L 3 U 56/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 668/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 56/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 1998 und der Bescheid der Beklagten vom 8. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV Verletztenteilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente ab dem 20. Dezember 1994 zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente wegen der Folgen einer berufsbedingten Hauterkrankung im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Die am 2. Juni 1965 geborene Klägerin war nach Beendigung der Schulzeit als angelernte Verkäuferin tätig, und zwar von September 1981 bis Ende 1982 und von Juni 1983 bis Ende August 1984 für Schuhe und Lederwaren, von September 1984 bis Juni 1988 für Kosmetikwaren und anschließend bis Oktober 1990 in einer Betriebskantine. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete die Klägerin als Verkäuferin in verschiedenen Bäckerei-Shops, und zwar vom 1. Oktober 1991 bis 14. März 1993 bei der City-Bäckerei, vom 15. März 1993 bis 15. September 1994 in einer Frischbackstube und vom 1. November 1994 bis 19. Dezember 1994 bei der Firma St. & Sch. GmbH & Co KG, in denen jeweils auch belegte Brötchen frisch zuzubereiten waren. Bei der Klägerin, der seit 1991 allergische Reaktionen auf Modeschmuck bekannt sind, entwickelten sich im Mai/Juni 1994 juckende und entzündliche Hautveränderungen an den Händen und Handgelenken, die zunächst nach einem Urlaub weitgehend abheilten und nach Wiederaufnahme der Tätigkeit erneut auftraten. Wegen dieser Ekzeme bestand Arbeitsunfähigkeit vom 18. Juli bis 22. Juli 1994, 22. August bis 31. August 1994, 28. November bis 17. Dezember 1994 und vom 12. Mai bis 1. September 1995.

Am 5. Oktober 1995 ging bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit des behandelnden Hautarztes und Allergologen Dr. med. R. ein, der den Verdacht auf ein durch den Umgang mit Nickelgeldmünzen verursachtes allergisches Kontaktekzem äußerte. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft bei dem letzten Arbeitgeber der Klägerin, der Firma St. & Sch. GmbH & Co KG, sowie Krankheitsberichte von der Fachärztin für Hautkrankheiten Dipl.-med. Ch. Kr. vom 18. Oktober 1995 und dem Hautarzt Dr. med. R. vom 10. Oktober 1995 ein. Weiterhin gelangte das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Ärztin für Betriebsmedizin SR Dr. med. Qu. vom 24. November 1995 zur Verwaltungsakte.

Der Hautarzt Dr. med. R. erstattete im Auftrage des Landesgewerbearztes unter dem 9. Oktober 1996 ein fachärztliches Gutachten. Hierbei kam er zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine arbeitsbedingte Manifestation eines Händeekzems durch intensive berufliche Nickelexposition mit der Folge einer dauernden richtungsweisenden Verschlimmerung einer primär außerberuflich entstandenen Nickelsensibilisierung bei gleichzeitigem Vorliegen einer Kopplungsreaktion auf Kobalt. Daneben bestehe eine positive Testreaktion auf Palladiumchlorid ohne gleichzeitige positive Testreaktion auf metallisches Palladium. Dr. R. führte weiterhin aus, die Klägerin sei als Verkäuferin über ca. 12 Jahre nickelhaltigen Legierungen in Münzgeld exponiert gewesen. Die Intensität dieser Exposition habe nach der Währungsunion erheblich zugenommen, da das Münzgeld der DDR weitgehend nickelfrei gewesen sei. Hinzu komme, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit in den Bäckerei-Shops zusätzlich gegenüber Feuchte exponiert gewesen sei. Im Vergleich dazu sei die außerberufliche Exposition mit Sicherheit als niedriger zu bewerten, da die Klägerin nach Bekanntwerden der Modeschmuckunverträglichkeit sich darum bemüht habe, den Kontakt mit nickelhaltigen Gegenständen zu meiden. Durch Epikutan-Testungen mit abgestuften Verdünnungen von Nickelsulfat-6-Hydrat habe sich wiederholt eine außergewöhnlich hochgradige Sensibilisierung nachweisen lassen. Auf Grund der Verlaufs der Dermatose sei davon auszugehen, dass die intensive berufliche Exposition gegenüber metallischem Nickel zu einer erheblichen Steigerung des Grades der Sensibilisierung geführt habe. Es bestünden mittel- bis schwerausgeprägte Hautveränderungen sowie eine außergewöhnlich hochgradige Sensibilisierung, so dass es sich um eine schwere und wiederholt rückfällige Hautkrankheit handele, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. rechtfertige. Die Klägerin könne eine Tätigkeit im Verkauf nicht mehr ausüben. Die Gewerbeärztin Dr. Sch. vom Landesinstitut für Arbeitsmedizin Berlin - Landesgewerbearzt - schloss sich in ihrer Stellungnahme vom 11. November 1996 dieser Beurteilung an und empfahl die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) mit dem Eintritt des Versicherungsfalles am 2. September 1995 und einer daraus resultierenden MdE von 30 v.H ...

