Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 41 AS 368/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 184/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2007 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, die im Verfahren S 41 AS 368/07 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Erstattung der außergerichtlichen Kosten einer Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main.
Die Antragstellerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II. Anlässlich einer Vorsprache bei dem Antragsgegner verzichtete sie am 4. Oktober 2006 ab dem 1. November 2006 auf Leistungen. Aufgrund dieses Verzichts stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 die Leistungen mit Ende des Monats Oktober 2006 ein. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 9. Oktober 2006 Widerspruch. Am 23. Oktober 2006 bestätigte der Antragsgegner den Eingang des Widerspruchs und teilte mit, dass der Widerspruch an die Widerspruchsstelle abgegeben worden sei. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 fragte die Antragstellerin an, ob wieder Leistungen bezahlt würden und teilte mit weiterem Schreiben vom 6. Dezember 2006 mit, dass ihre Wohnung fristlos gekündigt worden sei.
Am 7. November 2006 beantragte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Beschluss vom 6. Februar 2007 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab, da die Klägerin auf Leistungen verzichtet habe.
Aufgrund eines erneuten Antrags der Antragstellerin gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. Februar 2007 wieder Leistungen ab 1. Februar 2007.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main legte die Antragstellerin am 14. Februar 2007 Beschwerde ein und teilte mit Schriftsatz vom 14. März 2007 mit, dass sie am gleichen Tage Untätigkeitsklage erhoben habe. Am 30. April 2007 erklärten die Beteiligten übereinstimmend das Beschwerdeverfahren für erledigt, nachdem der Antragsgegner den Erlass des Widerspruchsbescheides in Kürze in Aussicht gestellt hatte.
Am 16. März 2007 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Untätigkeitsklage erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 3. Mai 2007 hat die Antragstellerin am 10. Mai 2007 die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner und trägt vor, für die Verzögerung habe es einen zureichenden Grund gegeben. Die verzögerte Bearbeitung habe an der extrem hohen Anzahl von Widersprüchen seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 (SGB II) gelegen. Im Übrigen habe er zu diesem Zeitpunkt auch eine große Anzahl von Akten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Die eingehenden Widersprüche würden nach Eingang chronologisch abgearbeitet.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind. In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsgegner habe wegen der hohen Anzahl an Widersprüchen aufgrund der Gesetzesänderung einen zureichenden Grund für die Verzögerung dargelegt. Im Übrigen sei es der Klägerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage zuzumuten gewesen, bei der Behörde durch eine Sachstandsanfrage oder Anmahnung des Widerspruchsbescheides vorstellig zu werden.
Gegen diesen am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 4. Juni 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2007 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die im Verfahren S 41 AS 368/07 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und bezieht sich auf sein seitheriges Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass wegen der Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der sich in Bearbeitung befindliche Widerspruchsvorgang bis zur Entscheidung durch das Landessozialgericht geruht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Antragsgegners, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Erledigt sich ein Rechtsstreit anders als durch Urteil, entscheidet das Gericht nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG durch Beschluss. Die Kostenentscheidung erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.
Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts sind für die Ermessensausübung nach einer unstreitig erledigten Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) die Umstände der Untätigkeit maßgeblich. Auf die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache kommt es nicht an (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 6. März 2007 - L 7 B 22/07 AS m.w.N.). Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs ist zunächst die Zulässigkeit der erhobenen Untätigkeitsklage. Die Behörde hat dem Antragsteller oder Widerspruchsführer die Kosten nach Erledigung der Untätigkeitsklage in der Hauptsache nur dann zu erstatten, wenn Letzterer mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Auch der Kooperation der Beteiligten im Vorfeld der Untätigkeitsklage kann entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen (HLSG, Beschluss vom 6. März 2007 a.a.O.).
Ob der Antragstellerin die Kosten nach Erledigung der hier zulässigen Untätigkeitsklage zu erstatten sind, richtet sich danach, ob der Antragsgegner einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte (§ 88 Abs. 1 S. 2 SGG) und diesen Grund der Antragstellerin mitgeteilt hat oder er ihr bekannt war (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 193 Rdnr. 13c).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die im Antrags- und Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe der Antragstellerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage mitgeteilt hat. Dem Sozialgericht ist insoweit zuzustimmen, dass eine vorübergehende besondere Belastung der Behörde, z. B. aufgrund einer Gesetzesänderung, ein zureichender Grund sein kann (HLSG, Beschluss vom 30. März 2006 - L 9 B 13/06 SO; BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 14a RKa 1/93; Meyer-Ladewig, § 88 Rdnr. 7a). Dies setzt jedoch voraus, dass die Antragstellerin diese Gründe kennt. Allgemeine Nachrichten in der Öffentlichkeit und Presse zur Belastungssituation der Behörde reichen dabei nicht aus. Den Akten des Antragsgegners ist zu entnehmen, dass dieser der Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 lediglich den Eingang des Widerspruchs bestätigt und mitgeteilt hat, dass er den Widerspruch an die Widerspruchsstelle weitergeleitet habe. Eine weitere Mitteilung an die Antragstellerin ist nicht erfolgt.
