Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 668/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 690/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. April 1995 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld besitzt.
Der Kläger, geboren im Jahre 1949, war vom 2.4.1984 bis 31.12.1993 bei der Deutschen Service-Gesellschaft der B. mbH (DSG) zuletzt als Betriebsangestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Während dieser Beschäftigungszeit war der Kläger in der Zeit vom 1.8.1991 bis 31.7.1993 wegen unbezahlten Urlaubs von der Arbeit freigestellt. In dieser Zeit war der Kläger bei der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH vom 16.10.1992 bis 31.12.1992 als Metallarbeiter tätig. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit bei der DSG kündigte diese dem Kläger zum 31.12.1993 wegen fehlender Einsatzmöglichkeit und stellte ihn ab 4. September 1993 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ohne Lohn von der Arbeitsleistung frei.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 10.9.1993 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab er an, er sei ledig. Auf der Steuerkarte für das Jahr 1993 waren die Steuerklasse I und keine Kinderfreibeträge eingetragen. Weiter führte der Kläger aus, er habe gegen die DSG eine Kündigungsschutzklage und Klage auf Lohnfortzahlung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. erhoben.
Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH vom 14.9.1993 verdiente der Kläger im Monat November 1992 2.574 DM innerhalb von 21 Arbeitstagen und im Monat Dezember 1992 2.326,50 DM innerhalb von 23 Arbeitstagen. Nach der Arbeitsbescheinigung der DSG vom 6.10.1993 verdiente der Kläger im August 1993 4.342,50 DM innerhalb von 22 Arbeitstagen und vom 1. September bis zum 3. September 1993 581,04 DM innerhalb von 3 Arbeitstagen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 15.11.1993 Arbeitslosengeld ab 10.9.1993 i.H.v. 232,20 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 530 DM und mit Bescheid vom 23. November 1993 ab 22. November 1993 Arbeitslosengeld i.H.v. 283,80 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680,– DM wöchentlich. Dabei legte die Beklagte den Verdienst des Klägers im August und im September 1993 bei des DSG und den Verdienst in den Monaten November und Dezember 1992 bei der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH zugrunde. Bereits mit Schreiben vom 12.11.1993 hatte die Beklagte gegenüber der DSG einen Anspruchsübergang in Bezug auf einen eventuell noch ausstehenden Lohnanspruch des Klägers geltend gemacht. Mit Bescheid vom 23.11.1993 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 22.11.1993 Arbeitslosengeld i.H.v. 283,80 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680 DM wöchentlich.
Noch im Dezember 1993 legte der Kläger der Beklagten eine Kopie der Niederschrift der öffentlichen Sitzung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. vom 25.11.1993 (Az.: 4 Ca 7453/93) vor. Danach schlossen der Kläger und die DSG folgenden Vergleich (auszugsweise wiedergegeben):
1) Die Parteien sind sich einig, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung der Beklagten (DSG) zum 31.12.1993 beendet werden wird.
2) Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Kläger unwiderruflich unter Anrechnung auf seinen Urlaubsanspruch von der Arbeitsleistung freigestellt, unter Fortzahlung der monatlichen Bruttovergütung i.H.v. DM 4.200 unter Berücksichtigung eines evtl. Anspruchsübergangs auf das Arbeitsamt.
3) Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 20.000 DM brutto für netto, fällig zum 20.12.1993.
4) Die Parteien sind sich einig, daß der Kläger das 13. Gehalt bekommt, soweit es ihm nach dem Tarifvertrag zusteht.
5) –8.
Daraufhin ging im Januar 1994 eine neue Arbeitsbescheinigung der DSG vom 7.1.1994 ein. Danach habe der Kläger im September ab 4.9.1993 monatlich 3.627,27 DM und in den Monaten Oktober bis einschließlich Dezember 1993 jeweils 4.200 DM bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich verdient.
Die Beklagte machte mit Bescheid vom 7.2.1994 gegenüber der DSG einen Anspruchsübergang gem. § 117 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V.m. § 115 Sozialgesetzbuch – 10. Buch (SGB X) in Höhe der dem Kläger für die Zeit vom 10.9. bis 31.12.1993 gewährten Leistung (Arbeitslosengeld, Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung) geltend.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 19.1.1994 Arbeitslosengeld ab 3.1.1994 i.H.v. 265,80 DM wöchentlich, weiterhin nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680 DM wöchentlich.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 1994, bei der Beklagten am 16.2.1994 eingegangen, Widerspruch sowohl im Hinblick auf die Anspruchsdauer als auch in Bezug auf die Höhe des Arbeitslosengeldes. Zum einen habe er aufgrund seines Alters und seiner erworbenen Anwartschaftszeit einen Anspruch für 572 Wochentage. Zum anderen habe er einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld, da sein monatlicher Bruttolohn 4.200 DM betragen habe.
