Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 An 908/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 An 141/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. November 1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig der Anspruch der Klägerin auf ungekürzte Anrechnung einer in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeit vom 1. Februar 1955 bis 15. November 1961.
Die am 20. April 1939 geborene Klägerin hat ihren ständigen Wohnsitz und Aufenthaltsort seit 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist im Besitz des Vertriebenenausweises "A”.
Wegen einer seit 1989 bestehenden Arbeitsunfähigkeit beantragte die Klägerin am 5. Februar 1990 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation, die ihr die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 1990 bewilligte. Nach dem Entlassungsbericht der S.-Klinik B. vom 6. November 1990 (Heilverfahren vom 4. September bis 16. Oktober 1990) wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen.
Am 26. März 1991 beantragte die Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 1. November 1991 gewährte die Beklagte Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit für den Zeitraum vom 17. Oktober 1990 bis 30. September 1993. Die streitigen Zeiträume wurden nach dem Versicherungsverlauf nur zu 5/6 angerechnet.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27. November 1991 Widerspruch. Am 24. März 1992 und 6. April 1992 ergingen Neufeststellungsbescheide. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1992 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. August 1992 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Mit Bescheid vom 2. Juli 1993 gewährte die Beklagte der Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Die Versichertenrente wurde mit Bescheiden vom 2. September 1994, 23. Dezember 1994 und 11. Januar 1995 neu festgestellt. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe bereits ab dem 1. Februar 1990, also vor Inkrafttreten der Neuregelung in Art. 20 Rentenreformgesetz (RRG) 1992 Anspruch auf Rente gehabt, da sie schon bei Abschluß der Reha-Maßnahme erwerbsunfähig gewesen sei und deshalb der Reha-Antrag als Rentenantrag zu werten sei. Auch die Beklagte gehe von einem Versicherungsfall ab 5. Februar 1990 aus. Es habe also grundsätzlich ein Anspruch auf Übergangsgeld ab Zeitpunkt des Reha-Antrags bestanden. Ein Anspruch auf Rente bestehe nur deshalb nicht, weil der Übergangsgeldanspruch dies ausschließe. Da es jedoch nicht auf die Bezeichnung der Leistung als Übergangsgeld oder Rente ankomme, sondern auf den Leistungsgrund, sei die Rentenberechnungssumme zum Stichtag 1. Februar 1990 – nach der alten Rechtslage – als ungekürzte Anrechnung der polnischen Beschäftigungszeiten vorzunehmen. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, Übergangsgeld und Rente stellten unterschiedliche Leistungen dar. Die Rentenberechnung müsse auf der Grundlage des Rechts vorgenommen werden, das zu Beginn des Anspruchs auf Rentenleistung gelte, also nach dem ab 1. Juli 1990 gültigen Recht, da vorher lediglich ein Anspruch auf Übergangsgeld bestanden habe.
Mit Urteil vom 30. November 1995 hat das Sozialgericht Gießen die Beklagte entsprechend dem Klageantrag der Klägerin verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Nach der bis 30. Juni 1990 gültigen Fassung des Fremdrentengesetzes (FRG) seien Zeiten eines ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses von mindestens 10-jähriger Dauer bei dem selben Arbeitgeber in vollem Umfange anzurechnen. Nach der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung des FRG seien grundsätzlich alle Zeiten, die nicht in vollem Umfang nachgewiesen sind, nur noch zu 5/6 anzurechnen.
Bei der Klägerin sei jedoch die bis zum 30. Juni 1990 gültige Fassung des FRG anzuwenden, da sie vor dem 1. Juli 1990 bereits einen Anspruch auf Rente gehabt habe. Bei Stellung des Reha-Antrags am 5. Februar 1990 seien alle Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllt gewesen. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch aufgrund des ursprünglich auf Rehabilitation gerichteten Antrags Übergangsgeld anstatt Rente erhalten. Dieser bereits vor dem 1. Juli 1990 bestehende Anspruch auf Übergangsgeld sei nach Auffassung der Kammer jedoch gleichzusetzen mit dem "Anspruch auf Zahlung einer Rente” im Sinne des Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 FANG, denn beide Ansprüche basierten auf dem gleichen Rechtsgrund "Erwerbsunfähigkeit” und hätten den Charakter von Lohnersatzleistungen.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 12. Januar 1996 zugestellte Urteil hat sie am 8. Februar 1996 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, daß der Anspruch auf Zahlung eines Übergangsgeldes anders zu bewerten ist als der Anspruch auf Zahlung einer Rente.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. November 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sie ist auch sachlich begründet.
Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ungekürzte Anrechnung der polnischen Beschäftigungszeiten im Zeitraum vom 1. Februar 1955 bis 5. November 1961. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung dieser Zeit auf 5/6 entsprechend der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung des Fremdrentengesetzes ist zutreffend. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente bestanden hat. Dann ist das Fremdrentengesetz in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung weiter anzuwenden (Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes – FANG –).
