L 22 U 65/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 19 U 157/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 65/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Juni 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Entziehung einer Dauerrente mit Ablauf des Monats Juli 1996.

Der im Jahr 1946 geborene Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 07. April 1992 verletzt. Er befand sich als Beifahrer in dem Pkw Marke O mit dem amtlichen Kennzeichen P-V 96 auf dem Beifahrersatz während einer Dienstfahrt im Rahmen einer Baustellenbetreuung. Auf der Ortsverbindung zwischen L in Höhe BAB-Auffahrt Richtung L wurde das Fahrzeug, in dem sich der Kläger befand, von vorne und auch seitlich von einem Tanklastwagen gerammt, der aus der Gegenrichtung kam.

In der Zeit vom 07. April bis 14. Mai 1992 wurde der Kläger im E Klinikum in P stationär behandelt mit den Diagnosen: Unterschenkelfraktur links Thoraxkontusion Fraktur Metarcapale V rechts Glaskörpereinblutung rechts

Mit Bescheid vom 22. März 1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Dauerrente nach einer MdE um 20 v. H

Grundlage der Beurteilung der MdE war das Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. He vom 10. September 1993 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 09. September 1993. Er fasste die bestehenden Unfallfolgen wie folgt zusammen:

Belastungsminderung des linken Beines bei Zustand nach Küntschner-Nagelung des linken Unterschenkels mit geringer Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk. Leichte Fehlstellung des 5. Mittelhandknochens rechts, Visuseinschränkung des rechten Auges.

Die Beweglichkeit des 5. Fingers beurteilte er als deutlich gebessert, eine Atrophie der Ober- und Unterschenkelmuskulatur sei nur noch geringfügig vorhanden. Ein augenärztliches Gutachten vom 20. Dezember 1993 konnte eine Visusminderung und Gesichtsausfälle nicht mehr feststellen, so dass aus augenärztlicher Seite keine Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit vorlag. Der Facharzt für Chirurgie Dr. F erstattete am 05. Dezember 1995 ein Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am selben Tage. Er meinte, die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes habe sich verbessert. Eine Muskelatrophie im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels sei kaum noch nachweisbar. Er beurteilte die MdE weiterhin mit 20 v. H. In der beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. T vom 24. Mai 1996 beurteilte dieser aufgrund der vorliegenden Befunde die MdE unter 10 v. H.

Mit Bescheid vom 19. Juni 1996 entzog die Beklagte nach Anhörung des Klägers die Dauerrente mit Ablauf des Monats Juli 1996: Die dem Bescheid vom 22. März 1994 zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, da eine Verbesserung der Kniegelenksbeweglichkeit und fast völliger Wegfall der Muskelminderung links eingetreten sei. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er leide weiter unter erheblichen Beschwerden im linken Bein, es bestehe der Verdacht auf ein Sudeck-Syndrom. Des Weiteren bestehe eine ausgeprägte Polyneuropathie, Diabetes mellitus liege vor.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Chefarztes der Unfallchirurgischen Abteilung des Klinikums E Dr. S und des Oberarztes Dr. F vom 13. September 1996 und Arztberichte behandelnder Ärzte des Klägers ein, so vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom 18. September 1996 vom Facharzt für HNO-Heilkunde von Dr. M vom 10. Oktober 1996 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 1996 den Widerspruch zurück.

Mit der am 27. Dezember 1996 beim Sozialgericht (SG) Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Weitergewährung der Dauerrente weiterverfolgt: Ein cerviko-cephales Syndrom als Folge einer HWS-Distorsion vermutlich noch Hirnzellenstörung, ausgeprägte Polyneuropathie, Diabetes mellitus, Verdacht auf Sudeck lägen unfallbedingt bei ihm vor.

Der Kläger beantragte erstinstanzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 19. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 1996 zu verpflichten, dem Kläger eine Verletztenrente zur Entschädigung von Folgen des Unfalls vom 07. April 1992 über den 31. Juli 1996 hinaus nach einem MdE-Grad von mindestens 20 Prozent zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.

Das SG holte Befundberichte behandelnder Ärzte ein, so von Dr. S, vom Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. M, aus der Gemeinschaftspraxis Dres. Mund L, Arzt für Allgemeinmedizin, vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom 30. Oktober 2000, Arztbriefe vom Arzt für Radiologie Dr. H vom 24. Juli 1998 und 24. Juli 1998 und zog die Krankenakte aus dem E Klinikum zum stationären Aufenthalt vom 07. April 1002 bis 14. Mai 1992 bei.

Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. R erstattete am 09. März 1998 aufgrund der Beweisanordnung des SG ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 03. März 1998. Für das Gutachten von Dr. F könne er die Einschätzung der MdE mit 20 v. H. nicht mehr nachvollziehen. Dort seien voll erhaltende Funktionen beschrieben. Bei der Erstellung des Gutachtens vom 05. Dezember 1995 hätten Normalbefunde vorgelegen, die Verletzungen seien hinsichtlich der Bewegungsausmaße praktisch folgenlos ausgeheilt. Bei seiner Untersuchung seien schlechtere Bewegungsausmaße im oberen Sprunggelenk erfasst worden. Die festgestellten Defizite dort bedingten jedoch keine MdE um mehr als 10 v. H.

Der Kläger übermittelte ein neurochirurgisches Gutachten von Prof. Dr. L vom 03. Februar 1999. Er meinte, dass sich der Kläger am 07. April 1992 eine Schädel-Hirn-Verletzung zugezogen habe, deren Schwere in den vorliegenden Gutachten nicht korrekt gewürdigt worden sei. Auch das Problem des festgestellten Diabetes könne nicht ohne Diskussion und ohne Berücksichtigung vorliegender Befunde abgetan werden als nicht unfallbedingte Gesundheitsstörung. Diese Möglichkeiten müssten insofern gutachterlich gewürdigt werden, da die Bewusstseinsstörung länger als 5 bis 30 Minuten gedauert habe und somit weit über den Rahmen einer so genannten Gehirnerschütterung hinausgegangen sei. Er sei der Meinung, dass aufgrund der vorliegenden unvollständigen Unterlagen der gutachterlichen Untersuchung vom 25. Januar 1999 und der fehlenden Krankenhausakte nach dem Unfall eine korrekte Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei.

Auch reichte der Kläger ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. K vom 22. Februar 1999 zu den Akten. Nach dessen abschließender Beurteilung hatte sich schwerpunktmäßig vor allen Dingen die Hirnleistungsschwäche entwickelt. Die Spezialisierung der Ärzte auf ihre Fachgebiete hätte dazu geführt, dass die Symptome des zentralen peripheren Nervensystems unbeachtet geblieben, falsch gewertet und bestehendes Diagnosepotenzial nicht ausgeschöpft worden sei. Unklar bleibe, weswegen der Patient mit seinem im Vordergrund stehenden zentral- und periphernösen Krankheitsbild nicht ausdiagnostiziert worden sei. Ab der zweiten Hälfte des Jahre 1999 hätten sich die Befunde gehäuft, die auf die schwerwiegende Hirn- und Hirnstammstörung mit vegetativer Nervenbeteiligung und Zuckerkrankheit hinwiesen. Durch Nichtbeachtung oder Fehleinschätzungen seien zu Lasten des Klägers gesundheitliche Nachteile entstanden. Am schwerwiegendsten erscheine mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache der Enzephalopathie das bis heute nicht völlig ausdiagnostizierte Krankheitsbild zu sein. Es sei bekannt, dass die Verletzung der Flügelbänder zwischen Atlas und Hinterhaupt zu gerade solchen Störungen, wie sie der Kläger angebe, führen könnten. Derartige Störungen seien nicht durch CT- oder MRT-Untersuchungen des Hirns erkennbar. Hinweise ergäben subtile Befragungen des Patienten über sein Beschwerdebild.

Des Weiteren übersandte der Kläger einen Arztbericht von Dr. K vom 17. Januar 2000, wonach ein funktionelles MRT der Halswirbelgelenke bei Dr. V die Angaben des Klägers bestätigt und die Unfallbedingtheit gesichert habe.

