L 7 AS 1300/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2194/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1300/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug gem. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung gilt nur für einen Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Februar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, den Klägern für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. jeweils EUR 52,91 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007.

Die am 14. April 1979 geborene Klägerin zu 1 und ihr am 30. September 1998 geborener Sohn, der Kläger zu 2, wohnten bis 30. April 2007 in der M.-E.-Straße 6 in M ... Mit Bescheid vom 21. August 2006 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 5. August 2006 bis 3. August 2007 nach einem täglichen Leistungssatz in Höhe von EUR 9,82. Ab dem 1. Dezember 2006 wurde dem Kläger zu 2 Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von EUR 170,00 monatlich gewährt (Bewilligungsbescheid des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. November 2006). Darüber hinaus wurde für den Kläger Kindergeld in Höhe von EUR 154,00 monatlich gewährt. Mit Bescheid vom 5. März 2007 bewilligte die ARGE Zollernalbkreis den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2007. Neben der Regelleistung für die Klägerin in Höhe von EUR 345,00, einem Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von EUR 41,00 und des Sozialgeldes für den Kläger in Höhe von EUR 207,00 wurden auf Bedarfsseite monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 317,68 anerkannt. Dabei entfielen auf die Grundmiete EUR 164,18, auf die Nebenkosten EUR 84,00 sowie auf die Kosten für die Heizung EUR 69,50.

Am 1. Mai 2007 zogen die Kläger von M. in die E.str. 87b in H. um, wo bereits eine Schwester der Klägerin wohnte. Zum gleichen Zeitpunkt zogen auch die Eltern der Klägerin von M. in eine Mietwohnung unter der gleichen Anschrift wie die Klägerin um. Für die 67,60 Quadratmeter große Wohnung hat die Klägerin eine Grundmiete von EUR 285,00 zu zahlen; die Nebenkosten belaufen sich auf EUR 75,00. Die Vorauszahlung für die Heizkosten mittels Erdölsammelheizung beträgt EUR 40,00 monatlich. Eine Zusicherung des zuständigen Grundsicherungsträgers hatten die Kläger vor dem Umzug nicht eingeholt.

Auf ihren Antrag vom 25. April 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2007 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Neben Regelleistung, Mehrbedarf für Alleinerziehende und Sozialgeld wurden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt EUR 279,18, aufgeteilt nach Kopfteilen je EUR 139,59, anerkannt. Berücksichtigt wurden die tatsächlichen Nebenkosten in Höhe von EUR 75,00 und Heizkosten in Höhe von EUR 40,00. Die Kaltmiete wurde jedoch nur in Höhe der bisherigen Grundmiete von EUR 164,18 zugrunde gelegt, da der Umzug nach H. ohne vorherige Rücksprache mit dem bisher zuständigen Grundsicherungsträger erfolgt sei (Bescheid vom 26. April 2007).

Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 10. Mai 2007 Widerspruch und bat um nochmalige Berechnung der der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Leistungen. Zur Begründung legte sie eine von ihrer Mutter gefertigte Widerspruchsbegründung in deren Verfahren um höhere Kosten der Unterkunft und Heizung vor, womit sie geltend machte, sie müsse ihre Mutter bei der Versorgung ihres kranken Vaters unterstützen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Umzug der Kläger zusammen mit den Eltern der Klägerin zu 1 zu deren Schwester in H. zum Zwecke einer Familienzusammenführung rechtfertige den Umzug nicht. Vor dem Umzug sei auch nicht die Zustimmung der zuständigen ARGE eingeholt worden. Der Klägerin zu 1 habe klar sein müssen, dass sie bei einem mit höheren Kosten verbundenen Wohnsitzwechsel die Kostenübernahme zuvor mit der zuständigen Stelle hätte klären lassen müssen. Da keine Zustimmung erfolgt sei und ein wichtiger Grund auch nicht plausibel nachgewiesen worden sei, gewähre die Beklagte weiterhin Kosten für Unterkunft und Heizung nur in der bisher von der ARGE Zollernalbkreis bewilligten Höhe.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Juni 2007 berechnete die Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2007 wegen der Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses für den Kläger auf EUR 168,00 monatlich neu; eine Änderung der zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und Heizung erfolgte nicht.