Dies hat die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zutreffend dargelegt. Es ist jedoch davon ausgegangen, daß ein "Anspruch auf Zahlung einer Rente” im Sinne dieser Vorschrift auch dann bestehe, wenn für diese Zeit keine Rente, sondern Übergangsgeld gewährt werde. Diese Gleichsetzung werde unterstrichen durch die Regelung des § 18 d Abs. 4 AVG (a.F.) welche eine Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag vorsehe. Schließlich regele § 18 d Abs. 2 AVG (a.F.), daß der Anspruch auf Rente während der Gewährung von Übergangsgeld ruhen solle. Damit handele es sich letztlich um gleichartige Ansprüche, mit der Folge, daß insoweit ein Anspruch auf Rente im Sinne der genannten Vorschrift bestehe und das Fremdrentengesetz in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung anzuwenden sei. Damit habe die Klägerin einen Anspruch auf ungekürzte Anrechnung.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 25. Juli 1995 – 8 RKn 17/94 zu § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RKG) gilt als "Beginn der Rente” nicht der "fiktive Rentenbeginn”, der für den Bezug des vorgezogenen Übergangsgeldes maßgeblich ist, sondern der Termin, an dem der tatsächliche Zahlungsbeginn der Rente ist. Dies ist bei der Klägerin der 17. Oktober 1990. Zwar ist bei der Klägerin der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit zeitgleich mit dem Antrag auf Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation am 5. Februar 1990 eingetreten. Eine Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgte jedoch erst ab 17. Oktober 1990. Für den Zeitraum davor hat die Klägerin Übergangsgeld bzw. vorgezogenes Übergangsgeld erhalten. Zwar gilt bei einer erfolglosen Rehabilitationsmaßnahme der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag, so daß die Rente ab Beginn des Antragsmonats zugestanden hätte. Von dem Zeitpunkt an, von dem Rente an zu zahlen gewesen wäre, wird jedoch Übergangsgeld wenigstens in Höhe der Rente – als "vorgezogenes Übergangsgeld” gewährt. So ist die Beklagte auch im Falle der Klägerin zutreffend verfahren. Soweit ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht, ist der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente ausgeschlossen. Dies bedeutet, daß auch ein Stammrecht, der Grundanspruch auf Versichertenrente, während dieser Zeit nicht bestand. Weiter führt das BSG aus, daß sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz ergebe, daß mit dem Begriff "Beginn der Rente” der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem – abgeleitet vom Stammrecht – der Anspruch auf die erste Einzelleistung entsteht. Auf den "fiktiven Rentenbeginn” beim vorgezogenen Übergangsgeld kommt es ebensowenig an wie auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles, den Tag der Entstehung des "Stammrechts” oder den Tag der Bekanntgabe des Rentenbescheides. Maßgeblich sind allein die allgemeinen Regelungen über den Beginn der Rente sowie ggf. Sonderregelungen z.B. über den Rentenbeginn bei einer Rente auf Zeit. Anknüpfungspunkt ist einzig und allein der Zahlanspruch auf die konkrete Sozialleistung. Im übrigen handelt es sich bei Übergangsgeld und Versichertenrente um völlig unterschiedliche Leistungsarten. Auch das "vorgezogene Übergangsgeld” ist keine Rente sondern Übergangsgeld ohne Einschränkungen. Dies ergibt sich aus den zugrunde zu legenden eigenen Berechnungsvorschriften, den eigenständigen Konkurrenz- und Anrechnungsvorschriften und gesonderte Rechtsfolgen wie beispielsweise zur Beitragspflicht oder Versicherungspflicht. Aus der Zahlbetragsgarantie in Höhe der "fiktiven” Rente ab dem Monat des Antrags auf die Rehabilitationsmaßnahme ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Das BSG hat diese Rechtsauffassung in einer weiteren Entscheidung vom 25. Juli 1995 – 8 RKn 3/94 – nochmals bestätigt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung nach eigener Überprüfung und Meinungsbildung an.
Daraus folgt, daß für die Beurteilung der Frage, ob das Fremdrentengesetz in der bis 30. Juni 1990 gültigen Fassung oder in der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung ausschließlich auf den Beginn der Zahlung der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit abzustellen ist. Der Zahlungsbeginn war der 17. Oktober 1990, mit der Folge, daß das Fremdrentengesetz in der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung anzuwenden ist, da die Klägerin vor dem 17. Oktober 1990 keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente im Sinne von Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 FANG hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 21. Februar 1989 (1 RA 15/87) und vom 25. Mai 1993 (4 RA 26/91) hat der Senat die Revision zugelassen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig der Anspruch der Klägerin auf ungekürzte Anrechnung einer in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeit vom 1. Februar 1955 bis 15. November 1961.
