Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 108 AS 19167/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1486/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juli 2008 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Übernahme der Mietkosten für die Wohnung E, 1. OG rechts, B vorläufig zuzusichern. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung der Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landessozialgericht wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die den Antragstellern entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Erteilung einer Zusicherung zu der Anmietung einer neuen Wohnung in B-F im Verwaltungsbezirk L.
Die Antragstellerin zu 1 hatte mit ihren beiden 1991 bzw. 1995 geborenen Kindern (den Antragstellern zu 3 und 4) und mit ihrem Lebensgefährten (dem Antragsteller zu 2) eine 64,33 qm große Drei-Zimmer-Wohnung im Hause H-M-S in B mit einer Gesamtmiete von 360,63 Euro bewohnt und laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem örtlich zuständigen Träger, der Mittelmärkischen Arbeitsgemeinschaft zur Integration in Arbeit (MAIA), bezogen. In Umsetzung ihres Entschlusses nach B zu verziehen, kündigte die Antragstellerin das Mietverhältnis für ihre Wohnung in B mit Wirkung zum 31. Juli 2007 und mietete – ohne vorher die Zusicherung des bisher zuständigen Leistungsträgers einzuholen - am 20. Mai 2008 zum 01. Juni 2008 eine 34,31 qm große Ein-Zimmer-Wohnung im Hause M in B-M mit einer Gesamtmiete von 260,00 Euro an. Die Ummeldung der Antragsteller erfolgte am 22. Mai 2008. Am 29. Mai 2008 sprach die Antragstellerin zu 1 bei der Antragsgegnerin vor und stellte für die Bedarfsgemeinschaft einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 hob die MAIA die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 01. Juli 2008 auf. Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern ab 01. Juli 2008 unter Berücksichtigung des für die Antragsteller zu 3 und 4 gezahlten Kindergeldes monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kosten für Unterkunft und Heizung im Umfang von monatlich 1.076,00 Euro für die Bedarfsgemeinschaft (darin enthalten Kosten der Unterkunft iHv 260,00 EUR).
Am 17. Juni 2008 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme der Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Neuanmietung einer 73,03 qm großen 4-Zimmer-Wohnung im 4. OG des Hauses E in B-F (Gesamtmiete 577,89 EUR (Grundmiete 401,89 EUR, Betriebskosten 117,00 EUR, Heizkosten 59,00 EUR)), welche ihnen bereits am 27. April 2008 angeboten worden war. Zu dem Antrag reichten die Antragsteller weiter ein Schreiben der MAIA vom 10. Juni 2008 ein, worin diese mitteilte, dass sie infolge örtlicher Unzuständigkeit das "Mietangebot nicht übernehmen" werde. Die Notwendigkeit des Umzuges sei nicht bestätigt worden. Mit (undatiertem) Bescheid lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung ab, da die MAIA die Notwendigkeit für einen Umzug nach B nicht bestätigt und auch keine Zusicherung zur Kostenübernahme erteilt habe. Die Antragsteller legten hiergegen Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie die Zusicherung der Übernahme der Kosten für die Anmietung der Wohnung im 4. OG des Hauses E in B-F und die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehren. Die Wohnung in B sei geräumt und renoviert worden; der Schlüssel werde am 18. Juli 2008 übergeben.
Mit Beschluss vom 09. Juli 2008 hat das SG Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ein Zusicherungsanspruch gegen die Antragsgegnerin sei nicht begründet. Der kommunale Träger sei nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Allein aus den faktischen Verhältnissen der gegenwärtigen Wohnsituation der Antragsteller, die zu viert in einer 34,31 qm großen Einzimmerwohnung leben würden, lasse sich der begehrte Anspruch nicht ableiten, da die Antragsteller diese Situation ohne objektive Not und entgegen vernünftiger Überlegungen selbst herbeigeführt hätten.