Die Beklagte half dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld für eine Dauer von 572 Wochentagen ab 1.1.1994 anerkannte. Den darüber hinaus geltend gemachten Anspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.1994 als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, der angefochtene Wiederbewilligungsbescheid vom 19.1.1994 enthalte keine eigenständige Entscheidung über die Höhe des Bemessungsentgelts. Eine Entscheidung über die Höhe des Bemessungsentgelts sei bereits mit Bescheid vom 23.11.1993 getroffen worden. Der am 16.2.1994 eingegangene Widerspruch habe jedoch die Widerspruchsfrist gegen diesen Bescheid nicht gewahrt. Auch wenn man diesen Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ansehen würde, hätte dieser keinen Erfolg, da der Bemessungszeitraum im vorliegenden Fall ab dem 3.9.1993 rückwärts zu berechnen sei.
Gegen den am 24.3.1994 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.4.1994 Klage vor dem Sozialgericht in Gießen erhoben. Dazu hat er vorgetragen, der Bemessung seines Anspruchs sei das durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich erstrittene Arbeitsentgelt i.H.v. 4.200 DM bis 31.12.1993 zugrunde zu legen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien für das Arbeitsverhältnis auch Sozialversicherungsabgaben entrichtet worden. Er sei somit so zu stellen, als wenn er erst am 1.1.1994 Arbeitslosengeld bezogen habe. Seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 10.9.1993 nehme er zurück (Schriftsatz vom 17.10.1993). Seine Vorsprache beim Arbeitsamt am 30.12.1993 beinhalte eine neue Beantragung von Leistungen. Im übrigen habe die Beklagte ihn im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er Leistungen erst ab 1.1.1994 beantragt. Die Beklagte habe es nämlich unterlassen, ihn am 10.9.1993 darauf aufmerksam zu machen, daß es in seinem Fall günstiger sei, erst nach Abschluß des arbeitsgerichtlichen Verfahrens einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zu stellen.
Die Beklagte hat im wesentlichen auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 11.6.1987 verwiesen. Danach bleibe das Bemessungsentgelt, welches einer Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld zugrunde gelegen habe, auch nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage maßgebend, bis ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.4.1995 die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, die Beklagte habe in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bescheid vom 17.1.1994 (gemeint ist wohl der Bescheid vom 19.1.1994) nur eine Entscheidung zur Weiterbewilligung und nicht zur Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes beinhalte. Die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld sei mit Bescheid vom 19.11.1993 festgestellt worden. Weiter hat das Sozialgericht ausgeführt, es sehe sich aus prozessualen Gründen gehindert zu prüfen, ob ein Überprüfungsantrag des Klägers Erfolg gehabt hätte. Denn die sozialgerichtliche Überprüfung setze die Durchführung des vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens voraus. Der bestandskräftige Bescheid vom 15.11.1993 sei in Bezug auf die Höhe des Bemessungsentgelts nicht im Rahmen eines Widerspruchsbescheides überprüft worden.
Auch besitze der Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dies scheitere daran, daß die Beklagte unter Berücksichtigung des ihr bekannten Sachverhalts nicht schuldhaft unterlassen habe, den Kläger darauf hinzuweisen, daß eine spätere Arbeitslosmeldung zu einem höheren Bemessungsentgelt und damit zu einem höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld führen werde.
Gegen das am 8.6.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.7.1995 Berufung eingelegt.
Dazu trägt er vor, der Auffassung des Sozialgerichts liege offensichtlich die Kommentierung des § 101 AFG zugrunde. Nach dieser gesetzlichen Regelung sei arbeitslos, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Nach der Kommentierung (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG § 101 Rdnr. 4) sei auch derjenige Arbeitnehmer arbeitslos, wenn der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über ihn nicht mehr beanspruche. Dabei sei unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich noch weiterbestehe. Der Arbeitnehmer erhalte dann nach den Grundsätzen der Gleichwohlgewährung Leistungen, auch wenn die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ungeklärt sei. Dies könne jedoch nicht mit dem Begriff des "Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis” i.S.v. § 112 Abs. 2 AFG gleichgesetzt werden. Beide Vorschriften besäßen jeweils einen völlig anderen Charakter. § 101 AFG definiere die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld. § 112 AFG stelle lediglich eine Berechnungsvorschrift dar, die erst zur Anwendung komme, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen.
Auch sei er berechtigt gewesen, seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 10.9.1993 mit Schriftsatz vom 17.10.1994 zurückzunehmen. Zwar gehe das Bundessozialgericht von einer Rücknahmemöglichkeit eines Antrags bis zur Erteilung eines Bescheides durch die Behörde aus (Hinweis auf Urteil vom 17.4.1986 in SozR 4100 § 100 Nr. 11). Da das Bundessozialgericht die Unzulässigkeit der Antragsrücknahme nach der Erteilung eines Bescheides daraus schließe, daß der Versichertengemeinschaft ein unzumutbarer Nachteil entstehe, könne ihm dies nicht entgegen gehalten werden. Seine Antragsrücknahme berühre keine schutzwürdigen Belange Dritter.