Das Gericht ernannte den seinerzeitigen Direktor der Klinik und Hochschulambulanz für Neurologie und Klinische Neurophysiologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin –, den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Mund den Arzt für Diagnostische Radiologie Dr. K zu Sachverständigen. Dr. K erstattete am 25. Juli 2003 ein radiologisches Gutachten über eine funktionelle Magnetresonanztomografie (MRT) der Halswirbelsäule (HWS) vom 23. April 2003. Prof. Dr. M erstattete am 07. Mai 2003 ein fachneurologisches Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers vom 23. April 2003 in Kenntnis des radiologischen Gutachtens von Dr. K. Der Gutachter legte seiner Beurteilung zugrunde, dass den Durchgangsarztberichten des Klinikums E zu entnehmen sei, dass eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit und retrograde Amnesie bestanden und eine Schürfwunde an der Stirn zusätzlich im rechten Auge zwei große präretinale Blutungen, ein Papillen- und Makularödem vorgelegen hätten. Die Bewusstseinsstörung und die Wunden an Kopf und im rechten Auge belegten, dass es zu einem Anschlagen des Kopfes entweder an der Frontscheibe oder an der Beifahrerseite des Armaturenbrettes gekommen sein müsse. Ein derartiger Unfallmechanismus mit frontalem Kopfaufschlag schließe ein HWS-Schleudertrauma eindeutig aus, da der nach vorn geschleuderte Kopf nicht durch die HWS, sondern durch den Anprall abgebremst werde. Zu bedenken sei aber, dass es durch den Aufprall des Kopfes zu Distorsionen, das heiße "Verrenkungen" oder Stauchungen im HWS-Kopf-Übergangsbereich dadurch gekommen sei, dass der Oberkörper im Vergleich zum Kopf nicht abgebremst wurde und somit Scherkräfte am HWS-Kopf-Übergang entstanden seien. Dies sei bei einem angeschnallten Autoinsassen, bei dem der Oberkörper zurückgehalten werde, in hohem Maße unwahrscheinlich. Eine Dehnungsverletzung der Ligamente der HWS einschließlich der Ligamenta alaria sei eher unwahrscheinlich. Entsprechend seien auch in allen Primärbefunden Hinweise auf eine HWS-Distorsionsverletzung nicht dokumentiert. Der Kläger habe auch in den Begutachtungen der ersten Jahre nach dem Unfall keine für eine HWS-Verletzung typischen Beschwerden geäußert. Übereinstimmung hiermit stehe der kernspintomografische Befund von Dr. K, woran die Jahre später erhobenen Befunde der Gleichgewichtsprüfungen von Dr. M nichts änderten. Die im Vorgutachten aufgeführten SPECT- und PECT- und PET-Befunde seien ohne Kenntnis der Ableitbedingungen nicht interpretierbar. Völlig inakzeptabel sei das Gutachten von Dr. K aus dem Jahre 1999. Hier werde gegen fundamentale Grundsätze der Medizin verstoßen. Jeder Student lerne, dass von Patienten vorgebrachte Beschwerden nicht gleichzusetzen seien mit Befunden und hiergegen verstoße Dr. K. Die Diagnose einer posttraumatischen Enzophalopathie mit Hirnstammbeteiligung, vegetative und peripherer Polyneuropathie Stadium II b zeige deutlich, dass auch hier leichtfertig und gegen alle medizinischen Regeln verfahren werde. Eine Polyneuropathie sei keine "Vielnervenkrankheit". sondern bezeichne alle nicht traumatisch bedingten Schäden des peripheren Nervensystems. Erkrankungen des zentralen und des peripheren Nervensystems unterschieden sich grundlegend. Eine posttraumatische Enzephalopathie (also eine durch das mechanische Trauma hervorgerufene Erkrankung des Gehirns) führe niemals gleichzeitig zu einer Polyneuropathie vom symmetrisch sensiblen Verteilungstyp, wie sie beim Kläger vorliege. Da mechanische Verletzungen des peripheren Nervensystems nicht zu den Polyneuropathien gezählt würden, zeige Dr. K durch seine Formulierung, dass er entweder nicht wisse, was eine Polyneuropathie sei oder dass er sich ohne jede Begründung außerhalb der medizinischen Normen stelle. Die beim Kläger feststellbare Polyneuropathie vom symmetrisch-sensiblen Verteilungstyp entspreche der typischen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus Typ II. Für eine andere als die diabetische Ursache der Polyneuropathie würden sich keine Hinweise finden. Eine Verursachung einer Polyneuropathie vom symmetrisch-sensiblen Verteilungstyp durch einen Unfall mit ausschließlich mechanischem Schädigungsmechanismus komme nicht vor. Die Behauptung, der bei dem Kläger festgestellte Diabetes mellitus sei kausal auf den Unfall des Jahres 1992 zurückzuführen, sie stehe im Kausalzusammenhang mit Durchblutungsstörungen des Hirnstamms, wie sie nach HWS-Distorsionstraumen einträten, entspreche nicht den medizinischen Gegebenheiten. Insbesondere führten Durchblutungsstörungen des Hirnstamms niemals zu einem Diabetes mellitus. Ein zeitlicher Zusammenhang bedeute nicht zwingend einen Kausalzusammenhang. Auch eine vermehrte Ausschüttung endogener Hormone infolge der stressbedingten Reaktion bewirke nicht den Ausbruch der Zuckerkrankheit, sondern beschleunige nur ihre Diagnose. Eine Polyneuropathie entwickle sich erst nach längerer Dauer einer Zuckerstoffwechselstörung. Zur besseren Einschätzung der Schwere des Schädelhirntraumas bat er das Gericht um Vorlage von Unterlagen, so von Verlaufsaufzeichnungen über den Behandlungszeitraum vom ersten Tage nach Trauma.

Der Kläger übersandte anschließend einen Arztbrief von Dr. V an Dr. K vom 29. Juli 1999 zum Ergebnis der MRT vom 27. Juli und 29. Juli 1999.

Im Auftrag von Prof. Dr. M erstattete die leitende Oberärztin der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Charite Dr. K am 02. September 2003 ein elektroenzephalografisches Zusatzgutachten aufgrund der Untersuchung vom 23. April 2003.

Das SG zog Arztbriefe aus dem E Klinikum vom 14. Mai 1992 und vom 13. Dezember 1993 bei.

Der Kläger übermittelte auf Ersuchen des Gerichts eine Darstellung der Ehefrau des Klägers über den Zustand des Klägers in den Tagen nach dem Unfall und Darstellung der Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall sowie Arztbriefe von Dr. L, an Dres. M/Lvom 23. Februar 1999, einen Arztbrief von Dr. H an Dr. B vom 25. Juni 2001.

Das Gericht übersandte Prof. Dr. M die Krankenakte des Klinikums E und Aufnahmen bildgebender Diagnostik. Prof. Dr. M erstattete am 09. August 2004 ein weiteres fachneurologische Gutachten. Nach Durchsicht der Krankenblattunterlagen des Klinikums E stellte er fest, dass keine Verlaufsberichte über das Verhalten des Klägers nach dem Unfall vorlägen. Auch gehe aus den Unterlagen nicht hervor, ob Psychopharmaka (Sinophenin) aufgrund psychischer Störungen wie Unruhe oder ähnlichem gegeben worden sei oder zur Unterstützung der schmerzlindernden Wirkung von Schmerzmitteln. Angesichts der niedrigen Dosis der Opioid-Medikamentation spreche aber nichts dafür, dass die Gabe des Sinophenins zur Einsparung des Analgetikabedarfs gegeben worden sei. Es sei somit sehr wahrscheinlich, dass das Medikament wegen psychischer Störungen gegeben worden sei.

In dem Krankenblatt fänden sich auch zwei verschiedene Gutachten aus dem Jahr 1993, in denen ein Schädelhirntrauma neben sonstigen Unfallfolgen diagnostiziert werde. Beschwerden hinsichtlich von Kopfschmerzen oder psychischen Beschwerden seien nicht erwähnt. Er würdigt das Schreiben der Ehefrau des Klägers vom 02. Januar 2004, wonach sie ihren Mann in den ersten Tagen nach dem Unfall verändert vorgefunden habe. Er sei ihr "sehr verwirrt, durcheinander erschienen". Er habe sie kaum erkannt. Sie habe von einem angebrachten Bettgitter berichtet.

