Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AY 50/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 39/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 00.00.00 und der Widerspruchsbescheid vom 00.00.00 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 120,19 EUR abzüglich der von der Beklagten bereits gezahlten 92,82 EUR zu erstatten. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu drei Zehntel. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin ist eine geduldete Roma aus dem Kosovo und erhielt von der Beklagten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Ihr Rechtsanwalt hat sich spezialisiert auf die Betreuung von Leistungsempfängern nach den AsylbLG. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.02.3007 (B 9b AY 2/06 R) machte er für eine Vielzahl seiner Mandanten aus dem ehemaligen Jugoslawien Ansprüche auf höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG geltend. In dem Berufungsverfahren L 20 B 89/07 (S 2 AY 59/07 SG Gelsenkirchen) teilte der Anwalt dem Landessozialgericht am 28.02.2008 mit, dass er im Jahr 2007 insgesamt 92 Widersprüche betreffs § 2 AsylbLG bei der Beklagten eingelegt habe. Für die Klägerin dieses Verfahrens und ihren Ehemann legte er unter dem 00.00.00 Widerspruch ein gegen die Nichtgewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Anwalt begründete den Widerspruch am 00.00.00 mit einem drei Seiten langen Schriftsatz. Die Beklagte half dem Widerspruch, soweit er die Klägerin betraf, mit Abhilfebescheid vom 00.00.00 ab und zahlte die höheren Leistungen ab Juni 2006 nach. Der Bevollmächtigte der Kläger machte mit Schreiben vom 00.00.00 einen Aufwendungsersatzanspruch seiner Mandantin in Höhe der Hälfte von 395,08 Euro geltend: 240 EUR Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) 72 EUR für 30 % Erhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 20 EUR Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) 63,08 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 395,08 EUR Gesamtbetrag; davon die Hälfte ergibt 197,54 EUR.
Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 00.00.00 ab, mehr als 92,82 EUR ( Geschäftsgebühr 156 EUR plus Pauschale von 20 EUR plus Umsatzsteuer; davon die Hälfte) an den Bevollmächtigten zu zahlen. Hier sei zwar von einem durchschnittlichen Umfang der Tätigkeit des Anwaltes auszugehen, allerdings sei die Tätigkeit für den Anwalt nicht schwierig gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit und das Haftungsrisiko seien gering und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber seien unterdurchschnittlich. Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 00.00.00 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.00 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, dass nur tatsächlich aufgewendete Kosten zu erstatten seien. Bisher sei aber keine an seine Mandanten gerichtete Honorarrechnung des bevollmächtigten Anwalts vorgelegt worden. Der Widerspruchsbescheid war mit keiner Rechtsmittelbelehrung versehen.
Mit der am 00.00.00 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf höheren Aufwendungsersatz für das teilweise erfolgreiche Widerspruchsverfahren weiter. Sie legt eine an sie und ihren Ehemann gerichtete Rechnung ihres Bevollmächtigten vom 00.00.00 über insgesamt 395,08 EUR vor. Nach Ansicht der Klägerin steht ihrem Bevollmächtigten unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände die Mittelgebühr zu.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 00.00.00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.00 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Aufwendungsersatz in Höhe von 197,54 EUR abzüglich der bereits erhaltenen 92,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die mit der Klageschrift vorgelegte Anwaltsrechnung einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von insgesamt 117,10 EUR anerkannt. Sie geht dabei von einer Geschäftsgebühr von 136 EUR zuzüglich einer Erhöhung wegen mehrerer Auftraggeber aus. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß ,
die weitergehende Klage abzuweisen.
Neben den Gerichtsakten haben der Kammer die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung der Kammer gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 00.00.00und vom 00.00.00 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.
Die statthafte Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. Da der Widerspruchsbescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthält, beträgt die Klagefrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG ein Jahr. In der Sache selbst ist die Klage teilweise begründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist nicht rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenerstattung, der höher liegt als von der Beklagten anerkannt und niedriger als von der Klägerin beansprucht.
Gemäß § 63 Abs. 1 SGB X sind die zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. Hier war der Widerspruch zur Hälfte erfolgreich, da nur zugunsten der Klägerin ein Abhilfebescheid erlassen wurde. Dementsprechend kann die Klägerin Aufwendungsersatz auch nur zur Hälfte beanspruchen. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind gemäß § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war. Nach Abs. 3 der Vorschrift setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in ihrem Abhilfebescheid nicht über ihre Kostentragungspflicht entschieden und nicht darüber, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich war. Allerdings hat Sie durch den Bescheid vom 13.11.2007 mit Anerkennung eines Teilbetrag von 92,82 EUR zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Kostentragungspflicht und die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts dem Grunde nach anerkennt.