Am 20. Juni 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Im Erörterungstermin vor dem SG am 31. Januar 2008 ist durch die Bevollmächtigte der Kläger klargestellt worden, dass auch der Sohn der Klägerin zu 1 als Kläger geführt werden solle und die geltend gemachte Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung sich auch auf den Anteil des Sohnes beziehen solle.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen, die Klägerin zu 1 sei zusammen mit ihrem Sohn und ihren Eltern zu ihrer bereits zuvor in H. wohnhaften Schwester gezogen. Erst durch diesen gemeinsamen Umzug sei es der Klägerin zu 1 nun gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern möglich, den dialyse- und somit pflegebedürftigen Vater seinem gesundheitlichen Zustand entsprechend zu versorgen. Der Mutter sei die alleinige Pflege des Vaters nicht möglich. Die Klägerin und ihre Schwester seien aus zeitlichen Gründen nur in gemeinschaftlicher Absprache in der Lage, die Pflegetätigkeit angemessen zu bewirken. Des Weiteren habe die Beklagte zumindest die für H. als angemessen anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2007 und den Bescheid vom 14. Juni 2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern für die Zeit ab 1. Mai 2007 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 105,82 monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf die Höhe bis zum Umzug zu tragenden Aufwendungen beschränkt. Der Umzug der Kläger von M. nach H. sei allerdings nicht erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II gewesen. Die Klägerin habe eine Beschäftigung erst im August 2007 aufgenommen, sodass der Umzug zum 1. Mai 2007 nicht zum Zwecke der Beschäftigungsaufnahme erfolgt sei. Die Erforderlichkeit ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag der Kläger, der Umzug sei für eine angemessene Versorgung des kranken Vaters der Klägerin und der minderjährigen Kinder in der Großfamilie erfolgt. Zum Zeitpunkt des Umzuges sei die bereits in H. wohnhafte Schwester der Klägerin noch berufstätig gewesen, sodass nicht nachvollziehbar sei, dass für die angemessene Versorgung des kranken Vaters ein Umzug nach H. erforderlich gewesen wäre. Die Klägerin selbst sei zum Zeitpunkt des Umzuges noch nicht berufstätig gewesen, sodass dieser auch nicht zum Zweck der Versorgung ihres Sohnes durch die ebenfalls zuvor in M. wohnhafte Mutter erfolgt sei. Die Beschränkung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II finde jedoch nur Anwendung auf Umzüge innerhalb desselben Wohnbereiches, der für die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung maßgeblich sei. Da die Kläger in einen anderen Wohnortbereich umgezogen seien, für den abweichende Angemessenheitsgrenzen gälten, seien die zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung nicht auf die bisher erbrachten Aufwendungen zu beschränken. Die Beklagte habe daher, da auch eine vorherige Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung sei, den Klägern die für H. angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Diese beliefen sich für eine von zwei Personen bewohnte Wohnung auf eine Kaltmiete von EUR 270,00 bei einer Wohnfläche von 60 Quadratmetern, sodass sich zuzüglich der tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten insgesamt angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 385,00 monatlich ergäben. Soweit die Kläger die Grundmiete in tatsächlicher Höhe begehrt haben, ist die Klage abgewiesen worden.