Dr. V habe in seinem Bericht vom 27. Juli 1999 lediglich Signalveränderungen der Ligamenta alaria beschrieben. Der Befund spreche mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für degenerative und nicht traumatisch bedingte Veränderungen. Eine Zerreißung eines der Ligamenta alaria liege auch nach Ansicht von Dr. V nicht vor. Hinsichtlich der Funktionsaufnahmen sei eine eigenartige argumentive, das heißt empirisch nicht belegte Begründung erfolgt. Dr. Vbeschreibe eine anterior/posteriore Bewegungsdifferenz, die nichts anderes bedeute, als dass die Bewegungen im Gelenk nicht symmetrisch verliefen, wofür es sehr unterschiedliche Gründe geben könne. Vielmehr argumentiere Dr. V so, dass er diese Bewegungsdifferenz in Kenntnis der Funktionsdefizite und des Befundes um die dens-nahe Kapsel als traumatisch interpretiere. Dem sei zu widersprechen. In der Literatur sei höchst umstritten, dass Verletzungen der Lig. alaria oder Dens-Kapsel die chronischen Beschwerden nach HWS-Beschleunigungstraumen hervorriefen. Es gebe sehr viel andere und empirisch besser belegte Ursachen für die Chronifizierung dieser Beschwerden als eine Verletzung der Ligamenta alaria. Die Funktionsdefizite als Beleg für eine traumatische Genese angeblicher Veränderungen der HWS anzuführen, sei daher weder logisch noch klinisch oder wissenschaftlich akzeptabel. Die übersandten Kernspintomogramme des Kopfes und der HWS vom 09. Juli 1996 und 10. Juli 1996 aus der Praxis Dres. D u. a., ergäben normale Hirnrindenstrukturen und hätten keine Hinweise auf Kontusionsherde oder auf eine traumatisch bedingte Hirnatrophie erbracht. Aus den vorliegenden Berichten ergäbe sich, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Schädelhirntrauma erlitten habe, das über den Grad I hinausgehe. Diese Annahme beruhe auf den Angaben der Ehefrau, der im Kurvenblatt dokumentierten Gabe eines Neuroepileptikums über mehrere Tage, der offensichtlichen Schwierigkeiten einer ausreichenden oralen Nahrungs- und -Flüssigkeitszufuhr über mehrere Tage und den in den Akten vorliegenden Hinweisen auf eine doch schwere Schädelverletzung. So werde in dem im erstbehandelnden Krankenhaus erstellten Gutachten eine frontale Schürfwunde erwähnt. Zusätzlich spreche die präretinale Einblutung im Auge ohne direkte Verletzung des Auges für eine Verletzung des Auges durch die Dezeleration. Der Schweregrad des Schädelhirntraumas sei somit als Grad II anzugeben.

Hinsichtlich der Frage nach aus dem Schädelhirntrauma verbleibenden Funktionsdefiziten fehlten objektive Angaben. Bei der Entlassung seien keine psychischen Folgen vermerkt. Gut dokumentiert sei, dass der Kläger seine Arbeit wieder aufgenommen habe. Er selbst berichte, dass Krankschreibungen wegen Unfallfolgen nach Wiederaufnahme der Arbeit nicht erfolgt seien. Auch gäbe es keine Hinweise darauf, dass er an seinem Arbeitsplatz nicht mehr zurechtgekommen sei. Eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, eine Verringerung der Arbeitsleistung oder andere Maßnahmen, die auf eine Leistungsminderung hinweisen könnten, seien außer von ihm selbst und seiner Ehefrau nicht berichtet und nicht dokumentiert. Der Bericht der Ehefrau weise vielmehr aus, dass sich der Zustand ihres Mannes nach der Krankenhausentlassung mit jedem Jahr verschlechtert habe. Auf dem 1996 angefertigten Kernspintomogramm des Kopfes sei kein Hinweis auf Verletzungsfolgen am Gehirn zu erkennen.

Angesichts der ihm jetzt vorliegenden Informationen sei es nicht wahrscheinlich zu machen, dass die jetzt geklagten und vorliegenden Leistungseinschränkungen hauptsächlich durch das Schädelhirntrauma hervorgerufen worden seien. Dagegen spreche schon allein die sich Jahr um Jahr verschlechternde Symptomatik. Unfallfolgen verschlechterten sich nach anfänglicher Besserung nicht, sondern besserten sich weiter oder blieben stabil. Ausnahmen von dieser Regel kämen bei Schädelhirnverletzungen nur bei posttraumatischen Epilepsien, Spätabszessbildung oder ähnlichen Folgen vor, die alle beim Kläger nicht vorlägen. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass leichte Funktionsbeeinträchtigungen und Beschwerden durch das Schädelhirntrauma als bleibende Folge verursacht worden seien. Er bewertete sie mit einer MdE um 20 Prozent.

Hinsichtlich des Diabetes mellitus sei anzumerken, dass eine derartige Stoffwechselstörung durch Stresssituationen, wie sie ein Schädelhirntrauma darstellt, demaskiert werden könne. Dies setze aber eine prädiabetische Stoffwechsellage, also eine unfallunabhängige Krankheitsanlage voraus. Die direkte Entstehung eines Diabetes mellitus nach einem Hirntrauma wäre denkbar, wenn Verletzungen der den Hormonhaushalt steuernden Kerne im Hypothalamus vorlägen. Für eine Verletzung mehrerer hormonaler Systeme ergäben sich beim Kläger keine Anhaltspunkte.

Mit dem Gutachten von Prof. Dr. L vom 03. Februar 1999 stimme er insofern überein, als dass das Schädelhirntrauma bisher nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Seine Einschätzung einer MdE um 30 v. H. beschreibe allerdings den Zustand vom Zeitpunkt der Begutachtung, der nicht allein und auch nicht vorwiegend kausal auf das Schädelhirntrauma zurückgeführt werden könne, der sich erst in den Jahren nach dem Unfall entwickelt habe.

Aufgrund der Beweisanordnung des Sozialgerichts zu den Fragen, unter welchen Erkrankungen des Kniegelenks und des Sprunggelenks der Kläger seit dem 01. Mai 1994 leide und ob diese auf auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien, erstattete der Facharzt für Chirurgie Dr. Bam 21. Oktober 2004 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 20. Oktober 2004. Nach seiner Beurteilung bestanden bei dem Kläger keine Erkrankungen des linken Kniegelenkes und des linken Sprunggelenkes seit dem 01. Mai 1994. Die Traumafolgen im Bereich des linken Unterschenkels insbesondere die Fraktur im Bereich der linken Unterschenkelmitte seien folgenlos ausgeheilt.

Die Beklagte überreichte Stellungnahmen ihres beratenden Arztes Dr. T, der Zweifel an dem Vorliegen der Diagnose SHT II äußerte. Insbesondere verwies er darauf, dass Infusionen auch wegen der anderen unfallchirurgischen Verletzungen notwendig gewesen sein könnten. Dazu nahm Prof. Dr. M Stellung am 13. Januar 2005. Des Weiteren erläuterte er sein Gutachten in der öffentlichen Sitzung des SG Potsdam vom 15. Juni 2005.

Mit dem am 15. Juni 2005 verkündeten Urteil hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 1996 verpflichtet, dem Kläger über den 31. Juli 1996 hinaus eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 Prozent zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kammer sei davon überzeugt, dass sich die den MdE-Grad von 20 Prozent rechtfertigenden Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet wesentlich verbessert hätten, dass aber diese Besserung voll kompensiert werde von der Funktionseinbuße auf neurologischem Fachgebiet, die zusammen mit verbliebenen geringfügigen Folgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet jedenfalls für den hier streitigen Leistungszeitraum (vom 01. August 1996 an) einen MdE-Grad von 20 Prozent rechtfertigten. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. M seiner Begutachtung zugrunde gelegten Tatsachen seien erwiesen. So sei der von Prof. Dr. M zugrunde gelegte Unfallhergang so bewiesen wie das Verhalten des Klägers, an das er wesentliche Schlussfolgerungen knüpfe (das Vorliegen eines Schädelhirntraumas zweiten Grades). Auf der Grundlage der Auskunft der Ehefrau des Klägers vom 02. Januar 2004 habe sich der Kläger mit Beginn der stationären Behandlung auf der unfallchirurgischen Station nervös und "durcheinander" verhalten, das Bett sei seitlich mit Gittern versehen gewesen. Die im Durchgangsarztbericht und im Bericht über die stationäre Behandlung geschilderten Verletzungen (vor allem Knochenbrüche) erklärten diese Vorsichtsmaßnahmen nicht ansatzweise. Die Übung Potsdamer Unfallkrankenhäuser zu Beginn der 90er Jahre sei gerichtsbekannt, wonach solche Gitter allein bei ärztlicher Zweckmäßigkeit ohne weiteres verwendet wurden. Der vom Gutachter empfohlene MdE erscheine in der Sache nachvollziehbar, auch wenn Angaben zum Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung vage seien und nicht durch einen zuverlässigen Leistungstest verifiziert worden seien.