Notwendige Aufwendungen zur Rechtsverfolgung im Vorverfahren sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts dessen Honorarforderungen, soweit er sie tatsächlich gegenüber seinen Mandanten geltend macht und soweit er sie in dieser Höhe nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geltend machen darf. Der Vergütungsanspruch eines Anwalts entsteht zwar bereits mit der Vornahme der anwaltlichen Tätigkeit und wird bereits mit der Auftragserledigung fällig (§ 8 RVG). Allerdings kann der Anwalt gemäß § 10 RVG die Vergütung nur aufgrund einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Rechnung ist Voraussetzung für die außergerichtliche oder gerichtliche Einforderbarkeit der Vergütung (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, 2008, § 10 RVG Rn.1). Wenn der Anwalt dieser Obliegenheit nicht nachkommt, kann er seinen Anspruch nicht geltend machen. Folglich muss die Behörde im Falle des § 63 SGB X dem erfolgreichen Widerspruchsführer keine Anwaltskosten als Aufwendungen erstatten, die der Anwalt mangels Rechnung nicht gegen seinen Mandanten geltend machen könnte. Der Bevollmächtigte der Kläger hat inzwischen unter dem 01.07.2008 seinen Mandanten eine Rechnung ausgestellt. Er fordert darin allerdings zu Unrecht ein Honorar von 395,08 EUR von beiden Auftraggebern. Nach dem RVG steht dem Bevollmächtigten der beiden Widerspruchsführer nur eine Vergütung in Höhe von 240,38 EUR zu. Davon steht der Klägerin die Hälfte als Aufwendungsersatz zu (also 120,19 EUR)
Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung des Anwalts nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach Nr. 2400 VV RVG liegt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, zwischen 40 und 520 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
Die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 2400 VV RVG bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG) nach billigem Ermessen. Die von einem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung ist gegenüber Dritten nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Deshalb war die Beklagte bzw. ist das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr ist der Kostenansatz zu übernehmen. Bei Unbilligkeit ist die die Höhe der Betragsrahmengebühr von der Behörde bzw. vom Gericht festzusetzen. Im Rahmen des dem Anwalt eingeräumten "billigen Ermessen" wird von weiten Teilen der Rechtsprechung und Literatur ein Toleranzrahmen von bis zu 20 v.H. akzeptiert (vgl. u.a. BSG vom 26. Februar 1992 – Az.: 9a RVs 3/90; LSG NW vom 23.04.2007 in L 19 AS 54/06; LSG Thüringen vom 15. Juli 2004 – Az.: L 6 B 25/04 SF und L 6 B 8/05 SF vom 05.04.2005; Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, a.a.O., § 12 Rdnr. 9; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 197 Rn 7c m.w.N.). Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls war die von dem Bevollmächtigten der Kläger beantragte Gebühr von 312 EUR (240 EUR Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG plus 72 EUR für 30 % Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG. Sie übersteigt die angemessene Gebühr um mehr als 20 v. H.
Dabei ist vorab festzustellen, dass der in Nr. 2400 genannte "Schwellenwert" von 240 EUR nur dann maßgeblich ist, wenn die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war. Das ist hier nicht der Fall. Ansonsten gilt bei nur einem Auftraggeber die Mittelgebühr, die nach Nr. 2400 VV RVG bei 280 EUR (= Mindestgebühr von 40 EUR plus 240 EUR als Mitte zwischen Mindestgebühr und Höchstgebühr) liegt. Hier ist noch eine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG wegen mehrerer Auftraggeber vorzunehmen. Da es sich hier um Betragsrahmengebühren handelt, kommt es entgegen der früheren Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.