Die am 20. April 1939 geborene Klägerin hat ihren ständigen Wohnsitz und Aufenthaltsort seit 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist im Besitz des Vertriebenenausweises "A”.
Wegen einer seit 1989 bestehenden Arbeitsunfähigkeit beantragte die Klägerin am 5. Februar 1990 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation, die ihr die Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 1990 bewilligte. Nach dem Entlassungsbericht der S.-Klinik B. vom 6. November 1990 (Heilverfahren vom 4. September bis 16. Oktober 1990) wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen.
Am 26. März 1991 beantragte die Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 1. November 1991 gewährte die Beklagte Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit für den Zeitraum vom 17. Oktober 1990 bis 30. September 1993. Die streitigen Zeiträume wurden nach dem Versicherungsverlauf nur zu 5/6 angerechnet.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27. November 1991 Widerspruch. Am 24. März 1992 und 6. April 1992 ergingen Neufeststellungsbescheide. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1992 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. August 1992 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Mit Bescheid vom 2. Juli 1993 gewährte die Beklagte der Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Die Versichertenrente wurde mit Bescheiden vom 2. September 1994, 23. Dezember 1994 und 11. Januar 1995 neu festgestellt. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe bereits ab dem 1. Februar 1990, also vor Inkrafttreten der Neuregelung in Art. 20 Rentenreformgesetz (RRG) 1992 Anspruch auf Rente gehabt, da sie schon bei Abschluß der Reha-Maßnahme erwerbsunfähig gewesen sei und deshalb der Reha-Antrag als Rentenantrag zu werten sei. Auch die Beklagte gehe von einem Versicherungsfall ab 5. Februar 1990 aus. Es habe also grundsätzlich ein Anspruch auf Übergangsgeld ab Zeitpunkt des Reha-Antrags bestanden. Ein Anspruch auf Rente bestehe nur deshalb nicht, weil der Übergangsgeldanspruch dies ausschließe. Da es jedoch nicht auf die Bezeichnung der Leistung als Übergangsgeld oder Rente ankomme, sondern auf den Leistungsgrund, sei die Rentenberechnungssumme zum Stichtag 1. Februar 1990 – nach der alten Rechtslage – als ungekürzte Anrechnung der polnischen Beschäftigungszeiten vorzunehmen. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, Übergangsgeld und Rente stellten unterschiedliche Leistungen dar. Die Rentenberechnung müsse auf der Grundlage des Rechts vorgenommen werden, das zu Beginn des Anspruchs auf Rentenleistung gelte, also nach dem ab 1. Juli 1990 gültigen Recht, da vorher lediglich ein Anspruch auf Übergangsgeld bestanden habe.
Mit Urteil vom 30. November 1995 hat das Sozialgericht Gießen die Beklagte entsprechend dem Klageantrag der Klägerin verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Nach der bis 30. Juni 1990 gültigen Fassung des Fremdrentengesetzes (FRG) seien Zeiten eines ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses von mindestens 10-jähriger Dauer bei dem selben Arbeitgeber in vollem Umfange anzurechnen. Nach der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung des FRG seien grundsätzlich alle Zeiten, die nicht in vollem Umfang nachgewiesen sind, nur noch zu 5/6 anzurechnen.
Bei der Klägerin sei jedoch die bis zum 30. Juni 1990 gültige Fassung des FRG anzuwenden, da sie vor dem 1. Juli 1990 bereits einen Anspruch auf Rente gehabt habe. Bei Stellung des Reha-Antrags am 5. Februar 1990 seien alle Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllt gewesen. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch aufgrund des ursprünglich auf Rehabilitation gerichteten Antrags Übergangsgeld anstatt Rente erhalten. Dieser bereits vor dem 1. Juli 1990 bestehende Anspruch auf Übergangsgeld sei nach Auffassung der Kammer jedoch gleichzusetzen mit dem "Anspruch auf Zahlung einer Rente” im Sinne des Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 FANG, denn beide Ansprüche basierten auf dem gleichen Rechtsgrund "Erwerbsunfähigkeit” und hätten den Charakter von Lohnersatzleistungen.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 12. Januar 1996 zugestellte Urteil hat sie am 8. Februar 1996 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, daß der Anspruch auf Zahlung eines Übergangsgeldes anders zu bewerten ist als der Anspruch auf Zahlung einer Rente.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. November 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Sie ist auch sachlich begründet.
Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ungekürzte Anrechnung der polnischen Beschäftigungszeiten im Zeitraum vom 1. Februar 1955 bis 5. November 1961. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung dieser Zeit auf 5/6 entsprechend der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung des Fremdrentengesetzes ist zutreffend. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente bestanden hat. Dann ist das Fremdrentengesetz in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung weiter anzuwenden (Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes – FANG –).
