Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 375/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 903/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 1995 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1994 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 1993 bis zum 29. Juni 1994 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld vom 1.12.1993 bis zum 29.6.1994.
Die Klägerin, geb. im August 1972, war seit 1.10.1992 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der Firma E. Electronic GmbH vom 1.12.1992 bis zum 30.11.1993 als Sekretärin und Sachbearbeiterin. Die vereinbarte Arbeitszeit von 40 Wochenstunden wurde zum 1.9.1993 auf 20 Wochenstunden reduziert. Zugleich besuchte die Klägerin ab 1.9.1993 die Fachoberschule F.-Schule L. für ein Jahr mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 18.10.1993 zum 30.11.1993.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 29.10.1993 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab sie an, aufgrund ihres Besuchs der Fachoberschule sei sie in der Lage, eine Tätigkeit von 18 Wochenstunden am Nachmittag von ca. 14.30 bis 18.00 Uhr auszuüben.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 19.11.1993 ab, da die Klägerin trotz Aufforderung keinen Identitätsnachweis vorgelegt hatte.
Die Klägerin beantragte erneut am 25.11.1993 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld unter Vorlage ihres Personalausweises. Sie stellte sich der Arbeitsvermittlung für eine Tätigkeit mit 20 Wochenstunden für die Zeit von 14.00 bis ca. 18.00 Uhr zur Verfügung. Dies begründete sie mit ihrem Besuch der Fachoberschule.
Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 4.1.1994 mit der Begründung ab, da die Klägerin Schülerin einer Schule sei, sei nach § 103 a Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu vermuten, daß sie nur eine Beschäftigung ausüben könne, die beitragsfrei sei. Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegt.
Dagegen erhob die Klägerin am 28.1.1994 Widerspruch und führte dazu aus, sie habe seit dem 1.9.1993 nachmittags gearbeitet. Diese Tätigkeit habe den Ausbildungsgang nicht beeinträchtigt. Ihr Arbeitsverhältnis sei vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen gekündigt worden. Wäre dies nicht geschehen, so hätte sie auch weiterhin die Beschäftigung mit dem Schulbesuch verbunden. Die schulischen Nacharbeiten hätte sie in den Abendstunden absolvieren können.
Das Arbeitsamt GL. bemühte sich in der Zwischenzeit um eine Vermittlung der Klägerin.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.4.1994 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 9.5.1994 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie stehe der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung. Gerade für eine Teilzeitbeschäftigung am Nachmittag bestehe ein Bedarf zum Ausgleich der aus familiären Gründen am Vormittag tätigen Teilzeitbeschäftigten. Des weiteren legte die Klägerin ein Zeugnis der Firma E. Electronic GmbH über ihre Tätigkeit vom 1.12.1992 bis zum 30.11.1993 vor.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung vorgetragen, sie zweifle nicht an der subjektiven und objektiven Bereitschaft der Klägerin, neben dem Besuch der Fachoberschule eine mehr als kurzzeitige Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Da die Klägerin eine allgemeinbildende Schule besuche, sei eine Beschäftigung nach § 169 b AFG beitragsfrei. Dies habe zur Folge, daß sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Dem stünden auch die Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht entgegen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft der F. Schule L. vom 28.6.1994 eingeholt. Danach habe die Unterrichtszeit pro Woche 31 Stunden betragen. Auch habe die Klägerin die Abschlußprüfung am 28.6.1994 mit Erreichen der Fachhochschulreife abgelegt. Des weiteren hat der Klassenlehrer der Klägerin mit Schreiben ohne Datum angegeben, der Unterricht in den Monaten September 1993 bis Januar 1994 habe am Montag statt wie vorgesehen um 14.00 Uhr bereits um 13.30 Uhr und an den Tagen Dienstag und Mittwoch um 13.45 Uhr geendet.