Der Bevollmächtigte der Kläger befindet sich in einem Rechtsirrtum, wenn er meint, dass bei zwei Auftraggebern gemäß Nr. 1008 VV RVG ein Zuschlag von 30 v. H. zu dem in Nr. 2400 VV RVG genannten "Schwellenwert" von 240 EUR vorzunehmen sei. Vielmehr bestimmt Nr. 1008 VV RVG, dass sich die bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und der Höchstbetrag der Verfahrensgebühr für jede weitere Person um 30 Prozent erhöht. Folglich beträgt die Mindestverfahrensgebühr bei 2 Auftraggebern 52 EUR statt 40 EUR und die Höchstgebühr beträgt 676 EUR statt 520 EUR. Dementsprechend errechnet sich bei zwei Auftraggebern eine Mittelgebühr von 364 EUR (= Mindestgebühr von 52 EUR plus 312 EUR als Mitte zwischen Mindestgebühr und Höchstgebühr; vgl. Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 18. Auflage, 1008 VV, Rdn 241). Statt einer Mittelgebühr in dieser Höhe steht dem Bevollmächtigten der Kläger dieses Verfahrens aber nur eine auf die Hälfte gekürzte Mittelgebühr zu ( = 182 EUR).
Mit der Mittelgebühr wird die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Angelegenheit als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich also um eine Angelegenheit mit durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Vermögensverhältnissen und durchschnittlichem Haftungsrisiko des Anwalts handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen sozialrechtlichen Vorverfahren, bei denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, also Verfahren von privilegierten Personen im Sinne von § 183 SGG Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (BSG, Urteil v. 26.2.1992, 9a RVs 3/90; Urteil v. 22.3.1984, 11 RA 58/83, SozR 1300 § 63 Nr. 4; BVerwG, Beschl. v. 18.9.2001, 1 WB 28.01, Rpfleger 2002, 98). Schon ein einziger Umstand im Sinne des § 14 RVG kann ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen. Die Kammer geht mit dem LSG NW (Urteil vom 23.04.2007 in L 19 AS 54/06) und dem LSG Thüringen (Beschluss vom 05.04.2005 in L 6 B 8/05 SF) davon aus, dass dass dabei eine Automatik nicht besteht und eine starre mathematische Berechnungsmethode mit festen Zu- und Abschlägen von der Mittelgebühr für jeden Umstand nicht geboten ist. Das würde der Ungleichwertigkeit der einzelnen Umstände nicht gerecht werden. Grundsätzlich kann ein im Einzelfall besonders ins Gewicht fallendes Kriterium die relevanten übrigen Umstände kompensierend zurückdrängen. Nach der Überzeugung der Kammer muss sich die Vergütung des Anwalts vorrangig nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit richten, während den anderen im Gesetz genannten Umständen nur untergeordnete Bedeutung beizumessen ist. Dabei findet ohnehin ein gewisser Ausgleich bereits dadurch statt, dass bei schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftragsgebers die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber regelmäßig umso höher zu bewerten ist.
Im vorliegenden Fall ist von erheblich unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und Vermögensverhältnissen der Auftraggeber auszugehen, da sie nur Leistungen nach dem AsylbLG beziehen. Im Vergleich zu Verfahren, bei denen es um die gänzliche Versagung existenzsichernder Leistungen oder um lebenslange Rente geht, ist das vorliegende Verfahren, bei dem es nur um ein höheres Leistungsniveau (entsprechend Sozialhilfe statt nach AsylbLG) geht, allerdingseine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung. Nur im Hinblick auf die schlechten Einkommensverhältnisse der Kläger ist die Bedeutung doch als durchschnittlich zu werten. Ein besonderes Haftungsisiko des Anwaltes ist hier allerdings nicht ersichtlich. Der Kammer ist bisher nicht bekannt und es wird auch in diesem Verfahren nicht vorgetragen, dass Anwälte, die in Verfahren nach dem AsylbLG tätig werden, für solche Fälle eine zusätzliche Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Die anwaltliche Tätigkeit ist im vorliegenden Widerspruchsverfahren entgegen der Rechtsansicht der Beklagten als durchschnittlich schwierig zu werten. Die hier bedeutsame Rechtsfrage, wann eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Dauer des Aufenthalts vorliegt, ist nämlich umstritten mit zahlreichen sich widersprechenden Entscheidungen sowohl der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie der Sozialgerichtsbarkeit.
