S 4 KR 7/07

Land
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgericht
SG Neubrandenburg (MVP)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Neubrandenburg (MVP)
Aktenzeichen
S 4 KR 7/07
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
L 6 KR 11/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Festbeträge für Hörhilfen sind unwirksam, weil sie im allgemeinen keine ausreichende Versorgung ermöglichen.

Die Wirksamkeit der Festbeträge kann im Streitverfahren zwischen Versicherten und gesetzlicher Krankenkasse inzident überprüft werden (entgegen LSG Berlin-Brandenburg, L 4 KR 12/01).
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin beidseits mit Hörgeräten des Typs Oticon Tego Power entsprechend dem Kostenvoranschlag der Fa. R vom 16.11.2006 unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung zu versorgen.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Hörgeräten, die ihr vom Vertrags-Akustiker nur gegen einen Kaufpreis oberhalb des Festbetrages angeboten worden sind.

Die im Jahre 1936 geborene Klägerin leidet beidseits an einer an Taubheit grenzenden Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit, IOS).

Ihre behandelnde HNO-Ärztin L verordnete ihr am 18.07.2006 als Vertragsärztin auf dem dafür vorgesehenen Vordruck die Neuversorgung mit Hörhilfen für beide Ohren. Unter "Diagnose" fügte sie hinzu, dass digitale Hochleistungsgeräte empfehlenswert seien, um eine Versorgung mit einem Chohlear-Implantat zu vermeiden.Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der audiometrischen Befunde, wird auf das Original der Verordnung, Bl. 1 der Verwaltungsakten der Beklagten, Bezug genommen.

Die Klägerin stellte sich daraufhin bei dem zugelassenen Hörgeräte-Akustiker, Fa. H (nachfolgend: Akustiker), vor, der im Rahmen einer vergleichenden Anpassung insgesamt vier verschiedene Hörgerät-Typen testete. Im freien Schallfeld bei 65 dB erreichte die Klägerin ohne Hörgerät ein Einsilbenverstehen von 0%, welches sich mit Hörgeräten auf 70% bis 100% verbesserte. Mit den beiden getesteten Geräten, die der Akustiker zum Festbetrag abzugeben bereit gewesen wäre, (Siemens Phoenix 313, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.2090, DHI-Bauartnummer 2126, zweikanalig, volldigital, und Phonak Classica AGC, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.02.1245, DHI-Bauartnummer 1597, einkanalig, analog; nachfolgend: Festbetragsgeräte), erzielte die Klägerin eine Verstehensquote von 80% bzw. 70%, welche mit den besten der getesteten Hörgeräten, vierkanaligen, volldigitalen (digitale Signalverarbeitung, digital programmierbar) Geräten (Oticon Tego Power, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.1372, DHI-Bauartnummer 2316; nachfolgend: streitige Geräte) auf 100% verbessert werden konnte. Bei einem Nutzschall von 55 dB wurde ein Einsilberverstehen von 80 % mit den streitigen Geräten, von 60 % mit den zweitbesten, ebenfalls volldigitalen und nicht mehr zum Festbetrag angebotenen Geräten (Widex Inteo IN 9, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.0183, DHI-Bauartnummer 2668) und von 10 bzw. 20% mit den Festbetragsgeräten erzielt. Unter Störschallbedingungen (Störgeräusch 60 dB, Nutzschall 65 dB) erreichte die Klägerin ein Einsilberverstehen von 40% mit den streitgen Geräten, von 30 % mit den Widex-Geräten und von jeweils 0% mit den Festbetragsgeräten. Wegen der Anpassergebnisse sämtlicher getesteter Geräte wird auf das Schreiben des Akustikers vom 13.04.2007, Bl. 30f der Akten, Bezug genommen.

Da die streitigen Geräte nach den Angaben des Akustikers auf der Rückseite der Verordnung auch im Klang und "beim Toleranztest" sowie insbesondere "in lärmigen Situationen" für die Klägerin die angenehmsten waren, entschied sie sich für diese hinter dem Ohr getragenen Geräte, welche vom Akustiker mit an die Beklagte gerichtetem Kostenvoranschlag vom 16.11.2006 einschließlich der Schallführungshalterungen (Secret Ear) und Reparaturpauschalen für einen Gesamtpreis in Höhe von 3498,26 EUR angeboten wurden.

