L 6 Ar 45/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 10/5 Ar 475/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 45/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. September 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten der Umschulung des Klägers zum Berufshubschrauberführer (Lizenz CHPL).

Der Kläger, geboren im September 1956, ist staatlich geprüfter Kamera-Assistent (Kameramann) und war zuletzt bis 15. Januar 1990 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit als solcher tätig. Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe.

Der Kläger beantragte am 9. März 1990 bei der Beklagten die Förderung der Ausbildung zum Berufshubschrauberführer und begann am 20. März 1990 die Ausbildung. Zur Begründung seines Antrages auf Förderung führte der Kläger aus, der Arbeitsmarkt in der Filmbranche ermögliche es nicht, kontinuierlich als Kameramann zu arbeiten. Er wolle deshalb die Möglichkeit nutzen und Berufshubschrauberpilot werden. Zur Zeit besitze er die Erlaubnis als Privathubschrauberführer. Die Firma R.-R.-Helicopter sei an seiner Mitarbeit interessiert und die Firma A. L. stelle laufend Piloten ein. Er habe von Herrn H. die feste Zusage, im Jahr 1991 für die Firma S.P.-L. als Berufspilot arbeiten zu können. Auch die Firma H.-Service A. werde ihn nach Abschluss der Ausbildung beschäftigen, und von einem Wirtschaftsunternehmen habe er das Angebot, den Ende dieses Jahres eintreffenden Firmenhubschrauber zu fliegen.

Herr L. vom Fachvermittlungsdienst für besonders qualifizierte Fach- und Führungskräfte beim Arbeitsamt Frankfurt (FVD XY.) teilte hausintern der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Beklagten in Frankfurt am Main mit Verfügung vom 7. Juni 1990 mit, aus arbeitsmarktlicher Sicht könne dem Antrag des Klägers nicht entsprochen werden. Der geringe Bedarf des Arbeitsmarktes an Berufshubschrauberführern könne durch Bundeswehrpiloten gedeckt werden.

Der Kläger legte zur Unterstützung seines Antrages ein Schreiben der Firma R. Z. R. Helicopter vom 26. Januar 1990 und der Firma S.P. L. GmbH, D. vom 19. Juli 1990 vor. Die ZAV legte diese Schreiben dem FVD erneut zur Stellungnahme vor. Unter dem Datum vom 16. Oktober 1990 teilte Herr L. mit, er sehe keine Veranlassung, von seiner früheren Stellungnahme abzuweichen. Zur Zeit fänden selbst erfahrene Piloten keine Stelle auf dem Arbeitsmarkt.

Die Beklagte lehnte sodann den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 26. November 1990 ab. Dazu führte sie aus, Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung dürften nur gewährt werden, wenn die Teilnahme an der Maßnahme unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig sei. Dies sei vorliegend nicht gegeben, da selbst viele erfahrene Piloten auf dem Arbeitsmarkt nicht untergebracht werden könnten.

Dagegen erhob der Kläger am 27. Dezember 1990 Widerspruch und trug ergänzend vor, aufgrund seiner speziellen Qualifikation als Kameramann habe ihm die Firma D. A. in E. einen Vertrag als Berufshubschrauberführer angeboten. Später teilte der Kläger mit, er habe nun die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und werde ab 1. April 1991 eine Tätigkeit als Berufshubschrauberführer bei der Firma D. A. Service aufnehmen. Dazu legte er einen Vertrag mit dieser Firma vom 15. Januar 1991 vor (wegen des Wortlauts des Vertrages wird auf Bl. 40–41 der Maßnahmeakte der Beklagten verwiesen).