Die Tätigkeit des Anwalts der Kläger in diesem Widerspruchsverfahren war aber nicht umfangreich. Der Anwalt der Kläger hat daneben nämlich eine Vielzahl gleichartiger Verfahren betrieben (allein 92 gegen die Beklagte!), so dass er nur auf seine Ausführungen in den anderen Verfahren zurückgreifen musste. Der auf die Vertretung von Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG spezialisierte Anwalt konnte sich seine Arbeit mit standardisierten Schreiben unter Verwendung von Textbausteinen sehr erleichtern. Er musste sich nicht für jeden Fall in eine neue Materie einarbeiten, sondern musste lediglich jeweils die individuellen Daten der von ihm schon früher in anderen Angelegenheiten vertretenen Mandanten in den Musterwiderspruch einarbeiten, den er nur einmal für alle gleich gearteten Fälle entwerfen musste. Bei einer derart einförmigen Massenarbeit eines Anwalts hält die Kammer einen Abzug von der Mittelgebühr um 50 Prozent für angemessen. Ein Abzug in dieser Höhe ist gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber in Nr. 1008 VV RVG den Zuschlag zur Verfahrensgebühr bei anwaltlicher Tätigkeit in der gleichen Angelegenheit für einen weiteren Auftraggeber sogar auf 30 Prozent reduziert hat. Und ab dem 8. Auftraggeber ist eine Gebührenerhöhung nach dem Willen des Gesetzgebers sogar gänzlich ausgeschlossen, denn bei der Erhöhung darf wegen der in Nr. 1008 VV RVG vorgeschriebenen Obergrenze das Doppelte des Höchstbetrags der Gebühr nicht überschritten werden (vgl. dazu Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 18. Auflage, 1008 VV, Rdn 248; Bischof/Jungbauer, Kompaktkomentar RVG, 2. Auflage, Seite 750). Daher hält es die Kammer für sachgerecht, dass ein Anwalt, der für viele finanzschwache Mandanten Widersprüche mit gleichem Ziel und nahezu gleichen Argumenten einlegt, für jedes dieser Verfahren nicht mehr als die Hälfte der sonst angemessenen Verfahrensgebühr erhält.
Das von der Beklagten als Aufwendungsersatz an die Klägerin zu erstattende Anwaltshonorar errechnet sich also wie folgt: 182,00 EUR halbe Verfahrensgebühr Nr. 2400 und 1008 VV RVG 20,00 EUR Telekommunikationspauschale 202,00 EUR Zwischensumme 38,38 EUR 19 % Umsatzsteuer 240,38 EUR Endsumme davon die Hälfte ergibt 120,19 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das nur teilweise Obsiegen der Klägerin.
Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin ist eine geduldete Roma aus dem Kosovo und erhielt von der Beklagten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Ihr Rechtsanwalt hat sich spezialisiert auf die Betreuung von Leistungsempfängern nach den AsylbLG. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.02.3007 (B 9b AY 2/06 R) machte er für eine Vielzahl seiner Mandanten aus dem ehemaligen Jugoslawien Ansprüche auf höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG geltend. In dem Berufungsverfahren L 20 B 89/07 (S 2 AY 59/07 SG Gelsenkirchen) teilte der Anwalt dem Landessozialgericht am 28.02.2008 mit, dass er im Jahr 2007 insgesamt 92 Widersprüche betreffs § 2 AsylbLG bei der Beklagten eingelegt habe. Für die Klägerin dieses Verfahrens und ihren Ehemann legte er unter dem 00.00.00 Widerspruch ein gegen die Nichtgewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Anwalt begründete den Widerspruch am 00.00.00 mit einem drei Seiten langen Schriftsatz. Die Beklagte half dem Widerspruch, soweit er die Klägerin betraf, mit Abhilfebescheid vom 00.00.00 ab und zahlte die höheren Leistungen ab Juni 2006 nach. Der Bevollmächtigte der Kläger machte mit Schreiben vom 00.00.00 einen Aufwendungsersatzanspruch seiner Mandantin in Höhe der Hälfte von 395,08 Euro geltend: 240 EUR Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) 72 EUR für 30 % Erhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 20 EUR Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) 63,08 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 395,08 EUR Gesamtbetrag; davon die Hälfte ergibt 197,54 EUR.
Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 00.00.00 ab, mehr als 92,82 EUR ( Geschäftsgebühr 156 EUR plus Pauschale von 20 EUR plus Umsatzsteuer; davon die Hälfte) an den Bevollmächtigten zu zahlen. Hier sei zwar von einem durchschnittlichen Umfang der Tätigkeit des Anwaltes auszugehen, allerdings sei die Tätigkeit für den Anwalt nicht schwierig gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit und das Haftungsrisiko seien gering und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber seien unterdurchschnittlich. Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 00.00.00 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.00 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, dass nur tatsächlich aufgewendete Kosten zu erstatten seien. Bisher sei aber keine an seine Mandanten gerichtete Honorarrechnung des bevollmächtigten Anwalts vorgelegt worden. Der Widerspruchsbescheid war mit keiner Rechtsmittelbelehrung versehen.