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete anschließend der Hautarzt, Sozialmediziner und Allergologe Dr. med. H. aus K. unter dem 11. Februar 1997 ein fachärztliches Gutachten nach Aktenlage. Dr. H. kam hierbei zu dem Ergebnis, eine Verschlimmerung der außerberuflich erworbenen Nickelionenallergie sei nicht wahrscheinlich. Er begründete dies damit, dass zur Freisetzung von Metallionen wie Nickelionen ein Dauerkontakt des Metalls mit der Hautoberfläche notwendig sei. Flüchtige Metallkontakte mit der Haut würden noch kein Ekzem provozieren. Schließlich gehe die ganze Bevölkerung seit Jahrzehnten mit Nickelmünzen um, ohne dass es zu Massenerkrankungen an Nickelionenallergien gekommen wäre. Auch Bankkassierer wechselten tagtäglich Nickelmünzen, ohne dass je bei ihnen nickelionenallergische "Münzekzeme" zu beklagen seien. Münzen würden auch im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin nur flüchtig angefasst, nicht jedoch 180 Minuten lang in der Hand gehalten werden. Insoweit sei der von Dr. R. durchgeführte Test unrealistisch. Der klinische Verlauf spreche ebenfalls gegen eine berufsbedingte Verschlimmerung bzw. Verursachung des Handekzems. So sei eine Nickel-Kobalt-Ionenallergie wegen einer vernickelten Uhrarmbandschnalle bereits 1991 von der Klägerin bemerkt worden. Trotz intensiver Münzkontakte in den Jahren 1991 bis 1993 sei die Klägerin jedoch ekzemfrei geblieben. Erst im Sommer 1994 sei ein Ekzem der Hände aufgetreten. Mangels Vorliegen einer beruflichen Verursachung des chronisch rezidivierenden Händeekzems habe auch ein Zwang zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit wegen einer drohenden Berufskrankheit nicht bestanden. Nach Kenntnisnahme dieses Gutachtens blieb die Gewerbeärztin Dr. Sch. in ihrer weiteren Stellungnahme vom 19. März 1997 bei ihrer Empfehlung, eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 8. April 1997 die Anerkennung der Hauterkrankung der Klägerin als Berufskrankheit unter Hinweis auf das Ergebnis der fachärztlichen Begutachtung ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, bis Mai 1994 habe sie auf Grund ihrer Nickelallergie nie an Handekzemen gelitten. Hautveränderungen seien nur an den Kontaktstellen aufgetreten. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass durch den beruflichen Umgang mit Feuchtigkeit und Geldmünzen das Ekzem an den Händen hervorgerufen worden sei. Nach Einholung einer Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. B. vom 31. Juli 1997 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit der am 22. September 1997 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. April 1997 sowie des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen einer beruflich verursachten Hauterkrankung für die Zeit ab dem 20. Dezember 1994 bis 30. Oktober 1996 Verletztenrente als Teilrente nach 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 22. Juni 1998 die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Zusammenhang zwischen der Hauterkrankung der Klägerin und ihrer beruflichen Beschäftigung als Verkäuferin sei nicht wahrscheinlich. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus dem hautfachärztlichen Gutachten von Dr. H. vom 11. Februar 1997. Die anderweitige Auffassung von Dr. R. habe nicht zu überzeugen vermocht, da sie den Krankheitsverlauf insgesamt außer Betracht lasse und auf unrealistischen Vorstellungen bezüglich des Umfanges des Hautkontaktes mit Münzen beim Geldwechseln fuße. Im Übrigen seien die bei der Klägerin eingetretenen Hautveränderungen so gering ausgeprägt, dass hieraus noch keine MdE im rentenberechtigenden Grade hergeleitet werden könne.