Zumindest seien die Voraussetzungen für einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben. Spätestens bei dem Eingang der Arbeitsbescheinigung der DSG vom 6.10.1993 hätte die Beklagte erkennen müssen, daß ihm bei Rücknahme seines Antrages vom 10.9.1993 und erneuter Antragstellung zum 1.1.1994 ihm ein erheblich höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden hätte. Wäre ihm ein solcher Hinweis gegeben worden, so hätte er sich zur Rücknahme seines Antrages vom 10.9.1993 entschlossen, auch wenn er in der Zwischenzeit von seinen Ersparnissen hätte leben müssen. Es sei eindeutig gewesen, daß die DSG verpflichtet gewesen sei, ihm Gehalt zumindest bis zum 31.12.1993 zu zahlen. Auch sei er davon ausgegangen, daß sich seine Arbeitslosmeldung am 10.9.1993 erledigt hätte, nachdem die DSG der Beklagten die von ihr erbrachten Leistungen in vollem Umfange erstattet habe. Deshalb habe er erst am 30.12.1993 erneut bei der Beklagten vorgesprochen. Auch treffe nicht zu, daß die Beklagte rechtzeitig ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht durch die Aushändigung des "Merkblatts für Arbeitslose” nachgekommen sei. Die Beklagte habe ihm das Merkblatt weder am 10.9.1993 noch später ausgehändigt. Er habe sich dieses Merkblatt erst gegen Ende des Jahres 1993 selbst beschafft. Auch enthalte das Merkblatt keine Hinweise auf die vorliegende Problematik.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25.4.1995 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19.1.1994 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 21.3.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab 3. Januar 1994 zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Die Gewährung von Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen der Gleichwohlgewährung des § 117 Abs. 4 AFG erfolge nicht vorbehaltlich einer Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig. Das Gesetze sehe nicht vor, daß die Bewilligung nach § 117 Abs. 4 AFG Satz 1 AFG für den Fall aufgehoben werde, sobald sich herausstelle, daß das Arbeitsverhältnis weiter Bestand habe. Auch für den Fall der Erstattung ihrer Aufwendungen durch den Arbeitgeber sehe das Gesetz keine Rückabwicklung der Gewährung von Arbeitslosengeld vor. Damit bleibe das der Gleichwohlgewährung zugrunde gelegte Bemessungsentgelt auch für die spätere Weitergewährung von Arbeitslosengeld maßgeblich. Ihr sei auch kein Beratungsfehler unterlaufen.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (Stammnr. XXXXX) beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. April 1995 war nicht aufzuheben, der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 1994 war nicht abzuändern und der Widerspruchsbescheid vom 21. März 1994 war nicht aufzuheben.
Der Kläger besitzt gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld ab 3. Januar 1994.
Das Arbeitslosengeld beträgt gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG in der Fassung vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353; ber. BGBl. I 1994 S. 72) für ledige Arbeitslose ohne Kinder 60 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112). § 112 Abs. 1 S. 1 AFG definiert als Arbeitsentgelt i.S.v. § 111 Abs. 1 das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Zwar umfaßt nach § 112 Abs. 2 S. 1 AFG in der ab 1.1.194 geltenden Fassung der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruches, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Vorliegend ist jedoch gemäß § 242 q Abs. 7 AFG der § 112 Abs. 2 AFG in der alten Fassung maßgeblich. Danach ist u.a. § 112 Abs. 2 in der vom 1. Januar 1994 an geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 1994 nicht anzuwenden, wenn sich der danach maßgebliche Bemessungszeitraum auf Beschäftigungen erstreckt, die vor dem 1. Januar 1994 beendet worden sind. Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der DSG zum 31.12.1993 beendet wurde, ist somit § 112 Abs. 2 S. 1 AFG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden. Danach umfaßt der Bemessungszeitraum die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses. Der Kläger stand mit Ablauf des 3. September 1993 nicht mehr im Beschäftigungsverhältnis der DSG. Der Arbeitnehmer steht nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über ihn nicht mehr beansprucht. Die DSG kündigte dem Kläger zwar erst zum 31. Dezember 1993, stellte ihn aber bereits mit Ablauf des 2. September 1994 von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Damit endete das Beschäftigungsverhältnis des Klägers am 3. September 1993. Dabei ist unerheblich, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers erst zum 31. Dezember 1993 beendet wurde. Denn maßgeblich für die Arbeitslosigkeit und damit für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ist, daß der Arbeitnehmer, frei von der Verfügungsgewalt seines früheren Arbeitgebers, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen kann.
Die Beklagte legte somit dem Leistungsanspruch des Klägers ein Bemessungszeitraum beginnend am 3. September 1993 und gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 AFG zurückgehend bis 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind.