Hiergegen haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. Juli 2008 Beschwerde eingelegt. Die mit dem Antrag auf Erteilung einer Zusicherung angestrebte Wohnung im 4. OG im Haus E ist zwischenzeitlich vermietet worden. Nach schriftlicher Auskunft des künftigen Vermieters ist eine andere Wohnung im 1. OG des Hauses mit gleichem Grundrisses und zum gleichen Mietpreis bis zum 13. August 2008 reserviert. Daraufhin haben die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für diese Wohnung beantragt und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend umgestellt. Der Vermieter sei bereit, die Wohnung noch bis 18. August 2008 zu reservieren.
II.
Die statthafte (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG-) und auch im Übrigen zulässige (§ 173 SGG) Beschwerde ist in der Hauptsache begründet. Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren nach dem Hinweis des Gerichts, dass die ursprünglich angebotene Wohnung im 4. OG mittlerweile anderweitig vermietet ist und nach Auskunft des Vermieters aktuell eine andere Wohnung im 1.0G im selben Haus mit gleichem Grundriss und Mietpreis verfügbar sei, einen entsprechend geänderten Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt und im gerichtlichen Verfahren den Antrag zulässigerweise in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG geändert. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die begehrte Zusicherung zur Übernahme der Mietkosten zu erteilen. Denn der Umzug in die Wohnung E, 1.OG in B-F ist erforderlich und die Kosten für diese Wohnung sind auch angemessen (§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II). Zudem entstünden schwere und unzumutbare, durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile, würden die Antragsteller auf dieses verwiesen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin der örtlich zuständige Leistungsträger für den am 17. Juni 2008 ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer Zusicherung war und im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch noch ist. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich gemäß § 36 SGB II allein nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsempfängers. Nach dem derzeitigen Sachstand ist der gewöhnliche Aufenthalt der Antragsteller seit Mai 2008 in B-M. Die melderechtliche Ummeldung der Antragsteller erfolgte am 22. Mai 2008. Am 29. Mai 2008 haben die Antragsteller ihre Meldepflicht bei Umzug nach § 59 SGB II iVm § 310 Drittes Buch Sozialgesetzbuch bei der Antragsgegnerin erfüllt. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass die Antragsgegnerin unter Beachtung der Arbeitsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit erst nach Leistungseinstellung des bisherigen Leistungsträgers ab dem 01. Juli 2008 Leistungen bewilligt hat, keine Bedeutung zu. Diese nur intern Geltung beanspruchenden Verwaltungsregelungen zur Abwicklung von Umzugsfällen vermögen die gesetzlich begründete Zuständigkeitsbestimmung nicht abzuändern. Auch dem Zeitpunkt der Erstellung des Mietangebotes kommt insoweit keine Bedeutung zu.
Einer Verpflichtung der Antragsgegnerin steht weiter keine zuvor ergangene ablehnende und bindende Entscheidung eines anderen Leistungsträgers entgegen. Eine die Antragsgegnerin bindende Entscheidung liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 hat die MAIA lediglich darauf hingewiesen, dass sie (angesichts des bereits durchgeführten Umzuges nach B) nicht örtlich zuständig sei. Darin ist keine Regelung der MAIA zu sehen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anordnungsanspruch sind vorliegend zu bejahen. So gilt nach § 22 Abs. 2 SGB II für einen Wohnungswechsel, dass der erwerbsfähige Hilfebe¬dürftige (bzw. der erwerbsfähige Hilfe¬be¬dürftige und die mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen, § 7 Abs. 2, 3 SGB II) vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unter¬kunft die Zusicherung des kom¬mu¬nalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Dieser ist nach § 22 Abs. 2 S 2 SGB II zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforder¬lich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Der Umzug ist erforderlich. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ist die aktuelle Wohnsituation der Antragsteller dadurch gekennzeichnet ist, dass sich vier Personen eine Ein-Zimmer-Wohnung teilen. Damit liegen beengte Wohnverhältnisse vor, die einen Umzug erforderlich machen. Die Frage, ob im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit des Umzuges auf die zuvor innegehaltene 3-Zimmer-Wohnung in B mit einer Wohnfläche von rund 63 qm - welche bei einer Nutzung durch zwei Erwachsene und zwei Teenager unterschiedlichen Geschlechts als nicht mehr angemessen zu betrachten sein dürfte - abzustellen wäre, ist jedenfalls deshalb nicht mehr maßgebend, da die Wohnung nach Beendigung der Mietzeit aktuell nicht mehr zur Verfügung steht.