Dies hat die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zutreffend dargelegt. Es ist jedoch davon ausgegangen, daß ein "Anspruch auf Zahlung einer Rente” im Sinne dieser Vorschrift auch dann bestehe, wenn für diese Zeit keine Rente, sondern Übergangsgeld gewährt werde. Diese Gleichsetzung werde unterstrichen durch die Regelung des § 18 d Abs. 4 AVG (a.F.) welche eine Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag vorsehe. Schließlich regele § 18 d Abs. 2 AVG (a.F.), daß der Anspruch auf Rente während der Gewährung von Übergangsgeld ruhen solle. Damit handele es sich letztlich um gleichartige Ansprüche, mit der Folge, daß insoweit ein Anspruch auf Rente im Sinne der genannten Vorschrift bestehe und das Fremdrentengesetz in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung anzuwenden sei. Damit habe die Klägerin einen Anspruch auf ungekürzte Anrechnung.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 25. Juli 1995 – 8 RKn 17/94 zu § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RKG) gilt als "Beginn der Rente” nicht der "fiktive Rentenbeginn”, der für den Bezug des vorgezogenen Übergangsgeldes maßgeblich ist, sondern der Termin, an dem der tatsächliche Zahlungsbeginn der Rente ist. Dies ist bei der Klägerin der 17. Oktober 1990. Zwar ist bei der Klägerin der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit zeitgleich mit dem Antrag auf Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation am 5. Februar 1990 eingetreten. Eine Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgte jedoch erst ab 17. Oktober 1990. Für den Zeitraum davor hat die Klägerin Übergangsgeld bzw. vorgezogenes Übergangsgeld erhalten. Zwar gilt bei einer erfolglosen Rehabilitationsmaßnahme der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag, so daß die Rente ab Beginn des Antragsmonats zugestanden hätte. Von dem Zeitpunkt an, von dem Rente an zu zahlen gewesen wäre, wird jedoch Übergangsgeld wenigstens in Höhe der Rente – als "vorgezogenes Übergangsgeld” gewährt. So ist die Beklagte auch im Falle der Klägerin zutreffend verfahren. Soweit ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht, ist der Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente ausgeschlossen. Dies bedeutet, daß auch ein Stammrecht, der Grundanspruch auf Versichertenrente, während dieser Zeit nicht bestand. Weiter führt das BSG aus, daß sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz ergebe, daß mit dem Begriff "Beginn der Rente” der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem – abgeleitet vom Stammrecht – der Anspruch auf die erste Einzelleistung entsteht. Auf den "fiktiven Rentenbeginn” beim vorgezogenen Übergangsgeld kommt es ebensowenig an wie auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles, den Tag der Entstehung des "Stammrechts” oder den Tag der Bekanntgabe des Rentenbescheides. Maßgeblich sind allein die allgemeinen Regelungen über den Beginn der Rente sowie ggf. Sonderregelungen z.B. über den Rentenbeginn bei einer Rente auf Zeit. Anknüpfungspunkt ist einzig und allein der Zahlanspruch auf die konkrete Sozialleistung. Im übrigen handelt es sich bei Übergangsgeld und Versichertenrente um völlig unterschiedliche Leistungsarten. Auch das "vorgezogene Übergangsgeld” ist keine Rente sondern Übergangsgeld ohne Einschränkungen. Dies ergibt sich aus den zugrunde zu legenden eigenen Berechnungsvorschriften, den eigenständigen Konkurrenz- und Anrechnungsvorschriften und gesonderte Rechtsfolgen wie beispielsweise zur Beitragspflicht oder Versicherungspflicht. Aus der Zahlbetragsgarantie in Höhe der "fiktiven” Rente ab dem Monat des Antrags auf die Rehabilitationsmaßnahme ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Das BSG hat diese Rechtsauffassung in einer weiteren Entscheidung vom 25. Juli 1995 – 8 RKn 3/94 – nochmals bestätigt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung nach eigener Überprüfung und Meinungsbildung an.
Daraus folgt, daß für die Beurteilung der Frage, ob das Fremdrentengesetz in der bis 30. Juni 1990 gültigen Fassung oder in der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung ausschließlich auf den Beginn der Zahlung der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit abzustellen ist. Der Zahlungsbeginn war der 17. Oktober 1990, mit der Folge, daß das Fremdrentengesetz in der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung anzuwenden ist, da die Klägerin vor dem 17. Oktober 1990 keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente im Sinne von Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 FANG hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 21. Februar 1989 (1 RA 15/87) und vom 25. Mai 1993 (4 RA 26/91) hat der Senat die Revision zugelassen.
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