Auf eine vorläufige Versorgungsanzeige des Akustikers hin teilte die Beklagte der Klägerin bereits mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 09.10.2006 mit, dass sie - vorbehaltlich der "ohrenärztlichen Abnahme" die vertraglich vereinbarten Kosten für zwei Hörgeräte in Höhe von 1244 EUR (Festbetrag zuzüglich einer Reparaturpauschale von 209 EUR je Gerät) übernehme. Soweit für die Versorgung eine Zuzahlung vorgesehen sei, werde der Akustiker diese ermitteln und der Klägerin in Rechnung stellen.

Nachdem sich die HNO-Ärztin am 21.11.2006 davon überzeugt hatte, dass die vom Akustiker vorgeschlagene Versorgung zweckmäßig ist und zu einer ausreichenden Hörverbesserung führt, sowie dies auf dem Vordruck bestätigt hatte, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2006 am 30.11.2006 an die Beklagte und bat im Rahmen einer "Einzelfallentscheidung" um Übernahme der vollen, vom Akustiker veranschlagten Kosten. Bei ihr liege ein so hochgradiger Hörverlust vor, dass ohne die ausgewählte technisch hochwertige Versorgung die Versorgung mit einem Chohlear-Implantat drohe, was durch ein mitgereichtes Schreiben des Herrn Dr. med. K, Leitender Oberarzt der HNO-Klinik der Uni G vom 14.05.2006, in welchem wie von Frau L digitale Hochleistungsgeräte empfohlen werden, bestätigt wird. Mit den Festbetragsgeräten sei keine ausreichende Hörverbesserung erzielt worden, Auch subjektiv seien diese Geräte wegen eines sehr halligen Höreindrucks nicht akzeptabel gewesen, während die streitigen Geräte vom ersten Moment an sehr angenehm gewesen seien. Abschleißend bat die Klägerin um Prüfung durch den Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), damit dieser sie beraten könne. Zugleich wies die Klägerin darauf hin, dass nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (B 3 KR 7/02 R) der Festbetrag die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht begrenze, wenn er im Einzelfall für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche, was bei ihr der Fall sei. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens der Klägerin wird auf Bl. 10-12 der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte wertete das Schreiben der Klägerin als Widerspruch und lehnte es mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2007 ab, für die Hörgeräteversorgung Kosten über den Festbetrag hinaus zu übernehmen. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit bestehe ein "Anspruch auf eine ausreichende Versorgung nach dem jeweiligen Stand der Medizin und Technik, soweit Grundbedürfnisse betroffen sind, nicht aber auf eine optimale Ausstattung zum umfassenden Ausgleich in allen Lebensbereichen." Nach dem Anpassbericht des Akustikers sei auch eine Versorgung zum Festbetrag ausreichend gewesen. Auch mit eigenanteilsfreien Geräten sei ein Hörerfolg von 80-90% erzielt worden. Die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten der Versorgung könnten nicht übernommen werden. Mehrkosten für Hilfsmittel, die als Sachleistung nicht zur Verfügung gestellt werden könnten, fielen in den eigenverantwortlichen Bereich der Klägerin.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.02.2007 die vorliegende Klage, mit welcher sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt.

Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend weist sie darauf hin, dass das Sprachverstehen mit den Festbetragsgeräten lediglich 70 bzw. 80% betragen habe, allerdings nur in ruhiger Umgebung. Bei leisen Geräuschen und im Störlärm seien die streitigen Geräte den Festbetragsgeräten deutlich überlegen gewesen.

Die Klägerin beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin beidseits mit Hörgeräten des Typs Oticon Tego Power entsprechend dem Kostenvoranschlag der Fa. Rau vom 16.11.2006 unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wiederholte sie zunächst ihre Ausführungen aus den angegriffenen Bescheiden, wonach auch durch die Festbetragsgeräte eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung möglich gewesen sei, weshalb die streitigen Geräte das Maß des Notwendigen überschritten. Hiervon nahm sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung Abstand. Gleichwohl sei eine Versorgung zu höheren Kosten als zum Festbetrag bzw. den von ihr vertraglich vereinbarten Versorgungspauschalen nicht möglich. Die Festbeträge beanspruchten ausnahmslose Anwendbarkeit. Der Gesetzgeber habe es bewusst in Kauf genommen, dass der Versicherte durch die Auswahl eines konkreten Hörgerätes die Höhe des zu leistenden Eigenanteils beeinflussen könne. Die Krankenkasse nehme keinen Einfluss auf die Versorgung. Entscheide sich der Versicherte für eine technisch höherwertige und kostenaufwändigere Versorgung, habe er die entstehenden Mehrkosten selbst privat zu tragen. Die Klägerin sei damit einverstanden gewesen, mit einem nicht eigenanteilsfreien Gerät versorgt zu werden, was sie auf dem Abschlussbericht des Akustikers bestätigt habe. Die Beklagte habe mit der Gewährung des Festbetrages ihren Ermessensspielraum zugunsten der Klägerin ausgeschöpft. Über den bereits abgerechneten Festbetrag hinaus könne die Beklagte keinen höheren Zuschuss leisten. Die hier anwendbare Festbetragsfestsetzung sei als Allgemeinverfügung von der Klägerin nicht auf dem Weg des § 35 Abs 7 SGB V angegriffen worden und daher bestandskräftig.

