstehen und den anderen nicht in Schwierigkeiten bringen wolle. Entgegenstehende Erklärun¬gen komme keine durchgreifende Bedeutung zu, diese seien in Abhängigkeit vom Verfahrensstand und nahezu wortgleich (Kläger und AB) abgegeben worden.
Mit seiner Berufung hat der Kläger zunächst mit einem von ihm selbst verfassten Schriftsatz wie folgt begründet: Aus den Anschriften der Rechnungen würden zu weit reichende Folgerungen gezogen, auch bei Wohngemeinschaften würde ggfs jeder Bewohner in entsprechenden Rechnungsanschriften auftauchen. Er lebe von AB getrennt, habe ein abgeschlossenes Schlafzimmer und eine abgeschlossene Wohnstube, in der sein Kühlschrank und sein Hausrat stehe. Er habe ein eigenes WC mit Waschgelegenheit. Das Bad benutze er nur in Absprache mit AB, ansonsten gehe er zu seinen Eltern, die nebenan wohnen. Dort werde auch seine Wäsche gewaschen. Er weist auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse hin (Einkommen im Wachschutz zwischen 450,00 und 1.100,00 EUR). Das Haus sei mit ca 79.000,00 EUR belastet; eine Auseinandersetzung würde unweigerlich zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz seiner Person und der der AB führen. Alle Gesichtspunkte sind im Weiteren durch einen später eingegangenen Anwaltsschriftsatz präzisiert und vertieft worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die an die Dauer des Zusammenlebens anknüpfende Vermutung zu ihren Gunsten streite. Der "Vortrag des Berufungsklägers zu den Wohnverhältnissen hinsichtlich seiner Eltern" werde bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge betreffend AB haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4 iVm § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte (§ 143 SGG) und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung des Klägers ist im Sinne einer Zurückweisung an das SG begründet, da das Verfahren vor dem SG an wesent¬lichen Mängeln leidet (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und im Rahmen des dem Senat insoweit eingeräumten Ermessens der Zurückverweisung der Vorrang gegenüber einer Sachent¬scheidung des Senats gebührt.
Das Verfahren vor dem SG ist fehlerhaft, da das SG den Kläger nicht angehört und Zeugen nicht vernommen hat – dazu (1) – und weil es durch Gerichtsbescheid entschieden hat – dazu (2) -.
(1) Indem es Beweise nicht im notwendigen Umfang erhoben hat, hat das SG dem Amts¬ermittlungs¬grundsatz (§ 103 SGG) nicht genügt. Dies ist – wie in § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorausgesetzt – ein Verstoß gegen eine das Verfahren regelnde Norm (ein Fehler auf dem Weg zum Urteil, während die Entscheidung des SG nach dem derzeitigen Sachstand nicht als in der Sache unzutreffend kritisiert werden kann). Dieser Mangel ist wesentlich im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da das Urteil – was angesichts der Art des Defizits keiner weiteren Begründung bedarf – auf diesem Mangel beruhen kann.
Aufgrund unzureichender Amtsermittlung kann eine Zurückverweisung nur dann erfolgen, wenn es nach der vom SG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auf die unterlassene Beweiserhebung ankommt. Ferner darf die Sach- und Rechtslage nicht dahingehend zu beurteilen sein, dass es auf die unterlassene Beweiserhebung nicht ankommt, mit anderen Worten, es stände einer Zurückverweisung entgegen, wenn der Rechtsstreit unter Gesichtspunkten zu entscheiden ist, die von dem Verfahrensmangel nicht betroffen sind. Beides ist hier nicht der Fall. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass prozessual die Situation einer isolierten Anfechtungsklage besteht, wobei der erhobene Anspruch auf Auf¬hebung des Bescheides vom 14. Dezember 2006/Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2007 begründet ist, wenn die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen der Beklagten (das durch Bescheid geltend zu machen ist, dazu Schoch in LPK-SGB II, § 60 RdNr 2 mwN) nach § 60 Abs. 4 SGB II nicht vorliegen. Dabei ist zu Recht nur in Streit, ob der Kläger Partner der AB ist, dessen Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist, mithin - § 9 Abs. 2 SGB II – die Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft besteht, deren Mitglieder AB und der Kläger (sowie SB) sind. Diese Situation besteht, wenn die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II erfüllt sind, was unter Beachtung der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II zu prüfen ist, wonach ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (ua) vermutet wird, wenn "die Partner länger als ein Jahr zusammenleben".