Gegen das ihr am 6. August 1998 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am Montag, dem 7. September 1998 bei dem Landessozialgericht Berlin eingelegten Berufung. Sie trägt vor, der Gutachter Dr. H. habe sich mit den ausführlichen Testungen von Dr. R. überhaupt nicht beschäftigt. So sei eine klinisch relevante Palladiumallergie gerade nicht festgestellt worden. Die Testungen mit den Dentallegierungen, die zum Teil hohe Gehalte an Palladium enthielten, hätten kein positives Ergebnis erbracht. Im Übrigen sei bekannt, dass bei positiven Testreaktionen auf Palladiumchlorid es sich bei Nickelallergikern um eine sogenannte gruppenallergische Reaktion handele. Auch lasse Dr. H. den bei ihr bestehenden außergewöhnlich hohen Grad der Nickelionensensibilisierung außer Betracht. Diese erhebliche Sensibilisierung sei gerade auf den andauernden beruflichen Kontakt mit nickelhaltigen Münzen zurückzuführen. Insbesondere da sie - die Klägerin - nickelhaltigen Modeschmuck seit Erkennen ihrer Metallunverträglichkeit vermieden habe. Im Übrigen werde die Entstehung eines Kontaktekzems an den Händen durch Umgang mit nickelhaltigen Münzen in der Literatur nachvollziehbar begründet. Auch sei bei ihr ein arbeitsabhängiger Verlauf der Entwicklung des Händeekzems zu beobachten. Im Übrigen sei das Händeekzem bei Nickelionenallergie gerade wegen seiner Chronizität gefürchtet. Schon geringe Nickelionenmengen könnten bei höchstgradiger Sensibilisierung ein Händeekzem auslösen, so dass der wechselnde kurze Kontakt mit nickelhaltigen Münzen ausreichend für eine Verursachung sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen einer Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV Verletztenteilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente ab dem 20. Dezember 1994 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Gutachten von Dr. H. für zutreffend.

Der Senat hat zunächst einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. R. vom 4. Juli 1999 nebst einem ausführlichen Bericht über den weiteren Behandlungsverlauf vom 7. Juli 1999 eingeholt.

Anschließend ist der Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ch. Prof. Dr. med. St. durch richterliche Beweisanordnung mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Prof. Dr. St. ist in seinem Gutachten vom 20. Oktober 1999 zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestehe ein chronisches Handekzem, welches überwiegend durch einen intensiven Kontakt mit Nickel in Form des Münzgeldes bei vorbestehender Nickelsensibilisierung sowie durch Hinweise auf eine anlagebedingte atopische Hautdiathese ausgelöst worden sei. Es handele sich hierbei um eine wiederholt rückfällige und auch schwere Hauterkrankung im Sinne der BK Nr. 5101. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe sich die Erkrankung durch den ständigen Umgang mit Münzgeld und dem in der Lebensmittelbranche erforderlichen häufigen Händewaschen manifestiert. Die bei der Klägerin bestehende Erkrankung habe ab Ende 1994 auch zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauftreten der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die MdE werde mit 20 v.H. veranschlagt, wobei das Ausmaß der Hauterscheinungen, auch nach irritativer Schädigung, als leicht und die Auswirkung der Allergie als schwerwiegend zugrunde gelegt werden müsse. Dem Gutachten von Dr. R. sei inhaltlich bezüglich der Beurteilung des Kausalzusammenhangs zu folgen.