Auch aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zuflußtheorie konnte das mit arbeitsgerichtlichem Vergleich vereinbarte Entgelt für die Zeit vom 4. September 1993 bis zum 31. Dezember 1993 nicht zu einem höheren Bemessungsentgelt führen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts galt als "erzielt” nur das Arbeitsentgelt, welches bis zum Ausscheiden des Arbeitslosen abgerechnet und ihm zugeflossen war. Dabei blieb unbeachtet, ob und inwieweit in einem anschließenden arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit eine nachträgliche Korrektur vorgenommen wurde (vgl. dazu BSG Urteil vom 18. April 1991 – Az.: 7 RAr 52/90 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 10, BSG Urteil vom 23. Juli 1992 – Az.: 7 RAr 2/92 in NZA 1993, 621). Diese "reine Zuflußtheorie” hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28. Juni 1995 – Az.: 7 RAr 102/94 modifiziert. Nunmehr sind auch die nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zugeflossenen Arbeitsentgelte zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt. Damit wird es möglich, daß eine nachträgliche Korrektur einer vertragswidrigen Lohnabrechnung den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ansteigen läßt. Das Bundessozialgericht weist in seinem Urteil darauf hin, daß der Arbeitslose, dem zunächst Teile seines Arbeitsentgeltes rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt wurden, bei der Leistungsbemessung nicht schlechter gestellt werden dürfe, als derjenige, dessen Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden sei. Würden derartige Nachzahlungen im Leistungsrecht unberücksichtigt bleiben, würde derjenige Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber sich objektiv vertragswidrig verhielte, bei gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer benachteiligt werden, dessen Lohnanspruch korrekt abgerechnet und bis zum Ausscheiden ausgezahlt worden sei. Der Aspekt der Verwaltungspraktikabilität für diese Ungleichbehandlung stellte keinen hinreichenden sachlichen Grund dar. Auch die im Gesetz bezweckte beschleunigte Feststellung des zu gewährenden Arbeitslosengeldes biete für diese Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an, wie er bereits mit Urteil vom 3. September 1997 – Az.: L 6 Ar 1114/95 entschieden hat.
Vorliegend konnte diese neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch zu keiner anderen Entscheidung führen.
Denn die vom Kläger erstrittene Gehaltsnachzahlung betrifft einen Zeitraum außerhalb des hier maßgeblichen Bemessungszeitraumes. Der vorliegend maßgebliche Bemessungszeitraum endet mit dem Beschäftigungsverhältnis am 3. September 1994. Die Gehaltsnachzahlung betraf demgegenüber die Zeit vom 4. September bis 31. Dezember 1993.
Diese Entscheidung des Senats steht nicht im Widerspruch zu seinem Urteil vom 3. September 1997 – Az.: L-6/Ar-1114/95. Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die in diesem Fall gezahlte Entgeltnachzahlung wurde für Zeiträume geleistet, die auch den dort maßgeblichen Bemessungszeitraum des § 112 Abs. 2 AFG mitumfaßten.
Der Senat ist des weiteren zu der Überzeugung gekommen, daß der Kläger seinen am 10. September 1993 gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht wirksam mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 17. Oktober 1994 zurücknehmen konnte. Eine Rückabwicklung der mit Bescheid vom 15. November 1993 bewilligten und ab 10. September 1993 gezahlten Leistungen war nach § 46 Abs. 1 2. Halbsatz Sozialgesetzbuch – 1. Buch (SGB I) zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Danach ist ein Verzicht nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Die Sozialleistung, auf die der Kläger verzichten möchte, wurde ihm jedoch in vollem Umfang in der Vergangenheit ausgezahlt.
Wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 27. Juli 1983 – Az.: L-6/Ar-1296/82 entschieden hat, kann auf eine bereits bewilligte und vom Leistungsempfänger vorbehaltlos entgegengenommene Leistung nicht mehr rechtswirksam verzichtet werden, da auf sie kein Anspruch mehr besteht.
Der Senat konnte somit dahingestellt sein lassen, ob der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 17. Oktober 1994 auch wirksam gegenüber der Beklagten auf diese Leistung verzichtet hat.
Der Senat konnte auch im übrigen keinen Berechnungsfehler der Beklagten erkennen.
Der Kläger kann seinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs herleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (statt vieler: Urteil vom 8. November 1995, Az.: 13 RJ 5/95 – SozR 3 – 2600 § 300 Nr. 5) kann die Verletzung von Nebenpflichten, die dem Versicherungsträger gegenüber dem Versicherten obliegen, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Versicherten begründen. Nach § 14 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung ist der Leistungsträger, dem gegenüber die Rechte oder Pflichten geltend zu machen bzw. zu erfüllen sind. Anlaß zu einer Auskunft oder Beratung ist aber nicht erst dann, wenn der Versicherte darum nachsucht, sondern bereits dann, wenn sich im laufenden Verfahren klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten zeigen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sind, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde (HLSG, Urteil vom 3. Mai 1991, Az.: L-11/J-1119/88).
Entgegen der Auffassung des Klägers hätte die Beklagte ihn nicht spätestens mit der Vorlage der Arbeitsbescheinigung des DSG vom 6. Oktober 1993 dahingehend beraten müssen, daß er wegen der zu erwartenden Entgeltnachzahlung seinen Antrag auf Leistungsgewährung vom 10. September 1993 zurücknehmen und auf seinen Leistungsanspruch ab 10. September 1993 verzichten solle. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn offenkundig gewesen wäre, daß der Kläger ohne Zweifel seinen Entgeltsanspruch für die Zeit vom 4. September bis 31. Dezember 1993 im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht durchsetzen werde. Diese Prognose konnte die Beklagte angesichts des Prozeßrisikos nicht treffen.
Der Senat konnte somit keinen Beratungsfehler der Beklagten erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld besitzt.