Im Übrigen sei die Klage abzuweisen, denn ein höherer Grad der MdE als 20 Prozent- der Kläger begehre wohl eine Verletztenrente nach einem MdE-Grad von 40 Prozent - sei nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen nicht gerechtfertigt.

Gegen das der Beklagten am 16. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 28. September 2005 eingelegte Berufung. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass ein Schädelhirntrauma zweiten Grades seitens der erstbehandelnden Ärzte nicht diagnostiziert und damit nicht erwiesen sei. Grundlage des Gutachters seien Angaben der Ehefrau des Klägers, die erstmalig 7 Jahre nach dem Unfall gemacht worden seien. Der Gutachter unterstelle den zum Unfallzeitpunkt behandelnden Ärzten, dass psychische Störungen nicht erkannt und nur als unwesentlich angesehen worden seien. Diese Aussagen seien rein spekulativ und nicht nachweisbar. Vom Gutachter vorgetragene Vermutungen könnten nicht die Erstaufzeichnungen widerlegen, da diesen ein höherer Beweiswert zukomme.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Juni 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger nahm insbesondere Bezug auf die Stellungnahme von Dr. V vom 27. September 1999 und die zugrunde liegenden MRT-Funktionsuntersuchungen. Die Ehefrau des Klägers habe ihre Angaben aufgrund von Auszügen aus ihrem damals für sich selbst angelegten Tagebuch nach dem Unfall des Klägers erstellt. Da es sich um Tagebuchaufzeichnungen unmittelbar am Unfalltag und in den Folgewochen handele, seien diese Tagebuchaufzeichnungen authentische Berichte vom Unfalltag und der Folgezeit. Die Ehefrau des Klägers sei selbst berufstätig gewesene Krankenschwester und sei daher mit den entsprechenden Aufzeichnungen im Zusammenhang mit Patientenunterlagen vertraut. Ihre Aufzeichnungen seien daher mit den Aufzeichnungen des nichtärztlichen Stationspersonals gleichzusetzen.

Der Kläger verwies darauf, dass seine Beschwerden nicht ernst genommen worden seien, obgleich er sie geäußert habe. So habe auch der Neurologe Dr. R am 19. Juli 1996 eine posttraumatische Polyneuropathie diagnostiziert. Dr. M habe am 14. Oktober 1997 auch eine schwere Störung der zentralen Gleichgewichtsverarbeitung, Zeichen einer Hirnstammtaumeligkeit diagnostiziert. Der Kläger meint, es könne nicht zu seinen Lasten gehen, wenn aus dem zuerkannten aber nicht behandelten Schädelhirntrauma zum Zeitpunkt des Unfalls die schwerwiegenden Folgen resultierten.Es lägen entgegen der Darstellung der Beklagten gerade keine Erstbefunde von Neurologen vor. Seit 1992 werde der Kläger detailliert von seiner Ehefrau im häuslichen Bereich kontrolliert, da er seither das Abstellen der Herdplatte vergesse, das Aufbewahren von Gegenständen nicht mehr wisse und bei Schreibarbeiten die Orthografie vergessen habe. Er beherrsche selbst einfache Grundregeln nicht mehr, erkenne Kunden nicht mehr, könne Namen selbst alter Bekannter nicht mehr nennen. Dipl.-Med. E habe in seinem Bericht am 06. Mai 1992 Schlussfolgerungen des Gutachters Prof. Dr. M bestätigt.

Aufgrund der Beweisanordnung vom 02. August 2006 erstattete Prof. Dr. S nach Aktenlage am 11. Dezember 2006. Die Frage 1 aus der Beweisanordnung, ob zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide eine Verbesserung der anerkannten Unfallfolgen sicher, das heißt zweifelsfrei festzustellen sei, beantwortete der Gutachter dahingehend, dass es eindeutig zu einer Verbesserung gekommen sei. Die Verbesserung beziehe sich konkret darauf, dass die Muskelminderung im Bereich des linken Beines im Bereich des Kniegelenks sowohl oberhalb als auch unterhalb des inneren Gelenkspaltes völlig weggefallen sei. Es bestehe lediglich eine Muskelminderung in den oberen Anteilen des Oberschenkels, die im Allgemeinen vorliege als Folge der unterschiedlichen Belastung der rechten und der linken Extremität. Die festzustellende Verbesserung der MdE betrage mehr als 5 v. H. Nach Schönberger/Mehrtens und Valentin sei keine eigenständige MdE mehr messbar. Auf orthopädischem Fachgebiet selbst seien keine zusätzlichen Funktionseinschränkungen eingetreten, die im Zusammenhang mit den Unfallfolgen bewertet werden müssten.

Der Chefarzt der Abteilung Psychiatrie des Krankenhauses S, der Chefarzt Dr. K, erstattete am 06. August 2007 aufgrund der vorgenannten Beweisanordnung ein Gutachten nach Aktenlage. Nach Auswertung der Akten gelangte er zu der Beurteilung, dass auf neurologisch- psychiatrischem Fachgebiet erstmalig im Jahr 1996 Beschwerden und Symptome vorgetragen worden seien, die nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Erörterung des orthopädischen Gutachters Prof. Dr. S bestünde nach Aktenlage im Juni bzw. Dezember 1996 keine Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr als Folge des Unfalls. Die Hirnleistungsminderung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den anerkannten Arbeitsunfall vom 07. April 1992 zurückzuführen. Die beklagte Polyneuropathie sei vermutlich als Folge der Zuckerkrankheit zu interpretieren. Auch die übrigen subjektiven Beschwerden, etwa die Potenzstörung, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, allgemeine psychophysische Minderbelastbarkeit seien nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den genannten Arbeitsunfall verursacht. Die rein objektiven Befunde (insbesondere die der primären Behandlungen durch den Notarzt in der Rettungsstelle und in der Unfallabteilung und Intensivstation des Klinikums P) dokumentierten ausdrücklich nur das Vorliegen einer so genannten Commotio cerebri.

Die Entstehung der Zuckerkrankheit und die Potenzstörungen wären allenfalls im Rahmen einer gravierenden Schädelhirntraumatisierung mit Schädigung hormoneller Regulationszentren, etwa im Hypothalamus, denkbar. Da ein gravierendes Schädelhirntrauma nicht wahrscheinlich zu machen sei, könne auch die Entstehung der Zuckerkrankheit und Potenzstörungen nicht darauf zurückgeführt werden. Potenzstörungen kämen prinzipiell auch bei Verletzungen des so genannten Sakralmarks, im unteren Bereich des Rückenmarks vor. Für eine Verletzung dieses Bereichs im Rahmen des Unfallgeschehens ergäben sich anhand der Akten keinerlei Hinweise. Auch ein schwerwiegendes Bauchtrauma, etwa mit substantieller Schädigung der Bauchspeicheldrüse als peripheres Erfolgsorgan der Zuckerregulation lasse sich nach Aktenlage nicht feststellen. Polyneuropathien könnten prinzipiell bei Patienten eintreten, die sich einer längeren intensivmedizinischen Behandlung unterzogen hätten. Prinzipiell hätte im Fall des Klägers eine derartige Polyneuropathie eintreten können. Allerdings träten die Symptome unmittelbar im Gefolge dieser intensivmedizinischen Behandlung auf (Sensibilitätsstörungen, Reizerscheinungen und Schmerzen, ggf. auch motorische Ausfälle, insbesondere im Bereich der Beine). Aber auch im Verlaufe der nächsten Wochen und Monate letztlich bis zum Jahr 1996 sei dies an keiner Stelle dokumentiert oder auch subjektiv durch den Kläger als Symptom vorgetragen und dokumentiert worden. Der Zusammenhang der Polyneuropathie mit dem Unfallereignis sei nicht wahrscheinlich zu machen. Betrachte man den dokumentierten Krankheitsverlauf, tauchten erstmals im Jahr 1996 Symptome auf, die bislang nie Erwähnung gefunden hätten (allgemeine Leistungsinsuffizienz, Hirnleistungsstörung, depressive Symptome.). Betrachte man den zeitlichen Zusammenhang vom Unfall im Jahre 1992 und die vorgetragenen Symptome frühestens im Jahr 1996, sei insgesamt ein Unfallzusammenhang als hochgradig unwahrscheinlich zu betrachten. Inwieweit nunmehr tatsächlich objektivierbare Erkrankungen im Sinne einer psychischen Erkrankung, wie einer Depression oder einer somatoformen Störung eingetreten seien, oder ob eventuell hirndegenerative Erkrankungen nunmehr neu aufgetreten seien, lasse sich nur mutmaßen.