Die Beklagte hat hierzu eingewandt, die Folgerungen des Gutachtens von Prof. Dr. St. stünden nicht im Einklang mit der in der Standardliteratur Schönberger/Mehrtens/Valentin, 6. Auflage, S. 841 beschriebenen herrschenden Meinung, wonach der für eine Hautschädigung durch Nickel erforderliche Dauerkontakt beim Umgang mit Münzgeld nicht gegeben sei.

Die Klägerin hat hieraufhin dargelegt, die in Bezug genommene Literatur sei unvollständig bzw. unzureichend bezüglich der Frage des Umgangs mit Münzgeld. So werde auf ein wesentliches Problem bei der gutachterlichen Beurteilung von Kontaktekzemen, und zwar auf das Problem der richtungsweisenden Verschlimmerung bei vorbestehender Nickelallergie überhaupt nicht eingegangen.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG) und begründet. Das Urteil des SG vom 22. Juni 1998 wie auch die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 8. April 1997 und 19. August 1997 waren aufzuheben, denn die Klägerin hat gemäß §§ 551 Abs. 1 und 3, 580 Abs. 1 und 2, 581 Abs. 1 Ziffer 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) wegen der bei ihr bestehenden Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenteilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente ab dem 20. Dezember 1994.

Soweit der Antrag der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nur auf Gewährung einer zeitlich befristeten Verletztenrente gerichtet war, konnte dieser im Berufungsverfahren gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 2 Ziffer 2 SGG in zulässiger Weise auf die Gewährung einer unbefristeten Verletztenrente erweitert werden.

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sind die Vorschriften der RVO über die gesetzliche Unfallversicherung. Die am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) finden gemäß §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII für vor dem 1. Januar 1997 eingetretene Versicherungsfälle nur Anwendung, wenn Rentenleistungen erstmals nach In-Kraft-Treten des SGB VII festzusetzen sind. Die von der Klägerin begehrten Rentenleistungen waren schon vor dem 1. Januar 1997, nämlich ab dem 20. Dezember 1994, erstmals festzusetzen.

Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden gemäß § 547 RVO nach Eintritt eines Arbeitsunfalls gewährt. Dabei gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die eine Versicherte bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Zur Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist somit erforderlich, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (§ 551 Abs. 3 RVO) geltenden BKV aufgeführt ist. Weiter ist notwendig, dass zwischen der Tätigkeit und dem Unfallereignis bzw. der Erkrankung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht, d.h. die Verletzte muss der Gefahr, der sie erlegen ist, durch ihre Tätigkeit ausgesetzt gewesen sein. Diese innere bzw. sachliche Verbindung ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58 S. 77). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen, d.h. es muss bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der Krankheit als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58 S. 80, 83 m.w.N.). Der ursächliche Zusammenhang zwischen der unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit und der Erkrankung muss demgegenüber lediglich wahrscheinlich sein, weil es im Regelfall nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden vollkommenen Sicherheit möglich ist, die Kausalität nachzuweisen; die bloße Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG in SozR 2200 § 581 Nr. 26). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei der Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung der entscheidenden Stelle gegründet werden kann. Hierbei ist unter Abwägung des Wertes einzelner beruflicher und außerberuflicher Belastungen festzustellen, ob das versicherte Risiko mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich zum Erfolg beigetragen hat (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S. 480k f). Wesentlich sind unter mehreren Bedingungen immer solche von derart überragender Bedeutung, dass ihnen gegenüber die anderen Bedingungen in ihrer Wirksamkeit in den Hintergrund treten (vgl. Kater/Leube, SGB VII, vor §§ 7 bis 13 Rdnr. 46 m.w.N.). Als Verletztenrente wird der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der MdE der Versicherten entspricht (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO), solange in Folge der Berufskrankheit die Erwerbsfähigkeit der Versicherten um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist und die MdE über die 13. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalls hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO). Die Rente beginnt mit dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung (§ 580 Abs. 2 RVO). Als Berufskrankheit wird unter der Nr. 5101 in der Anlage 1 zur BKV aufgeführt: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".