Mit der am 00.00.00 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf höheren Aufwendungsersatz für das teilweise erfolgreiche Widerspruchsverfahren weiter. Sie legt eine an sie und ihren Ehemann gerichtete Rechnung ihres Bevollmächtigten vom 00.00.00 über insgesamt 395,08 EUR vor. Nach Ansicht der Klägerin steht ihrem Bevollmächtigten unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände die Mittelgebühr zu.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 00.00.00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 00.00.00 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Aufwendungsersatz in Höhe von 197,54 EUR abzüglich der bereits erhaltenen 92,82 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die mit der Klageschrift vorgelegte Anwaltsrechnung einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von insgesamt 117,10 EUR anerkannt. Sie geht dabei von einer Geschäftsgebühr von 136 EUR zuzüglich einer Erhöhung wegen mehrerer Auftraggeber aus. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß ,
die weitergehende Klage abzuweisen.
Neben den Gerichtsakten haben der Kammer die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung der Kammer gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 00.00.00und vom 00.00.00 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.
Die statthafte Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. Da der Widerspruchsbescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthält, beträgt die Klagefrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG ein Jahr. In der Sache selbst ist die Klage teilweise begründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist nicht rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenerstattung, der höher liegt als von der Beklagten anerkannt und niedriger als von der Klägerin beansprucht.
Gemäß § 63 Abs. 1 SGB X sind die zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. Hier war der Widerspruch zur Hälfte erfolgreich, da nur zugunsten der Klägerin ein Abhilfebescheid erlassen wurde. Dementsprechend kann die Klägerin Aufwendungsersatz auch nur zur Hälfte beanspruchen. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind gemäß § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war. Nach Abs. 3 der Vorschrift setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in ihrem Abhilfebescheid nicht über ihre Kostentragungspflicht entschieden und nicht darüber, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich war. Allerdings hat Sie durch den Bescheid vom 13.11.2007 mit Anerkennung eines Teilbetrag von 92,82 EUR zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Kostentragungspflicht und die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts dem Grunde nach anerkennt.
Notwendige Aufwendungen zur Rechtsverfolgung im Vorverfahren sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts dessen Honorarforderungen, soweit er sie tatsächlich gegenüber seinen Mandanten geltend macht und soweit er sie in dieser Höhe nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geltend machen darf. Der Vergütungsanspruch eines Anwalts entsteht zwar bereits mit der Vornahme der anwaltlichen Tätigkeit und wird bereits mit der Auftragserledigung fällig (§ 8 RVG). Allerdings kann der Anwalt gemäß § 10 RVG die Vergütung nur aufgrund einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Rechnung ist Voraussetzung für die außergerichtliche oder gerichtliche Einforderbarkeit der Vergütung (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, 2008, § 10 RVG Rn.1). Wenn der Anwalt dieser Obliegenheit nicht nachkommt, kann er seinen Anspruch nicht geltend machen. Folglich muss die Behörde im Falle des § 63 SGB X dem erfolgreichen Widerspruchsführer keine Anwaltskosten als Aufwendungen erstatten, die der Anwalt mangels Rechnung nicht gegen seinen Mandanten geltend machen könnte. Der Bevollmächtigte der Kläger hat inzwischen unter dem 01.07.2008 seinen Mandanten eine Rechnung ausgestellt. Er fordert darin allerdings zu Unrecht ein Honorar von 395,08 EUR von beiden Auftraggebern. Nach dem RVG steht dem Bevollmächtigten der beiden Widerspruchsführer nur eine Vergütung in Höhe von 240,38 EUR zu. Davon steht der Klägerin die Hälfte als Aufwendungsersatz zu (also 120,19 EUR)
Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung des Anwalts nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach Nr. 2400 VV RVG liegt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, zwischen 40 und 520 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
Die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 2400 VV RVG bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sowie seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG) nach billigem Ermessen. Die von einem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung ist gegenüber Dritten nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Deshalb war die Beklagte bzw. ist das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen. Bei Angemessenheit der angesetzten Gebühr ist der Kostenansatz zu übernehmen. Bei Unbilligkeit ist die die Höhe der Betragsrahmengebühr von der Behörde bzw. vom Gericht festzusetzen. Im Rahmen des dem Anwalt eingeräumten "billigen Ermessen" wird von weiten Teilen der Rechtsprechung und Literatur ein Toleranzrahmen von bis zu 20 v.H. akzeptiert (vgl. u.a. BSG vom 26. Februar 1992 – Az.: 9a RVs 3/90; LSG NW vom 23.04.2007 in L 19 AS 54/06; LSG Thüringen vom 15. Juli 2004 – Az.: L 6 B 25/04 SF und L 6 B 8/05 SF vom 05.04.2005; Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, a.a.O., § 12 Rdnr. 9; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 197 Rn 7c m.w.N.). Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls war die von dem Bevollmächtigten der Kläger beantragte Gebühr von 312 EUR (240 EUR Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG plus 72 EUR für 30 % Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG. Sie übersteigt die angemessene Gebühr um mehr als 20 v. H.