Die Aufwendungen für die "neue" Wohnung iHv monatlich 577,89 EUR sind nach derzeitiger Sach- und Rechtslage als angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu beurteilen. Dieser Betrag liegt unter dem Betrag von 619,00 EUR, welcher nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (Amtsblatt (ABl.) 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) für einen Vier-Personen-Haushalt als angemessen erachtet wird. Die voraussichtlichen Kosten liegen auch unterhalb des Werts, der sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts iHv mindestens 655,20 EUR (Kaltmiete 408,60 EUR (4,54 EUR x 90 qm) und Betriebskosten 246,60 EUR (2,74 EUR x 90 qm)) ergibt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass für eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in B eine Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Größe bis zu 90 qm abstrakt angemessen (vgl. unter Hinweis auf die maßgeblichen landesrechtlichen Wohnungsbauförderungsbestimmungen Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2006 – L 10 B 1091/06 AS ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de) ist. Für die Belange des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird weiter von einem durchschnittlichen Mittelwert einfacher Wohnungen iHv von 4,54 EUR/qm (vgl. Beschluss des 29. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 17. Oktober 2007 – L 29 B 1428/07 AS ER) ausgegangen. Bei den "warmen Betriebskosten" kann zumindest von durchschnittlich 2,74 EUR pro qm (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2006 – L 10 B 1091/06 AS ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de und Beschluss des Senats vom 14. Juni 2007 – L 10 B 393/07 AS ER unter Bezug auf Betriebskostenspiegel 2006 des Deutschen Mieterbundes unter http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-2.html) ausgegangen werden.
Die Ast. haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihnen ist das Abwarten einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache (das Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen), die unter Berücksichtigung des enormen Geschäftsanfalls beim SG Berlin kaum innerhalb eines Jahres ergehen dürfte, im Hinblick auf die vorliegenden – beengten – Wohnverhältnisse nicht zumutbar. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, hierbei handelt es sich um eine aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot folgende verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates. Eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte jedoch zu verhindern (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Breithaupt 2006, 803 ff).
Aus der im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochenen Zusicherung folgt nur die vorläufige Pflicht zur Leistung der Mietkosten für die noch anzumietende Wohnung. Die vorläufige Verpflichtung zur Leistung der Mietkosten hindert daher die für die Antragsteller nach Bezug der Wohnung künftig örtlich zuständige Arbeitsgemeinschaft nicht zu überprüfen, ob sich im Hinblick auf den Wegzug aus B aus § 22 Abs. 1 S 2 SGB II eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung ergibt. Derartiges kann der zuständig werdende Träger entscheiden, wobei er allerdings bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung zur vorläufigen Weiterzahlung der vollen Kosten der Unterkunft nach Maßgabe dieses Beschlusses verpflichtet bleibt. Dazu wäre vom zuständig werdenden Träger zunächst zu erwägen, ob und wie lange der erste Umzug nach einem weiteren Umzug noch Wirkungen entfalten kann. Im weiteren wäre die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage zu beantworten, ob § 22 Abs 1 S 2 SGB II überhaupt für Wohnungswechsel außerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs anwendbar ist (verneint vom LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 – L 7 AS 1300/08, zitiert nach juris).
Der Senat konnte im vorliegenden Verfahren ohne Beiladung des künftig örtlich zuständigen Leistungsträgers entscheiden, da – unbeschadet des Beteiligungserfordernisses in § 22 Abs 2 S 2 2 HS SGB II, die das Verwaltungsverfahren betrifft,– ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG für die Belange des Gerichtsverfahrens nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Weder die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten der Antragsteller noch der entsprechende für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gestellte Antrag können noch Erfolg haben, nachdem eine den Antragstellern günstige Kosten(grund)entscheidung für beide Rechtszüge des einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist, aufgrund derer die Antragstellerin in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 Zivilprozessordnung iVm § 73a Abs 1 Satz 1 SGG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Erteilung einer Zusicherung zu der Anmietung einer neuen Wohnung in B-F im Verwaltungsbezirk L.