Gemessen an diesen Kriterien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin an einer schweren und wiederholt rückfälligen Hauterkrankung und zwar an einem allergischen Kontaktekzem der Hände leidet, die durch den beruflichen Umgang mit nickelhaltigem Münzgeld in Form einer richtungsweisenden Verschlimmerung einer vorbestehenden Nickelionenallergie verursacht worden ist, zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit als Verkäuferin gezwungen hat und die eine dauerhafte MdE in Höhe von 20 v.H. bedingt. Die Überzeugung des Senats gründet sich auf die im Gerichts- und Verwaltungsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnisse, insbesondere auf das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. St. vom 20. Oktober 1999 und das im Verwaltungsverfahren im Auftrage des Landesgewerbearztes erstattete Gutachten des Hautarztes Dr. R. vom 9. Oktober 1996. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. St. , die im Wesentlichen mit denen von Dr. R. übereinstimmen, in vollem Umfange zutreffen. Sein Gutachten ist sachlich, schlüssig und frei von Widersprüchen. Der Sachverständige hat sich äußerst sorgfältig mit den verschiedenen Befunden der behandelnden und begutachtenden Ärzte auseinandergesetzt und unter eingehender Abwägung der einzelnen Argumente begründete Schlussfolgerungen gezogen. Hierbei hat er den unfallmedizinischen Kriterien zur Beurteilung der BK Nr. 5101 Rechnung getragen.