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. Juni 1995 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 1.12.1993, da die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Kammer habe bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin das Arbeitsamt habe täglich aufsuchen können und für das Arbeitsamt erreichbar gewesen sei. Da sie sich an mehreren Wochentagen bis 13.30 Uhr bzw. 13.45 Uhr in der Schule aufgehalten habe, sei ihre tägliche Erreichbarkeit nicht ohne weiteres gesichert gewesen. Auch wenn die Klägerin das Arbeitsamt nach Schulschluß täglich habe aufsuchen können, so scheitere ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld daran, daß nicht bewiesen sei, daß sie neben der Schule eine beitragspflichtige Beschäftigung habe ausüben können. So habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt, daß sie auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Anforderungen der Schulausbildung eine beitragspflichtige Beschäftigung habe ausüben können. Die schulische Ausbildung habe ein Jahr mit einer wöchentlichen Unterrichtszeit von 31 Stunden betragen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine wöchentliche Belastung mit 60 Stunden durch Schule einschließlich Vor- und Nacharbeiten, Wege und Erwerbstätigkeit als noch zumutbare Belastung anzusehen (BSG Urteil vom 21. April 1993 – 11 RAr 25/92 in SozR 3 – 4100 § 103 a AFG Nr. 1). Die Klägerin sei demgegenüber bereits mit der Schule, den Vor- und Nacharbeiten sowie mit Wegezeiten mit mehr als 45 Stunden belastet gewesen. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe in den Monaten September bis November 1993 neben der Schule eine Teilzeitarbeit verrichtet, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei dem Zeitaufwand für die Vor- und Nacharbeit für die Schule sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von einem durchschnittlichen Schüler auszugehen.
Gegen das am 3.8.1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.8.1995 Berufung eingelegt. Dazu führt sie aus, das Sozialgericht sei fälschlicherweise von 31 Zeitstunden für den Besuch der Schule ausgegangen. Es sei vielmehr von 31 Schulstunden (23 1/4 Zeitstunden) auszugehen. Dem könnten noch 7 3/4 Stunden in der Woche für Vor- und Nachbereitung der Schule hinzugerechnet werden. Auch habe die Wegezeit in der Woche lediglich 1,5 Stunden betragen. Bei einer Erwerbstätigkeit mit 20 Wochenstunden sei somit lediglich von einer wöchentlichen Belastung von 52,5 Stunden auszugehen. Auch habe das Arbeitsamt GL. ihr insgesamt neun Vermittlungsvorschläge unterbreitet. Davon seien drei Beschäftigungen in Teilzeit gewesen. Auch habe sie regelmäßig mittags den Posteingang des Tages zur Kenntnis genommen. Die Post treffe regelmäßig zwischen 9.00 und 10.30 Uhr ein. Während der gesamten Zeit habe sie ein Auto zur Verfügung gehabt. Zu ihrem beruflichen Werdegang führt die Klägerin aus: Sie habe das Gymnasium mit der 10. Klasse abgeschlossen und habe anschließend eine Berufsfachschule besucht, sowie eine zweijährige Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin (englisch und spanisch) abgeschlossen. Danach sei sie als Fremdsprachensekretärin bei einer Zeitarbeitsfirma tätig gewesen. Daran habe sich ihre Tätigkeit bei den Firmen E. und E. angeschlossen. Im Anschluß an ihre Prüfung am 28.06.1994 habe sie erneut ca. 3 Monate bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Sie habe erst zum 1. Oktober 1994 ihr Studium begonnen. Seitdem sei sie nicht mehr erwerbstätig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 1993 bis 29. Juni 1994 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie ist der Auffassung das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Im übrigen belegten die erfolglosen Bewerbungen der Klägerin, daß ein Arbeitsbeginn gegen 14.30 Uhr nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entsprochen habe. Auch werde von der Rechtsprechung verlangt, daß die neben einem Studium beabsichtigte mehr als kurzzeitige Beschäftigung von vornherein so angelegt sei, daß das Studium als Nebensache erscheine. Dies könne vorliegend nicht angenommen werden.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (St. Nr.: 86408) beigezogen. Danach war die Klägerin nach Abschluß der Fachoberschule vom 30.6.1994 bis zum 31.8.1994 als Sekretärin tätig und nahm zum Wintersemester 1994/95 ein Studium an der Fachhochschule W. auf. Der Senat hat des weiteren Auskünfte der F.-Schule L. vom 25.3.1997, vom 9.5.1997 und vom 26.5.1997 sowie der Firma E. Electronic GmbH vom 29.4.1997 eingeholt. Die F.-Schule hat die Stundenpläne der Klasse der Klägerin vorgelegt und mitgeteilt, daß die konkrete Vor- und Nachbereitungszeit vom Arbeitsverhalten des einzelnen Schülers abhänge. Es werde jedoch eine Vorbereitungszeit von täglich 2 bis 3 Stunden täglich für erforderlich angesehen. Die Firma E. Electronic GmbH konnte keine weiteren Angaben zum Arbeitsverhältnis der Klägerin in den Monaten September bis einschließlich November 1993 machen. Des weiteren hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung des Arbeitsvermittlers der Klägerin, des Zeugen J. T ...