Der Kläger, geboren im Jahre 1949, war vom 2.4.1984 bis 31.12.1993 bei der Deutschen Service-Gesellschaft der B. mbH (DSG) zuletzt als Betriebsangestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Während dieser Beschäftigungszeit war der Kläger in der Zeit vom 1.8.1991 bis 31.7.1993 wegen unbezahlten Urlaubs von der Arbeit freigestellt. In dieser Zeit war der Kläger bei der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH vom 16.10.1992 bis 31.12.1992 als Metallarbeiter tätig. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit bei der DSG kündigte diese dem Kläger zum 31.12.1993 wegen fehlender Einsatzmöglichkeit und stellte ihn ab 4. September 1993 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ohne Lohn von der Arbeitsleistung frei.
Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 10.9.1993 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab er an, er sei ledig. Auf der Steuerkarte für das Jahr 1993 waren die Steuerklasse I und keine Kinderfreibeträge eingetragen. Weiter führte der Kläger aus, er habe gegen die DSG eine Kündigungsschutzklage und Klage auf Lohnfortzahlung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. erhoben.
Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH vom 14.9.1993 verdiente der Kläger im Monat November 1992 2.574 DM innerhalb von 21 Arbeitstagen und im Monat Dezember 1992 2.326,50 DM innerhalb von 23 Arbeitstagen. Nach der Arbeitsbescheinigung der DSG vom 6.10.1993 verdiente der Kläger im August 1993 4.342,50 DM innerhalb von 22 Arbeitstagen und vom 1. September bis zum 3. September 1993 581,04 DM innerhalb von 3 Arbeitstagen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 15.11.1993 Arbeitslosengeld ab 10.9.1993 i.H.v. 232,20 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 530 DM und mit Bescheid vom 23. November 1993 ab 22. November 1993 Arbeitslosengeld i.H.v. 283,80 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680,– DM wöchentlich. Dabei legte die Beklagte den Verdienst des Klägers im August und im September 1993 bei des DSG und den Verdienst in den Monaten November und Dezember 1992 bei der Firma E. Pulverbeschichtung GmbH zugrunde. Bereits mit Schreiben vom 12.11.1993 hatte die Beklagte gegenüber der DSG einen Anspruchsübergang in Bezug auf einen eventuell noch ausstehenden Lohnanspruch des Klägers geltend gemacht. Mit Bescheid vom 23.11.1993 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 22.11.1993 Arbeitslosengeld i.H.v. 283,80 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680 DM wöchentlich.
Noch im Dezember 1993 legte der Kläger der Beklagten eine Kopie der Niederschrift der öffentlichen Sitzung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. vom 25.11.1993 (Az.: 4 Ca 7453/93) vor. Danach schlossen der Kläger und die DSG folgenden Vergleich (auszugsweise wiedergegeben):
1) Die Parteien sind sich einig, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung der Beklagten (DSG) zum 31.12.1993 beendet werden wird.
2) Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Kläger unwiderruflich unter Anrechnung auf seinen Urlaubsanspruch von der Arbeitsleistung freigestellt, unter Fortzahlung der monatlichen Bruttovergütung i.H.v. DM 4.200 unter Berücksichtigung eines evtl. Anspruchsübergangs auf das Arbeitsamt.
3) Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 20.000 DM brutto für netto, fällig zum 20.12.1993.
4) Die Parteien sind sich einig, daß der Kläger das 13. Gehalt bekommt, soweit es ihm nach dem Tarifvertrag zusteht.
5) –8.
Daraufhin ging im Januar 1994 eine neue Arbeitsbescheinigung der DSG vom 7.1.1994 ein. Danach habe der Kläger im September ab 4.9.1993 monatlich 3.627,27 DM und in den Monaten Oktober bis einschließlich Dezember 1993 jeweils 4.200 DM bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich verdient.
Die Beklagte machte mit Bescheid vom 7.2.1994 gegenüber der DSG einen Anspruchsübergang gem. § 117 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V.m. § 115 Sozialgesetzbuch – 10. Buch (SGB X) in Höhe der dem Kläger für die Zeit vom 10.9. bis 31.12.1993 gewährten Leistung (Arbeitslosengeld, Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung) geltend.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 19.1.1994 Arbeitslosengeld ab 3.1.1994 i.H.v. 265,80 DM wöchentlich, weiterhin nach einem Bemessungsentgelt i.H.v. 680 DM wöchentlich.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 1994, bei der Beklagten am 16.2.1994 eingegangen, Widerspruch sowohl im Hinblick auf die Anspruchsdauer als auch in Bezug auf die Höhe des Arbeitslosengeldes. Zum einen habe er aufgrund seines Alters und seiner erworbenen Anwartschaftszeit einen Anspruch für 572 Wochentage. Zum anderen habe er einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld, da sein monatlicher Bruttolohn 4.200 DM betragen habe.