Nach erneuter Einschaltung des FVD XY. wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 1991 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 27. Juni 1991 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Dazu hat er vorgetragen, nach längerer Arbeitslosigkeit als Kameramann habe er sich entschlossen, seine vorhandene Privatpilotenlizenz für Hubschrauber (PPLH) in eine Berechtigung als Berufshubschrauberführer (CHPL) zu erweitern. Mit seinen weiteren Kenntnissen in der Filmbranche habe sich die erfolgversprechende Kombination als Film- und Fotopilot ergeben. Dies sei ihm von mehreren Helicopterfirmen bestätigt worden. Er habe zwar zunächst als freier Mitarbeiter bei der Firma D. A. Service und der Firma H.-F.-S.-L. GmbH gearbeitet. Er werde jetzt jedoch in ein festes Arbeitsverhältnis bei der Firma H. F.-S.-L. GmbH eintreten. Später hat der Kläger vorgetragen, er sei mittlerweile zu einem gefragten Filmpiloten geworden. Diese Entwicklung sei vorhersehbar gewesen. Der Hubschraubermarkt in Deutschland sei stark angewachsen. Die Beklagte vermittle nur einen sehr geringen Teil der offenen Stellen. Ein Großteil der Piloten werde durch Anzeigen in Fachzeitschriften und auf dem freien Markt angeworben. Er fliege nunmehr zu 100 % für Film und Fernsehen. Es gebe nunmehr im Bundesgebiet mit ihm insgesamt 4 Filmpiloten.

Die Beklagte hat weiterhin darauf abgestellt, dass die Förderung der beruflichen Umschulung des Klägers nicht zweckmäßig gewesen sei.

Das Sozialgericht Wiesbaden hat Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften bei dem FVD XY., bei dem Deutschen Hubschrauber Verband e.V. und bei der Motor Presse TT ...

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22. September 1994 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Förderung der Umschulung zum Berufshubschrauberführer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Dazu hat es ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Förderung der Umschulung zum Berufshubschrauberführer nach § 36 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), da die Umschulung des Klägers unter Berücksichtigung der Lage und der Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig gewesen sei. Bei der Ausfüllung des Begriffes der "arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit” stehe der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Nachprüfung habe sich darauf zu beschränken, ob die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen zutreffend und vollständig ermittelt habe, ob ihre Beurteilungsmaßstäbe mit dem Gesetz vereinbar seien und ob sie diese Maßstäbe richtig eingehalten habe. Da die Beklagte in erster Linie die zukünftigen Vermittlungsmöglichkeiten einzuschätzen habe, besitze sie einen Beurteilungsspielraum, von dem sie im Zeitpunkt der zu treffenden Verwaltungsentscheidung Gebrauch zu machen habe. Vorliegend sei für den Prüfungszeitpunkt die letzte Verwaltungsentscheidung maßgeblich, da diese zeitlich nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes liege. Die Einbeziehung späterer Erkenntnisse diene vor allem der Kontrolle, ob die Verwaltungsentscheidung auf der Berücksichtigung aller verfügbaren Daten beruhe. Vorliegend habe die Beklagte den Antrag des Klägers nicht unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten geprüft und nicht alle abwägungserheblichen Gesichtspunkte in die Verwaltungsentscheidung einbezogen. Im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (31. Mai 1991) hätten Anhaltspunkte vorgelegen, die die Beklagte hätten veranlassen müssen, ihre im November 1990 getroffene Entscheidung zu überprüfen und zu revidieren. Hintergrund der Entscheidung der Beklagten sei der Umstand gewesen, dass Ende März 1990 erwartet wurde, dass 53 zivile Berufshubschrauberpiloten der damals in Auflösung begriffenen Interflug auf den westdeutschen Arbeitsmarkt zukämen und zusätzlich weitere 200 NVA-Militärhubschrauberführer auf den westdeutschen Arbeitsmarkt strebten. Dabei habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger nicht beabsichtigt habe, ausschließlich als Hubschrauberpilot zu arbeiten, sondern eine Tätigkeit in der Film- und Fotoflugbranche angestrebt habe. Zwar habe im Jahre 1990 in Deutschland noch kein echter Arbeitsmarkt für Film- und Fotopiloten bestanden. Gleichwohl hätte sie die vom Kläger eingereichten Schreiben potentieller Arbeitgeber berücksichtigen müssen. Die Absender dieser Schreiben hätten dem Kläger für die Zukunft Hoffnung gemacht, als Berufspilot tätig werden zu können. Auch die vom Gericht eingeholten Stellungnahmen des Deutschen Hubschrauber Verbandes e.V. und der Motor Presse TT. könnten zu keiner anderen Entscheidung führen. Beide hätten eingeräumt, zu den vom Gericht gestellten Fragen nicht kompetent Stellung nehmen zu können. Sie bestätigten lediglich übereinstimmend, dass es auf dem deutschen Arbeitsmarkt 1991 genügend Berufshubschrauberführer gegeben habe. An dieser Tatsache bestehe auch kein Zweifel. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass der Kläger durch die Verknüpfung zweier Berufszweige eine Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt gehabt habe. Diese besondere Situation hätte die Beklagte nach Ansicht des Gerichts in ihre Beurteilung mit aufnehmen müssen. Auch die weiteren Förderungsvoraussetzungen des § 36 AFG lägen in der Person des Klägers vor.