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten, der eingeholten Auskünfte und des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20.6.1995 und der Bescheid der Beklagten vom 4.1.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.4.1994 waren aufzuheben. Die Klägerin besitzt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 1.12.1993 bis 29.6.1994.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gem. § 100 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG steht derjenige der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, der eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, daß alle Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch der Klägerin ab 1.12.1993 erfüllt sind.
Die Klägerin war unstreitig nach der Kündigung der Fa. E.-Electronic GmbH am 1.12.1993 arbeitslos. Sie stand auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.
Ist der Arbeitslose Schüler einer Schule so wird gem. § 103 a Abs. 1 AFG vermutet, daß er nur Beschäftigungen ausüben kann, die nach § 169 b AFG beitragsfrei sind. Gem. § 169 b Satz 1 Nr. 1 AFG sind Arbeitnehmer beitragsfrei, die während der Dauer ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule eine Beschäftigung ausüben.
Diese Vermutung ist nach Abs. 1 widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, daß der Ausbildungsgang eine beitragspflichtige Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zuläßt.
Maßgeblich sind dabei die verbindlich vorgegebenen Anforderungen der Ausbildung (BSG Urteil vom 14.3.1996 – 7 RAr 18/94 zu den Anforderungen eines Studiums). Wie das Bundessozialgericht in diesem Urteil weiter ausgeführt hat, ist für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 Satz 1 AFG zu fordern, daß das Studium gegenüber der Beschäftigung als Nebensache zurücktrete und der Arbeitslose nach seinem Erscheinungsbild dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen sei. Nach Überzeugung des Senats sind diese Grundsätze auf den Fall eines Schulbesuchs übertragbar.
Hier ist somit auf der einen Seite auf die Zahl der regelmäßig vorgesehenen Unterrichtsstunden abzustellen. Diese betrugen nach Auskunft der Schule in der Woche 31 Stunden. Aus dem von der Schule vorgelegten Unterrichtsplan ist zu entnehmen, daß es sich dabei um die Anzahl der Schulstunden handelt. Da die Schulstunde bekanntlich 45 Minuten umfaßt, betrug die wöchentliche Schulzeit der Klägerin 23 1/4 Stunden.
Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch nicht ausreichend für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG. Danach müssen die Darlegungen des Studenten sich darauf erstrecken, daß seine konkrete Studiengestaltung im jeweiligen Semester nach Zahl und Lage der vorgesehenen Unterrichtsstunden – zuzüglich der Vor- und Nachbereitung – eine Tätigkeit von mindestens 18 Wochenstunden ermöglicht (BSG Urteil vom 14.3.1996 – 7 RAr 18/94). Der Senat ist auch insoweit der Auffassung, daß diese Grundsätze auf den Fall einer arbeitslosen Schülerin einer allgemeinbildenden Schule zu übertragen sind. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG ist zu verlangen, daß die Lage und die Anzahl der Schulstunden, sowie die Wegezeiten und die Zeiten für Vor- und Nachbereitung der Schulstunden eine Tätigkeit von mindestens 18 Stunden zulassen.
Selbst wenn man die Auskunft der F.-Schule vom 25.3.1997 zur erforderlich gehaltenen Vor- und Nachbereitungszeit und den Vortrag der Klägerin berücksichtigt, so hatte sie für die Schule insgesamt 39 3/4 Stunden wöchentlich für Unterricht (23 1/4 Stunden), Vor- und Nachbereitung (10–15 Stunden) und Wegzeiten (1 1/2 Stunden) aufzubringen.