Die Beklagte half dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld für eine Dauer von 572 Wochentagen ab 1.1.1994 anerkannte. Den darüber hinaus geltend gemachten Anspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.1994 als unbegründet zurück. Dazu führte sie aus, der angefochtene Wiederbewilligungsbescheid vom 19.1.1994 enthalte keine eigenständige Entscheidung über die Höhe des Bemessungsentgelts. Eine Entscheidung über die Höhe des Bemessungsentgelts sei bereits mit Bescheid vom 23.11.1993 getroffen worden. Der am 16.2.1994 eingegangene Widerspruch habe jedoch die Widerspruchsfrist gegen diesen Bescheid nicht gewahrt. Auch wenn man diesen Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ansehen würde, hätte dieser keinen Erfolg, da der Bemessungszeitraum im vorliegenden Fall ab dem 3.9.1993 rückwärts zu berechnen sei.
Gegen den am 24.3.1994 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.4.1994 Klage vor dem Sozialgericht in Gießen erhoben. Dazu hat er vorgetragen, der Bemessung seines Anspruchs sei das durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich erstrittene Arbeitsentgelt i.H.v. 4.200 DM bis 31.12.1993 zugrunde zu legen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien für das Arbeitsverhältnis auch Sozialversicherungsabgaben entrichtet worden. Er sei somit so zu stellen, als wenn er erst am 1.1.1994 Arbeitslosengeld bezogen habe. Seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 10.9.1993 nehme er zurück (Schriftsatz vom 17.10.1993). Seine Vorsprache beim Arbeitsamt am 30.12.1993 beinhalte eine neue Beantragung von Leistungen. Im übrigen habe die Beklagte ihn im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er Leistungen erst ab 1.1.1994 beantragt. Die Beklagte habe es nämlich unterlassen, ihn am 10.9.1993 darauf aufmerksam zu machen, daß es in seinem Fall günstiger sei, erst nach Abschluß des arbeitsgerichtlichen Verfahrens einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zu stellen.
Die Beklagte hat im wesentlichen auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 11.6.1987 verwiesen. Danach bleibe das Bemessungsentgelt, welches einer Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld zugrunde gelegen habe, auch nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage maßgebend, bis ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.4.1995 die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, die Beklagte habe in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bescheid vom 17.1.1994 (gemeint ist wohl der Bescheid vom 19.1.1994) nur eine Entscheidung zur Weiterbewilligung und nicht zur Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes beinhalte. Die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld sei mit Bescheid vom 19.11.1993 festgestellt worden. Weiter hat das Sozialgericht ausgeführt, es sehe sich aus prozessualen Gründen gehindert zu prüfen, ob ein Überprüfungsantrag des Klägers Erfolg gehabt hätte. Denn die sozialgerichtliche Überprüfung setze die Durchführung des vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens voraus. Der bestandskräftige Bescheid vom 15.11.1993 sei in Bezug auf die Höhe des Bemessungsentgelts nicht im Rahmen eines Widerspruchsbescheides überprüft worden.
Auch besitze der Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dies scheitere daran, daß die Beklagte unter Berücksichtigung des ihr bekannten Sachverhalts nicht schuldhaft unterlassen habe, den Kläger darauf hinzuweisen, daß eine spätere Arbeitslosmeldung zu einem höheren Bemessungsentgelt und damit zu einem höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld führen werde.
Gegen das am 8.6.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.7.1995 Berufung eingelegt.
Dazu trägt er vor, der Auffassung des Sozialgerichts liege offensichtlich die Kommentierung des § 101 AFG zugrunde. Nach dieser gesetzlichen Regelung sei arbeitslos, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Nach der Kommentierung (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG § 101 Rdnr. 4) sei auch derjenige Arbeitnehmer arbeitslos, wenn der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über ihn nicht mehr beanspruche. Dabei sei unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich noch weiterbestehe. Der Arbeitnehmer erhalte dann nach den Grundsätzen der Gleichwohlgewährung Leistungen, auch wenn die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ungeklärt sei. Dies könne jedoch nicht mit dem Begriff des "Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis” i.S.v. § 112 Abs. 2 AFG gleichgesetzt werden. Beide Vorschriften besäßen jeweils einen völlig anderen Charakter. § 101 AFG definiere die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld. § 112 AFG stelle lediglich eine Berechnungsvorschrift dar, die erst zur Anwendung komme, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen.
Auch sei er berechtigt gewesen, seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 10.9.1993 mit Schriftsatz vom 17.10.1994 zurückzunehmen. Zwar gehe das Bundessozialgericht von einer Rücknahmemöglichkeit eines Antrags bis zur Erteilung eines Bescheides durch die Behörde aus (Hinweis auf Urteil vom 17.4.1986 in SozR 4100 § 100 Nr. 11). Da das Bundessozialgericht die Unzulässigkeit der Antragsrücknahme nach der Erteilung eines Bescheides daraus schließe, daß der Versichertengemeinschaft ein unzumutbarer Nachteil entstehe, könne ihm dies nicht entgegen gehalten werden. Seine Antragsrücknahme berühre keine schutzwürdigen Belange Dritter.
