Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 36/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 139/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid des Beklagten vom 09.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Betreuungskosten für den Bereich "Wohnen" im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 nach Hilfebedarfsgruppe 4 zu gewähren.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in gesetzlichem Umfang zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe der von dem Beklagten zu übernehmenden Betreuungskosten für die Heimunterbringung des Klägers für den Bereich "Wohnen" für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006.
Der 1958 geborene Kläger leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit geistiger Behinderung sowie einer klassischen Zwangsneurose/Zwangsstörung. Seit 01.08.1995 bezieht er Erwerbsunfähigkeitsrente, nach SGB IX ist ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Seit 01.05.1988 lebt der Kläger im Wohnheim für Behinderte der L-e.V., zunächst in G., seit Beginn des Jahres 2005 im Wohnheim in A-Stadt. Seit Aufnahme des Klägers in das Heim übernahm der Beklagte als Kostenträger die Heimunterbringungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe.
Nachdem zum 01.01.2000 das Vergütungssystem nach §§ 93 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von einem bisher einheitlichen Pflegesatz für alle Leistungsberechtigten auf Vergütungsvereinbarungen aufgrund des jeweiligen persönlichen Bedarfs des Betreuten umgestellt worden war, gewährte der Beklagte durch Bescheid vom 12.05.2000 ab 01.01.2000 Betreuungskosten nach Hilfebedarfsgruppe 4 (HBG 4, hoher Hilfebedarf), "solange, wie die Voraussetzungen hierfür vorliegen".
Durch Bescheid vom 31.01.2001 bestätigte der Beklagte die Übernahme der Betreuungskosten bis 31.12.2002 nach HBG 4, durch Bescheid vom 06.12.2002 übernahm der Beklagte weiter die Leistungen nach HBG 4 bis 31.12.2004 auf der Grundlage eines Entwicklungsberichtes vom 20.11.2002.
Am 10.09.2004 wurde erneut die Verlängerung der Kostenzusage beantragt, beigefügt war ein Entwicklungsbericht der Einrichtung vom 10.09.2004. Durch Bescheid vom 09.12.2004 verlängerte der Beklagte die Zusage bezüglich der Betreuungskosten bis 31.12.2006, allerdings nur nach HBG 3, da abweichend von der Selbsteinschätzung der Einrichtung nur noch ein mittlerer Hilfebedarf vorliege. Grundlage der Bewertung war eine tabellarische Ermittlung des Hilfebedarfes durch den Beklagten aufgrund eines von Frau Prof. Dr. M., Universität Tübingen, entwickelten Erhebungsbogens ("M.-Bogen") auf der Basis des Entwicklungsberichtes der Einrichtung.
Unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme der Einrichtung vom 12.01.2005 zum Hilfebedarf wurde hiergegen Widerspruch eingelegt, worauf der Beklagte eine gutachterliche Äußerung seines Fachdienstes vom 20.04.2005 einholte sowie eine weitere Auswertung dieses Ergebnisses nach dem "M.-Bogen" vornahm. Durch Widerspruchsbescheid vom 10.01.2006 wurde der Widerspruch sodann als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat hiergegen am 10.02.2006 vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, der konkret für den Bereich "Wohnen" erforderliche Hilfebedarf rechtfertige die Einstufung in die HBG 4. Der Beklagte beziehe sachfremde Erwägungen in seine Entscheidung mit ein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe Betreuungskosten für den Bereich "Wohnen" im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 nach Hilfebedarfsgruppe 4 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die weitere umfängliche Versorgung des Klägers in der Einrichtung liege bei diesem bereits keine Beschwer vor. Außerdem komme dem Beklagten bei der Ermittlung des Hilfebedarfes ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Der Kläger hat zum Beweis seiner Beschwer mit Schriftsatz vom 05.07.2007 u.a. eine Rechnung der e.V. vom 02.07.2007 vorgelegt, ausweislich derer ihm gegenüber eine Forderung in Höhe von EUR 27.093,94 geltend gemacht wird.
Das Gericht hat in der Sitzung vom 31.08.2006 die Bereichsleiterin Wohnen der L., Frau D., sowie den weiteren Mitarbeiter Herrn H. als Zeugen vernommen hinsichtlich des Umfangs des Hilfebedarfs des Klägers.