Bezüglich eines möglichen HWS-Traumas fänden sich in den Akten keinerlei Belege. Beschwerden des Klägers, Verletzungshinweise, Untersuchungsbefunde hinsichtlich eines möglichen HWS-Traumas seien nicht dokumentiert. Erst deutlich nach dem Jahre 1996 würden verschiedenste Beschwerden einem möglichen HWS-Trauma zugeschrieben. Da es in den Unterlagen für die primäre Unfalldokumentation und auch in den ersten Jahren nach dem Unfall weder direkte noch indirekte Hinweise für ein stattgehabtes HWS-Trauma gebe, könne ein solches weitgehend ausgeschlossen werden. Die deutlich nach dem Jahre 1996 von einigen Gutachtern behaupteten Folgeerscheinungen eines mögliches HWS-Traumas, etwa im Sinne zentraler vegetativer Regulationsstörungen oder schwerer Gleichgewichtsstörungen, könnten nach den Unterlagen durch die entsprechenden Kollegen keinesfalls durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Beweisführung unterlegt werden. Auch die durchgeführten Untersuchungsmethoden etwa MRT, ließen keinesfalls den sicheren Schluss zu, dass unfallspezifische Veränderungen an der HWS festzustellen gewesen seien. Er schließe sich Ausführungen von Prof. Dr. Mhinsichtlich des möglichen HWS-Traumas an.

Zur Frage der Schwere des Schädel- Hirn- Traumas führt der Gutachter im einzelnen aus: Bezüglich des stattgehabten Schädelhirntraumas bestehe nach Aktenlage immerhin Klarheit darüber, dass ein Schädelhirntrauma stattgefunden habe. In allen primären Dokumentationen werde ein Schädelhirntrauma ersten Grades bzw. ein Commotio cerebri dadurch belegt, dass der Kläger kurzzeitig bewusstlos gewesen sei und eine relativ kurze, nicht näher beschriebene retrograde Amnesie bestanden habe. Ferner könne als Beleg eines stattgehabten Schädelhirntraumas die Weichteilverletzung im Stirnbereich sowie die Einblutung in das rechte Auge anerkannt werden.

Die indirekten Hinweise, die Prof. Dr. M zur Annahme einer stattgehabten Contusio cerebri veranlasst hätten, ließen zwar prinzipiell die Annahme der Möglichkeit eines entsprechenden Schädel-Hirn-Traumas zu, ließen sich jedoch nicht derartig verdichten, dass von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit diesbezüglich ausgegangen werden könne. Selbst wenn man den Angaben der Ehefrau folgte, könnten für die dort genannten Symptome nach dem Unfallereignis auch durchaus andere Ursachen vorgelegen haben.

Soweit Prof. Dr. M die Auffassung vertrete, dass das Schädelhirntrauma schwerer gewesen sein müsse als eine Commotio cerebri, dass es sich also um eine Contusio cerebri gehandelt haben müsse, sei prinzipiell festzustellen, dass sich dafür in der primären Dokumentation der Erstversorgung sowie in den ersten Wochen und Tagen nach dem Unfall aber auch im Rahmen der Begutachtungsuntersuchungen bis zum Jahr 1996 keinerlei dokumentierte sichere Hinweise fänden. Auffällig sei auch, dass seitens des Klägers subjektive Beschwerden in den ersten Jahren nach dem Unfall zu keinem Zeitpunkt angegeben worden seien. Selbst in einer Klage, die der Kläger bei seiner Anwältin im Jahr 1994 gegen den letzten Bescheid gerichtet habe, würden im Bereich der Beschwerden keinerlei neuro-psychiatrische Symptome vorgetragen, etwa im Sinne der Hirnleistungsstörungen oder vegetativen Regulationsstörungen.

In den primären Befunden im Krankenblatt des Klinikums Potsdam werde lediglich eine kurze Bewusstlosigkeit und kurze retrograde Amnesie dokumentiert. Im Aufnahmestatus werde ein unauffälliger neurologischer und psychiatrischer Befund konstatiert, wobei dieser Kurzbefund als mangelhaft und nicht ausreichend aussagekräftig zu bewerten sei. Eine fachspezifische Beurteilung sei nicht erfolgt. Die von der Ehefrau des Klägers geschilderte etwa 14tägige Auffälligkeit des Klägers nach dem Unfall werde von Prof. Dr. Mals länger andauernde Bewusstseinsstörung im Sinne eines posttraumatischen Durchgangssyndroms bewertet und als Contusio cerebri interpretiert. Es gäbe allerdings auch deutlich Argumente, die gegen diese Darstellungen und Annahmen sprächen: So sprächen die sehr differenzierten anamnestischen Angaben im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung, des Aufnahmegespräches, welches in der Primärakte des Klinikums Pdokumentiert sei, gegen das Vorliegen eines so genannten Durchgangssyndroms. Derart präzise Angaben seien im Rahmen einer Anamneseerhebung zumindest bei Vorliegen eines deutlichen Durchgangssyndroms nicht zu erwarten.

Folge man trotzdem den Angaben der Ehefrau des Klägers, dass der Kläger über mehrere Tage nach dem Unfall verändert, häufig verwirrt habe und zu keiner sinnvollen Kommunikation fähig war, kämen für diesen Zustand auch andere Ursachen in Frage als eine stattgehabte Contusio cerebri.

Würde man allein der Dokumentation der primär versorgenden Klinik P folgen, gäbe es ohnehin keinerlei objektive Belege zum Vorliegen einer Contusion cerebri. Berücksichtige man darüber hinaus alle verfügbaren Angaben auch seitens des Klägers und sämtliche indirekten Hinweise in den Dokumentationen, lasse sich ein stattgehabtes Schädelhirntrauma im Sinne einer Contusio cerebri nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit belegen.

Der Kläger übersandte nach Erhalt des Gutachtens von Dr. Kalina ein Schreiben seiner Ehefrau vom 15. Oktober 2007. Dr. K nahm am 20. Januar 2008 hierzu Stellung und verwies darauf, dass er im Rahmen seiner Erwägungen sämtliche Angaben auch die der Ehefrau des Klägers einbezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten und auf den Inhalt der Krankenakte des Klinikums E aus dem Jahr 1992 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung der Beklagten ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung einer Rente verurteilt.

Die Entziehung der Dauerrente über den 30. Juli 1996 hinaus entspricht der Aufhebung des Bescheides vom 22. März 1994, mit dem dem Kläger die Dauerrente bewilligt wurde und ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente über diesen Zeitpunkt hinaus.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung kommt in Betracht, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB X i. V. m. § 73 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VII, der hier neben § 48 SGB X anzuwenden ist.

Die Vorschrift ist am 01. Januar 1997 in Kraft getreten. Als Übergangsvorschriften sind §§ 212 und 214 Abs. 3 SGB VII zu beachten. Danach ist das vor dem 01. Januar 1997 geltende Recht zwar weiter anzuwenden, wenn - wie hier - ein Rentenanspruch vor dem 01. Januar 1997 anerkannt worden ist. Nach § 214 Abs. 3 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des In-Kraft-Treten des Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Allerdings gilt § 73 SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes eingetreten sind, § 214 Abs. 3 Satz 2 SGB VII. Diese Vorschrift ist auf zukünftige Rentenänderungen einheitlich anzuwenden, unabhängig davon, ob die Leistung für Altfälle ab dem 01. Januar 1997 "erstmals" festzusetzen ist (Haucke/Graeff, SGB VII, § 214 Rz. 7). § 73 SGB VII ergänzt § 48 SGB X.