Damit wäre die Höchstgrenze einer zumutbaren Belastung für einen Studenten nach der Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 21.4.1993 – 11 RAr 25/92 in SozR 3 4100 § 103 a AFG Nr. 1) von 60 Stunden für Studium und kurzzeitige Beschäftigung noch nicht erreicht.
Zum anderen ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, daß die Klägerin auch während des Besuches der F.-Schule nach dem Gesamtbild ihres beruflichen Werdegangs noch dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen war.
Denn bei der Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG ist nicht allein auf das Verhältnis des Zeitaufwandes der Klägerin für den Schulbesuch von 39 3/4 Stunden wöchentlich gegenüber einer Tätigkeit von 20 Stunden wöchentlich abzustellen.
Es ist vielmehr auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zunächst bei einer Zeitarbeitsfirma und später bei den Firmen E.-Betriebe, E. & W. GmbH & Co. Schaumstoff KG und E.-Electronic GmbH gearbeitet hatte. Diese letzte, zunächst Vollzeitbeschäftigung hatte die Klägerin mit dem Schulbeginn zum 1.9.93 auf 20 Wochenstunden reduziert. Damit war die Klägerin nach Schulbeginn zum 1.9.1993 und auch nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bei der Fa. E.-Electronic GmbH weiterhin als Arbeitnehmerin anzusehen, die neben ihrer Tätigkeit sich weiterbilden wollte. Dieser berufliche Hintergrund läßt nach Überzeugung des Senats den Schulbesuch der Klägerin anders bewerten, als den eines Arbeitslosen, der nach seinem bisherigen Berufsleben überhaupt noch keine versicherungspflichtige Tätigkeit oder nur eine lückenhafte aufweisen kann. Die Klägerin hat den Bezug zur Arbeitswelt auch nicht nach der Kündigung zum 1.12.1993 verloren. Sie bemühte sich, wie die Unterlagen der Arbeitsvermittlung zeigen, auch weiter um eine 20-stündige Beschäftigung. Auch nahm sie nach der Schule bis zum Beginn des Studiums erneut eine Beschäftigung auf. Offensichtlich wandte sie sich erst mit dem Beginn des Studiums zum 1.10.1994 vom Kreis der Arbeitnehmer ab.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, daß sie zum gewöhnlichen Zeitpunkt der Post sich regelmäßig in der Schule aufgehalten hat. Gem. § 1 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezuges (Aufenthalts-Anordnung) in der Fassung vom 24.3.1993 muß die Beklagte den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können. Somit gilt der Grundsatz, daß der Arbeitslose verpflichtet ist, zum üblichen Zeitpunkt des Eingangs der Post sich zu Hause aufzuhalten. Damit soll sichergestellt werden, daß der Arbeitslose evtl. Stellenangebote der Beklagten frühstmöglich erhalten kann. Vorliegend ist jedoch zu beachten, daß die Klägerin am Vormittag eine Schule besucht und sich für eine 20-stündige Tätigkeit von 14.00 bis 18.00 Uhr zur Verfügung gestellt hat. Damit ist nach Auffassung des Senats für den Leistungsanspruch der Klägerin ausreichend, daß die Klägerin unstreitig sicherstellen konnte, daß sie unmittelbar nach Schulschluß zu Hause ihre Post in Empfang nehmen konnte. Dies zeigt im übrigen auch, daß die Klägerin den Stellenangeboten der Beklagten nachgegangen ist.
Des weiteren ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, daß eine Teilzeitarbeit am Nachmittag nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes widerspricht (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AFG). Der Senat schließt dies aus den von der Klägerin vorgelegten Stellenangeboten des Zeugen T ... Danach wurden der Klägerin 3 Teilzeitstellen angeboten. Auch der Zeuge räumte bei seiner Aussage im Termin zur mündlichen Verhandlung ein, daß im Tätigkeitsbereich von Sekretärinnen und Schreibkräften ein erhöhter Anteil von Teilzeitkräften als auf dem übrigen Arbeitsmarkt zu verzeichnen sei. Nicht entscheidungserheblich ist dabei, ob diese Stellen besetzt oder unbesetzt sind.