Die Antragstellerin zu 1 hatte mit ihren beiden 1991 bzw. 1995 geborenen Kindern (den Antragstellern zu 3 und 4) und mit ihrem Lebensgefährten (dem Antragsteller zu 2) eine 64,33 qm große Drei-Zimmer-Wohnung im Hause H-M-S in B mit einer Gesamtmiete von 360,63 Euro bewohnt und laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem örtlich zuständigen Träger, der Mittelmärkischen Arbeitsgemeinschaft zur Integration in Arbeit (MAIA), bezogen. In Umsetzung ihres Entschlusses nach B zu verziehen, kündigte die Antragstellerin das Mietverhältnis für ihre Wohnung in B mit Wirkung zum 31. Juli 2007 und mietete – ohne vorher die Zusicherung des bisher zuständigen Leistungsträgers einzuholen - am 20. Mai 2008 zum 01. Juni 2008 eine 34,31 qm große Ein-Zimmer-Wohnung im Hause M in B-M mit einer Gesamtmiete von 260,00 Euro an. Die Ummeldung der Antragsteller erfolgte am 22. Mai 2008. Am 29. Mai 2008 sprach die Antragstellerin zu 1 bei der Antragsgegnerin vor und stellte für die Bedarfsgemeinschaft einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 hob die MAIA die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 01. Juli 2008 auf. Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern ab 01. Juli 2008 unter Berücksichtigung des für die Antragsteller zu 3 und 4 gezahlten Kindergeldes monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kosten für Unterkunft und Heizung im Umfang von monatlich 1.076,00 Euro für die Bedarfsgemeinschaft (darin enthalten Kosten der Unterkunft iHv 260,00 EUR).
Am 17. Juni 2008 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für die Übernahme der Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Neuanmietung einer 73,03 qm großen 4-Zimmer-Wohnung im 4. OG des Hauses E in B-F (Gesamtmiete 577,89 EUR (Grundmiete 401,89 EUR, Betriebskosten 117,00 EUR, Heizkosten 59,00 EUR)), welche ihnen bereits am 27. April 2008 angeboten worden war. Zu dem Antrag reichten die Antragsteller weiter ein Schreiben der MAIA vom 10. Juni 2008 ein, worin diese mitteilte, dass sie infolge örtlicher Unzuständigkeit das "Mietangebot nicht übernehmen" werde. Die Notwendigkeit des Umzuges sei nicht bestätigt worden. Mit (undatiertem) Bescheid lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung ab, da die MAIA die Notwendigkeit für einen Umzug nach B nicht bestätigt und auch keine Zusicherung zur Kostenübernahme erteilt habe. Die Antragsteller legten hiergegen Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie die Zusicherung der Übernahme der Kosten für die Anmietung der Wohnung im 4. OG des Hauses E in B-F und die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehren. Die Wohnung in B sei geräumt und renoviert worden; der Schlüssel werde am 18. Juli 2008 übergeben.
Mit Beschluss vom 09. Juli 2008 hat das SG Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ein Zusicherungsanspruch gegen die Antragsgegnerin sei nicht begründet. Der kommunale Träger sei nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Allein aus den faktischen Verhältnissen der gegenwärtigen Wohnsituation der Antragsteller, die zu viert in einer 34,31 qm großen Einzimmerwohnung leben würden, lasse sich der begehrte Anspruch nicht ableiten, da die Antragsteller diese Situation ohne objektive Not und entgegen vernünftiger Überlegungen selbst herbeigeführt hätten.
Hiergegen haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. Juli 2008 Beschwerde eingelegt. Die mit dem Antrag auf Erteilung einer Zusicherung angestrebte Wohnung im 4. OG im Haus E ist zwischenzeitlich vermietet worden. Nach schriftlicher Auskunft des künftigen Vermieters ist eine andere Wohnung im 1. OG des Hauses mit gleichem Grundrisses und zum gleichen Mietpreis bis zum 13. August 2008 reserviert. Daraufhin haben die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für diese Wohnung beantragt und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend umgestellt. Der Vermieter sei bereit, die Wohnung noch bis 18. August 2008 zu reservieren.
