L 13 VS 21/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 VS 95/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VS 21/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 3. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2002 verurteilt, dem Kläger Versorgungskrankengeld bis zum 31. Dezember 2004 zu gewähren. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Versorgungskrankengeld nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Zeit ab 1. Januar 2002.

Der im Jahre 1969 geborene Kläger war zunächst bis zum 30. Juni 1990 Soldat der Nationalen Volksarmee und trat nach einer Beschäftigung als Schlosser vom 1. Januar 1991 bis 30. Juni 1991 Anfang Juli 1991 als Offiziersanwärter in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr ein. Im Juni 1994 trat bei ihm plötzlich eine beidseitige Visusverschlechterung wegen eines beidseitigen Keratokonus (einer kegelförmigen Vorwölbung der Hornhaut mit Verdünnung einzelner Hornhautschichten) auf. Die Dienstzeit endete der Wehrdienstzeitbescheinigung des 2. FJGBTL 701 vom 21. Mai 1997 zufolge am 30. Juni 1997 mit Dienstzeitablauf.

Den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem SVG lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 25. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2000 mit der Begründung ab, es läge keine Wehrdienstbeschädigung vor, da es sich bei der Schädigung der Augen um eine anlagebedingte Gesundheitsstörung handele. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 10. März 2003). Gegen das die Berufung zurückweisende Urteil des Senats vom 15. November 2005 hat das Bundessozialgericht (BSG) auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision zugelassen, die unter dem Aktenzeichen B 9/9a VS 4/06 R anhängig ist.

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 5. August 1997 Heilbehandlung und Versorgungskrankengeld und holte auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom Mai 2000 eine Auskunft des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 3. August 2000 ein, nach der keine Bedenken bestünden, vorerst Heilbehandlung für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 nach § 82 Abs. 2 S. 3 SVG weiter zu gewähren. Nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 82.2.2 zu § 82 SVG (SVGVwV) seien Leistungen über den Dreijahreszeitraum hinaus "insbesondere (aber eben nicht nur) zu gewähren, wenn das Verfahren zur Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung über diesen Zeitraum hinaus" andauere. Hinsichtlich der Teilleistung Versorgungskrankengeld sei die Frage eines möglichen Vorliegens eines Dauerzustandes im Sinne des § 18 a Abs. 7 S.2 BVG zu prüfen. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. August 2000 (Bl. 228 der Verwaltungsakten) mit, dass Heilbehandlung für die Gesundheitsstörungen "Keratokonus beidseits mit Visusminderung, Glukosetoleranzstörungen" vorerst vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001 nach § 82 Abs. 2 S. 3 SVG weitergewährt werde. Auch Versorgungskrankengeld werde zunächst wie bisher weiter geleistet. Hinsichtlich der Teilleistung "Versorgungskrankengeld" sei in Übereinstimmung mit dem BMA die AOK Berlin aufgefordert worden, die medizinische Prüfung des möglichen Vorliegens eines Dauerzustandes im Sinne des § 18 a Abs. 7 Satz 2 BVG einzuleiten.

Nach Auskunft der AOK vom 1. September 2000 lag ohne entsprechendes Hauttransplantat ein Dauerzustand vor, während mit der Transplantation eine Besserung zu erwarten sei.

Im Mai 2001 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Heilbehandlung und des Versorgungskrankengeldes und gab an, dass am 19. Februar 2001 die erste Keratoplastik vorgenommen worden sei, deren Nachbehandlung mindestens ein Jahr dauere.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2001 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Prüfung des möglichen Vorliegens eines Dauerzustandes noch nicht habe abgeschlossen werden können. Erst anschließend sei eine Prüfung möglich, ob Heilbehandlung und Versorgungskrankengeld noch weiterhin gewährt werden könnten. Um den Kläger bis zum Abschluss der Prüfung nicht unversorgt zu lassen, würden zunächst noch bis zum 30. September 2001 Leistungen gewährt. Mit weiterem Schreiben vom 26. September 2001 verlängerte der Beklagte die Leistungsgewährung bis zum 31. Dezember 2001.