Zur Vermeidung von Wiederholungen sowie zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Klägers bei dem Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung nach §124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten.
Die insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhobene Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist abzuändern, denn er ist rechtswidrig, soweit hierdurch Heimunterbringungskosten für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 lediglich nach Hilfebedarfsgruppe 3 anstatt 4 übernommen werden.
Zunächst steht eine Beschwer des Klägers für das Gericht außer Frage, denn durch die Herabstufung der Hilfebedarfsgruppe und der damit verbundenen geringeren dem Heim tatsächlich zufließenden Betreuungsmittel ist die Rechtsposition des Klägers beeinträchtigt, weil die Einrichtung jederzeit aufgrund des zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses mit dem Kläger die Zahlung der ungedeckten Kosten von diesem hätte fordern können und dies nunmehr auch schriftlich getan hat; insoweit setzt sich auch heute noch der ursprüngliche Bedarf des Klägers trotz vollumfänglicher Betreuung im streitigen Zeitraum durch die Einrichtung in Form einer Vermögensbelastung fort. Der Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" greift daher vorliegend nicht. Weiter ist nach Auffassung der Kammer die Entscheidung des Beklagten auch inhaltlich rechtswidrig, wie noch ausgeführt wird, so dass die Klagebefugnis zu bejahen ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung sind nach Inkrafttreten des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs die Vorschriften der §§ 53 ff. SGB XII, die zum 01.01.2005 die früheren Regelungen in §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) abgelöst haben, in Verbindung mit § 55 SGB IX. Zuständiger Träger der Leistungen ist der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger, § 3 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 und 3 SGB XII und dem Hessischen Ausführungsgesetz zum SGB XII vom 20.12.2004 (HAG), das für stationäre Einrichtungen stets die Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers vorsieht, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HAG.
Es handelt sich somit um Leistungen der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe, an deren Erbringung sowohl der Beklagte als Kostenträger wie auch die Einrichtung als Leistungserbringer im Sinne von § 3 SGB XII und schließlich der Hilfeempfänger im Form eines sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses beteiligt sind. Die zwischen der Einrichtung und dem Beklagten nach §§ 75 ff. SGB XII abgeschlossene Vergütungsvereinbarung regelt dabei, welche Vorgaben die Einrichtung erfüllen muss, sowie welche Vergütungspauschalen abrechnungsfähig sind, tangiert jedoch nicht den individuellen Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen gegenüber dem Kostenträger. Dieser bestimmt sich in seiner Höhe nach dem im gesamten Bereich der Sozialhilfe geltenden Grundprinzip, dass die Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein muss und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf, vgl. §§ 1, 9 SGB XII. Die Vergütung der Einrichtungen, derer sich der Beklagte zur Erfüllung seiner Verpflichtung zu Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe bedient, wurde zum 01.01.2000 von einem bisher einheitlichen Pflegesatz für alle Leistungsberechtigten auf Vergütungsvereinbarungen aufgrund des jeweiligen persönlichen Bedarfs des Betreuten umgestellt, der im Einzelfall durch die Feststellung einer fünffach gestaffelten Hilfebedarfgruppe dargestellt wird. Die Feststellung einer bestimmten Hilfebedarfsgruppe konkretisiert somit den individuellen Einzelanspruch des Berechtigten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 53 SGB XII gehört. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum zur Überzeugung der Kammer auch die Voraussetzungen für die Eingruppierung nach HBG 4 erfüllt.
Dies ergibt sich für das Gericht zum Einen aus den Stellungnahmen der Einrichtung zum Umfang der jeweils erforderlichen Hilfeleistungen, insbesondere aber auch aus den schlüssigen Ausführungen der den Kläger betreuenden Zeugen, die belegen, dass die von der Einrichtung getroffene Einschätzung des Hilfebedarfs für den maßgeblichen Zeitraum weiterhin zutreffend ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit darauf Bezug genommen.