Zwar liegt bei der Klägerin konstitutionsbedingt eine atopische Hautdiathese, d.h. die Neigung, an der Haut ein atopisches Ekzem zu entwickeln, vor. Auch hatte sich bei der Klägerin bereits vor Aufnahme der Tätigkeit als Verkäuferin in Bäckerei-Shops mit Zubereitung von belegten Brötchen eine Nickelionenallergie in Form einer Modeschmuck-/ Uhrbandschnallenunverträglichkeit manifestiert durch Auftreten von Hautveränderungen an den betroffenen Kontaktstellen. Gleichwohl sind die Intensivierung der Nickelionensensibilisierung und das seit Sommer 1994 an den Händen der Klägerin auftretende rezidivierende Kontaktekzem mit Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit nickelhaltigem Münzgeld bei gleichzeitiger Feuchtarbeit im Rahmen der seit Herbst 1991 ausgeübten Verkaufstätigkeit verursacht worden. Die Erkrankung ist durch die spezielle berufliche Einwirkung durch Intensivierung der Sensibilisierung nachhaltig gefördert worden und hat einen anderen, schwereren Verlauf durch Ausbildung des chronisch-rezidivierenden Hautekzems an den Händen genommen. Insoweit handelt es sich um eine richtungsweisende, d.h. dauerhafte Verschlimmerung erheblichen Umfangs der bei der Klägerin vor Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit in den Bäckerei-Shops bestehenden Nickelionenallergie. Während die Klägerin nach Bekanntwerden der Modeschmuckunverträglichkeit ein Auftreten von lokalen Ekzemen/Allergiezeichen durch Vermeiden von Kontakt mit nickelhaltigem Modeschmuck bzw. Gegenständen verhindern konnte, hat ihr Sensibilisierungsgrad im Laufe der Tätigkeit in den Bäckerei-Shops derart zugenommen, dass bei der am 22. Mai 1995 von Dr. R. vorgenommenen Testung eine Reagibilität bis zu einer Testkonzentration von 0,001 % Nickel (II) Sulfat-7-Hydrat festgestellt werden konnte. Ein behandlungsbedürftiges, wiederholt rückfälliges allergisches Kontaktekzem an den Händen hat sich erst nach längerem und intensiverem Umfang mit nickelhaltigen Münzen im Rahmen der ab Herbst 1991 ausgeübten Tätigkeit ausgebildet. Für die berufliche Verursachung spricht zum einen, dass die aus dem Beitrittsgebiet stammende Klägerin bei der ab Herbst 1991 ausgeübten Verkaufstätigkeit auf Grund der zwischenzeitlich erfolgten Währungsunion in erheblich größerem Maße den Kontakt mit nickelhaltigem Münzgeld ausgesetzt gewesen war. Während in der DDR lediglich die 5- und 10-Mark-Stücke nickelhaltig waren sind die in der Bundesrepublik Deutschland häufig benutzten Münzen wie 50-Pfennigstücke, 1-DM, 2-DM und 5-DM-Stücke nickelhaltig. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Verkaufstätigkeit in Bäckerei-Shops durch eine hohe Umsatzfrequenz von kleinen Lebensmittelmengen und dementsprechend mit dem Kassieren vieler kleiner Geldbeträge in Form von Münzgeld bzw. dem Herausgeben von Münzgeld verbunden ist. Schon im Hinblick auf die zumindest zeitweise für solche Verkaufsläden typischen hohen Umsatzfrequenzen kann nicht mehr von einem rein flüchtigen Kontakt mit den nickelhaltigen Münzen gesprochen werden. Zum anderen kann bei Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der beruflichen Nickelexposition und dem Auftreten eines Kontaktekzems grundsätzlich nicht nur auf einen Dauerhautkontakt mit nickelhaltigen Gegenständen abgestellt werden, denn auch ein wiederholtes Hantieren mit nickelhaltigem Werkzeug während einer Schicht (Druck, Reibung, schweißige -feuchte - Hände) oder ein Hautkontakt mit nickelhaltigen Gegenständen bei gleichzeitiger Feuchtarbeit sind zur Verursachung eines nickelallergischen Kontaktekzems geeignet (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Mai 2000, Anmerkung 1c) zu M 5101 S. 13f m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist weiter zu beachten, dass mit der Zubereitung von kleinen Speisen in Form von belegten Brötchen ein häufigeres Händewaschen verbunden war. Dies bedeutet zum einen, dass Verkaufstätigkeiten häufiger mit feuchten Händen ausgeführt wurden. Zum anderen aber auch, dass zusätzlich zu der bei der Klägerin vorliegenden atopischen Hautdiathese und Hyperhidrose die normalerweise gegen das Eindringen der Nickelionen bestehende Schutzbarriere der Hornschicht der Hände durch das häufigere Händewaschen herabgesetzt war. Bei derartig veränderten Verhältnissen können die durch den Schweiß herausgelösten Nickelionen schneller zur Sensibilisierung und Ausbildung eines Kontaktekzems führen. Auch spricht der Verlauf der Dermatose für eine Verursachung durch den beruflichen Kontakt mit nickelhaltigem Münzgeld. Denn während Zeiten der Expositionsunterbrechung durch Urlaub und durch Arbeitslosigkeit im Sommer/Herbst 1994 war es zunächst zu einer Abheilung des Händeekzems gekommen. Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit im November 1994 trat das Händeekzem bei der Klägerin erneut auf, verlief fortan chronisch rezidivierend und zeigte erst nach intensiver Behandlung zeitweise Besserung. Wie aus der von Dr. R. ausführlich dargestellten Verlaufsbeobachtung über mehrere Jahre ersichtlich ist, hat gegenüber dem beruflich intensiven Kontakt mit nickelhaltigem Münzgeld die Ingestion von nickelhaltigen Nahrungsmitteln weder für die Auslösung noch für die Unterhaltung des Ekzems eine relevante Bedeutung. Einer beruflichen Verursachung durch den Umgang mit nickelhaltigem Münzgeld kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Klägerin bei den durchgeführten Allergietestungen auch auf Kobalt und Palladiumchlorid positiv reagiert habe. Denn bei einer Nickelsensibilisierung kommt es oft zu Kopplungsreaktionen auf Kobalt und es werden positive Testreaktionen auf Palladiumchlorid häufig registriert, ohne dass in diesen Fällen eine klinische Relevanz feststellbar ist. Auch die Klägerin zeigte lediglich eine positive Testreaktion auf Palladiumchlorid, nicht jedoch auf metallisches Palladium. Ebenso spricht der Umstand, dass nicht sofort nach Aufnahme der Verkaufstätigkeiten in den Bäckerei-Shops sondern erst nach ca. 2,5jähriger Einwirkungszeit ein allergisches Kontaktekzem an den Händen aufgetreten ist nicht gegen sondern für die durch den beruflichen Umgang mit nickelhaltigem Münzgeld erfolgte Verschlimmerung der Nickelionensensibilisierung und späteren Manifestation eines Kontaktekzems.