Gegen diesen ihr am 25. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 14. März 2008 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG finde die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht nur bei Umzügen innerhalb desselben örtlichen Wohnungsmarktes Anwendung. Die Vorschrift solle einer Kostensteigerung entgegenwirken. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige müsse Beschränkungen auch dann hinnehmen, wenn er einen Wechsel in eine Wohnung beabsichtige, deren Kosten angemessen seien; ihm sei auferlegt, auf Gestaltungen, die er als Verbesserung seiner Lebensumstände ansehe, zu verzichten und Wünsche zurückzustellen. Folge man der Ansicht des SG, könne § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II leicht umgangen werden, indem der Umzug in einen anderen Bezirk, z.B. Nachbarbezirk, erfolge. Leistungsbezieher hätten die Möglichkeit, ohne triftigen Grund aus einer günstigen Wohnung in einen teureren Bezirk zu ziehen, sodass die Mehrkosten vom Steuerzahler zu tragen seien. Soweit die von der Beklagten vertretene Auslegung als Einschränkung der Freizügigkeit angesehen werde, sei zu bedenken, dass auch ein Erwerbstätiger sich bei einem Umzug einschränken, zuerst eine Arbeit am neuen gewünschten Wohnort suchen und erst danach umziehen werde. Maßgeblich könne es daher nur auf den wichtigen Grund, bzw. die Erforderlichkeit eines Umzuges ankommen. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten für den Umkreis von Mosbach, somit auch für H., betrage nach einem Beschluss des Kreistages bei zwei Personen monatlich EUR 270,00. Durch regelmäßiges Nachsehen in Tageszeitungen werde überprüft, inwiefern solche Wohnungen angeboten würden; auf die hierzu vorgelegte Liste der ausgewerteten Zeitungsannoncen wird auf Bl. 27/30 der Senatsakten Bezug genommen.

Im Rahmen eines Teilvergleiches (Schriftsätze vom 8. und 10. Juli 2008) haben die Beteiligten den Gegenstand des Verfahrens auf die Höhe der Ansprüche der Kläger auf die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007 beschränkt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Februar 2008 aufzuheben und die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei teleologisch zu reduzieren. Ein Hilfebedürftiger dürfe nicht daran gehindert werden, sein soziales Umfeld zu verlassen; vielmehr sei ihm freie Wohnortswahl zuzubilligen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die neue Regelung eine neue umfassende Einschränkung des grundrechtlich geschützten Rechtes auf Freizügigkeit dahingehend vornehmen wollte, dass der Hilfebedürftige durch die Regelung faktisch gehindert werde, sich einen anderen Wohnort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu suchen. Es sei auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bei Umzügen im Bundesgebiet stärker zu beschränken als Hilfebedürftige nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), das eine dem § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II vergleichbare Vorschrift nicht enthalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der Sache verhandeln und entscheiden, da in der ihr am 23. Juni 2008 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die auf die vorliegende, am 14. März 2008 eingelegte Berufung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelsicherheit (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 87, 48) noch Anwendung findet. Denn der Beschwerdewert übersteigt EUR 500.-. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung der Berufung die Verpflichtung der Beklagten, den Klägern für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2007 um EUR 105,82 monatlich höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Nachdem die Kläger ihr Begehren bereits im Klageverfahren allein auf die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt hatten, haben die Beteiligten im Berufungsverfahren den Streitgegenstand im Wege des Vergleichs auch zeitlich begrenzt auf den Zeitraum 1. bis 31. Mai 2007. Zurecht hatte bereits das SG den Kläger zu 2 im Rahmen des Meistbegünstigungsgrundsatzes in das Verfahren einbezogen (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 1), nachdem die Klägerin zu 1 bereits im Widerspruch höhere Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft, also auch für den Kläger, geltend gemacht hatte.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat den Klagen in dem hier noch streitgegenständlichen Umfang zurecht stattgegeben. Die Kläger haben Anspruch auf die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der für H. angemessenen Aufwendungen.

