Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 197/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2006 verpflichtet, die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt des Klägers vom 08.01.2006 bis 14.01.2006 in Höhe von 305,00 Euro zu übernehmen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt streitig.
Der 1993 geborene Kläger steht seit dem 1.1.2005 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) und besucht die Städtische Realschule O. Der Kläger lebt mit seiner Mutter V S und weiteren Geschwistern in einem Haushalt. Mit "Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld" vom 1.8.2008 beantragte die Mutter des Klägers für sich und ihre im Haushalt lebenden Kinder, also auch für den Kläger, die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.10.2005, woraufhin die Beklagte dem Kläger und den anderen Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern Grundsicherungsleistungen für die Zeit Oktober 2005 bis März 2006 bewilligte (Bescheid vom 22.9.2005). Mit Schreiben vom 20.2.2006 bat der Kläger um Übernahme der Kosten für eine schulische Klassenfahrt, an der er vom 8.1.2006 bis zum 14.1.2006 teilgenommen hatte. Der Kläger reichte eine Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 16.2.2006 in Höhe von 330,- Euro zu den Verwaltungsakten. Bereits unter dem 25.1.2006 war bei der Beklagten ein Schreiben der Städtischen Realschule Ol eingegangen, in dem um Übernahme der Kosten für die Klassenfahrt in Höhe von 320,- Euro gebeten worden ist.
Mit Bescheid vom 5.4.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der beantragten Kosten ab. Die Klassenfahrt habe in der Zeit 8.1.2006 bis 14.1.2006 stattgefunden. Erstmalige Kenntnis von der Klassenfahrt habe sie am 25.1.2006 durch eine Information der Schule erhalten. Der Antrag auf Kostenübernahme sei am 20.2.2006 gestellt worden. Beide Termine lägen nach dem den Antrag begründenden Ereignis, die Antragstellung hätte vor dem 8.1.2006 erfolgen müssen.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er bzw. seine Mutter als seine Vertreterin seien davon ausgegangen, dass die Übernahme der Kosten der Klassenfahrt unmittelbar zwischen der Schule sowie der Beklagten abgesprochen würde. In den vergangenen Jahren seien die Gespräche und Leistungsgewährungen durch die Städtische Realschule abgewickelt worden. Erst durch eine Mitteilung des Klassenlehrers hätten sie erfahren, dass die Übernahme der Kosten nicht in Betracht komme. Er habe dann einen eigenen Antrag am 20.2.2006 gestellt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006 zurück. Es sei davon auszugehen, dass weit im Vorfeld der Klassenfahrt bekannt gewesen sei, wann diese stattfindet und welche Kosten entstehen. Der Kläger hätte daher rechtzeitig, also vor dem 8.1.2006, einen entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme stellen können. Auch die Ausführungen im Widerspruchsschreiben führten zu keinem anderen Ergebnis, denn die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sei antragsabhängig, wogegen im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zur Gewährung von Leistungen die Kenntnis des Sozialhilfeträgers über die Bedarfslage ausreichte.
Mit seiner am 31.5.2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt zur Begründung im wesentlichen vor, seine Mutter sei davon ausgegangen, dass die Kosten für die Klassenfahrt unmittelbar zwischen der Schule und der Beklagten abgewickelt würden. Es hätten daher Gespräche über die Klassenfahrt nur mit dem Klassenlehrer stattgefunden. Diese Gespräche seien als Antrag bei einem unzuständigen Leistungsträger zu werten. Der Kläger hat das Schreiben der Städtischen Realschule vom 21.8.2006 zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Schreiben wird die Zahlung des geschuldeten Betrages für die Klassenfahrt in Höhe von 305,- Euro angemahnt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 5.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die Klassenfahrt des Klägers, die in der Zeit vom 8.1.2006 bis 14.1.2006 stattgefunden hat, zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006. Ergänzend macht sie im wesentlichen geltend, der Klassenlehrer sei kein Leistungsträger im Sinne des § 12 Sozialgesetzbuch Erstes Buch –Allgemeiner Teil- (SGB I), so dass ein Gespräch mit diesem grundsätzlich keine anspruchsbegründende Wirkung in Bezug auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II haben könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 5.4.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2006 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat zu Unrecht die Übernahme der Kosten für die mehrtägige Klassenfahrt abgelehnt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der begehrten Kosten aus § 23 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Auch liegt ein rechtzeitiger Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II vor.
Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Dass die Klassenfahrt der Städtischen Realschule O vom 8.1.2006 bis 14.1.2006, an der der Kläger teilgenommen hat, den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II entspricht, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, ob ein rechtzeitiger Antrag auf Übernahme dieser Kosten vorliegt.
Die Übernahme der Kosten scheitert nach Auffassung der Kammer nicht an dem Antragserfordernis nach § 37 Abs. 1 SGB II. Diese Regelung bestimmt, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf Antrag erbracht werden. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ein rechtzeitiger Antrag im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB II liegt vor. Insoweit ist nicht auf das Schreiben vom 20.2.2006, sondern auf den von der Mutter des Klägers für ihn (und die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder) gestellten Fortzahlungsantrag vom 1. 8.2005 abzustellen, mit dem Grundsicherungsleistungen für den folgenden Bewilligungsabschnitt ab Oktober 2005 beantragt worden sind. Der Antrag vom 1.8.2005 ist ausweislich des Antragsformulars gerichtet "auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld -". Der Antrag vom 1.8.2005 ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller alle ihnen zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den entsprechenden Bewilligungsabschnitt (Oktober 2005 bis März 2006, vgl. Bewilligungsbescheid vom 22.9.2005) beantragen. Denn sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte alle ihm zustehenden Leistungen beantragen will. Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II umfasst das Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zählen nach Abschnitt 2 ("Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts") des 3. Kapitels des SGB II ("Leistungen") nicht nur die in § 20 SGB II bestimmte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sondern auch die in § 23 geregelten Leistungen (vgl Eicher/Spellbrink, aaO, § 23 Rdn. 9). Da der Antrag vom 1.8.2005 eine ausdrückliche Beschränkung auf bestimmte Leistungen (Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung) nicht enthält, sondern gerichtet ist auf die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wird von ihm auch die Gewährung der in § 23 SGB II genannten Leistungen umfasst und beantragt, sofern ein entsprechender Bedarf in dem Bewilligungsabschnitt anfällt. Mit der Vorlage der Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 16.2.2008 am 20.2.2006 wurde der bereits am 1.8.2005 gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts daher lediglich in der Höhe konkretisiert. Ein Neu- bzw. Erstantrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II ist in dem Schreiben vom 20.2.2006 nicht zu sehen (ähnlich im Fall der Vorlage einer Nebenkostennachforderung SG Augsburg Urteil 21.11.2006 - S 6 AS 685/06 -). Die Kammer hat des weiteren in seine Entscheidungsfindung einbezogen, dass mit dem Antragserfordernis nach § 37 SGB II und dem Verbot der rückwirkenden Leistungserbringung, der Zweck verfolgt wird, dass der Leistungsträger nicht gezwungen sein soll, für Zeiträume, die vor der Antragstellung liegen, die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ermitteln zu müssen. Denn in der Regel wird es dem Leistungsträger erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung möglich sein, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten ohne größere Schwierigkeiten festzustellen. Im vorliegenden Fall lag seit dem 1.8.2005 ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II vor. Seit diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte als zuständiger Leistungsträger, dass der Kläger (weiterhin) hilfebedürftig ist und auf den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen ist. In seinem Fall führt daher die Annahme eines rechtzeitigen Antrages vom 1.8.2005 zu keiner ungerechtfertigten Belastung des Leistungsträgers. Schließlich war bei der Auslegung des Antrages vom 1.8.2005 die Vorgabe des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zu beachten, der bei der Auslegung der Vorschriften der Sozialgesetzbücher sichergestellt sehen möchte, dass soziale Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Kammer hat die Beklagte zur Übernahme von Kosten für die Klassenfahrt in Höhe von 305,- Euro verpflichtet, weil die datumsjüngste Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 21.8.2006 diesen Betrag in Rechnung stellt.