Nach Hinweis des Gerichts hat die Beklagte eine Stellungnahme des MDK zur Indikation für eine Versorgung mit Hochleistungshörgeräten vom 08.06.2007 eingeholt und zu den Akten gereicht. Hierin wird bestätigt, dass sich die Klägerin bereits im Grenzbereich zur Versorgung durch Cochlear-Implantat befinde. Die streitige Versorgung sei ausreichend und zweckmäßig. Die komplette Kostenübernahme sei zu empfehlen. Ergänzend wird auf Bl. 46f der Akten Bezug genommen.

Das Gericht hat eine Auskunft des Akustikers vom 13.04.2007 zu den Einzelheiten der vergleichenden Anpassung sowie zur Frage des verbindlichen Erwerbs der streitigen Geräte und deren Bezahlung eingeholt. Unter dem 13.04.2007 hat der Akustiker mitgeteilt, dass er noch immer keine abschließende Rechnung erteilt habe, da der Gesamtbetrag streitig sei. Allerdings habe die Klägerin sich ihm gegenüber nicht wohl gefühlt und deshalb am 20.12.2006 einen Betrag in Höhe von 1300 EUR "vorfinanziert", welcher je nach Ausgang des Rechtsstreits zurückgezahlt oder verrechnet werden solle. Hierüber verhält sich die als Kopie beigefügte Barkassenrechnung über eine Vorauszahlung in der genannten Höhe vom 20.12.2006.

Das Gericht hat ferner im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008 die Ergebnisse seiner Ermittlungen zur Frage der Häufigkeit und Höhe von Zuzahlungen im Falle von Hörgeräteversorgungen bei gesetzlich Krankenversicherten aus dem Parallelverfahren S 4 KR 39/04 ins Verfahren eingeführt und den Parteien durch Überlassung von Abschriften auszugsweise zugänglich gemacht. Insoweit wird zum einen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen und zum anderen der Inhalt der Ermittlungsergebnisse zusammenfassend wie folgt wiedergegeben:

Das Gericht hat im Juni 2004 Auskünfte eingeholt bei der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha), dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, dem Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB), dem AOK Bundesverband, dem IKK Bundesverband, dem BKK Bundesverband und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. / Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. (VdAK/AEV).

Die vorgenannten Institutionen haben jeweils mit Schreiben aus Juli 2004 mit unterschiedlichem Umfang Auskünfte erteilt, sowie in Broschürenform veröffentlichte Studien ("Analyse wettbewerblicher Versorgungswege im Hörhilfenbereich - Ergebnisbericht einer bundesweiten Versichertenbefragung im BKK-System/Kooperationsprojekt zwischen BKK Bundesverband und Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e.V." sowie "Hörgeräte im Wettbewerb - Versorgungswege im Vergleich" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK - WIdO) zu den Akten gereicht, welche im vorliegenden Verfahren auszugsweise als Anlage zur Sitzungsniederschrift zu den Akten genommen und den Parteien übergeben wurden, sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Einsicht vorlagen.

Hiernach ist zusammenfassend festzuhalten, dass bei den um Auskunft gebetenen Institutionen keine umfassenden Daten zu der Frage existieren, wie hoch der Anteil der mit Hörgeräten versorgten Versicherten ist, bei denen eine zuzahlungsfreie Versorgung zu einer technisch optimalen oder anderweitig definiert "ausreichenden" Hörverbesserung geführt hat.