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ist die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau. Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 und 3; so auch die ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 27. Dezember 2005 - L 7 SO 5376/05 ER-B -; Urteil vom 21. September 2006 - L 7 SO 380/06 - Breithaupt 2007, 62; Beschlüsse vom 27. September 2006 - L 7 AS 4739/06 ER-B - ZFSH/SGB 2007, 31, vom 14. Februar 2007 - L 7 AS 275/07 ER-B -, vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (juris) und vom 5. November 2007 - L 7 AS 4779/07 ER-B -). Bezüglich des Wohnungsstandards als weiteren Faktors im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob eine Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen. Den räumlichen Vergleichsmaßstab bildet insoweit regelmäßig der Wohnort des Hilfebedürftigen, der sich jedoch nicht stets mit dem kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" decken muss, sodass im Einzelfall - je nach den örtlichen Verhältnissen - insbesondere bei Kleinst-Gemeinden ohne eigenen Wohnungsmarkt - eine Zusammenfassung in größere Vergleichsgebiete geboten sein kann (BSG a.a.O.). Bei der Angemessenheitsprüfung abzustellen ist zudem nicht isoliert auf die einzelnen Faktoren Wohnungsgröße, Ausstattungsstandards und Quadratmeterpreis; die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich vielmehr aus dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 und 3; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - (juris); auch ständige Senatsrechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 21. September 2006 a.a.O. und vom 17. Juli 2008 - L 7 AS 1775/08 und L 7 AS 1797/08 -; Senatsbeschlüsse vom 27. Dezember 2005, 27. September 2006 und 6. September 2007 a.a.O.; ferner Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 51). Da der Hilfebedürftige indessen einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Angemessenheitsprüfung schließlich auch auf die Frage zu erstrecken, ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 und 3; BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 41/06 R -; ferner schon Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER- B - (juris) und vom 27. Dezember 2005 a.a.O.). Auf dieser Grundlage ist für Baden-Württemberg von einer Wohnfläche von 60 m² für einen Zweipersonenhaushalt auszugehen (vgl. hierzu Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Bindung in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 (GABl S. 240/245) i.d.F. der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 (GABl S. 248)).

Abzustellen ist dabei zunächst auf die Verhältnisse im Bereich des Zuzugsortes. Der Senat hat, da er auf Berufung der Beklagten zu entscheiden hat, ohne dass die Kläger Anschlussberufung eingelegt hätten, nicht darüber zu befinden, ob eine höhere Kaltmiete als die vom SG angesetzten EUR 270.- angemessen sein könnten. Eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist nur zugunsten der Beklagten möglich und würde diesbezüglich voraussetzen, dass die Angemessenheitsgrenze tatsächlich niedriger läge, als von der Beklagten selbst angenommen. Hierfür ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere nicht unter Berücksichtigung der von den Beklagten vorgelegten Liste über die Auswertung der Zeitungsannoncen, die die Beklagte zur Kontrolle der Mietobergrenze herangezogen hat. Dem entsprechend hat auch die Beklagte die Angemessenheitsgrenze nicht in Frage gestellt. Demnach ist davon auszugehen, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt in H. eine Kaltmiete von EUR 270.- (ohne Neben- oder Betriebskosten) angemessen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung nicht nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) auf die Höhe der vor dem Umzug zu übernehmenden Aufwendungen begrenzt. Danach werden, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht.

Da der Umzug der Kläger nach dem 31. Juli 2006 erfolgt ist, ist der zeitliche Anwendungsbereich dieser Regelung eröffnet. Auch war der Umzug nicht erforderlich in diesem Sinne. Eine Definition, wann ein Umzug "erforderlich" ist, enthält das Gesetz nicht. Derselbe Begriff wird jedoch in § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II im Rahmen der Regelung über die Zusicherung verwendet. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen von den gleichen Grundsätzen ausgeht (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 47d; Berlit in LPK-SGB II, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 45). Maßgeblich ist danach, ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen (Berlit, a.a.O., Rdnr. 76; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Stand August 2007, § 22 Rdnr. 21b; OVG Lüneburg FEVS 36, 291 zum Bundessozialhilfegesetz). Dafür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23 zu Nummer 21) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, lagen für den Umzug der Kläger Gründe dieser Art nicht vor. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Überzeugung an und nimmt insoweit auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Berufungsverfahren haben die Kläger nichts Neues vorgetragen, was diese Einschätzung in Frage stellen könnte. Sie haben das Urteil des SG nicht beanstandet.