Auch die übrigen Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs der Klägerin sind erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld vom 1.12.1993 bis zum 29.6.1994.
Die Klägerin, geb. im August 1972, war seit 1.10.1992 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der Firma E. Electronic GmbH vom 1.12.1992 bis zum 30.11.1993 als Sekretärin und Sachbearbeiterin. Die vereinbarte Arbeitszeit von 40 Wochenstunden wurde zum 1.9.1993 auf 20 Wochenstunden reduziert. Zugleich besuchte die Klägerin ab 1.9.1993 die Fachoberschule F.-Schule L. für ein Jahr mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 18.10.1993 zum 30.11.1993.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 29.10.1993 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab sie an, aufgrund ihres Besuchs der Fachoberschule sei sie in der Lage, eine Tätigkeit von 18 Wochenstunden am Nachmittag von ca. 14.30 bis 18.00 Uhr auszuüben.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 19.11.1993 ab, da die Klägerin trotz Aufforderung keinen Identitätsnachweis vorgelegt hatte.
Die Klägerin beantragte erneut am 25.11.1993 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld unter Vorlage ihres Personalausweises. Sie stellte sich der Arbeitsvermittlung für eine Tätigkeit mit 20 Wochenstunden für die Zeit von 14.00 bis ca. 18.00 Uhr zur Verfügung. Dies begründete sie mit ihrem Besuch der Fachoberschule.
Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 4.1.1994 mit der Begründung ab, da die Klägerin Schülerin einer Schule sei, sei nach § 103 a Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu vermuten, daß sie nur eine Beschäftigung ausüben könne, die beitragsfrei sei. Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegt.
Dagegen erhob die Klägerin am 28.1.1994 Widerspruch und führte dazu aus, sie habe seit dem 1.9.1993 nachmittags gearbeitet. Diese Tätigkeit habe den Ausbildungsgang nicht beeinträchtigt. Ihr Arbeitsverhältnis sei vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen gekündigt worden. Wäre dies nicht geschehen, so hätte sie auch weiterhin die Beschäftigung mit dem Schulbesuch verbunden. Die schulischen Nacharbeiten hätte sie in den Abendstunden absolvieren können.
Das Arbeitsamt GL. bemühte sich in der Zwischenzeit um eine Vermittlung der Klägerin.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.4.1994 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 9.5.1994 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie stehe der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung. Gerade für eine Teilzeitbeschäftigung am Nachmittag bestehe ein Bedarf zum Ausgleich der aus familiären Gründen am Vormittag tätigen Teilzeitbeschäftigten. Des weiteren legte die Klägerin ein Zeugnis der Firma E. Electronic GmbH über ihre Tätigkeit vom 1.12.1992 bis zum 30.11.1993 vor.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung vorgetragen, sie zweifle nicht an der subjektiven und objektiven Bereitschaft der Klägerin, neben dem Besuch der Fachoberschule eine mehr als kurzzeitige Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Da die Klägerin eine allgemeinbildende Schule besuche, sei eine Beschäftigung nach § 169 b AFG beitragsfrei. Dies habe zur Folge, daß sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Dem stünden auch die Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht entgegen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft der F. Schule L. vom 28.6.1994 eingeholt. Danach habe die Unterrichtszeit pro Woche 31 Stunden betragen. Auch habe die Klägerin die Abschlußprüfung am 28.6.1994 mit Erreichen der Fachhochschulreife abgelegt. Des weiteren hat der Klassenlehrer der Klägerin mit Schreiben ohne Datum angegeben, der Unterricht in den Monaten September 1993 bis Januar 1994 habe am Montag statt wie vorgesehen um 14.00 Uhr bereits um 13.30 Uhr und an den Tagen Dienstag und Mittwoch um 13.45 Uhr geendet.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. Juni 1995 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 1.12.1993, da die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Kammer habe bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin das Arbeitsamt habe täglich aufsuchen können und für das Arbeitsamt erreichbar gewesen sei. Da sie sich an mehreren Wochentagen bis 13.30 Uhr bzw. 13.45 Uhr in der Schule aufgehalten habe, sei ihre tägliche Erreichbarkeit nicht ohne weiteres gesichert gewesen. Auch wenn die Klägerin das Arbeitsamt nach Schulschluß täglich habe aufsuchen können, so scheitere ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld daran, daß nicht bewiesen sei, daß sie neben der Schule eine beitragspflichtige Beschäftigung habe ausüben können. So habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt, daß sie auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Anforderungen der Schulausbildung eine beitragspflichtige Beschäftigung habe ausüben können. Die schulische Ausbildung habe ein Jahr mit einer wöchentlichen Unterrichtszeit von 31 Stunden betragen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine wöchentliche Belastung mit 60 Stunden durch Schule einschließlich Vor- und Nacharbeiten, Wege und Erwerbstätigkeit als noch zumutbare Belastung anzusehen (BSG Urteil vom 21. April 1993 – 11 RAr 25/92 in SozR 3 – 4100 § 103 a AFG Nr. 1). Die Klägerin sei demgegenüber bereits mit der Schule, den Vor- und Nacharbeiten sowie mit Wegezeiten mit mehr als 45 Stunden belastet gewesen. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe in den Monaten September bis November 1993 neben der Schule eine Teilzeitarbeit verrichtet, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei dem Zeitaufwand für die Vor- und Nacharbeit für die Schule sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von einem durchschnittlichen Schüler auszugehen.