Soweit der Beklagte in seinen verschiedenen Äußerungen ohne persönliche Kenntnis der Wohnumstände und Lebenssituation des Klägers zu jeweils voneinander abweichenden Beurteilungen nach dem "M.-Bogen" kommt, zeigt dies gerade die besonderen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie die Problematik der Vorgehensweise des Beklagten. Eine Begründung für die von dem Beklagten ab 01.01.2005 gesehene Verminderung des tatsächlichen Hilfebedarfs des Klägers erschließt sich dem Gericht jedenfalls weder aus dem angegriffenen Bescheid noch aus der Klageerwiderung. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger seit der Kindheit u.a. an einem schwerstgradigen neurologischen Krankheitsbild leidet, welches aufgrund des fortschreitenden Alters per se einen Hinzugewinn an Fertigkeiten und damit eine Möglichkeit zur Reduzierung des Hilfebedarfs eher als unwahrscheinlich erscheinen lässt, und nachdem nach Aussage des Zeugen H. auch eine weitere Verschlechterung der Situation im Sinne der Verstärkung der Verhaltensauffälligkeiten eingetreten ist, die den von den Zeugen anschaulich dargestellten hohen Hilfebedarf eher stützen denn widerlegen, vermag die vom Beklagten "aus der Ferne" getroffene Beurteilung das Gericht letztlich in keiner Weise zu überzeugen.
Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass es sich bei den Leistungen der Eingliederungshilfe um Ermessensleistungen handelt, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Eine wie auch immer geartete Ermessensausübung lässt der angegriffene Bescheid allerdings gerade nicht erkennen.
Vorliegend war die Entscheidung daher bereits aufgrund dieses Ermessensfehlers zu kassieren, wobei das Gericht im Hinblick auf die Behandlung des Vorganges durch den Beklagten ausdrücklich von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgeht. Denn nachdem die begehrte Leistung bereits erbracht ist, und der Beklagte außerdem trotz der bekannten Schwierigkeiten bei der Feststellung der Hilfebedarfgruppe von einer an den tatsächlichen Gegebenheiten und dem Amtsermittlungsgrundsatz orientierten eigenen Sachaufklärung abgesehen und eine reine Entscheidung nach Lage der Akten getroffen hat, kam nur noch die Verurteilung im Umfang des Klageantrags in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in gesetzlichem Umfang zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe der von dem Beklagten zu übernehmenden Betreuungskosten für die Heimunterbringung des Klägers für den Bereich "Wohnen" für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006.
Der 1958 geborene Kläger leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit geistiger Behinderung sowie einer klassischen Zwangsneurose/Zwangsstörung. Seit 01.08.1995 bezieht er Erwerbsunfähigkeitsrente, nach SGB IX ist ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Seit 01.05.1988 lebt der Kläger im Wohnheim für Behinderte der L-e.V., zunächst in G., seit Beginn des Jahres 2005 im Wohnheim in A-Stadt. Seit Aufnahme des Klägers in das Heim übernahm der Beklagte als Kostenträger die Heimunterbringungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe.
Nachdem zum 01.01.2000 das Vergütungssystem nach §§ 93 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von einem bisher einheitlichen Pflegesatz für alle Leistungsberechtigten auf Vergütungsvereinbarungen aufgrund des jeweiligen persönlichen Bedarfs des Betreuten umgestellt worden war, gewährte der Beklagte durch Bescheid vom 12.05.2000 ab 01.01.2000 Betreuungskosten nach Hilfebedarfsgruppe 4 (HBG 4, hoher Hilfebedarf), "solange, wie die Voraussetzungen hierfür vorliegen".
Durch Bescheid vom 31.01.2001 bestätigte der Beklagte die Übernahme der Betreuungskosten bis 31.12.2002 nach HBG 4, durch Bescheid vom 06.12.2002 übernahm der Beklagte weiter die Leistungen nach HBG 4 bis 31.12.2004 auf der Grundlage eines Entwicklungsberichtes vom 20.11.2002.