§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II gilt jedoch nur für einen Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs (vgl. o.), also üblicherweise innerhalb des jeweiligen Wohnortes (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2008 - L 7 AS 2881/08 ER-B-; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Oktober 2007 - L 13 AS 168/07 ER - (juris); Lang/Link, a.a.O., Rdnr. 47b; Gerenkamp, a.a.O., § 22 Rdnr. 21a; offen gelassen in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2). Diese Begrenzung ist zwar, wie die Beklagte zutreffend einwendet, dem gesetzlichen Wortlaut nicht unmittelbar zu entnehmen; sie ergibt sich jedoch aus dem mit der Regelung verfolgten Zweck (Lang/Link, a.a.O.). In der amtlichen Begründung zur Neuregelung (BT-Drucks. 16/1410 S. 23 zu Nummer 21) wird ausgeführt: "Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen, auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen." Motiv der Neuregelung war es mithin, Kostensteigerungen zu Lasten des kommunalen Trägers entgegenzuwirken, die dadurch entstehen, dass Hilfebedürftige durch Umzug die maßgebliche Angemessenheitsgrenze "ohne Not" voll ausschöpfen, obwohl sie bereits in einer angemessenen – aber preiswerteren - Wohnung leben. Die Regelung bezieht sich auf die örtlich angemessenen Unterkunftskosten, zu deren Ermittlung in der Regel auf den Wohnortbereich abzustellen ist (BSG a.a.O.). Jeder Leistungsträger hat demnach die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung für seinen jeweiligen Zuständigkeitsbereich selbst zu ermitteln; es gelten – anders als beispielsweise im Wohngeldrecht – keine bundesweiten Vorgaben (Gerenkamp, a.a.O.). Auch die Gesetzesbegründung bezieht sich nur auf die durch "den" kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen. Damit kann im Zusammenhang nur der für den bisherigen Wohnort zuständige Träger gemeint sein. Maßgeblich ist also, dass die Angemessenheitsgrenze ausgeschöpft werden sollte, die durch diesen Träger festgelegt ist. Zieht der Hilfebedürftige jedoch in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers, bzw. in einen Wohnortbereich, für den eine abweichende Angemessenheitsgrenze gilt, kann die ursprünglich geltende gerade nicht mehr "ausgeschöpft" werden. Der vom Gesetzgeber in den Blick genommene "Missbrauchsfall" kann also nicht entstehen.

Gegen die von der Beklagten zugrunde gelegte Auslegung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II sprechen auch verfassungsrechtliche Erwägungen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Regelung mit der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung verfassungswidrig wäre. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Gesetzesbegründung keinerlei Ausführungen zu verfassungsrechtlichen Bezügen, Grundrechtseingriffen und deren Rechtfertigung enthält. Dies wäre jedoch wegen der verfassungsrechtlichen Bedeutung einer Regelung mit dem von der Beklagten angenommenen Inhalt zu erwarten gewesen. Gälte § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II auch bei einem Umzug in einen anderen Wohnortbereich i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, insbesondere in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers, beeinträchtigte die Regelung das Grundrecht des Hilfebedürftigen auf Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieses umfasst das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnung zu nehmen; hierzu gehört auch die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 2, 266; BVerfGE 110, 177). Zwar hinderte eine solche Regelung einen Hilfebedürftigen nicht unmittelbar an der freien Wahl des Wohnortes. Sie knüpfte aber an eine Wahl, die höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zur Folge hätte, eine sozialrechtlich nachteilige Rechtsfolge. Grundrechte können jedoch auch durch mittelbare Maßnahmen beeinträchtigt werden. Das Grundgesetz bindet den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs oder gibt diesen inhaltlich vor. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Solche Maßnahmen können in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direktem Eingriff gleichkommen und müssen dann wie ein solcher behandelt werden. Auch das Vorenthalten einer Sozialhilfeleistung, die an die Wahl des Wohnortes anknüpft, kann daher einen Eingriff in das Freizügigkeitsgrundrecht darstellten (BVerfGE 110, 177; Hess. VGH FEVS 35, 417).