Gegen das am 3.8.1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.8.1995 Berufung eingelegt. Dazu führt sie aus, das Sozialgericht sei fälschlicherweise von 31 Zeitstunden für den Besuch der Schule ausgegangen. Es sei vielmehr von 31 Schulstunden (23 1/4 Zeitstunden) auszugehen. Dem könnten noch 7 3/4 Stunden in der Woche für Vor- und Nachbereitung der Schule hinzugerechnet werden. Auch habe die Wegezeit in der Woche lediglich 1,5 Stunden betragen. Bei einer Erwerbstätigkeit mit 20 Wochenstunden sei somit lediglich von einer wöchentlichen Belastung von 52,5 Stunden auszugehen. Auch habe das Arbeitsamt GL. ihr insgesamt neun Vermittlungsvorschläge unterbreitet. Davon seien drei Beschäftigungen in Teilzeit gewesen. Auch habe sie regelmäßig mittags den Posteingang des Tages zur Kenntnis genommen. Die Post treffe regelmäßig zwischen 9.00 und 10.30 Uhr ein. Während der gesamten Zeit habe sie ein Auto zur Verfügung gehabt. Zu ihrem beruflichen Werdegang führt die Klägerin aus: Sie habe das Gymnasium mit der 10. Klasse abgeschlossen und habe anschließend eine Berufsfachschule besucht, sowie eine zweijährige Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin (englisch und spanisch) abgeschlossen. Danach sei sie als Fremdsprachensekretärin bei einer Zeitarbeitsfirma tätig gewesen. Daran habe sich ihre Tätigkeit bei den Firmen E. und E. angeschlossen. Im Anschluß an ihre Prüfung am 28.06.1994 habe sie erneut ca. 3 Monate bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Sie habe erst zum 1. Oktober 1994 ihr Studium begonnen. Seitdem sei sie nicht mehr erwerbstätig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 1993 bis 29. Juni 1994 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie ist der Auffassung das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Im übrigen belegten die erfolglosen Bewerbungen der Klägerin, daß ein Arbeitsbeginn gegen 14.30 Uhr nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes entsprochen habe. Auch werde von der Rechtsprechung verlangt, daß die neben einem Studium beabsichtigte mehr als kurzzeitige Beschäftigung von vornherein so angelegt sei, daß das Studium als Nebensache erscheine. Dies könne vorliegend nicht angenommen werden.
Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten (St. Nr.: 86408) beigezogen. Danach war die Klägerin nach Abschluß der Fachoberschule vom 30.6.1994 bis zum 31.8.1994 als Sekretärin tätig und nahm zum Wintersemester 1994/95 ein Studium an der Fachhochschule W. auf. Der Senat hat des weiteren Auskünfte der F.-Schule L. vom 25.3.1997, vom 9.5.1997 und vom 26.5.1997 sowie der Firma E. Electronic GmbH vom 29.4.1997 eingeholt. Die F.-Schule hat die Stundenpläne der Klasse der Klägerin vorgelegt und mitgeteilt, daß die konkrete Vor- und Nachbereitungszeit vom Arbeitsverhalten des einzelnen Schülers abhänge. Es werde jedoch eine Vorbereitungszeit von täglich 2 bis 3 Stunden täglich für erforderlich angesehen. Die Firma E. Electronic GmbH konnte keine weiteren Angaben zum Arbeitsverhältnis der Klägerin in den Monaten September bis einschließlich November 1993 machen. Des weiteren hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung des Arbeitsvermittlers der Klägerin, des Zeugen J. T ...