II.
Die statthafte (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG-) und auch im Übrigen zulässige (§ 173 SGG) Beschwerde ist in der Hauptsache begründet. Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren nach dem Hinweis des Gerichts, dass die ursprünglich angebotene Wohnung im 4. OG mittlerweile anderweitig vermietet ist und nach Auskunft des Vermieters aktuell eine andere Wohnung im 1.0G im selben Haus mit gleichem Grundriss und Mietpreis verfügbar sei, einen entsprechend geänderten Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt und im gerichtlichen Verfahren den Antrag zulässigerweise in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG geändert. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die begehrte Zusicherung zur Übernahme der Mietkosten zu erteilen. Denn der Umzug in die Wohnung E, 1.OG in B-F ist erforderlich und die Kosten für diese Wohnung sind auch angemessen (§ 22 Abs. 2 und 3 SGB II). Zudem entstünden schwere und unzumutbare, durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile, würden die Antragsteller auf dieses verwiesen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin der örtlich zuständige Leistungsträger für den am 17. Juni 2008 ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer Zusicherung war und im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch noch ist. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich gemäß § 36 SGB II allein nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsempfängers. Nach dem derzeitigen Sachstand ist der gewöhnliche Aufenthalt der Antragsteller seit Mai 2008 in B-M. Die melderechtliche Ummeldung der Antragsteller erfolgte am 22. Mai 2008. Am 29. Mai 2008 haben die Antragsteller ihre Meldepflicht bei Umzug nach § 59 SGB II iVm § 310 Drittes Buch Sozialgesetzbuch bei der Antragsgegnerin erfüllt. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass die Antragsgegnerin unter Beachtung der Arbeitsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit erst nach Leistungseinstellung des bisherigen Leistungsträgers ab dem 01. Juli 2008 Leistungen bewilligt hat, keine Bedeutung zu. Diese nur intern Geltung beanspruchenden Verwaltungsregelungen zur Abwicklung von Umzugsfällen vermögen die gesetzlich begründete Zuständigkeitsbestimmung nicht abzuändern. Auch dem Zeitpunkt der Erstellung des Mietangebotes kommt insoweit keine Bedeutung zu.
Einer Verpflichtung der Antragsgegnerin steht weiter keine zuvor ergangene ablehnende und bindende Entscheidung eines anderen Leistungsträgers entgegen. Eine die Antragsgegnerin bindende Entscheidung liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 hat die MAIA lediglich darauf hingewiesen, dass sie (angesichts des bereits durchgeführten Umzuges nach B) nicht örtlich zuständig sei. Darin ist keine Regelung der MAIA zu sehen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anordnungsanspruch sind vorliegend zu bejahen. So gilt nach § 22 Abs. 2 SGB II für einen Wohnungswechsel, dass der erwerbsfähige Hilfebe¬dürftige (bzw. der erwerbsfähige Hilfe¬be¬dürftige und die mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen, § 7 Abs. 2, 3 SGB II) vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unter¬kunft die Zusicherung des kom¬mu¬nalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Dieser ist nach § 22 Abs. 2 S 2 SGB II zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforder¬lich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Der Umzug ist erforderlich. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ist die aktuelle Wohnsituation der Antragsteller dadurch gekennzeichnet ist, dass sich vier Personen eine Ein-Zimmer-Wohnung teilen. Damit liegen beengte Wohnverhältnisse vor, die einen Umzug erforderlich machen. Die Frage, ob im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit des Umzuges auf die zuvor innegehaltene 3-Zimmer-Wohnung in B mit einer Wohnfläche von rund 63 qm - welche bei einer Nutzung durch zwei Erwachsene und zwei Teenager unterschiedlichen Geschlechts als nicht mehr angemessen zu betrachten sein dürfte - abzustellen wäre, ist jedenfalls deshalb nicht mehr maßgebend, da die Wohnung nach Beendigung der Mietzeit aktuell nicht mehr zur Verfügung steht.