Gegen das am 15. Dezember 1994 als Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat die Beklagte am 16. Januar 1995 Berufung eingelegt.

Dazu trägt sie ergänzend vor, nach ihrer Auffassung gebe es keinen nennenswerten Arbeitsmarkt für Film- und Fotopiloten in der Bundesrepublik Deutschland. Auch sei unklar, wie eine derartige Tätigkeit ausgestaltet sei. Da der Kläger selbst vortrage mit einer weiteren Person, dem sogenannten Schwenker, tätig zu sein, sei sie der Auffassung, dass in der Filmbranche bei Flugaufnahmen die Kombination eines Piloten und eines Kameramannes gefragt sei. Auch sei es nach ihrer Auffassung unüblich, dass der Kameramann auch eine Pilotenlizenz besäße. Aus den von dem Kläger vorgelegten Schreiben potentieller Arbeitgeber sei zudem nur zu entnehmen, dass der Kläger ggf. als Berufspilot tätig werden könne. Eine Tätigkeit als Filmpilot werde darin hingegen nicht in Aussicht gestellt. Selbst wenn in Deutschland einzelne Arbeitgeber existieren sollten, die einen sogenannten Filmpiloten suchten, so stellten dies Einzelfälle dar. Eine Ausbildung im Rahmen einer Umschulung sei deshalb aber nicht zweckmäßig im Sinne des Arbeitsförderungsgesetzes. Eine Förderung komme nur in Betracht, wenn ein Bedarf allgemein bestehe, der von vorhandenen Bewerbern nicht gedeckt werden könne.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. September 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Sozialgericht Wiesbaden habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Weiter führt er aus, er habe im Zeitpunkt der Antragstellung beabsichtigt, eine beitragspflichtige Beschäftigung aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Nicht maßgeblich sei, dass er im Anschluss an die berufliche Umschulung in keiner beitragspflichtigen Beschäftigung tätig gewesen sei. Maßgeblich sei die Absicht im Zeitpunkt der Antragstellung. Bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Umschulung sei nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Eine ursprünglich zweckmäßige Maßnahme könne später unzweckmäßig werden und umgekehrt. Insoweit verweist der Kläger auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts in SozR 4100 § 26 Nr. 14. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfe nicht berücksichtigt werden, dass im Jahre 1990 53 zivile Berufshubschrauberpiloten der Interflug und weitere 200 NVA Militärhubschrauberführer auf den Arbeitsmarkt gedrängt hätten. Er sei durch seine Zusatzqualifikation als Kameramann mit diesen Personen nicht vergleichbar. Die Beklagte trage die Beweislast für eine negative Beschäftigungsprognose. Auch könne eine Teilnahme an einer Förderungsmaßnahme trotz schlechter Arbeitsmarktlage zweckmäßig sein, wenn der Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt dadurch konkurrenzfähiger werde oder seine berufliche Mobilität verbessere.

Das Gericht hat die Leistungsakte und die Maßnahmeakte der Beklagten beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften bei der Firma D. A. Service GmbH; bei der Firma S.P. H. Service GmbH, Abteilung Luftbild; bei der Firma R.-R.-H. R. Z. GmbH & Co. KG; bei dem FVD; bei dem Deutschen Hubschrauber Verband e.V. und beim Luftfahrt-Bundesamt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 2; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. September 1994 war auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger besitzt gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Förderung seiner Ausbildung zum Berufshubschrauberführer (Lizenz CHPL) als berufliche Umschulung nach § 47 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der hier anzuwendenden Fassung vom 22. März 1991 (BGBl. I S. 750). Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 AFG fördert die beklagte Bundesanstalt die Teilnahme von Arbeitsuchenden an Maßnahmen, die das Ziel haben, den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit zu ermöglichen, insbesondere, um die berufliche Beweglichkeit zu sichern oder zu verbessern (berufliche Umschulung).

Wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 24. August 1994 (Az.: L-6/Ar-446/93) entschieden hat, stellt die Teilnahme eines Inhabers einer Privatfluglizenz an einem Lehrgang zum Erwerb einer Berufsfluglizenz eine berufliche Umschulung und keine berufliche Fortbildung dar. Der Senat sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Der Anspruch des Klägers auf Förderung seiner Umschulung scheitert an § 36 Satz 1 Nr. 3 1. Halbsatz AFG. Danach dürfen Maßnahmen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung (wie z.B. eine Umschulung) nur gefördert werden, wenn die Teilnahme an der Maßnahme im Hinblick auf die Ziele des § 2 und unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist.

Der Begriff der "Zweckmäßigkeit” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch das Satzungsrecht der Beklagten in § 6 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) eine nähere Ausgestaltung gefunden hat. Danach ist eine Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme zweckmäßig, wenn durch sie die berufliche Situation für den Antragsteller in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gesichert oder verbessert wird. Weiter bestimmt § 36 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 AFG, dass die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Umschulung nicht gefördert werden soll, wenn der Antragsteller voraussichtlich auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt innerhalb angemessener Zeit nach Abschluss der Maßnahme keine Beschäftigung in der angestrebten beruflichen Tätigkeit finden kann.

Dies zeigt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der zu treffenden Verwaltungsentscheidung eine Prognoseentscheidung zu treffen hatte. Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt einer Verwaltungsentscheidung im Rahmen einer Verpflichtungsklage ist zwar in der Regel die letzte mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Liegt jedoch die Wirkung des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt der gerichtlichen Kontrolle ausschließlich in der Vergangenheit und setzt der Erlass des Verwaltungsaktes die Beurteilung zeitbedingter oder planerischer Elemente voraus (wie z.B. Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes), so können spätere Entwicklungen die Rechtmäßigkeit der getroffenen Verwaltungsentscheidung nicht beeinflussen (BSG Urteil vom 26. September 1990 – Az.: 9 b/11 RAr 151/88 in SozR 3-4100 § 36 AFG Nr. 1). Damit kann nur die Beurteilungssituation im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich sein, auch wenn die Zukunft mit allen Unwägbarkeiten behaftet bleibt.

Die gerichtliche Kontrolle der Prognoseentscheidung (Beurteilungsspielraum) ist darauf beschränkt zu prüfen, ob die Beklagte von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat (BSG Urteil vom 28. November 1996 – Az.: 7 RAr 58/95).

Die Entscheidung der Beklagten die berufliche Umschulung vom Kameramann zum Berufshubschrauberführer sei nicht zweckmäßig, ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte stützte sich bei dieser Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise auf die Einschätzung ihres FVD in XY ... Im März 1990 standen danach neun offene Stellen für Berufshubschrauberführer 12 Bewerber gegenüber. Zugleich war bereits im März 1990 zu erwarten, dass sich weitere bereits ausgebildete und erfahrene Berufshubschrauberführer in naher Zukunft auf den bundesdeutschen Arbeitsmarkt drängen würden; zu erwarten waren 53 zivile Berufshubschrauberpiloten der Interflug und weitere 200 NVA-Militärhubschraubführer. Diese besaßen zwar in dem hier streitigen Zeitraum nach Auskunft des FVD XY. keine westdeutsche Lizenz. Die Beklagte konnte aber davon ausgehen, dass eine Besserung des Arbeitsmarktes für Berufshubschrauberführer nicht eintreten werde, selbst wenn nicht alle Berufshubschrauberführer aus der DDR auf den westdeutschen Arbeitsmarkt drängen würden. Die vom Senat eingeholten Auskünfte beim Luftfahrt-Bundesamt vom 29. Februar 1996 und beim Deutschen Hubschrauber Verband e.V. vom 8. Januar 1996 zeigen, dass die Beklagte kein besseres Zahlenmaterial ihrer Entscheidung hätte zugrunde legen können. Beide verweisen ausdrücklich auf die Erkenntnisse des FVD XY ...

Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte anhand der Schreiben der Firma R. Z., R.-R.-H. vom 26. Januar 1990 und der Firma S.P. L. GmbH, D. vom 19. Juli 1990 und unter Berücksichtigung des Mitarbeitervertrages vom 15. Januar 1991 keine andere Entscheidung getroffen hat. Die Schreiben der Firma R. Z., R.-R.-H. und der Firma S.P. L. GmbH, D. stellen entgegen der Auffassung des Klägers keine Einstellungszusage dar. Dem Kläger wird in diesen Schreiben lediglich die Möglichkeit einer Tätigkeit als Berufshubschrauberführer aufgezeigt bzw. aufgefordert, sich nach Abschluß seiner Ausbildung zu bewerben. Der Inhalt dieser Schreiben ist zu vage, um darin eine Einstellungszusage für eine versicherungspflichtige Tätigkeit sehen zu können. Dies zeigt insbesondere das Schreiben der Firma D. A. Service GmbH vom 13. Februar 1997. Danach habe sie das dem Kläger unterbreitete Angebot nach Beendigung seiner Ausbildung nicht aufrecht erhalten können.

Gleiches gilt für den vom Kläger vorgelegten Mitarbeitervertrag mit der Firma D. A. Service GmbH vom 15. Januar 1991. Hierbei handelt es sich um einen freien Mitarbeitervertrag. Lediglich unter Ziffer 6 des Vertrages wird ausgeführt: "Bei entsprechender Eignung wird Herr K. nach drei Monaten in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen.” Dies war jedoch bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1991 nicht geschehen. Auch kam es später zu keinem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis.

Die Umschulung des Klägers zum Berufshubschrauberführer konnte aufgrund seiner Kenntnisse als Kameramann als nicht zweckmäßig angesehen werden.

Der Kläger kann der Entscheidung der Beklagten nicht entgegenhalten, sie habe nicht berücksichtigt, dass er aufgrund seiner beiden Ausbildungen zum Kameramann und zum Berufshubschrauberführer nun als Filmpilot tätig sein könne. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Wiesbaden am 22. September 1994 selbst erklärte, entwickelte sich erst in den letzten drei Jahren das Berufsbild des Filmpiloten. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe es insgesamt vier Filmpiloten gegeben. Daraus ist zu schließen, dass es im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1991 noch keinen Arbeitsmarkt für Filmpiloten gab, an dem die Zweckmäßigkeit einer Umschulung hätte geprüft werden können. Die Beklagte konnte nicht einschätzen, ob und wie sich der neue Beruf "Filmpilot” entwickeln werde. Die vom Kläger vorgelegten Schreiben geben dazu keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Auch das Argument des Klägers, die Zweckmäßigkeit der Förderung seiner beruflichen Umschulung sei zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu beurteilen, kann zu keiner anderen Lösung führen. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 10. März 1994 (a.a.O.) ausgeführt, maßgeblicher Beurteilungszeitraum sei bei einer Leistungs- oder Feststellungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wenn ein erheblicher Zeitablauf zwischen der letzten Entscheidung der Beklagten und der gerichtlichen Prüfung eingetreten sei. Zwar sind zwischen dem Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1991 und der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 6. August 1997 mehr als sechs Jahre vergangen. Aber in dieser Zeit ist keine Veränderung eingetreten, auf die eine andere Entscheidung gestützt werden könnte. Im Laufe dieser Zeit hat sich herausgestellt, dass der Kläger zu keiner Zeit beitragspflichtig beschäftigt gewesen ist und nach Auskunft des FVD XY. hat sich die Arbeitsmarktlage für Berufshubschrauberführer nicht verbessert. Darüber hinaus sind neben dem Kläger nur drei weitere Filmpiloten in der Bundesrepublik Deutschland tätig. Selbst wenn diese versicherungspflichtig tätig sein sollten, stellt dies keinen nennenswerten Arbeitsmarkt dar. Damit konnte der Senat offen lassen, ob vorliegend ausnahmsweise die weitere Entwicklung nach Erlass des Widerspruchsbescheides bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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