Soweit der Antragsgegner weiter vorträgt, der sich bereits in Bearbeitung befindliche Widerspruchsvorgang habe wegen des Beschwerdeverfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geruht, ist dies kein zureichender Grund. Dieses Verfahren ist unabhängig von dem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Widerspruchsbescheides. Eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren lässt keinen zwingenden Schluss auf den Ausgang des Widerspruchsverfahrens und noch weniger auf den Ausgang eines daran anschließenden Klageverfahrens in der Hauptsache zu (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2007 - L 25 B 846/07 AS). Die Beteiligten haben im Übrigen auch nicht vereinbart, das Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ruhen zu lassen.
Letztlich war die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht verpflichtet, vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei dem Antragsgegner nachzufragen. § 88 SGG enthält eine solche Verpflichtung nicht. Grundsätzlich ist es gerade Zweck der Sperrfristen nach § 88 SGG, dass der Antragsteller Untätigkeitsklage nach Ablauf der Fristen erheben darf, ohne sich über das Vorliegen eines zureichenden Grundes Gedankens machen und hierzu bei der Behörde vorsorglich nachfragen zu müssen. Andererseits kann sich die Behörde darauf verlassen, dass sie bei Anträgen nach § 88 Abs. 1 SGG sechs Monate und bei Widersprüchen nach § 88 Abs. 2 SGG drei Monate Zeit für eine Bescheidung ohne den Druck einer Untätigkeitsklage hat (Meyer-Ladewig, § 88, Rdnr. 5a m.w.N.).
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Behörde dem Antragsteller beispielsweise mitgeteilt hat, dass noch weitere Ermittlungen notwendig sind oder dieser davon Kenntnis hat oder die Beteiligten sich aufgrund besonderer Umstände einig sind, die Entscheidung über den Widerspruch vorläufig zurückzustellen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. September 2005 - L 10 LW 4563/04 AK B m.w.N.). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin war daher nicht gehalten, vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei dem Antragsgegner nach dem Stand des Verfahrens zu fragen.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Erstattung der außergerichtlichen Kosten einer Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main.
Die Antragstellerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II. Anlässlich einer Vorsprache bei dem Antragsgegner verzichtete sie am 4. Oktober 2006 ab dem 1. November 2006 auf Leistungen. Aufgrund dieses Verzichts stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 die Leistungen mit Ende des Monats Oktober 2006 ein. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 9. Oktober 2006 Widerspruch. Am 23. Oktober 2006 bestätigte der Antragsgegner den Eingang des Widerspruchs und teilte mit, dass der Widerspruch an die Widerspruchsstelle abgegeben worden sei. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 fragte die Antragstellerin an, ob wieder Leistungen bezahlt würden und teilte mit weiterem Schreiben vom 6. Dezember 2006 mit, dass ihre Wohnung fristlos gekündigt worden sei.
Am 7. November 2006 beantragte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Beschluss vom 6. Februar 2007 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab, da die Klägerin auf Leistungen verzichtet habe.
Aufgrund eines erneuten Antrags der Antragstellerin gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. Februar 2007 wieder Leistungen ab 1. Februar 2007.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main legte die Antragstellerin am 14. Februar 2007 Beschwerde ein und teilte mit Schriftsatz vom 14. März 2007 mit, dass sie am gleichen Tage Untätigkeitsklage erhoben habe. Am 30. April 2007 erklärten die Beteiligten übereinstimmend das Beschwerdeverfahren für erledigt, nachdem der Antragsgegner den Erlass des Widerspruchsbescheides in Kürze in Aussicht gestellt hatte.
Am 16. März 2007 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Untätigkeitsklage erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 3. Mai 2007 hat die Antragstellerin am 10. Mai 2007 die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner und trägt vor, für die Verzögerung habe es einen zureichenden Grund gegeben. Die verzögerte Bearbeitung habe an der extrem hohen Anzahl von Widersprüchen seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 (SGB II) gelegen. Im Übrigen habe er zu diesem Zeitpunkt auch eine große Anzahl von Akten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Die eingehenden Widersprüche würden nach Eingang chronologisch abgearbeitet.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind. In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsgegner habe wegen der hohen Anzahl an Widersprüchen aufgrund der Gesetzesänderung einen zureichenden Grund für die Verzögerung dargelegt. Im Übrigen sei es der Klägerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage zuzumuten gewesen, bei der Behörde durch eine Sachstandsanfrage oder Anmahnung des Widerspruchsbescheides vorstellig zu werden.