Zumindest seien die Voraussetzungen für einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben. Spätestens bei dem Eingang der Arbeitsbescheinigung der DSG vom 6.10.1993 hätte die Beklagte erkennen müssen, daß ihm bei Rücknahme seines Antrages vom 10.9.1993 und erneuter Antragstellung zum 1.1.1994 ihm ein erheblich höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden hätte. Wäre ihm ein solcher Hinweis gegeben worden, so hätte er sich zur Rücknahme seines Antrages vom 10.9.1993 entschlossen, auch wenn er in der Zwischenzeit von seinen Ersparnissen hätte leben müssen. Es sei eindeutig gewesen, daß die DSG verpflichtet gewesen sei, ihm Gehalt zumindest bis zum 31.12.1993 zu zahlen. Auch sei er davon ausgegangen, daß sich seine Arbeitslosmeldung am 10.9.1993 erledigt hätte, nachdem die DSG der Beklagten die von ihr erbrachten Leistungen in vollem Umfange erstattet habe. Deshalb habe er erst am 30.12.1993 erneut bei der Beklagten vorgesprochen. Auch treffe nicht zu, daß die Beklagte rechtzeitig ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht durch die Aushändigung des "Merkblatts für Arbeitslose” nachgekommen sei. Die Beklagte habe ihm das Merkblatt weder am 10.9.1993 noch später ausgehändigt. Er habe sich dieses Merkblatt erst gegen Ende des Jahres 1993 selbst beschafft. Auch enthalte das Merkblatt keine Hinweise auf die vorliegende Problematik.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25.4.1995 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19.1.1994 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 21.3.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab 3. Januar 1994 zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Die Gewährung von Arbeitslosengeld nach den Grundsätzen der Gleichwohlgewährung des § 117 Abs. 4 AFG erfolge nicht vorbehaltlich einer Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig. Das Gesetze sehe nicht vor, daß die Bewilligung nach § 117 Abs. 4 AFG Satz 1 AFG für den Fall aufgehoben werde, sobald sich herausstelle, daß das Arbeitsverhältnis weiter Bestand habe. Auch für den Fall der Erstattung ihrer Aufwendungen durch den Arbeitgeber sehe das Gesetz keine Rückabwicklung der Gewährung von Arbeitslosengeld vor. Damit bleibe das der Gleichwohlgewährung zugrunde gelegte Bemessungsentgelt auch für die spätere Weitergewährung von Arbeitslosengeld maßgeblich. Ihr sei auch kein Beratungsfehler unterlaufen.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (Stammnr. XXXXX) beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. April 1995 war nicht aufzuheben, der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 1994 war nicht abzuändern und der Widerspruchsbescheid vom 21. März 1994 war nicht aufzuheben.
Der Kläger besitzt gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld ab 3. Januar 1994.
Das Arbeitslosengeld beträgt gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG in der Fassung vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353; ber. BGBl. I 1994 S. 72) für ledige Arbeitslose ohne Kinder 60 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112). § 112 Abs. 1 S. 1 AFG definiert als Arbeitsentgelt i.S.v. § 111 Abs. 1 das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Zwar umfaßt nach § 112 Abs. 2 S. 1 AFG in der ab 1.1.194 geltenden Fassung der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruches, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Vorliegend ist jedoch gemäß § 242 q Abs. 7 AFG der § 112 Abs. 2 AFG in der alten Fassung maßgeblich. Danach ist u.a. § 112 Abs. 2 in der vom 1. Januar 1994 an geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 1994 nicht anzuwenden, wenn sich der danach maßgebliche Bemessungszeitraum auf Beschäftigungen erstreckt, die vor dem 1. Januar 1994 beendet worden sind. Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der DSG zum 31.12.1993 beendet wurde, ist somit § 112 Abs. 2 S. 1 AFG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden. Danach umfaßt der Bemessungszeitraum die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses. Der Kläger stand mit Ablauf des 3. September 1993 nicht mehr im Beschäftigungsverhältnis der DSG. Der Arbeitnehmer steht nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber seine Verfügungsgewalt über ihn nicht mehr beansprucht. Die DSG kündigte dem Kläger zwar erst zum 31. Dezember 1993, stellte ihn aber bereits mit Ablauf des 2. September 1994 von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Damit endete das Beschäftigungsverhältnis des Klägers am 3. September 1993. Dabei ist unerheblich, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers erst zum 31. Dezember 1993 beendet wurde. Denn maßgeblich für die Arbeitslosigkeit und damit für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ist, daß der Arbeitnehmer, frei von der Verfügungsgewalt seines früheren Arbeitgebers, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen kann.
Die Beklagte legte somit dem Leistungsanspruch des Klägers ein Bemessungszeitraum beginnend am 3. September 1993 und gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 AFG zurückgehend bis 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind.