In dem vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) eingeholten Gutachten gelangte der Augenarzt Dr. V am 2. Oktober 2001 zu dem Ergebnis, es bestehe ein gutes Sehvermögen für Tätigkeiten mit nicht allzu hohen Anforderungen an das Sehvermögen, Tätigkeiten im Freien unter Zugluft und Schmutz sollten nicht durchgeführt werden. Gegen Tätigkeiten im Innendienst bestünden keine Bedenken. Der jetzige Zustand sei als Heilung anzusehen; es bestehe Arbeitsfähigkeit nach Brillenglasanpassung am linken Auge, die innerhalb von 2 Wochen möglich sei. Ein Dauerzustand nach § 18 a Abs. 7 BVG bestehe nicht.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 stellte der Beklagte nach einer entsprechenden Anhörung des Klägers fest, dass dessen Ansprüche auf Heilbehandlung und Versorgungskrankengeld in besonderen Fällen gemäß §§ 82 und 83 SVG mit Ablauf des 31. Dezember 2001 entfielen.

Mit seinem Widerspruch hiergegen verwies der Kläger - wie schon im Anhörungsverfahren- darauf, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei. Außerdem seien Leistungen nach §§ 82 und 83 SVG weiter zu gewähren, wenn das Verfahren zur Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung andauere. Die diesbezügliche Verwaltungsvorschrift des Bundesministers der Verteidigung sei bindend.

Das im Widerspruchsverfahren erneut angehörte BMA teilte am 21. Mai 2002 mit, dass "im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Anerkennungsverfahren und den offenbar fortbestehenden Behandlungsbedarf (Medikamentenversorgung und geplante Operation des zweiten Auges)" der weiteren Gewährung von Heilbehandlung zugestimmt werde, sofern die üblichen Ausschlussgründe nicht vorlägen. Angesichts der bestehenden Arbeitsfähigkeit komme eine weitere Gewährung von Versorgungskrankengeld nicht in Frage.

Durch Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2002 gab der Beklagte dem Widerspruch dahingehend statt, dass im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Anerkennungsverfahren nach dem SVG und dem offenbar fortbestehenden Behandlungsbedarf bezüglich der Augen mit Zustimmung des BMA Heilbehandlung bis zum 31. Dezember 2002 gewährt werde, sofern nicht die üblichen Ausschlussgründe eingriffen. Im Übrigen werde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Begutachtung bestehe wieder Arbeitsfähigkeit. Das Versorgungskrankengeld sei daher zu Recht zum 31. Dezember 2001 eingestellt worden.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger darauf verwiesen, dass nach Tz. 82.2.2 SVGVwV u.a. das Versorgungskrankengeld über den Dreijahreszeitraum hinaus weiter zu gewähren sei, wenn das Verfahren zur Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung über diesen Zeitraum hinaus andauere. Dies sei hier der Fall. Abgesehen davon werde auch weiterhin Heilbehandlung gewährt, so dass schon deshalb Versorgungskrankengeld zu leisten sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei er arbeitsunfähig, da er seiner Tätigkeit als Soldat nicht mehr nachgehen könne. Mindestvoraussetzung für die Wehrdiensttauglichkeit sei nach der Zentralen Dienstvorschrift ZDv 46/1, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge 0,63 nicht unterschreite. Da er nicht wehrdiensttauglich sei, sei er auch nicht mehr im Innendienst verwendungsfähig.

Der Beklagte hat eine Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 20. November 2003 eingeholt. Danach ist bei fehlender Wehrdienstfähigkeit grundsätzlich keine Tätigkeit als Soldat möglich. Eine Unterscheidung in Soldaten im Innendienst und Soldaten im Innen- und Außendienst sei nicht vorgesehen.

Das Sozialgericht hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, beigeladen. Die Beigeladene hat geltend gemacht, dass maßgeblich das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung sei. Nach Nr. 1 der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung vom 3. September 1991 liege Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Dies habe Dr. V verneint. Wenn der Gutachter eine Einschränkung für Tätigkeiten im Freien angesprochen habe, könne dies nur vorübergehend im Hinblick auf noch vorhandene Reizzustände auf Grund der zuvor erfolgten Fadenentfernung gemeint gewesen sein.

Nachdem der Kläger am 5. Juli 2003 am rechten Auge mit dem Erfolg operiert worden ist, dass das Sehvermögen nach Auskunft der behandelnden Augenärztin vom 6. Dezember 2004 rechts 0,05p beträgt, hat der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 die Weitergewährung von Heilbehandlung über den 31. Dezember 2004 hinaus abgelehnt. Soweit noch Ende März/Anfang April 2004 regelmäßige Vorstellungen im Rahmen der postoperativen Kontrolle für erforderlich erachtet worden seien, werde eine weitere Operation von Dr. S nunmehr nicht mehr für erforderlich erachtet. Danach müsse die Heilbehandlung im Zusammenhang mit den operativen Eingriffen zur Beseitigung der Folgen eines "Keratokonus" als abgeschlossen angesehen werden. Die Weitergewährung einer Heilbehandlung im Rahmen der Kann-Regelung des § 82 Abs.2 SVG über den 31. Dezember 2004 hinaus sei nicht mehr begründet.