§ 48 Abs. 1 Satz 1 besagt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. § 73 Abs. 1 SGB VII besagt: Ändern sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung, wird die Rente in Höhe nach Ablauf des Monats geleistet, in dem die Änderung wirksam geworden ist, § 73 Abs. 1 SGB VII.

Fallen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente weg, wird die Rente bis zum Ende des Monats geleistet, in dem der Wegfall wirksam geworden ist, § 73 Abs. 2 S 1 SGB VII.

Bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt, bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern, § 73 Abs. 3 SGB VII.

§ 73 Abs. 3 SGB VII konkretisiert nur, wann eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bei der Bewertung der MdE vorliegt und übernimmt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der der Grad der MdE sich um mehr als 5 v. H. verändert haben muss.

Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch Vergleich zwischen den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit der letzten verbindlichen Rentenfeststellung mit den aktuellen Verhältnissen zu ermitteln. Als Vergleichsgrundlage sind dabei die Befunde heranzuziehen, die dem letzten bindenden Rentenfeststellungsbescheid zugrunde lagen (BSGE 26, 227). Maßgebend ist bei der vorliegenden Anfechtungsgrundlage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt erlassen wurde (BSGE 68, 228, 231). Auf die Anfechtungsklage gegen einen Rentenentziehungsbescheid ist allein darüber zu entscheiden, ob dieser Bescheid zur Zeit seines Erlasses rechtswidrig war und ob der Kläger hierdurch beschwert ist (BSG Urteil vom 20. April 1993 - 2 RU 52/92 in Breihaupt 1993, 511ff ).

Ein solcher Vergleich ergibt nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Sozialgerichtsgesetz, SGG), dass sich die Verhältnisse mit Ablauf des Monats Juli 1996 nachweislich zweifelsfrei wesentlich verändert haben. Die Veränderung der MdE dauert auch länger als drei Monate an.

Die vorliegenden Gutachten auf dem chirurgischen bzw. orthopädischen Fachgebiet ergeben zur Überzeugung des Senats den zweifelsfreien Nachweis einer wesentlichen Änderung nach den oben genannten Maßstäben. Die Gutachter sind sich in Übereinstimmung mit den akten- kundigen Befunden überzeugend darin einig, dass zum Zeitpunkt der Entziehung der Rente mit Bescheid vom 19. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 1996 eine Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse im Vergleich zwischen den zur Zeit der verbindlichen Rentenfeststellung zugrunde liegenden Verhältnissen und den zur Zeit der Rentenentziehung gegebenen eingetreten ist. Die Gutachter stimmen hierin sämtlich überein.

Zuletzt hat Prof. Dr. S dies überzeugend dargestellt. Er hat die der Rentenbewilligung zugrunde liegenden Befunde anlässlich der ärztlichen Untersuchung vom 05. Dezember 1995 im Vergleich mit den bis zum 19. Juni 1996 bzw. 02. Dezember 1996 erhobenen Befunden überzeugend ausgewertet. Die zweifelsfrei festzustellende Verbesserung bezieht sich darauf, dass die Muskelminderung im Bereich des linken Beines, im Bereich des Kniegelenks sowohl oberhalb als auch unterhalb des inneren Gelenkspalts völlig weggefallen ist. Die Beweglichkeit war seitengleich.

Die festzustellende Verbesserung der MdE beträgt nach seiner Beurteilung mehr als 5 v. H. Eine eigenständige MdE ist auf der Grundlage, dass noch geringgradige muskuläre Verklebungen und eine vermehrte Knochenneubildung vorliegen, nicht mehr feststellbar. Er stützt sich hierbei auf die Erfahrungswerte, wie sie bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 724, niedergelegt sind. Hiermit ist eine Änderung der MdE um mehr als 5 v. H. überzeugend begründet.

Denn die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG, BSGE 63, 207, 209). Die jahrzehntelange Entwicklung von der Rechtsprechung und dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischem Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind mit der Beurteilung der MdE in ständiger Rechtsprechung des BSG zu beachten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Nicht nachvollziehbar ist die Beurteilung der im Verwaltungsverfahren tätigen Gutachter, die MdE betrage trotz der Verbesserung weiterhin 20 v. H.

Auch sind auf orthopädischem Fachgebiet selbst keine zusätzlichen Funktionseinschränkungen eingetreten, die im Zusammenhang mit den Unfallfolgen bewertet werden müssen. Für ein Sudeck-Syndrom ist kein Nachweis erbracht.

Die Besserung wird nicht kompensiert durch andere als die zunächst von der Beklagten anerkannten Gesundheitsstörungen, die Funktionseinbußen zur Folge haben könnten, die zusammen mit der geringfügigen Folge auf orthopädischem Fachgebiet (geringgradige muskuläre Verklebungen und eine vermehrte Knochenneubildung, S. 6 des Gutachtens von Prof. Dr. Seine MdE ergeben könnten. Die Behörde ist berechtigt, eine Besserung früher festgestellter Behinderungen, die damit mögliche Verringerung des MdE-Satzes mit einer Erhöhung wegen neuer Behinderungen in einer Gesamtbetrachtung zu "verrechnen". Steht einer zusätzlichen Behinderung auf der einen Seite eine Besserung der bisherigen Behinderungen auf der anderen Seite in etwa gleichem Maße gegenüber, ist für eine Änderung der Gesamt-MdE kein Raum (BSGE 75, 176, Breithaupt 1982, 174, von Wulffen/Wiesner, SGB X, § 48 Rz. 6). Diese Voraussetzungen lassen sich hier jedoch im Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellen. Aus keinem der vorliegenden Gutachten folgt die zweifelsfreie Feststellbarkeit von weiteren Gesundheitsstörungen. Der Arbeitsunfall ist nicht wesentliche(Teil-)Ursache weiterer als der zunächst anerkannten Gesundheitsstörungen.

Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden maßgeblichen Lehre von der wesentlichen Bedingung ist eine Bedingung als (mit-)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE 1, 76 ff.). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).

Soweit Prof. Dr. Min seinem Gutachten zwar im Ergebnis zu der Beurteilung gelangt ist, die durch ein Schädelhirntrauma bedingte MdE betrage ab Juli 1996 20 v. H., ist seine Beurteilung nicht überzeugend. Bereits seine Begründung dauerhafter Folgen eines Schädelhirntraumas entspricht nicht den oben genannten Maßstäben, die für die Begründung eines Kausalzusammenhanges zugrunde zu legen sind. Er führt in seinem Gutachten aus:

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass leichte Funktionsbeeinträchtigungen und Beschwerden durch das Schädelhirntrauma als bleibende Folge verursacht wurden. Sie wären mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Ich halte sie angesichts der Primärsymptomatik sogar für wahrscheinlich. Diese Annahme beruht auf der gut erforschten Tatsache, dass Schädelhirntraumen mit mehrtägigen psychischen Veränderungen bei Erwachsenen nahezu regelmäßig Hirnleistungseinschränkungen hinterlassen.".

Der Gutachter begründet damit lediglich die Möglichkeit dafür, dass Funktionsbeeinträchtigungen und Beschwerden durch ein Schädelhirntrauma verursacht worden sind. Für den konkreten Fall des Klägers zieht er zur Begründung keine konkreten Befunde heran. Hingegen hat er in seinem Gutachten ausgeführt, es fehlten objektive Angaben für die Frage nach den aus dem Sschädelhirntrauma verbliebenen Funktionsdefiziten. Bei seiner Entlassung seien keine psychischen Folgen vermerkt.