Ohne Belang ist, dass das SG zum rechtlichen Gehalt des Begriffs der Einstehensgemeinschaft nichts weiter ausgeführt hat, denn der Inhalt seiner weiteren Ausführungen zeigt, dass insoweit die rechtlichen Vorgaben, wie sie sich aus Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung ergeben, zum Ausgangspunkt genommen worden sind. Aus den den Sachverhalt würdigenden Erörterungen wird deutlich, dass das SG auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 3 SGB II (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 – BGBl I S 1706), die dem Ziel geschuldet war, auch gleichgeschlechtliche lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften zu erfassen (vgl. die Gesetzesbegründung BT Drucks 16/1410 – bei Partnern unterschiedlichen Geschlechts kann es demnach bei der "eheähnlichen Gemeinschaft" verbleiben), weiterhin die von der (Verfassungs-)Rechtsprechung (BVerfGE 87, 234) entwickelte Begriffsbestimmung zur Anwendung gebracht hat. Diese besagt, dass als eheähnliche Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau anzusehen ist, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Zu erfassen sind solche Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann; nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher stellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten vergleichbar. Davon ausgehend hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen (zur Bestimmung der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach diesem Maßstab etwa BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R) den Kläger anzuhören und AB, je nach erreichtem Sachstand gegebenenfalls auch SB und/oder die Eltern des Klägers zu hören. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II sind im Kern innere Tatsachen, die nicht festgestellt werden können, ohne zu beurteilen, ob die von dem Beteiligten dazu aufgestellten Behauptungen glaubhaft sind, was wiederum nicht ohne Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten möglich ist. Ob das von den Beteiligten gezeichnete Bild hin¬reichend klar und überzeugend ist, muss dann im Sinne einer Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Abgleich der Bekundungen des Klägers, der Zeugenaussagen, der Gesamtumstände, der Indizien, der Entwicklung des Verfahrens usw. in freier Beweiswürdigung (§ 128 SGG) entschieden werden. Dabei bedarf hier keiner abschließenden Erörterung, ob eine Anhörung bzw. Vernehmung in jedem Falle – etwa auch bei grob widersprüchlichem Vortrag oder begründbar abwegigen Einlassungen – notwendig ist, denn ein derartiger Fall liegt nicht vor. Der Kläger hat einen im Ausgangspunkt nicht unplausiblen Sachverhalt geschildert (Trennung im Jahre 2002 aus persönlichen Gründen nach gemeinsamem Hausbau) und es gibt keine erdrückende Indizienlage für oder gegen das (Fort-) Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Soweit das SG nach bisherigem Sachstand als Maßstab seiner Würdigung der Hinweistatsachen genommen hat, dass aufgrund dieser Tatsachen die Vermutung nach § 7 Abs. 3 a SGB II nicht widerlegt sei, besteht ebenfalls kein Raum für die Feststellung, das SG habe seine Entscheidung verfahrensfehlerfrei aufgrund einer bestimmten rechtlichen Beurteilung der Vermutungsbestimmung getroffen. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird letztlich nicht deutlich, ob das SG annehmen will, dass die Vermutung nach § 7 Abs. 3 a Nr 1 SGB II ("länger als ein Jahr zusammenleben" – allein diese Alternative kommt in Betracht) immer dann greift, wenn die Personen, bezüglich derer vermutet wird, sie könnten eine eheähnliche Gemeinschaft bilden, "unter einem Dach wohnen" – dies würde der Senat für unzutreffend halten – oder, was der Vermutung allerdings im erheblichen Umfang die "Schlagkraft" nimmt, dass auch die Vermutung selbst bereits – so der Wortlaut! – Partnerschaftlichkeit und "Zusammenleben" voraussetzt, mithin eine wie auch immer zu bestimmende persönliche Nähe oder Beziehung der Beteiligten (vgl. Senatsbeschluss vom 04. Juli 2007 – L 10 B 855/07 AS ER – allgemein zur Problematik Wenner, Soziale Sicherheit, 2006, 146, 147 ff; Spellbrink, NZS 2007, 121, 125ff). Gleichviel welches Verständnis der Vermutung das SG zugrunde gelegt hat (und zugrunde legen wird), ist die Beweiserhebung im oben dargelegten Sinne notwendig, da die Vermutung – und Gegenteiliges nimmt das SG jedenfalls nicht an – widerlegbar ist, denn die Anhörung des Klägers und der Zeugin oder der Zeugen sind im Grundsatz zur Widerlegung geeignet, selbst wenn die Vermutung im Ausgangspunkt ausgehend vom äußeren Sachverhalt des Zusammenlebens unbeschränkt angewandt wird.