Dabei ist vorab festzustellen, dass der in Nr. 2400 genannte "Schwellenwert" von 240 EUR nur dann maßgeblich ist, wenn die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war. Das ist hier nicht der Fall. Ansonsten gilt bei nur einem Auftraggeber die Mittelgebühr, die nach Nr. 2400 VV RVG bei 280 EUR (= Mindestgebühr von 40 EUR plus 240 EUR als Mitte zwischen Mindestgebühr und Höchstgebühr) liegt. Hier ist noch eine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG wegen mehrerer Auftraggeber vorzunehmen. Da es sich hier um Betragsrahmengebühren handelt, kommt es entgegen der früheren Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist.
Der Bevollmächtigte der Kläger befindet sich in einem Rechtsirrtum, wenn er meint, dass bei zwei Auftraggebern gemäß Nr. 1008 VV RVG ein Zuschlag von 30 v. H. zu dem in Nr. 2400 VV RVG genannten "Schwellenwert" von 240 EUR vorzunehmen sei. Vielmehr bestimmt Nr. 1008 VV RVG, dass sich die bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und der Höchstbetrag der Verfahrensgebühr für jede weitere Person um 30 Prozent erhöht. Folglich beträgt die Mindestverfahrensgebühr bei 2 Auftraggebern 52 EUR statt 40 EUR und die Höchstgebühr beträgt 676 EUR statt 520 EUR. Dementsprechend errechnet sich bei zwei Auftraggebern eine Mittelgebühr von 364 EUR (= Mindestgebühr von 52 EUR plus 312 EUR als Mitte zwischen Mindestgebühr und Höchstgebühr; vgl. Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 18. Auflage, 1008 VV, Rdn 241). Statt einer Mittelgebühr in dieser Höhe steht dem Bevollmächtigten der Kläger dieses Verfahrens aber nur eine auf die Hälfte gekürzte Mittelgebühr zu ( = 182 EUR).
Mit der Mittelgebühr wird die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Angelegenheit als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich also um eine Angelegenheit mit durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichem Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Vermögensverhältnissen und durchschnittlichem Haftungsrisiko des Anwalts handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen sozialrechtlichen Vorverfahren, bei denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, also Verfahren von privilegierten Personen im Sinne von § 183 SGG Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (BSG, Urteil v. 26.2.1992, 9a RVs 3/90; Urteil v. 22.3.1984, 11 RA 58/83, SozR 1300 § 63 Nr. 4; BVerwG, Beschl. v. 18.9.2001, 1 WB 28.01, Rpfleger 2002, 98). Schon ein einziger Umstand im Sinne des § 14 RVG kann ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen. Die Kammer geht mit dem LSG NW (Urteil vom 23.04.2007 in L 19 AS 54/06) und dem LSG Thüringen (Beschluss vom 05.04.2005 in L 6 B 8/05 SF) davon aus, dass dass dabei eine Automatik nicht besteht und eine starre mathematische Berechnungsmethode mit festen Zu- und Abschlägen von der Mittelgebühr für jeden Umstand nicht geboten ist. Das würde der Ungleichwertigkeit der einzelnen Umstände nicht gerecht werden. Grundsätzlich kann ein im Einzelfall besonders ins Gewicht fallendes Kriterium die relevanten übrigen Umstände kompensierend zurückdrängen. Nach der Überzeugung der Kammer muss sich die Vergütung des Anwalts vorrangig nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit richten, während den anderen im Gesetz genannten Umständen nur untergeordnete Bedeutung beizumessen ist. Dabei findet ohnehin ein gewisser Ausgleich bereits dadurch statt, dass bei schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftragsgebers die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber regelmäßig umso höher zu bewerten ist.