Des Weiteren führt der Gutachter Umstände an, die überwiegend gegen verbliebene Funktionsstörungen sprechen: Unfallfolgen verschlechterten sich nicht nach vorangegangener Verbesserung sondern verbesserten sich oder blieben stabil. Es gäbe keine Hinweise, dass der Kläger am Arbeitsplatz nicht zurechtgekommen sei. Eine Krankschreibung nach Wiederaufnahme der Arbeit sei vom Kläger selber nicht berichtet worden. Auf den im Jahr 1996 gefertigten Kernspintomogrammen des Kopfes seien keine Verletzungsfolgen erkennbar.

Dessen ungeachtet lässt sich bereits die Grundannahme von Prof. Dr. M nicht zweifelsfrei feststellen, dass ein Schädelhirntrauma II und eine Hirnleistungsminderung mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den anerkannten Arbeitsunfall vom 07. April 1992 zurückzuführen sind. Das Schädelhirntrauma II. Grades lässt sich bereits nicht zweifelsfrei feststellen, es ist nicht einmal hinreichend wahrscheinlich.

Soweit Prof. Dr. M zur Beurteilung eines Schädelhirntraumas zweiten Grades gelangt ist, hat Dr. Kin seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, dass Prof. Dr. Mzwar Hinweise anführt, die diese Erkrankung für möglich erscheinen lassen, jedoch zweifelsfreie Feststellungen hierzu nicht zulassen. Die vorliegende Krankenakte ergibt nach Auswertung der Gutachter keine tatsächlichen Umstände, die diese Diagnose von Prof. Dr. Marx zweifelsfrei stützen.

Prof. Dr. Mund Dr. K stimmen darin überein, dass die Aufzeichnungen in der Krankenakte des E Klinikums keine entsprechende Diagnose enthält. Die vorliegenden konkreten Aufzeichnungen können allenfalls Hinweise für ein stattgehabtes Schädelhirntrauma und dessen Schwere geben. Soweit Prof. Dr. M diese Hinweise derart würdigt, dass sie seine Diagnose eines Traumas II. Grades rechtfertigen, ist diese Beurteilung durch Dr. K erschüttert worden. Dr. K hat schlüssig dargestellt , dass die indirekten Hinweise aus der Dokumentation, die Prof. Dr. M zur Annahme einer stattgehabten Contusio cerebri veranlasst haben, prinzipiell die Annahme der Möglichkeit eines entsprechenden Schädelhirntraumas zulassen, dass sich jedoch diese indirekten Hinweise nicht derartig verdichten, dass von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit diesbezüglich ausgegangen werden kann.

Zu den Indizien, die Prof D. M heranzieht, führt Dr. K aus:

Zum Indiz "Angaben der Ehefrau":

Folge man trotzdem den Angaben der Ehefrau des Klägers, dass der Kläger über mehrere Tage nach dem Unfall verändert, häufig verwirrt habe und zu keiner sinnvollen Kommunikation fähig war, kämen für diesen Zustand auch andere Ursachen in Frage als eine stattgehabte Contusio cerebri: Zu nennen sei an dieser Stelle vor allem die erhebliche Atemproblematik des Klägers. Durch die nachweislich stattgehabte Lungenkontusion hätten offensichtliche Atemprobleme bestanden. Diese seien durch die Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe über mehrere Tage nach dem Unfall dokumentiert. Als Folge dieser Ateminsuffizienz sei offensichtlich die Sauerstoffsättigung im Blut bei dem Kläger anhaltend so stark beeinträchtigt gewesen, dass über viele Tage wenigstens dreimal am Tag der so genannte Säure-Basen-Status bestimmt worden sei und die Gabe von Sauerstoff in substantieller Menge erforderlich geworden sei. Betrachte man die Werte dieser Säure-Basen-Status-Bestimmungen lasse sich feststellen, dass über viele Tage nach dem Unfall zumindest zeitweilig ein deutlich erniedrigter Sauerstoffpartialdruck im Blut des Körpers bestanden habe (dokumentiert in den Kurven der Intensivstation). Eine derartige reduzierte Sauerstoffsättigung des Blutes mit der Notwendigkeit der Sauerstoffgabe habe offensichtlich zumindest zeitweilig zu einer unzureichenden Sauerstoffversorgung auch des Gehirns des Klägers geführt. Dies sei den Werten der Sauerstoffsättigung zu entnehmen, die trotz Sauerstoffzugabe zeitweilig deutlich zu niedrig gewesen sei. Eine derartig reduzierte Sauerstoffsättigung bei Ateminsuffizienz führe zu erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, könne aber auch ein passageres so genanntes Psychosyndrom verursachen, das durchaus ein ähnliches Erscheinungsbild haben könne wie ein Durchgangssyndrom nach dem Schädelhirntrauma II °.

Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger ein starkes Schmerzmedikament, das Opiat Dipidolor, kontinuierlich verabreicht bekommen habe. Als typische Nebenwirkungen auch bei normaler Dosierung seien für dieses Medikament Effekte wie Sedierung, Atemdepression und Stimmungsveränderungen genannt. Insofern hätte durch dieses Medikament möglicherweise auch die Ateminsuffizienz ungünstig beeinflusst werden können. Für die Beurteilung der möglichen durch die Ehefrau des Klägers behaupteten psychischen Veränderungen nach dem Unfall seien die Sedierung und Stimmungsänderungen bedingt durch mögliche Nebenwirkungen des Opiats zu berücksichtigen. Zum Indiz der Schwierigkeiten oraler Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr:

Allein durch die Ateminsuffizienz und den daraus deutlich reduzierten Allgemeinzustand des Klägers und bei Berücksichtigung der anderen als gravierend zu bezeichnenden Verletzungen im Arm- und Beinbereich, könne die notwendige parenterale Gabe von Flüssigkeit über mehrere Tage nach dem Unfall durchaus hinreichend erklärbar sein. Auch das Unvermögen des Klägers, zumindest für drei Tage nach dem Unfall keine Vollkost zu sich nehmen zu können, könne mit diesen Umständen erklärt werden und beweise keinesfalls das Vorliegen eines Durchgangssyndroms verursacht durch eine Contusio cerebri.

Zum Indiz der Gabe von Sinophenin: Prof. Dr. M führe des Weiteren als indirekten Hinweis für das Vorliegen eines Psychosyndroms die notwendige Gabe des Medikaments Sinophenin an. Er negiere in seinen Darstellungen die mögliche Indikation einer Schmerzmedikamentation, und führe dies mit der nicht ausdosierten Dipidolorgabe aus. Er schlussfolgere, dass entsprechend das Sinophenin nur für ein entsprechendes Psychosyndrom induziert gewesen sein könnte. Dem sei entgegen zu halten entgegen, dass das Schmerzmedikament Dipidolor möglicherweise deshalb nicht habe ausdosiert werden können, da ein atemdepressiver Effekt als unerwünschte Nebenwirkung zu befürchten gewesen sei, der wiederum bei der vorhandenen Ateminsuffizienz keinesfalls in Kauf genommen werden durfte. Entsprechend wurde das Sinophenin möglicherweise im Sinne einer zusätzlichen analgetischen Medikamentation eingesetzt. Zusätzlich müsse man darüber hinaus wissen, dass es sich bei dem Medikament Sinophenin um ein niedrig potentes Neuroleptikum mit dem Substanznamen Promazin handele. Die übliche Dosisstärke betrage lediglich 25 mg. Die einmalige Gabe eines Dragees Sinophenin entspreche also einer Tagesdosis von 25 mg. Eine derartige Dosierung sei zur Behandlung von typischen Durchgangssyndromen mit Verwirrtheit und deliranter Symptomatik keinesfalls als ausreichend zu bezeichnen. Im klinischen Alltag seien zur Behandlung derartiger Durchgangssyndrome typischerweise deutlich höhere Dosierungen erforderlich. Eine ausreichende Wirksamkeit eines Dragees pro Tag beim Vorliegen eines posttraumatischen Durchgangssyndroms sei eher als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Entsprechend könne die von Prof. Dr. M angenommene Indikation zur Gabe des Sinophenins angezweifelt werden. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Gabe des Medikaments in einer hier genannten Dosierung eher für leichtere Formen von Schlafstörungen, Angst und Unruhe und als Zusatzmedikament im Rahmen einer Schmerzmedikamentation üblich sei. Aufgrund der erheblich anzunehmenden Schmerzen bei dem Kläger wäre zum Beispiel durchaus die Gabe des Medikaments als Schlaf förderndes Mittel wahrscheinlich zu machen.