Zur Frage der Arbeitsunfähigkeit hat der Beklagte ein augenfachärztliches Gutachten nach Aktenlage von Dr. D vom 28. Oktober 2005 eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangt ist, wegen des fehlenden räumlichen Sehvermögens sei eine Tätigkeit als Schlosser nicht mehr möglich.

Durch Urteil vom 24. Mai 2006 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Versorgungskrankengeld über den 31. Dezember 2001 hinaus bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Bundessozialgericht B 9a VS 15/05 B zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgungskrankengeld über den Zeitraum von drei Jahren hinaus seien erfüllt. Der Kläger sei bei Beendigung des Wehrdienstverhältnisses im Juni 1997 heilbehandlungsbedürftig und wegen dieser Gesundheitsstörung arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Nach Nr. 1 der Richtlinie des Bundessausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung vom 3. September 1991 liege Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausüben könne. Ob hierfür auf den Beruf des Soldaten oder auf den zuvor ausgeübten Beruf des Schlossers abzustellen sei, brauche nicht entschieden zu werden, weil der Kläger beide Tätigkeiten nicht mehr ausführen könne. Ausweislich des Gutachtens von Dr. Vvom 2. Oktober 2001 könne der Kläger nicht mehr im Freien unter Zugluft und Schmutz tätig sein. Daher sei er wehrdienstunfähig, weil es keine Tätigkeit als "Soldat im Innendienst" gebe. Nach dem Gutachten von Dr. D sei eine Tätigkeit als Schlosser ebenfalls nicht möglich. Der Anspruch bestehe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Anerkennung der Augenerkrankung als Wehrdienstbeschädigung. Zwar liege das nach § 82 Abs. 2 S. 3 SVG erforderliche Benehmen mit dem BMA nicht vor und die Entscheidung über die Verlängerung im Ermessen des Beklagten. Das Benehmen sei jedoch zu fingieren und das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert. Nach Nr. 82.2.2 SVGVwV seien Leistungen über den Dreijahreszeitraum hinaus insbesondere zu gewähren, wenn das Verfahren zur Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung über diesen Zeitraum hinaus andauere. In Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei aus der Verwaltungspraxis des BMA und des Beklagten eine Selbstbindung der Verwaltung abzuleiten, die nur die Fortzahlung des Versorgungskrankengeldes ermögliche. Denn das BMA habe mit seiner Zustimmung zur Leistungsgewährung vom 3. August 2000 und der Beklagte durch die Gewährung der Leistung über den 30. Juni 2000 hinaus zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verwaltungsvorschrift dahingehend verständen, dass unter "Verfahren zur Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung" auch das sich einem Verwaltungsverfahren anschließende Gerichtsverfahren zu verstehen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Verwaltungsverfahren bereits abgeschlossen und die Klage beim Sozialgericht Berlin anhängig gewesen. An diese einmal ausgeübte Ermessensentscheidung sei der Beklagte gebunden. Das BMA habe im Schreiben vom 3. August 2000 die Zustimmung zur Weitergewährung ausdrücklich auf die SVGVwV gestützt, der Beklagte habe hierauf Bezug genommen. Zu diesem Verfahren gehöre auch die Revision vor dem BSG. Der Anspruch sei auch nicht nach § 18 a Abs. 7 BVG entfallen, weil ein anspruchsausschließender Dauerzustand durch gesonderten Bescheid festzustellen sei, der im vorliegenden Fall nicht ergangen sei.

Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, die Zahlung des Versorgungskrankengeldes sei zum 31. Dezember 2001 eingestellt worden, weil die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt gewesen sei. Abzustellen sei hierfür auf die vom Kläger bei der Bundeswehr zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Innendienst. Einem Befund des Bundeswehrkrankenhauses H vom 17. März 1995 sei zu entnehmen, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nur innendienstfähig eingestuft worden sei. Die Einstellung des Versorgungskrankengeldes sei deshalb zutreffend mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit begründet worden. Abgesehen davon sei das Ermessen nicht auf Null reduziert. Die einmalige, zeitlich begrenzte Zustimmung des Bundesministeriums stelle keine Selbstbindung dar, da bereits aus der Begrenzung erkennbar sei, dass eine Weitergewährung bis zum Abschluss des Streitverfahrens keineswegs beabsichtigt war.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass sich an die Operation vom 18. Februar 2001 eine Schonungszeit bis Juli 2003 angeschlossen habe. Anschließend sei am 14. Juli 2003 eine Keratoplastik des rechten Auges mit einer Schonungszeit bis Juli 2005 vorgenommen worden. Insoweit bestehe ein selbständiger Anspruchstatbestand nach § 16 Abs. 2 BVG. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit nicht auf eine Tätigkeit als Soldat im Innendienst abgestellt werden, weil eine solche die Wehrdiensttauglichkeit voraussetze, die gerade nicht gegeben sei. Der Bindung des Beklagten an seine Entscheidung zur Fortzahlung des Versorgungskrankengeldes stehe nicht die zugleich vorgenommene Befristung entgegen, da diese mit der angenommenen Arbeitsfähigkeit begründet worden sei. Aus einem Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2003 ergebe sich, was der Beklagte unter "Verfahren" im Sinne der Verwaltungsvorschrift zum SVG verstehe.

Einen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2007 geschlossenen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt hat der Kläger widerrufen und geltend gemacht, maßgeblich für die Frage der Arbeitsfähigkeit sei die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit als Feldjägeroffizier im Truppendienst, die er nicht mehr ausüben könne, da er nicht mehr wehrdiensttauglich sei. Da eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, habe das Sozialgericht den Beklagten zu Recht zur Fortzahlung des Versorgungskrankengeldes verurteilt.

Die Beigeladene verweist darauf, dass die Verwaltungsvorschrift zu § 82 SVG mit dem Begriff "Verfahren" nur das Verwaltungsverfahren umfasse. Anderenfalls hätte auf die Rechtskraft der Entscheidung über die Anerkennung verwiesen werden müssen. Bei der Ermessensentscheidung habe das Fortbestehen des Erfordernisses der Heilbehandlung den Vorrang vor jeder anderen Entscheidung. Werde weiterhin Heilbehandlung für notwendig erachtet, werde bei Arbeitsunfähigkeit Versorgungskrankengeld gezahlt. Es erfolge insoweit keine eigene Ermessensentscheidung. Aus § 83 Abs. 1 Nr. 1 SVG dürfe nicht geschlossen werden, dass für die Frage der Arbeitsunfähigkeit immer auf die Tätigkeit vor dem Wehrdienst abzustellen sei. Vielmehr sei bei Zeitsoldaten, die während der Dienstzeit eine Berufsqualifikation durchgeführt hätten, diese als Prüfungsmaßstab für die Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akten des sozialgerichtlichen Verfahrens S 39 VS 95/02 und der den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet, soweit der Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Leistungsgewährung von Versorgungskrankengeld über den 31. Dezember 2004 hinaus wendet; im Übrigen ist sie unbegründet.

Da der Kläger sich gegen die Einstellung des Versorgungskrankengeldes ab 1. Januar 2002 wendet, ist richtige Klageart die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der Folge, dass die Voraussetzungen der Leistungsgewährung grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen sind.

Nach § 82 Abs. 1 SVG erhält u.a. ein ehemaliger Soldat auf Zeit wegen einer Gesundheitsstörung, die bei Beendigung des Wehrdienstverhältnisses heilbehandlungsbedürftig ist, Leistungen in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 und 3 sowie der §§ 11, 11a und 13 bis 24 a BVG. Bei Anwendung der in Satz 1 genannten Vorschriften ist die festgestellte Gesundheitsstörung wie eine anerkannte Schädigungsfolge zu behandeln, § 82 Abs. 1 Satz 3 SVG. Nach § 82 Abs. 2 SVG werden die Leistungen bis zur Dauer von 3 Jahren nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses gewährt. Wird vor Ablauf dieses Zeitraums ein Anspruch nach § 80 SVG (Versorgung wegen Wehrdienstbeschädigung) anerkannt, so werden sie nur bis zum Zeitpunkt dieser Anerkennung gewährt. Sie können nach § 82 Abs. 2 Satz 3 SVG in besonderen Fällen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (jetzt Bundesministerium für Arbeit und Soziales) über den Zeitraum von 3 Jahren hinaus gewährt werden.

