L 3 U 231/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 911/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 231/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.05.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Entschädigung des Arbeitsunfalls am 24.08.2000.

Der 1950 geborene Kläger, Rollerführer, stieß am Unfalltag gegen 19 Uhr mit dem Hinterkopf gegen einen Kranbalken (Unfallbericht). Nach den Angaben im D-Arztbericht des Prof. R. vom 25.8.2000 wurde er von Kranschiene am Kopf getroffen. Er erlitt eine Schädelprellung und eine HWS-Distorsion. Die Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) beim D-Arzt zeigten keinen Hinweis auf eine knöcherne Verletzung oder Gefügestörung.

Die Beklagte holte Nachschauberichte des Prof. R. vom 14.09.2000, 28.09.2000 und 12.10.2000 sowie Zwischenberichte des Dr. B. vom 20.10.2000/22.11.2000, neurologische Befundberichte des Dr. L. vom 30.11.2000 und 9.11.2000 (HWS-Distorsion, leichtes KTS re.), einen Befundbericht des Hausarztes Dr. G. (Erstkonsultation 24.08.2000 19.15 Uhr, grob neurologisch unauffällig, HWS frei beweglich, Hinterkopf links lokale Schwellung mit Druckschmerz), ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 14.11.2000 sowie die medizinischen Unterlagen der Landesversicherungsanstalt Oberbayern ein, darunter ein nervenärztliches Gutachten der Dres R./B. vom 08.03.2001 (neurologisch unauffällig, kein Hinweis für neuropsychologische Störungen, normales Alpha-EEG), sowie D-Arztberichte des Chirurgen Dr. C. vom 31.01.2001/ 02.02.2001. Aus den beigezogenen MRT-Befunden der HWS vom 19.10.2000 und vom 31.01.2001 (Dr. S.) ergab sich, dass ein am Halswirbelkörper (HWK) 5/6 festgestelltes Markraumödem zurückgegangen war. Nach dem beigezogenen Entlassungsbericht der K.klinik, in der der Kläger stationär vom 28.06.2001 bis 09.08.2001 behandelt wurde, war der neurologische Befund unauffällig.

Der Chirurg Prof. Dr. K. stellte im Zusammenhangsgutachten für die Beklagte vom 07.10.2001 fest, dass der Kläger aufgrund der Schädelprellung und der HWS-Distorsion bis 14.12.2000 arbeitsunfähig war und danach keine unfallbedingten Schäden mehr vorlagen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 0 v.H.

Mit Bescheid vom 06.11.2001 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2002 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2002 zu verurteilen, ihm aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.8.2000 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Er hat zur Begründung umfangreiches medizinisches Material vorgelegt, darunter ein neurologisches Gutachten des Dr. L. vom 24.05.2002. Danach hat der Kläger durch den Unfall keine dauerhaften neurologischen Störungen erlitten. Unfallunabhängig bestehe ein Spannungskopfschmerz.

Das SG hat Befundberichte des Dr. S. (vom 17.02.2002, neurologischer Befund unauffällig, EEG regelrecht) und des Orthopäden Dr. E. (vom 06.04.2003) eingeholt und Beweis erhoben durch die neurologischen Sachverständigengutachten des PD Dr. B./M. vom 25.07.2003/30.07.2004 und des Dr. P. vom 17.02.2006. PD Dr. B./M. hat einen posttraumatischen Spannungskopfschmerz diagnostiziert und eine MdE von 20 v.H. festgestellt. Nach dem Unfall hätten erhebliche diagnostische Defizite bestanden. Zeitnah seien weder ein EEG noch ein MRT des Schädels gemacht worden. Deshalb könne aus den aktuellen Befunden nicht geschlossen werden, dass nach dem Unfall keine Substanzverletzung vorlag. Dr. P. hat demgegenüber festgestellt, dass beim Kläger nur eine Schädelprellung und eine HWS-Distorsion nachgewiesen seien, die folgenlos ausgeheilt seien. Die MdE betrage 0 v.H.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2006 abgewiesen und auf das Gutachten des Dr. P. Bezug genommen.

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt und vorgetragen, auch ohne nachgewiesene substantielle Hirnverletzungen könne es schwerwiegende Schädigungen geben. Er habe eine Hirnverletzung gehabt. Zum Nachweis sei eine SPECT-Untersuchung notwendig.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. S. vom 22.01.2007/31.05.2007. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die ausgewerteten ärztlichen Unterlagen lediglich auf eine Schädelprellung schließen ließen. Eine MdE liege nicht vor. Nach dem Unfall seien weder Bewegungsstörungen noch eine Bewusstlosigkeit dokumentiert. Dies spreche gegen eine Substanzschädigung der für die Motorik verantwortlichen Hirnrinde oder des Stammhirns. Weitere Untersuchungen, insbesondere ein SPECT, seien nicht notwendig, zumal ein SPECT dem Nachweis von Hirn-Stoffwechselstörungen (Glukose-Versorgung) diene, während das bereits durchgeführte MRT zum Nachweis von Substanzstörungen geeignet sei. Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten könnten mit dem MRT auch kleinste Defekte nachgewiesen werden, lediglich an der Hirnbasis bestehe eine geringere Auflösung. Dort könne der Kläger jedoch nicht verletzt gewesen sein, weil dann zwingend eine Bewusstlosigkeit hätte vorliegen müssen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG München vom 04.05.2006 und unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2002 zu verurteilen, dem Kläger eine Verletzenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 04.05.2006 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat durch den Arbeitsunfall vom 24.08.2000 keine bleibende Gesundheitsstörung erlitten und damit keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H., so dass das Urteil des SG München vom 04.05.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2001 rechtmäßig sind.