Folgte man der Auslegung der Beklagten, erhielte der Hilfebedürftige seinen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht in voller Höhe gedeckt, obwohl diese im - neuen - Wohnortbereich gerade angemessen sind. Er wäre somit darauf verwiesen, den Unterschiedsbetrag aus der Regelleistung zu decken, so dass ihm dieser Betrag nicht mehr für die Bestreitung seines übrigen Lebensunterhalts zur Verfügung stünde. Eine solche Regelung knüpfte daher an die Ausübung des Grundrechts auf Freizügigkeit einen wirtschaftlich spürbaren Nachteil, der je nach der Ausprägung der Unterschiede im Mietkostenniveau geeignet wäre, einen Hilfebedürftigen an den bisherigen Wohnort zu binden. Allein dies führte zwar noch nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der Regelung, vielmehr wäre eine Rechtfertigung nach Art. 11 Abs. 2 GG zu prüfen. Eine solche Prüfung hat vorliegend jedoch nicht zu erfolgen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der ändernde Gesetzgeber in der amtlichen Begründung eine solche Rechtfertigung nicht ansatzweise für nötig gehalten und auch eine Bindung an den bisherigen Wohnort gerade nicht als Ziel der Neuregelung formuliert hat. Bereits nach der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung des § 22 SGB II war das Recht des Hilfebedürftigen auf freie Ortswahl durch die leistungsrechtlichen Regelungen nicht beschränkt (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2). Aus alldem ist zu schließen, dass der gesetzgeberische Wille nicht auf eine so weitgehende Regelung gerichtet war, wie § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II durch eine Auslegung, wie von der Beklagten vorgenommen, gewinnen würde.

Aus diesen Gründen greift der Einwand der Beklagten nicht durch, auch Beschäftigte der unteren Einkommensstufen seien in der Wahl ihres Wohnortes durch die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel eingeschränkt. Im Übrigen stellt sich in solchen Fällen eher umgekehrt die Frage, ob diese nach einem Umzug in einen anderen Wohnort nicht Anspruch auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II haben, wenn das Einkommen für den Lebensunterhalt und die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nicht ausreicht. Des Weiteren ergäben sich, folgte man der Auslegung der Beklagten, Bedenken im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. So würden Hilfebedürftige, die in einer Region mit niedrigem Mietniveau leben, in der Ausübung ihrer Freizügigkeit mittelbar stärker eingeschränkt als solche in einer "teureren" Region, denen sich ein größeres Feld möglicher Zuzugsorte eröffnete (so auch LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).

Dass die Kläger vor dem Umzug keine Zusicherung des zuständigen Grundsicherungsträgers nach § 22 Abs. 2 SGB II erwirkt haben, steht einem Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nicht entgegen. Das Zusicherungsverfahren hat lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion; ein Verstoß gegen die Obliegenheit schränkt die Verpflichtung zur Übernahme angemessener Aufwendungen nicht aus. Die Zusicherung nach Abs. 2 ist keine Anspruchsvoraussetzung (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).

Das SG hat damit, soweit dies im Berufungsverfahren noch zu prüfen war, zurecht die Beklagte zur Übernahme der am Zuzugsort angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung verurteilt. Unter Berücksichtigung der Natur der Leistungsansprüche als Individualansprüche war der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung jedoch zu korrigieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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