Gegen diesen am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 4. Juni 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2007 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die im Verfahren S 41 AS 368/07 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und bezieht sich auf sein seitheriges Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass wegen der Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der sich in Bearbeitung befindliche Widerspruchsvorgang bis zur Entscheidung durch das Landessozialgericht geruht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Antragsgegners, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Erledigt sich ein Rechtsstreit anders als durch Urteil, entscheidet das Gericht nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG durch Beschluss. Die Kostenentscheidung erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.
Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts sind für die Ermessensausübung nach einer unstreitig erledigten Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) die Umstände der Untätigkeit maßgeblich. Auf die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache kommt es nicht an (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 6. März 2007 - L 7 B 22/07 AS m.w.N.). Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs ist zunächst die Zulässigkeit der erhobenen Untätigkeitsklage. Die Behörde hat dem Antragsteller oder Widerspruchsführer die Kosten nach Erledigung der Untätigkeitsklage in der Hauptsache nur dann zu erstatten, wenn Letzterer mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Auch der Kooperation der Beteiligten im Vorfeld der Untätigkeitsklage kann entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen (HLSG, Beschluss vom 6. März 2007 a.a.O.).
Ob der Antragstellerin die Kosten nach Erledigung der hier zulässigen Untätigkeitsklage zu erstatten sind, richtet sich danach, ob der Antragsgegner einen zureichenden Grund für seine Untätigkeit hatte (§ 88 Abs. 1 S. 2 SGG) und diesen Grund der Antragstellerin mitgeteilt hat oder er ihr bekannt war (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 193 Rdnr. 13c).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die im Antrags- und Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe der Antragstellerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage mitgeteilt hat. Dem Sozialgericht ist insoweit zuzustimmen, dass eine vorübergehende besondere Belastung der Behörde, z. B. aufgrund einer Gesetzesänderung, ein zureichender Grund sein kann (HLSG, Beschluss vom 30. März 2006 - L 9 B 13/06 SO; BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 14a RKa 1/93; Meyer-Ladewig, § 88 Rdnr. 7a). Dies setzt jedoch voraus, dass die Antragstellerin diese Gründe kennt. Allgemeine Nachrichten in der Öffentlichkeit und Presse zur Belastungssituation der Behörde reichen dabei nicht aus. Den Akten des Antragsgegners ist zu entnehmen, dass dieser der Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 lediglich den Eingang des Widerspruchs bestätigt und mitgeteilt hat, dass er den Widerspruch an die Widerspruchsstelle weitergeleitet habe. Eine weitere Mitteilung an die Antragstellerin ist nicht erfolgt.
Soweit der Antragsgegner weiter vorträgt, der sich bereits in Bearbeitung befindliche Widerspruchsvorgang habe wegen des Beschwerdeverfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geruht, ist dies kein zureichender Grund. Dieses Verfahren ist unabhängig von dem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Widerspruchsbescheides. Eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren lässt keinen zwingenden Schluss auf den Ausgang des Widerspruchsverfahrens und noch weniger auf den Ausgang eines daran anschließenden Klageverfahrens in der Hauptsache zu (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2007 - L 25 B 846/07 AS). Die Beteiligten haben im Übrigen auch nicht vereinbart, das Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ruhen zu lassen.
Letztlich war die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht verpflichtet, vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei dem Antragsgegner nachzufragen. § 88 SGG enthält eine solche Verpflichtung nicht. Grundsätzlich ist es gerade Zweck der Sperrfristen nach § 88 SGG, dass der Antragsteller Untätigkeitsklage nach Ablauf der Fristen erheben darf, ohne sich über das Vorliegen eines zureichenden Grundes Gedankens machen und hierzu bei der Behörde vorsorglich nachfragen zu müssen. Andererseits kann sich die Behörde darauf verlassen, dass sie bei Anträgen nach § 88 Abs. 1 SGG sechs Monate und bei Widersprüchen nach § 88 Abs. 2 SGG drei Monate Zeit für eine Bescheidung ohne den Druck einer Untätigkeitsklage hat (Meyer-Ladewig, § 88, Rdnr. 5a m.w.N.).
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Behörde dem Antragsteller beispielsweise mitgeteilt hat, dass noch weitere Ermittlungen notwendig sind oder dieser davon Kenntnis hat oder die Beteiligten sich aufgrund besonderer Umstände einig sind, die Entscheidung über den Widerspruch vorläufig zurückzustellen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. September 2005 - L 10 LW 4563/04 AK B m.w.N.). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin war daher nicht gehalten, vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei dem Antragsgegner nach dem Stand des Verfahrens zu fragen.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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