Die Aufwendungen für die "neue" Wohnung iHv monatlich 577,89 EUR sind nach derzeitiger Sach- und Rechtslage als angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu beurteilen. Dieser Betrag liegt unter dem Betrag von 619,00 EUR, welcher nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (Amtsblatt (ABl.) 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) für einen Vier-Personen-Haushalt als angemessen erachtet wird. Die voraussichtlichen Kosten liegen auch unterhalb des Werts, der sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts iHv mindestens 655,20 EUR (Kaltmiete 408,60 EUR (4,54 EUR x 90 qm) und Betriebskosten 246,60 EUR (2,74 EUR x 90 qm)) ergibt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass für eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in B eine Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Größe bis zu 90 qm abstrakt angemessen (vgl. unter Hinweis auf die maßgeblichen landesrechtlichen Wohnungsbauförderungsbestimmungen Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2006 – L 10 B 1091/06 AS ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de) ist. Für die Belange des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird weiter von einem durchschnittlichen Mittelwert einfacher Wohnungen iHv von 4,54 EUR/qm (vgl. Beschluss des 29. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 17. Oktober 2007 – L 29 B 1428/07 AS ER) ausgegangen. Bei den "warmen Betriebskosten" kann zumindest von durchschnittlich 2,74 EUR pro qm (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2006 – L 10 B 1091/06 AS ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de und Beschluss des Senats vom 14. Juni 2007 – L 10 B 393/07 AS ER unter Bezug auf Betriebskostenspiegel 2006 des Deutschen Mieterbundes unter http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-2.html) ausgegangen werden.
Die Ast. haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihnen ist das Abwarten einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache (das Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen), die unter Berücksichtigung des enormen Geschäftsanfalls beim SG Berlin kaum innerhalb eines Jahres ergehen dürfte, im Hinblick auf die vorliegenden – beengten – Wohnverhältnisse nicht zumutbar. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, hierbei handelt es sich um eine aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot folgende verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates. Eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte jedoch zu verhindern (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Breithaupt 2006, 803 ff).
Aus der im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochenen Zusicherung folgt nur die vorläufige Pflicht zur Leistung der Mietkosten für die noch anzumietende Wohnung. Die vorläufige Verpflichtung zur Leistung der Mietkosten hindert daher die für die Antragsteller nach Bezug der Wohnung künftig örtlich zuständige Arbeitsgemeinschaft nicht zu überprüfen, ob sich im Hinblick auf den Wegzug aus B aus § 22 Abs. 1 S 2 SGB II eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung ergibt. Derartiges kann der zuständig werdende Träger entscheiden, wobei er allerdings bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung zur vorläufigen Weiterzahlung der vollen Kosten der Unterkunft nach Maßgabe dieses Beschlusses verpflichtet bleibt. Dazu wäre vom zuständig werdenden Träger zunächst zu erwägen, ob und wie lange der erste Umzug nach einem weiteren Umzug noch Wirkungen entfalten kann. Im weiteren wäre die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage zu beantworten, ob § 22 Abs 1 S 2 SGB II überhaupt für Wohnungswechsel außerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs anwendbar ist (verneint vom LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 – L 7 AS 1300/08, zitiert nach juris).
Der Senat konnte im vorliegenden Verfahren ohne Beiladung des künftig örtlich zuständigen Leistungsträgers entscheiden, da – unbeschadet des Beteiligungserfordernisses in § 22 Abs 2 S 2 2 HS SGB II, die das Verwaltungsverfahren betrifft,– ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG für die Belange des Gerichtsverfahrens nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Weder die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten der Antragsteller noch der entsprechende für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gestellte Antrag können noch Erfolg haben, nachdem eine den Antragstellern günstige Kosten(grund)entscheidung für beide Rechtszüge des einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist, aufgrund derer die Antragstellerin in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 Zivilprozessordnung iVm § 73a Abs 1 Satz 1 SGG).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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