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten, der eingeholten Auskünfte und des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft gem. § 151 Abs. 1; §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20.6.1995 und der Bescheid der Beklagten vom 4.1.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.4.1994 waren aufzuheben. Die Klägerin besitzt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 1.12.1993 bis 29.6.1994.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gem. § 100 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG steht derjenige der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, der eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, daß alle Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch der Klägerin ab 1.12.1993 erfüllt sind.
Die Klägerin war unstreitig nach der Kündigung der Fa. E.-Electronic GmbH am 1.12.1993 arbeitslos. Sie stand auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.
Ist der Arbeitslose Schüler einer Schule so wird gem. § 103 a Abs. 1 AFG vermutet, daß er nur Beschäftigungen ausüben kann, die nach § 169 b AFG beitragsfrei sind. Gem. § 169 b Satz 1 Nr. 1 AFG sind Arbeitnehmer beitragsfrei, die während der Dauer ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule eine Beschäftigung ausüben.
Diese Vermutung ist nach Abs. 1 widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, daß der Ausbildungsgang eine beitragspflichtige Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zuläßt.
Maßgeblich sind dabei die verbindlich vorgegebenen Anforderungen der Ausbildung (BSG Urteil vom 14.3.1996 – 7 RAr 18/94 zu den Anforderungen eines Studiums). Wie das Bundessozialgericht in diesem Urteil weiter ausgeführt hat, ist für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 Satz 1 AFG zu fordern, daß das Studium gegenüber der Beschäftigung als Nebensache zurücktrete und der Arbeitslose nach seinem Erscheinungsbild dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen sei. Nach Überzeugung des Senats sind diese Grundsätze auf den Fall eines Schulbesuchs übertragbar.
Hier ist somit auf der einen Seite auf die Zahl der regelmäßig vorgesehenen Unterrichtsstunden abzustellen. Diese betrugen nach Auskunft der Schule in der Woche 31 Stunden. Aus dem von der Schule vorgelegten Unterrichtsplan ist zu entnehmen, daß es sich dabei um die Anzahl der Schulstunden handelt. Da die Schulstunde bekanntlich 45 Minuten umfaßt, betrug die wöchentliche Schulzeit der Klägerin 23 1/4 Stunden.
Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch nicht ausreichend für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG. Danach müssen die Darlegungen des Studenten sich darauf erstrecken, daß seine konkrete Studiengestaltung im jeweiligen Semester nach Zahl und Lage der vorgesehenen Unterrichtsstunden – zuzüglich der Vor- und Nachbereitung – eine Tätigkeit von mindestens 18 Wochenstunden ermöglicht (BSG Urteil vom 14.3.1996 – 7 RAr 18/94). Der Senat ist auch insoweit der Auffassung, daß diese Grundsätze auf den Fall einer arbeitslosen Schülerin einer allgemeinbildenden Schule zu übertragen sind. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG ist zu verlangen, daß die Lage und die Anzahl der Schulstunden, sowie die Wegezeiten und die Zeiten für Vor- und Nachbereitung der Schulstunden eine Tätigkeit von mindestens 18 Stunden zulassen.
Selbst wenn man die Auskunft der F.-Schule vom 25.3.1997 zur erforderlich gehaltenen Vor- und Nachbereitungszeit und den Vortrag der Klägerin berücksichtigt, so hatte sie für die Schule insgesamt 39 3/4 Stunden wöchentlich für Unterricht (23 1/4 Stunden), Vor- und Nachbereitung (10–15 Stunden) und Wegzeiten (1 1/2 Stunden) aufzubringen.