Die Kostenregelung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt streitig.
Der 1993 geborene Kläger steht seit dem 1.1.2005 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) und besucht die Städtische Realschule O. Der Kläger lebt mit seiner Mutter V S und weiteren Geschwistern in einem Haushalt. Mit "Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld" vom 1.8.2008 beantragte die Mutter des Klägers für sich und ihre im Haushalt lebenden Kinder, also auch für den Kläger, die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.10.2005, woraufhin die Beklagte dem Kläger und den anderen Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern Grundsicherungsleistungen für die Zeit Oktober 2005 bis März 2006 bewilligte (Bescheid vom 22.9.2005). Mit Schreiben vom 20.2.2006 bat der Kläger um Übernahme der Kosten für eine schulische Klassenfahrt, an der er vom 8.1.2006 bis zum 14.1.2006 teilgenommen hatte. Der Kläger reichte eine Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 16.2.2006 in Höhe von 330,- Euro zu den Verwaltungsakten. Bereits unter dem 25.1.2006 war bei der Beklagten ein Schreiben der Städtischen Realschule Ol eingegangen, in dem um Übernahme der Kosten für die Klassenfahrt in Höhe von 320,- Euro gebeten worden ist.
Mit Bescheid vom 5.4.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der beantragten Kosten ab. Die Klassenfahrt habe in der Zeit 8.1.2006 bis 14.1.2006 stattgefunden. Erstmalige Kenntnis von der Klassenfahrt habe sie am 25.1.2006 durch eine Information der Schule erhalten. Der Antrag auf Kostenübernahme sei am 20.2.2006 gestellt worden. Beide Termine lägen nach dem den Antrag begründenden Ereignis, die Antragstellung hätte vor dem 8.1.2006 erfolgen müssen.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er bzw. seine Mutter als seine Vertreterin seien davon ausgegangen, dass die Übernahme der Kosten der Klassenfahrt unmittelbar zwischen der Schule sowie der Beklagten abgesprochen würde. In den vergangenen Jahren seien die Gespräche und Leistungsgewährungen durch die Städtische Realschule abgewickelt worden. Erst durch eine Mitteilung des Klassenlehrers hätten sie erfahren, dass die Übernahme der Kosten nicht in Betracht komme. Er habe dann einen eigenen Antrag am 20.2.2006 gestellt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006 zurück. Es sei davon auszugehen, dass weit im Vorfeld der Klassenfahrt bekannt gewesen sei, wann diese stattfindet und welche Kosten entstehen. Der Kläger hätte daher rechtzeitig, also vor dem 8.1.2006, einen entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme stellen können. Auch die Ausführungen im Widerspruchsschreiben führten zu keinem anderen Ergebnis, denn die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende sei antragsabhängig, wogegen im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zur Gewährung von Leistungen die Kenntnis des Sozialhilfeträgers über die Bedarfslage ausreichte.
Mit seiner am 31.5.2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt zur Begründung im wesentlichen vor, seine Mutter sei davon ausgegangen, dass die Kosten für die Klassenfahrt unmittelbar zwischen der Schule und der Beklagten abgewickelt würden. Es hätten daher Gespräche über die Klassenfahrt nur mit dem Klassenlehrer stattgefunden. Diese Gespräche seien als Antrag bei einem unzuständigen Leistungsträger zu werten. Der Kläger hat das Schreiben der Städtischen Realschule vom 21.8.2006 zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Schreiben wird die Zahlung des geschuldeten Betrages für die Klassenfahrt in Höhe von 305,- Euro angemahnt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 5.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die Klassenfahrt des Klägers, die in der Zeit vom 8.1.2006 bis 14.1.2006 stattgefunden hat, zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid vom 26.4.2006. Ergänzend macht sie im wesentlichen geltend, der Klassenlehrer sei kein Leistungsträger im Sinne des § 12 Sozialgesetzbuch Erstes Buch –Allgemeiner Teil- (SGB I), so dass ein Gespräch mit diesem grundsätzlich keine anspruchsbegründende Wirkung in Bezug auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II haben könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 5.4.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2006 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat zu Unrecht die Übernahme der Kosten für die mehrtägige Klassenfahrt abgelehnt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der begehrten Kosten aus § 23 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Auch liegt ein rechtzeitiger Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II vor.
Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Dass die Klassenfahrt der Städtischen Realschule O vom 8.1.2006 bis 14.1.2006, an der der Kläger teilgenommen hat, den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II entspricht, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, ob ein rechtzeitiger Antrag auf Übernahme dieser Kosten vorliegt.
Die Übernahme der Kosten scheitert nach Auffassung der Kammer nicht an dem Antragserfordernis nach § 37 Abs. 1 SGB II. Diese Regelung bestimmt, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf Antrag erbracht werden. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ein rechtzeitiger Antrag im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB II liegt vor. Insoweit ist nicht auf das Schreiben vom 20.2.2006, sondern auf den von der Mutter des Klägers für ihn (und die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder) gestellten Fortzahlungsantrag vom 1. 8.2005 abzustellen, mit dem Grundsicherungsleistungen für den folgenden Bewilligungsabschnitt ab Oktober 2005 beantragt worden sind. Der Antrag vom 1.8.2005 ist ausweislich des Antragsformulars gerichtet "auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld -". Der Antrag vom 1.8.2005 ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller alle ihnen zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den entsprechenden Bewilligungsabschnitt (Oktober 2005 bis März 2006, vgl. Bewilligungsbescheid vom 22.9.2005) beantragen. Denn sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte alle ihm zustehenden Leistungen beantragen will. Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II umfasst das Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zählen nach Abschnitt 2 ("Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts") des 3. Kapitels des SGB II ("Leistungen") nicht nur die in § 20 SGB II bestimmte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sondern auch die in § 23 geregelten Leistungen (vgl Eicher/Spellbrink, aaO, § 23 Rdn. 9). Da der Antrag vom 1.8.2005 eine ausdrückliche Beschränkung auf bestimmte Leistungen (Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung) nicht enthält, sondern gerichtet ist auf die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wird von ihm auch die Gewährung der in § 23 SGB II genannten Leistungen umfasst und beantragt, sofern ein entsprechender Bedarf in dem Bewilligungsabschnitt anfällt. Mit der Vorlage der Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 16.2.2008 am 20.2.2006 wurde der bereits am 1.8.2005 gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts daher lediglich in der Höhe konkretisiert. Ein Neu- bzw. Erstantrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II ist in dem Schreiben vom 20.2.2006 nicht zu sehen (ähnlich im Fall der Vorlage einer Nebenkostennachforderung SG Augsburg Urteil 21.11.2006 - S 6 AS 685/06 -). Die Kammer hat des weiteren in seine Entscheidungsfindung einbezogen, dass mit dem Antragserfordernis nach § 37 SGB II und dem Verbot der rückwirkenden Leistungserbringung, der Zweck verfolgt wird, dass der Leistungsträger nicht gezwungen sein soll, für Zeiträume, die vor der Antragstellung liegen, die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ermitteln zu müssen. Denn in der Regel wird es dem Leistungsträger erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung möglich sein, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten ohne größere Schwierigkeiten festzustellen. Im vorliegenden Fall lag seit dem 1.8.2005 ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II vor. Seit diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte als zuständiger Leistungsträger, dass der Kläger (weiterhin) hilfebedürftig ist und auf den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen ist. In seinem Fall führt daher die Annahme eines rechtzeitigen Antrages vom 1.8.2005 zu keiner ungerechtfertigten Belastung des Leistungsträgers. Schließlich war bei der Auslegung des Antrages vom 1.8.2005 die Vorgabe des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zu beachten, der bei der Auslegung der Vorschriften der Sozialgesetzbücher sichergestellt sehen möchte, dass soziale Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Die Kammer hat die Beklagte zur Übernahme von Kosten für die Klassenfahrt in Höhe von 305,- Euro verpflichtet, weil die datumsjüngste Zahlungsaufforderung der Städtischen Realschule O vom 21.8.2006 diesen Betrag in Rechnung stellt.
Die Kostenregelung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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