Die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und die Entschädigung durch Zahlung von Verletztenrente (§ 56 SGB VII) setzt voraus, dass die Gesundheitsstörung Folge eines Versicherungsfalles, hier also des Arbeitsunfalles vom 24.08.2000, ist (§§ 7, 8 SGB VII). Der Arbeitsunfall muss wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 63, 277). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 7, 103, 106). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgenschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).

Zur Überzeugung des Senats steht unter Anwendung dieser Grundsätze fest, dass der Kläger beim Arbeitsunfall am 24.08.2000 keine bleibenden, seine Arbeitsmöglichkeiten mindernden Gesundheitsschäden erlitten hat.

Die Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass der Kläger lediglich eine Hirnprellung hatte, die ohne Folgen, d.h. ohne Substanzschädigung, ausgeheilt ist. Nachweise einer Substanzschädigung des Gehirns liegen nicht vor. Insbesondere waren alle nach dem Unfall erhobenen neurologischen Befunde unauffällig, auch der Erstbefund des Hausarztes Dr. G. etwa 15 Min. nach dem Unfall. Dieser sah deshalb keine Veranlassung zu einer stationären Weiterbehandlung oder zu einer Überweisung ins Krankenhaus. Die nachfolgenden technischen Untersuchungen waren ebenfalls ohne pathologischen Befund. Ein am 8.3.2001 von Dr. R./B. angefertigtes Elektroencephalogramm (EEG) ergab ebenso einen Normalbefund wie das von Dr. S. (vgl. Befundbericht vom 17.02.2003). Der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. weist nach Auswertung der umfangreichen medizinischen Unterlagen darauf hin, dass nach anfänglicher Betonung der HWS-Verletzung erst nach ca. zwei Jahren ein posttraumatischer Kopfschmerz und in der Folge eine Hirnverletzung geltend gemacht wurde. Mit Hinblick auf die regelrechten klinisch-neurologischen, EEG- und MRT-Befunde, den D-Arztbericht vom 25.08.2000 und den Befundbericht des Hausarztes vom 24.08.2000 - sie beschreiben weder eine Bewustlosigkeit noch eine Amnesie - sind keine Zeichen einer Hirnverletzung durch den Arbeitsunfall ersichtlich. Der D-Arztbericht ergab weder sensomotorische Defizite noch Störungen der Augen- und Pupillenmotorik, die Schädelaufnahme keine Hinweise auf eine knöcherne Verletzung. Damit sind keine Zeichen einer Hirnsubstanzverletzung (Hirnkontusion) nachgewiesen. Eine Schädigung tiefer gelegener Hirnschichten setzt nämlich Bewusstseinsstörungen bzw. Bewusstlosigkeit voraus, eine Schädigung der hirnrindennahen Schichten betrifft die sensomotorischen Zentren, bei einer Verletzung in der Scheitelregion links die Beweglichkeit des rechten Beins. Aufgrund der Erstbefunde ist also eine Hirnkontusion definitiv auszuschließen, wie Prof. Dr. S. darlegt.

Die Ausführungen des PD Dr. B./M. überzeugen den Senat demgegenüber nicht. Aus ihnen ergibt sich der erforderliche Nachweis einer Substanzschädigung des Hirns nicht, zumal sie nur mit den fehlenden unfallnahen Untersuchungen argumentieren, ohne eine bleibende Schädigung belegen zu können.

Weitere Beweiserhebungen durch die Einholung eines SPECT hielt der Senat nicht für angezeigt, da Prof. S. dargelegt hat, dass dadurch hinsichtlich einer traumatologischen Schädigung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten seien.

Auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet liegen ebenfalls keine Dauerschäden vor. Prof. Dr. K. hat überzeugend dargelegt, dass durch den Unfall lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bis 14.12.2000 verursacht wurde. Dieses Gutachten kann im Wege des Urkundenbeweises berücksichtigt werden. Die Abheilung der HWS-Distorsion wird im übrigen durch die beiden MRT vom 19.10.2000 und vom 31.01.2001 belegt, die einen Rückgang des Markraumödems beim HWK 5/6 zeigen. Außerdem sind degenerative Schäden, u.a. ein medialer Bandscheibenprolaps im Bereich C6/7, nachgewiesen.

Im Ergebnis war die Berufung des Klägers deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Revisionsgrund vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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