Am 10.09.2004 wurde erneut die Verlängerung der Kostenzusage beantragt, beigefügt war ein Entwicklungsbericht der Einrichtung vom 10.09.2004. Durch Bescheid vom 09.12.2004 verlängerte der Beklagte die Zusage bezüglich der Betreuungskosten bis 31.12.2006, allerdings nur nach HBG 3, da abweichend von der Selbsteinschätzung der Einrichtung nur noch ein mittlerer Hilfebedarf vorliege. Grundlage der Bewertung war eine tabellarische Ermittlung des Hilfebedarfes durch den Beklagten aufgrund eines von Frau Prof. Dr. M., Universität Tübingen, entwickelten Erhebungsbogens ("M.-Bogen") auf der Basis des Entwicklungsberichtes der Einrichtung.
Unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme der Einrichtung vom 12.01.2005 zum Hilfebedarf wurde hiergegen Widerspruch eingelegt, worauf der Beklagte eine gutachterliche Äußerung seines Fachdienstes vom 20.04.2005 einholte sowie eine weitere Auswertung dieses Ergebnisses nach dem "M.-Bogen" vornahm. Durch Widerspruchsbescheid vom 10.01.2006 wurde der Widerspruch sodann als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat hiergegen am 10.02.2006 vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, der konkret für den Bereich "Wohnen" erforderliche Hilfebedarf rechtfertige die Einstufung in die HBG 4. Der Beklagte beziehe sachfremde Erwägungen in seine Entscheidung mit ein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe Betreuungskosten für den Bereich "Wohnen" im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 nach Hilfebedarfsgruppe 4 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die weitere umfängliche Versorgung des Klägers in der Einrichtung liege bei diesem bereits keine Beschwer vor. Außerdem komme dem Beklagten bei der Ermittlung des Hilfebedarfes ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Der Kläger hat zum Beweis seiner Beschwer mit Schriftsatz vom 05.07.2007 u.a. eine Rechnung der e.V. vom 02.07.2007 vorgelegt, ausweislich derer ihm gegenüber eine Forderung in Höhe von EUR 27.093,94 geltend gemacht wird.
Das Gericht hat in der Sitzung vom 31.08.2006 die Bereichsleiterin Wohnen der L., Frau D., sowie den weiteren Mitarbeiter Herrn H. als Zeugen vernommen hinsichtlich des Umfangs des Hilfebedarfs des Klägers.
Zur Vermeidung von Wiederholungen sowie zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Klägers bei dem Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung nach §124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten.
Die insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhobene Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist abzuändern, denn er ist rechtswidrig, soweit hierdurch Heimunterbringungskosten für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 lediglich nach Hilfebedarfsgruppe 3 anstatt 4 übernommen werden.
Zunächst steht eine Beschwer des Klägers für das Gericht außer Frage, denn durch die Herabstufung der Hilfebedarfsgruppe und der damit verbundenen geringeren dem Heim tatsächlich zufließenden Betreuungsmittel ist die Rechtsposition des Klägers beeinträchtigt, weil die Einrichtung jederzeit aufgrund des zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses mit dem Kläger die Zahlung der ungedeckten Kosten von diesem hätte fordern können und dies nunmehr auch schriftlich getan hat; insoweit setzt sich auch heute noch der ursprüngliche Bedarf des Klägers trotz vollumfänglicher Betreuung im streitigen Zeitraum durch die Einrichtung in Form einer Vermögensbelastung fort. Der Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" greift daher vorliegend nicht. Weiter ist nach Auffassung der Kammer die Entscheidung des Beklagten auch inhaltlich rechtswidrig, wie noch ausgeführt wird, so dass die Klagebefugnis zu bejahen ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung sind nach Inkrafttreten des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs die Vorschriften der §§ 53 ff. SGB XII, die zum 01.01.2005 die früheren Regelungen in §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) abgelöst haben, in Verbindung mit § 55 SGB IX. Zuständiger Träger der Leistungen ist der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger, § 3 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 und 3 SGB XII und dem Hessischen Ausführungsgesetz zum SGB XII vom 20.12.2004 (HAG), das für stationäre Einrichtungen stets die Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers vorsieht, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HAG.