Einen derartigen Fall hat der Beklagte im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im vorliegenden Fall bejaht, indem er Heilbehandlung bis zum 31. Dezember 2004 gewährt hat. Diese Verwaltungsentscheidung hat zur Folge, dass auch Versorgungskrankengeld für den Zeitraum gewährt wird, in dem zugleich Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Denn die Beigeladene hat dargelegt, dass das Fortbestehen des Erfordernisses der Heilbehandlung bei der Ermessensentscheidung Vorrang vor jeder weiteren Erwägung hat. Wird weiterhin Heilbehandlung für erforderlich erachtet und eine entsprechende Ermessensentscheidung getroffen, so stellt dieser Auskunft zufolge die Gewährung von Versorgungskrankengeld keine eigene Ermessensentscheidung dar.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Kläger in dem gesamten Zeitraum auch arbeitsunfähig. Nach § 16 Abs. 1 Buchst. a BVG wird Beschädigten, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden, Versorgungskrankengeld gewährt. Arbeitsunfähigkeit liegt nach der allgemeinen Begriffsbestimmung der Rechtsprechung dann vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr verrichten kann. Der Maßstab der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis (vgl. BSG, Urteil vom 4.4.2006 B 1 KR 21/05 R zum Berufsschutz bei Arbeitslosigkeit). Das Versicherungsverhältnis "Zeitsoldat" war mit Ende der Dienstzeit am 30. Juni 1997 beendet. Mit deren Ende kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob der Kläger als Zeitsoldat nicht wieder eingestellt würde, weil er wehrdienstunfähig wäre, sondern es ist auf die Tätigkeit als Schlosser abzustellen. So hat das Sozialgericht im Vorfeld seiner Entscheidung die Tätigkeit als Schlosser als zuletzt vor der Zeit bei der Bundeswehr ausgeübte Tätigkeit für maßgeblich erachtet und hierfür auf den Rechtsgedanken des § 83 SVG abgestellt. Diese Vorschrift macht deutlich, dass für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die Frage der Arbeitsunfähigkeit als Soldat abgestellt werden kann, weil es dann nicht der Fiktion des § 83 Abs. 1 Nr. 1 SVG bedürfte, wonach der Soldat auch dann als arbeitsunfähig gilt, wenn er zuvor keine Erwerbsfähigkeit ausgeübt hat.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Kläger sich von der Tätigkeit als Schlosser gelöst hat. Hierzu hat die Beigeladene darauf verwiesen, dass das Bundesministerium für Verteidigung bei Zeitsoldaten, die während der Dienstzeit eine Berufsqualifikation durchgeführt haben, diese zum Prüfungsmaßstab für die Arbeitsunfähigkeit nehme, da der Soldat durch die Qualifikation gezeigt habe, dass er für die Zeit nach der Bundeswehr eine andere Tätigkeit als die zuvor ausgeübte anstrebe.

Eine derartige Qualifikation ist vorliegend weder ersichtlich noch von den Beteiligten geltend gemacht worden. Gegen eine entsprechende Qualifikation spricht schon, dass der Kläger in der Zeit vom 3. November bis zum 15. November 2002 an einer Berufsfindungs- bzw. Arbeitserprobungsmaßnahme teilnehmen sollte, so dass das Arbeitsamt gerade die Notwendigkeit bejaht hat, dem Kläger einen neuen Berufsbereich zu erschließen. Des weiteren hätte für den Beklagten keine Veranlassung bestanden, auf eine Tätigkeit als "Soldat im Innendienst" zu verweisen, wenn eine derartige Qualifikation vorgelegen hätte.

Ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld über den 31. Dezember 2004 hinaus besteht jedoch nicht. Denn der Beklagte hat nur bis zu diesem Zeitpunkt Heilbehandlung gewährt. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger gegen den seinen Antrag auf Weitergewährung von Heilbehandlung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2004 Widerspruch eingelegt hat. Dieser Bescheid wird nicht gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegen-stand des Verfahrens, da er die hier angefochtenen Bescheide weder abändert noch ersetzt, sondern eine eigenständige Regelung zum Anspruch auf weitere Heilbehandlung trifft. Von der Möglichkeit, das Verfahren nach § 114 Abs. 2 SGG wegen der Vorgreiflichkeit des Heilbehandlungsanspruches auszusetzen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Eine derartige Entscheidung, die im Ermessen des Gerichts steht, hat der Senat für nicht sachdienlich erachtet, weil über einen Anspruch auf Versorgungskrankengeld für einen bereits weit zurückliegenden Zeitraum, nämlich ab 1. Januar 2002 zu entscheiden war, über den für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 bereits entschieden werden konnte. Außerdem ist mit einer etwaigen Entscheidung, weiterhin Heilbehandlung zu gewähren, ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld verbunden, wenn auch über den 31. Dezember 2004 hinaus Arbeitsunfähigkeit besteht.