Auch aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zuflußtheorie konnte das mit arbeitsgerichtlichem Vergleich vereinbarte Entgelt für die Zeit vom 4. September 1993 bis zum 31. Dezember 1993 nicht zu einem höheren Bemessungsentgelt führen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts galt als "erzielt” nur das Arbeitsentgelt, welches bis zum Ausscheiden des Arbeitslosen abgerechnet und ihm zugeflossen war. Dabei blieb unbeachtet, ob und inwieweit in einem anschließenden arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit eine nachträgliche Korrektur vorgenommen wurde (vgl. dazu BSG Urteil vom 18. April 1991 – Az.: 7 RAr 52/90 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 10, BSG Urteil vom 23. Juli 1992 – Az.: 7 RAr 2/92 in NZA 1993, 621). Diese "reine Zuflußtheorie” hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28. Juni 1995 – Az.: 7 RAr 102/94 modifiziert. Nunmehr sind auch die nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zugeflossenen Arbeitsentgelte zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt. Damit wird es möglich, daß eine nachträgliche Korrektur einer vertragswidrigen Lohnabrechnung den Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ansteigen läßt. Das Bundessozialgericht weist in seinem Urteil darauf hin, daß der Arbeitslose, dem zunächst Teile seines Arbeitsentgeltes rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt wurden, bei der Leistungsbemessung nicht schlechter gestellt werden dürfe, als derjenige, dessen Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden sei. Würden derartige Nachzahlungen im Leistungsrecht unberücksichtigt bleiben, würde derjenige Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber sich objektiv vertragswidrig verhielte, bei gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer benachteiligt werden, dessen Lohnanspruch korrekt abgerechnet und bis zum Ausscheiden ausgezahlt worden sei. Der Aspekt der Verwaltungspraktikabilität für diese Ungleichbehandlung stellte keinen hinreichenden sachlichen Grund dar. Auch die im Gesetz bezweckte beschleunigte Feststellung des zu gewährenden Arbeitslosengeldes biete für diese Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an, wie er bereits mit Urteil vom 3. September 1997 – Az.: L 6 Ar 1114/95 entschieden hat.
Vorliegend konnte diese neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch zu keiner anderen Entscheidung führen.
Denn die vom Kläger erstrittene Gehaltsnachzahlung betrifft einen Zeitraum außerhalb des hier maßgeblichen Bemessungszeitraumes. Der vorliegend maßgebliche Bemessungszeitraum endet mit dem Beschäftigungsverhältnis am 3. September 1994. Die Gehaltsnachzahlung betraf demgegenüber die Zeit vom 4. September bis 31. Dezember 1993.
Diese Entscheidung des Senats steht nicht im Widerspruch zu seinem Urteil vom 3. September 1997 – Az.: L-6/Ar-1114/95. Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die in diesem Fall gezahlte Entgeltnachzahlung wurde für Zeiträume geleistet, die auch den dort maßgeblichen Bemessungszeitraum des § 112 Abs. 2 AFG mitumfaßten.
Der Senat ist des weiteren zu der Überzeugung gekommen, daß der Kläger seinen am 10. September 1993 gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht wirksam mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 17. Oktober 1994 zurücknehmen konnte. Eine Rückabwicklung der mit Bescheid vom 15. November 1993 bewilligten und ab 10. September 1993 gezahlten Leistungen war nach § 46 Abs. 1 2. Halbsatz Sozialgesetzbuch – 1. Buch (SGB I) zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Danach ist ein Verzicht nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Die Sozialleistung, auf die der Kläger verzichten möchte, wurde ihm jedoch in vollem Umfang in der Vergangenheit ausgezahlt.
Wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 27. Juli 1983 – Az.: L-6/Ar-1296/82 entschieden hat, kann auf eine bereits bewilligte und vom Leistungsempfänger vorbehaltlos entgegengenommene Leistung nicht mehr rechtswirksam verzichtet werden, da auf sie kein Anspruch mehr besteht.
Der Senat konnte somit dahingestellt sein lassen, ob der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 17. Oktober 1994 auch wirksam gegenüber der Beklagten auf diese Leistung verzichtet hat.
Der Senat konnte auch im übrigen keinen Berechnungsfehler der Beklagten erkennen.
Der Kläger kann seinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs herleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (statt vieler: Urteil vom 8. November 1995, Az.: 13 RJ 5/95 – SozR 3 – 2600 § 300 Nr. 5) kann die Verletzung von Nebenpflichten, die dem Versicherungsträger gegenüber dem Versicherten obliegen, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Versicherten begründen. Nach § 14 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung ist der Leistungsträger, dem gegenüber die Rechte oder Pflichten geltend zu machen bzw. zu erfüllen sind. Anlaß zu einer Auskunft oder Beratung ist aber nicht erst dann, wenn der Versicherte darum nachsucht, sondern bereits dann, wenn sich im laufenden Verfahren klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten zeigen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sind, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde (HLSG, Urteil vom 3. Mai 1991, Az.: L-11/J-1119/88).
Entgegen der Auffassung des Klägers hätte die Beklagte ihn nicht spätestens mit der Vorlage der Arbeitsbescheinigung des DSG vom 6. Oktober 1993 dahingehend beraten müssen, daß er wegen der zu erwartenden Entgeltnachzahlung seinen Antrag auf Leistungsgewährung vom 10. September 1993 zurücknehmen und auf seinen Leistungsanspruch ab 10. September 1993 verzichten solle. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn offenkundig gewesen wäre, daß der Kläger ohne Zweifel seinen Entgeltsanspruch für die Zeit vom 4. September bis 31. Dezember 1993 im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht durchsetzen werde. Diese Prognose konnte die Beklagte angesichts des Prozeßrisikos nicht treffen.
Der Senat konnte somit keinen Beratungsfehler der Beklagten erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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