Zum Indiz der Einblutung in das rechte Auge:

Als weiteren Beleg für ein schweres SHT führe Prof. Dr. M die Einblutung in das rechte Auge an. Auch diese Umstände seien durchaus als Hinweise einer prinzipiellen Möglichkeit zu akzeptieren. Einen sicheren Beweis, dass die Schwerkräfte auf das ganze Gehirn so gewirkt haben müssten, dass es zu kontusionellen Mikroblutungen, wie im Gutachten behauptet, habe kommen müssen, stelle diese Augeneinblutung nicht dar. Immerhin könne auch eine direkte Bulbusverletzung im Rahmen des Unfalls erfolgt sein. Andererseits könnten auch die Schwerkräfte derartig gewirkt haben, dass sie nur im rechten Auge zu einer entsprechenden Einblutung führten und nicht ausreichend gewesen seien, eine Contusio cerebri hervorzurufen. Die Augeneinblutung allein habe aus seiner Sicht keine ausreichende Beweiskraft, um die Contusio cerebri ausreichend sicher wahrscheinlich zu machen. Insbesondere da auf der anderen Seite wie dargestellt alle anderen Hinweise eher gegen ein stattgehabtes Schädelhirntrauma II ° sprächen.

Auch die weiteren gegen den Kausalzusammenhang von Dr. K angeführten Argumente lassen die Beurteilung von allenfalls als Begründung eines möglichen Kausalzusammenhangs erscheinen.

Nach seiner zutreffenden Auswertung erscheint erstmalig in einem Anwaltsschreiben vom 16. Juli 1996 eine bislang nicht genannte Beschwerdesymptomatik: Sudeck-Syndrom im Kniegelenksbereich, Polyneuropathie und Zuckererkrankung. Im Befundbericht von Dr. Mvom 14. Oktober 1997 werden erstmalig umfangreiche Beschwerden auf neuropsychiatrischem Gebiet angegeben: Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, schnelle Ermüdbarkeit, Abbau körperlicher Leistungsfähigkeit, Konzentrationsverlust, Nervosität, sozialer Rückzug, Gleichgewichtsstörungen, Schwankschwindel. Im Gutachten von Prof. Dr. R vom 04. Februar 1998 wird bei der Unfallschilderung erstmalig erwähnt, dass der Kläger möglicherweise längere Zeit bewusstlos gewesen sei.

Die subjektiven Beschwerden und Symptome sind ganz überwiegend nicht im Rahmen diagnostischer Maßnahmen und dargestellter Befunde in den Akten nachzuvollziehen. Lediglich eine beginnende Hirnleistungsstörung kann auf der Grundlage eines testpsychologischen Befundberichtes angenommen werden.

In den ersten Wochen und Tagen nach dem Unfall aber auch im Rahmen der Begutachtungsuntersuchungen bis zum Jahr 1996 sind keinerlei dokumentierte sichere Hinweise für den Beweis des Vorliegens eines SHT hinausgehend über eine Commotio cerebri seien finden. Selbst in einer Klage, die der Kläger bei seiner Anwältin im Jahr 1994 gegen den letzten Bescheid richte, werden im Bereich der Beschwerden keinerlei neuro-psychiatrische Symptome vorgetragen, etwa im Sinne der Hirnleistungsstörungen oder vegetativen Regulationsstörungen.

Die Gutachter Prof. Dr. Mund Dr. K stimmen darin überein, dass weitere Gesundheitsstörungen des Klägers nicht auf den Arbeitsunfall als wesentliche Ursache zurückzuführen sind. Der Senat folgt ihrer Beurteilung.

Die Entstehung der Zuckerkrankheit und die genannten Potenzstörungen wären allenfalls im Rahmen einer gravierenden Schädelhirntraumatisierung mit Schädigung hormoneller Regulationszentren, etwa im Hypothalamus, denkbar. Da eine solche Schädigung nicht nachweisbar ist, kann auch die Entstehung der Zuckerkrankheit und Potenzstörungen nicht darauf zurückgeführt werden. Potenzstörungen kommen nach den Ausführungen von Dr. K prinzipiell auch bei Verletzungen des so genannten Sakralmarks, im unteren Bereich des Rückenmarks vor. Für eine Verletzung dieses Bereichs im Rahmen des Unfallgeschehens ergibt sich anhand der Akten kein Hinweis. Auch ein schwerwiegendes Bauchtrauma, etwa mit substantieller Schädigung der Bauchspeicheldrüse als peripheres Erfolgsorgan der Zuckerregulation lasst sich nach übereinstimmender Beurteilung beider Gutachter nach Aktenlage nicht feststellen.

Auch eine Polyneuropathie ist nicht auf den Unfall als wesentliche Ursache zurückführbar. Der Zusammenhang der Polyneuropathie mit dem Unfallereignis ist nicht wahrscheinlich. Sie kann prinzipiell bei Patienten eintreten, die sich einer längeren intensivmedizinischen Behandlung unterzogen haben. Dr. K führt dazu weiter aus, dass im Fall des Klägers eine derartige Polyneuropathie prinzipiell hätte eintreten können. Allerdings träten die Symptome unmittelbar im Gefolge dieser intensivmedizinischen Behandlung auf (Sensibilitätsstörungen, Reizerscheinungen und Schmerzen, ggf. auch motorische Ausfälle, insbesondere im Bereich der Beine). Aber auch im Verlaufe der nächsten Wochen und Monate letztlich bis zum Jahr 1996 ist derartiges an keiner Stelle dokumentiert oder auch subjektiv durch den Kläger als Symptom vorgetragen und dokumentiert worden. Die Polyneuropathie ist eher als Folge der Zuckerkrankheit zu interpretieren.

Auch die übrigen subjektiven Beschwerden, die nicht als objektivierbare Funktionsstörungen nachzuvollziehen seien, etwa die Potenzstörung, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, allgemeine psychophysische Minderbelastbarkeit sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. K nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den genannten Arbeitsunfall verursacht.

Auch bezüglich eines möglichen HWS-Traumas finden sich in den Akten keinerlei Belege. Beschwerden des Klägers, Verletzungshinweise, Untersuchungsbefunde hinsichtlich eines möglichen HWS-Traumas sind nicht dokumentiert. Erst deutlich nach dem Jahre 1996 werden verschiedenste Beschwerden einem möglichen HWS-Trauma zugeschrieben. Da es in den Unterlagen für die primäre Unfalldokumentation und auch in den ersten Jahren nach dem Unfall weder direkte noch indirekte Hinweise für ein stattgehabtes HWS-Trauma gibt, kann ein solches weitgehend ausgeschlossen werden.

Auch hinsichtlich dieser Beurteilung sind sich Dr. K und Prof. Dr. M einig. Die deutlich nach dem Jahre 1996 von einigen Gutachtern behaupteten Folgeerscheinungen eines mögliches HWS-Traumas, etwa im Sinne zentraler vegetativer Regulationsstörungen oder schwerer Gleichgewichtsstörungen, können nach den Unterlagen durch die entsprechenden Ärzte keinesfalls durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Beweisführung unterlegt werden. Auch die durchgeführten Untersuchungsmethoden etwa MRT, lassen keinesfalls den sicheren Schluss zu, dass unfallspezifische Veränderungen an der HWS festzustellbar sind.

Hinsichtlich der Beurteilungen der Dres. L, K, M nimmt der Senat Bezug auf die dazu erfolgten Ausführungen bei Prof. Dr. M, denen sich Dr. K angeschlossen hat.

Der Senat stellt die Fachkompetenz von Prof. Dr. M in keiner Weise in Frage. Er ist insoweit hinsichtlich seiner Beurteilungen dieser Gutachten und Stellungnahmen der vorgenannten Ärzte ebenso wie bei seiner Beurteilung eines Kausalzusammenhangs zwischen Polyneuropathie, Diabetes, HWS-Trauma und Arbeitsunfall in jeder Hinsicht überzeugend. Überzeugungskraft fehlt- wie dargelegt - lediglich der von ihm vorgenommenen Bewertung der von ihm zusammengetragenen Indizien, die einen Kausalzusammenhang zum Arbeitsunfall und Schädelhirntrauma II. Grades begründen sollen.

Nach allem war auf die Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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