(2) Nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine das Verfahren regelnde Bestimmung; liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vor, wird durch eine solche Entscheidung allein durch den Kammervorsitzenden der Kläger seinem gesetzlichen Richter – Art 101 Abs. 1 Satz 2 Grund¬gesetz – entzogen, weil keine Kompetenz besteht, ausnahmsweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu entscheiden (vgl. BSG SozR 4-1500 § 105 Nr. 1). Dass die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorgelegen haben, ist mit den Erörterungen zur Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes bereits dargelegt – der Sachverhalt ist jedenfalls nicht iSd Vorschrift geklärt, so dass – was indes nicht anzunehmen sein dürfte – offen bleiben kann, ob er frei von besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten ist (dazu etwa LSG NRW – Urteil vom 30. Juli 2007 – L 20 SO 15/06 (juris) - "bereits die Fülle der zu berücksichtigenden Tatsachen (führt) zur besonderen tatsächlichen Schwierigkeit", ähnlich LSG Sachsen-Anhalt – Urteil vom 25. Januar 2007 – L 6 UI 110/06, juris). Auf dem Umstand, dass das SG nicht in der zwingend vorgesehenen Besetzung entschieden hat, kann beruhen, wie die Entscheidung in der Sache ausgefallen ist.
Der Senat verweist den Rechtsstreit in Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen an das SG zurück (zur folgenden Argumentation vgl Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. Dezember 2007– L 2 VG 32/07 – zitiert nach juris). Zwar können Verstöße des SG gegen seine Amtsermittlungspflicht nur im Ausnahmefall zu einer Zurückverweisung führen, weil auch die Berufungsinstanz im sozialgerichtlichen Verfahren als vollständige Tatsacheninstanz ausgestaltet ist. Bei der Ausübung des Ermessens kommt prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zu. Im Zweifel ist die Entscheidung des LSG, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – B 13 RJ 194/03 B, Beschluss vom 14. Februar 2006 – B 9 a SB 22/05 B, jeweils veröffentlicht in juris). Der Senat handhabt die Zurückverweisung deshalb zurückhaltend und führt ergänzende Ermittlungen regelmäßig selbst durch. In die Ermessensentscheidung ist jedoch auch einzubeziehen, dass die Beteiligten des Verfahrens das Recht auf zwei vollständige Tatsacheninstanzen haben. Hat das Sozialgericht – wie hier – bezogen auf einen komplexen Sachverhalt alle grundlegenden Ermittlungen nicht durchgeführt und sich im Ergebnis den rechtserheblichen Behauptungen des Klägers nicht gestellt, so würde den Beteiligten faktisch eine volle Instanz genommen, sofern das Berufungsgericht den Sachverhalt erstmals in der gebotenen Form aufklären würde. Dies zu vermeiden ist aus Sicht des Senats in Verfahren der vorliegenden Art von Gewicht. Wenn die Entscheidung wesentlich auch von der authentischen und glaubwürdigen Darstellung des Sachverhalts durch die Beteiligten abhängt, können von der Möglichkeit, seine Sache gegebenenfalls in zwei Instanzen und zunächst gegenüber einem – so die Regel – (nach der Richterzahl) von Laien dominierten Spruchkörper zu vertreten, nicht unerhebliche Wirkungen bzgl Ablauf und Ergebnis des Rechtsstreits ausgehen. Aus diesen Erwägungen führt auch die Entscheidung durch Gerichtsbescheid zur Zurückverweisung. Der Prozessökonomie trägt der Senat durch zügige Entscheidung des Rechtsstreits Rechnung.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung zur Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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