Dagegen vermochte die von dem Hautarzt und Allergologen Dr. H. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 11. Februar 1997 vertretene Auffassung den Senat nicht zu überzeugen. So setzt sich Dr. H. nur unzureichend mit dem Erkrankungsverlauf auseinander, da er die vom behandelnden Arzt beschriebenen, im Sommer/Herbst 1994 durch Urlaub und Zeiten der Arbeitunfähigkeit bzw. der Arbeitslosigkeit zunächst eingetretene Abheilung des Händeekzems ignoriert. Auch berücksichtigt er nicht, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin im Gegensatz zu Bankkassierern und Fahrscheinverkäufern wegen der Zubereitung von zum sofortigen Verzehr vorgesehenen Lebensmitteln (belegter Brötchen) zusätzlich Feuchtarbeit (häufigeres Händewaschen) ausgesetzt war. Auf Grund dieses Umstandes werden aber gerade die Lebensmittelverkäuferinnen in der unfallmedizinischen Standardliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 842; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Mai 2000, Anmerkung 1c) zu M 5101 S. 12) zum gefährdeten Personenkreis bezüglich beruflicher, durch Nickelkontakt bedingter allergischer Handekzeme genannt.

Die hochgradige Nickelsensibilisierung wie auch das chronisch rezidivierende Hautekzem haben zur Aufgabe der hautbelastenden Tätigkeit als Verkäuferin gezwungen. So darf die Klägerin zur Vermeidung eines Fortschreitens ihrer Hauterkrankung eine Verkaufstätigkeit aus medizinischen Gründen nicht mehr ausüben. Die endgültige Aufgabe der hautbelastenden Tätigkeit ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Fa. St. & Sch. GmbH & Co KG am 19. Dezember 1994 erfolgt. Die durch die Berufskrankheit bedingte MdE ist für die Zeit ab Aufgabe der hautbelastenden Tätigkeit (20. Dezember 1994) in Übereinstimmung mit Prof. Dr. St. und den unfallmedizinischen Bewertungskriterien (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 868) mit 20 v.H. zu bewerten, da das chronisch rezidivierende Hautekzem nur leicht bis mittelgradig, die Nickelsensibilisierung (Allergie) jedoch schwerwiegend ausgeprägt ist. Im Hinblick auf das Ende der der Aufgabe der belastenden Tätigkeit vorausgegangenen Zeit der Arbeitsunfähigkeit (28. November bis 17. Dezember 1994), war der Beginn der Rente (§ 580 Abs. 2 RVO) auf den 20. Dezember 1994 festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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