Ein Anspruch auf Fortzahlung des Versorgungskrankengeldes besteht insbesondere nicht auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften. Nach § 92 Abs. 1 SVG erlässt das Bundesministerium der Verteidigung die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften. Die diesbezügliche allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 11. August 1981 zu § 82 Abs. 2 lautet: 82.2.2: Leistungen über den 3-Jahreszeitraum hinaus sind insbesondere zu gewähren, wenn das Verfahren zur Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung über diesen Zeitraum hinaus andauert. Da es sich um eine Verwaltungsvorschrift handelt, entfaltet sie nur unter zwei möglichen Voraussetzungen Bindungswirkung, nämlich über Art. 3 des Grundgesetzes, wenn eine entsprechende Verwaltungspraxis festgestellt werden kann, oder aber, wenn der Vorschrift wegen ihrer besonderen Bedeutung Außenwirkungzuzumessen ist.

Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Beklagte und die Beigeladene verweisen darauf, dass als "Verfahren zur Anerkennung" nur das Verfahren bis zum Anerkennungs- oder Ablehnungsbescheid angesehen werde. Eine hiervon abweichende Verwaltungspraxis haben auch die ergänzenden Ermittlungen des Senats nicht ergeben.

Zu einer derartigen Interpretation ist der Beklagte auch berechtigt, da er im Rahmen der authentischen Interpretation eine Verwaltungsvorschrift eigenständig auslegen kann, sofern diese nicht –ausnahmsweise- wegen der ihr zukommenden Außenwirkung wie eine Rechtsvorschrift durch die Gerichte auszulegen ist. Ein derartiger Fall ist nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sind Verwaltungsvorschriften nur ausnahmsweise im Hinblick auf ihre besondere rechtliche Form und ihre ungewöhnliche rechtliche Bedeutung wie Rechtsvorschriften auszulegen (vergl. die Rechtsprechung des BVerwG zu Beihilfevorschriften u.a. Urteile vom 21. November 1994 – BVerwG 2 C 5.93 - Buchholz 270 § 6 Nr. 8 und vom 30. März 1995 – BVerwG 2 C 9.94-Buchholz 270 § 8 Nr. 2). Eine derartige ungewöhnliche rechtliche Bedeutung kommt der angegebenen Verwaltungsvorschrift nicht zu, wie der Vergleich zur Breitenwirkung etwa der Beihilfevorschriften deutlich macht.

Eine Ermessensbindung des Beklagten an eine eigene, frühere Entscheidung gegenüber dem Kläger besteht ebenfalls nicht. Soweit das Sozialgericht darauf abgestellt hat, aus der Zustimmung des BMA zur Verlängerung der Leistungsgewährung vom 3. August 2000 und der Entscheidung des Beklagten, über den 30. Juni 2000 hinaus Versorgungskrankengeld zu gewähren, sei eine Selbstbindung der Verwaltung abzuleiten, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dem Schreiben vom 3. August 2000 ist vielmehr zu entnehmen, dass gerade nicht darauf abgestellt wird, dass das Verfahren über die Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung noch nicht abgeschlossen ist, sondern dass vorerst für einen bestimmten Zeitraum ein Sonderfall deswegen angenommen werde, weil ein ehemaliger Soldat sonst auf Krankenhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz verwiesen würde. Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 23. August 2000 ausgeführt, dass "vorerst für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001" Versorgungskrankengeld gewährt werde, ohne eine Verknüpfung mit dem anhängigen Verfahren über die Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung vorzunehmen.

Eine Ermessensbindung war schließlich dem vom Kläger angeführten Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2003 nicht zu entnehmen. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass der Ausgang des Verfahrens über die Ablehnung der weiteren Versorgungskrankengeldzahlung darüber bestimme, ob weitere Zahlungen erfolgen werden, ist dies ein Hinweis auf die eigentlich selbstverständliche Tatsache, dass weitere Zahlungen von einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung abhängen. Die Auskunft, dass das Bundesministerium einer Weitergewährung der Heilbehandlung für weitere sechs Monate, "aber nicht länger als bis zum Abschluss des anhängigen Rechtstreits hinsichtlich der Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung", zugestimmt habe, verweist nur darauf, dass schon vor Ablauf der sechs Monate eine Einstellung der Leistung vorgenommen werde, wenn der Rechtstreit zuvor beendet sein würde.

Nach alledem hatte die Berufung des Beklagten teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umfang des Obsiegens und des Unterliegens.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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