Im vorliegenden Fall ist von erheblich unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und Vermögensverhältnissen der Auftraggeber auszugehen, da sie nur Leistungen nach dem AsylbLG beziehen. Im Vergleich zu Verfahren, bei denen es um die gänzliche Versagung existenzsichernder Leistungen oder um lebenslange Rente geht, ist das vorliegende Verfahren, bei dem es nur um ein höheres Leistungsniveau (entsprechend Sozialhilfe statt nach AsylbLG) geht, allerdingseine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung. Nur im Hinblick auf die schlechten Einkommensverhältnisse der Kläger ist die Bedeutung doch als durchschnittlich zu werten. Ein besonderes Haftungsisiko des Anwaltes ist hier allerdings nicht ersichtlich. Der Kammer ist bisher nicht bekannt und es wird auch in diesem Verfahren nicht vorgetragen, dass Anwälte, die in Verfahren nach dem AsylbLG tätig werden, für solche Fälle eine zusätzliche Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Die anwaltliche Tätigkeit ist im vorliegenden Widerspruchsverfahren entgegen der Rechtsansicht der Beklagten als durchschnittlich schwierig zu werten. Die hier bedeutsame Rechtsfrage, wann eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Dauer des Aufenthalts vorliegt, ist nämlich umstritten mit zahlreichen sich widersprechenden Entscheidungen sowohl der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie der Sozialgerichtsbarkeit.
Die Tätigkeit des Anwalts der Kläger in diesem Widerspruchsverfahren war aber nicht umfangreich. Der Anwalt der Kläger hat daneben nämlich eine Vielzahl gleichartiger Verfahren betrieben (allein 92 gegen die Beklagte!), so dass er nur auf seine Ausführungen in den anderen Verfahren zurückgreifen musste. Der auf die Vertretung von Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG spezialisierte Anwalt konnte sich seine Arbeit mit standardisierten Schreiben unter Verwendung von Textbausteinen sehr erleichtern. Er musste sich nicht für jeden Fall in eine neue Materie einarbeiten, sondern musste lediglich jeweils die individuellen Daten der von ihm schon früher in anderen Angelegenheiten vertretenen Mandanten in den Musterwiderspruch einarbeiten, den er nur einmal für alle gleich gearteten Fälle entwerfen musste. Bei einer derart einförmigen Massenarbeit eines Anwalts hält die Kammer einen Abzug von der Mittelgebühr um 50 Prozent für angemessen. Ein Abzug in dieser Höhe ist gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber in Nr. 1008 VV RVG den Zuschlag zur Verfahrensgebühr bei anwaltlicher Tätigkeit in der gleichen Angelegenheit für einen weiteren Auftraggeber sogar auf 30 Prozent reduziert hat. Und ab dem 8. Auftraggeber ist eine Gebührenerhöhung nach dem Willen des Gesetzgebers sogar gänzlich ausgeschlossen, denn bei der Erhöhung darf wegen der in Nr. 1008 VV RVG vorgeschriebenen Obergrenze das Doppelte des Höchstbetrags der Gebühr nicht überschritten werden (vgl. dazu Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 18. Auflage, 1008 VV, Rdn 248; Bischof/Jungbauer, Kompaktkomentar RVG, 2. Auflage, Seite 750). Daher hält es die Kammer für sachgerecht, dass ein Anwalt, der für viele finanzschwache Mandanten Widersprüche mit gleichem Ziel und nahezu gleichen Argumenten einlegt, für jedes dieser Verfahren nicht mehr als die Hälfte der sonst angemessenen Verfahrensgebühr erhält.
Das von der Beklagten als Aufwendungsersatz an die Klägerin zu erstattende Anwaltshonorar errechnet sich also wie folgt: 182,00 EUR halbe Verfahrensgebühr Nr. 2400 und 1008 VV RVG 20,00 EUR Telekommunikationspauschale 202,00 EUR Zwischensumme 38,38 EUR 19 % Umsatzsteuer 240,38 EUR Endsumme davon die Hälfte ergibt 120,19 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das nur teilweise Obsiegen der Klägerin.
Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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