Damit wäre die Höchstgrenze einer zumutbaren Belastung für einen Studenten nach der Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 21.4.1993 – 11 RAr 25/92 in SozR 3 4100 § 103 a AFG Nr. 1) von 60 Stunden für Studium und kurzzeitige Beschäftigung noch nicht erreicht.
Zum anderen ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, daß die Klägerin auch während des Besuches der F.-Schule nach dem Gesamtbild ihres beruflichen Werdegangs noch dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen war.
Denn bei der Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 103 a Abs. 1 AFG ist nicht allein auf das Verhältnis des Zeitaufwandes der Klägerin für den Schulbesuch von 39 3/4 Stunden wöchentlich gegenüber einer Tätigkeit von 20 Stunden wöchentlich abzustellen.
Es ist vielmehr auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zunächst bei einer Zeitarbeitsfirma und später bei den Firmen E.-Betriebe, E. & W. GmbH & Co. Schaumstoff KG und E.-Electronic GmbH gearbeitet hatte. Diese letzte, zunächst Vollzeitbeschäftigung hatte die Klägerin mit dem Schulbeginn zum 1.9.93 auf 20 Wochenstunden reduziert. Damit war die Klägerin nach Schulbeginn zum 1.9.1993 und auch nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bei der Fa. E.-Electronic GmbH weiterhin als Arbeitnehmerin anzusehen, die neben ihrer Tätigkeit sich weiterbilden wollte. Dieser berufliche Hintergrund läßt nach Überzeugung des Senats den Schulbesuch der Klägerin anders bewerten, als den eines Arbeitslosen, der nach seinem bisherigen Berufsleben überhaupt noch keine versicherungspflichtige Tätigkeit oder nur eine lückenhafte aufweisen kann. Die Klägerin hat den Bezug zur Arbeitswelt auch nicht nach der Kündigung zum 1.12.1993 verloren. Sie bemühte sich, wie die Unterlagen der Arbeitsvermittlung zeigen, auch weiter um eine 20-stündige Beschäftigung. Auch nahm sie nach der Schule bis zum Beginn des Studiums erneut eine Beschäftigung auf. Offensichtlich wandte sie sich erst mit dem Beginn des Studiums zum 1.10.1994 vom Kreis der Arbeitnehmer ab.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, daß sie zum gewöhnlichen Zeitpunkt der Post sich regelmäßig in der Schule aufgehalten hat. Gem. § 1 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezuges (Aufenthalts-Anordnung) in der Fassung vom 24.3.1993 muß die Beklagte den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können. Somit gilt der Grundsatz, daß der Arbeitslose verpflichtet ist, zum üblichen Zeitpunkt des Eingangs der Post sich zu Hause aufzuhalten. Damit soll sichergestellt werden, daß der Arbeitslose evtl. Stellenangebote der Beklagten frühstmöglich erhalten kann. Vorliegend ist jedoch zu beachten, daß die Klägerin am Vormittag eine Schule besucht und sich für eine 20-stündige Tätigkeit von 14.00 bis 18.00 Uhr zur Verfügung gestellt hat. Damit ist nach Auffassung des Senats für den Leistungsanspruch der Klägerin ausreichend, daß die Klägerin unstreitig sicherstellen konnte, daß sie unmittelbar nach Schulschluß zu Hause ihre Post in Empfang nehmen konnte. Dies zeigt im übrigen auch, daß die Klägerin den Stellenangeboten der Beklagten nachgegangen ist.
Des weiteren ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, daß eine Teilzeitarbeit am Nachmittag nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes widerspricht (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AFG). Der Senat schließt dies aus den von der Klägerin vorgelegten Stellenangeboten des Zeugen T ... Danach wurden der Klägerin 3 Teilzeitstellen angeboten. Auch der Zeuge räumte bei seiner Aussage im Termin zur mündlichen Verhandlung ein, daß im Tätigkeitsbereich von Sekretärinnen und Schreibkräften ein erhöhter Anteil von Teilzeitkräften als auf dem übrigen Arbeitsmarkt zu verzeichnen sei. Nicht entscheidungserheblich ist dabei, ob diese Stellen besetzt oder unbesetzt sind.
Auch die übrigen Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs der Klägerin sind erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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