Es handelt sich somit um Leistungen der Sozialhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe, an deren Erbringung sowohl der Beklagte als Kostenträger wie auch die Einrichtung als Leistungserbringer im Sinne von § 3 SGB XII und schließlich der Hilfeempfänger im Form eines sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses beteiligt sind. Die zwischen der Einrichtung und dem Beklagten nach §§ 75 ff. SGB XII abgeschlossene Vergütungsvereinbarung regelt dabei, welche Vorgaben die Einrichtung erfüllen muss, sowie welche Vergütungspauschalen abrechnungsfähig sind, tangiert jedoch nicht den individuellen Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen gegenüber dem Kostenträger. Dieser bestimmt sich in seiner Höhe nach dem im gesamten Bereich der Sozialhilfe geltenden Grundprinzip, dass die Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein muss und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf, vgl. §§ 1, 9 SGB XII. Die Vergütung der Einrichtungen, derer sich der Beklagte zur Erfüllung seiner Verpflichtung zu Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe bedient, wurde zum 01.01.2000 von einem bisher einheitlichen Pflegesatz für alle Leistungsberechtigten auf Vergütungsvereinbarungen aufgrund des jeweiligen persönlichen Bedarfs des Betreuten umgestellt, der im Einzelfall durch die Feststellung einer fünffach gestaffelten Hilfebedarfgruppe dargestellt wird. Die Feststellung einer bestimmten Hilfebedarfsgruppe konkretisiert somit den individuellen Einzelanspruch des Berechtigten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 53 SGB XII gehört. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum zur Überzeugung der Kammer auch die Voraussetzungen für die Eingruppierung nach HBG 4 erfüllt.
Dies ergibt sich für das Gericht zum Einen aus den Stellungnahmen der Einrichtung zum Umfang der jeweils erforderlichen Hilfeleistungen, insbesondere aber auch aus den schlüssigen Ausführungen der den Kläger betreuenden Zeugen, die belegen, dass die von der Einrichtung getroffene Einschätzung des Hilfebedarfs für den maßgeblichen Zeitraum weiterhin zutreffend ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit darauf Bezug genommen.
Soweit der Beklagte in seinen verschiedenen Äußerungen ohne persönliche Kenntnis der Wohnumstände und Lebenssituation des Klägers zu jeweils voneinander abweichenden Beurteilungen nach dem "M.-Bogen" kommt, zeigt dies gerade die besonderen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie die Problematik der Vorgehensweise des Beklagten. Eine Begründung für die von dem Beklagten ab 01.01.2005 gesehene Verminderung des tatsächlichen Hilfebedarfs des Klägers erschließt sich dem Gericht jedenfalls weder aus dem angegriffenen Bescheid noch aus der Klageerwiderung. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger seit der Kindheit u.a. an einem schwerstgradigen neurologischen Krankheitsbild leidet, welches aufgrund des fortschreitenden Alters per se einen Hinzugewinn an Fertigkeiten und damit eine Möglichkeit zur Reduzierung des Hilfebedarfs eher als unwahrscheinlich erscheinen lässt, und nachdem nach Aussage des Zeugen H. auch eine weitere Verschlechterung der Situation im Sinne der Verstärkung der Verhaltensauffälligkeiten eingetreten ist, die den von den Zeugen anschaulich dargestellten hohen Hilfebedarf eher stützen denn widerlegen, vermag die vom Beklagten "aus der Ferne" getroffene Beurteilung das Gericht letztlich in keiner Weise zu überzeugen.
Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass es sich bei den Leistungen der Eingliederungshilfe um Ermessensleistungen handelt, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Eine wie auch immer geartete Ermessensausübung lässt der angegriffene Bescheid allerdings gerade nicht erkennen.
Vorliegend war die Entscheidung daher bereits aufgrund dieses Ermessensfehlers zu kassieren, wobei das Gericht im Hinblick auf die Behandlung des Vorganges durch den Beklagten ausdrücklich von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgeht. Denn nachdem die begehrte Leistung bereits erbracht ist, und der Beklagte außerdem trotz der bekannten Schwierigkeiten bei der Feststellung der Hilfebedarfgruppe von einer an den tatsächlichen Gegebenheiten und dem Amtsermittlungsgrundsatz orientierten eigenen Sachaufklärung abgesehen und eine reine Entscheidung nach Lage der Akten getroffen hat, kam nur noch die Verurteilung im Umfang des Klageantrags in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
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