Der erstgenannten Studie lässt sich entnehmen, dass von den 1640 im ersten Quartal 2001 Befragten, die insoweit Angaben gemacht haben, 1373 (83,7%) eine Zuzahlung geleistet haben, während 267 (16,3%) zum Festbetrag versorgt worden sind. Während diese Anteile nicht wesentlich davon abhängen, ob eine Erst- oder Folgeversorgung vorlag, wie hoch der Hörverlust ist und ob eine ein- oder beidseitige Versorgung erfolgte, liegt der Anteil der zuzahlungsfreien Versorgung bei den im sog. direkten oder verkürzten Versorgungsweg (Abgabe des Hörgeräts direkt durch den HNO-Arzt) versorgten Befragten mit 43,8 % (56 von 128 Versicherten) deutlich höher, jedoch noch immer bei weniger als der Hälfte. Der durchschnittliche Zuzahlungsbetrag habe ca. 1500 DM betragen (bei einohriger Versorgung knapp 1000 DM, bei beidseitiger Versorgung gut 2000 DM), wobei bei den Befragten, die direkt durch den HNO-Arzt versorgt wurden, der Zuzahlungsbetrag durchschnittlich nur etwa halb so hoch lag.

Nach der zweitgenannten Studie, die auf Daten (Befragung von 400 Versicherten) aus dem Jahr 2000 beruht und die hinsichtlich des Anteils der zuzahlungsfreien Versorgungen durch den Akustiker einerseits und bei Online- und Versandhandelversorgung andererseits zu ähnlichen Ergebnissen gelangte (ca. 15% gegenüber ca. 80% und ca. 50%), betrug der durchschnittliche Zuzahlungsbetrag je Hörgerät im Versandhandel ca. 340 DM, bei Online-Versorgung ca. 380 DM und bei Versorgung durch den Akustiker ca. 1200 DM. Abhängig von der Bauart des Geräts (analog, digital programmierbar, volldigital) ergaben sich durchschnittliche Zuzahlungen von ca. 500 DM, ca. 1000 DM und ca. 2700 DM je Gerät. Von allen Befragten habe etwa ein Drittel Zuzahlungen von mehr als 1000 DM pro Gerät geleistet.

Die subjektive Zufriedenheit der Versicherten mit ihrer jeweiligen Versorgung lässt nach den Ergebnissen dieser Studie keinen eindeutigen Bezug weder zur Bauart noch zum Versorgungsweg erkennen. Schließlich lässt sich der Studie entnehmen, dass die Preisspanne für einzelne Hörgerät-Typen im Vergleich des günstigten zum höchsten Preis um ca. 25% bis ca. 100% schwankte, sodass Geräte im unteren Preissegment abhängig vom Anbieter teils zuzahlungsfrei, teils mit Zuzahlungen von bis zu 860 DM abgegeben wurden, während für teurere Geräte die Zuzahlungen zwischen 1000 und 3000 DM variierten. In Form eines Zitats aus der Süddeutschen Zeitung vom 28.04.1999 wird schließlich angegeben, dass jährlich von gesetzlich Versicherten für die Hörgeräteversorgung ca. 300 Millionen DM Zuzahlungen geleistet würden. An gleicher Stelle (S. 67f der Studie) findet sich ferner eine, teilweise ebenfalls mit Literaturstellen unterlegte, Kritik an der Undurchschaubarkeit des Hörgerätemarktes und den erheblichen Preisspannen für einzelne Geräte.

Beide Studien enthalten keine Angaben dazu, nach welchen Kriterien die HNO-Ärzte ihre Patienten für den üblichen oder den verkürzten Versorgungsweg ausgewählt haben, insbesondere also, ob beispielweise nur oder überwiegend solche Patienten im verkürzten Versorgungsweg versorgt worden sind, die an einer Schallleitungsschwerhörigkeit leiden, und welche Vorteile (Provisionen?) die Ärzte im Falle einer solchen Vermittlung von Hörgeräten erhielten.

Die biha verwies in ihrer Stellungnahme auf die ihrer Meinung nach unbefriedigende Situation bei der Hörgeräteversorgung aufgrund der Festbetragsfestsetzung hin. Teilweise seien die Festbeträge im zeitlichen Verlauf noch abgesenkt worden. Die Festbeträge berücksichtigten nicht den besonderen technischen und zeitlichen Aufwand bei der Versorgung, insbesondere in Abhängigkeit von den Altersgruppen und die besonderen Anforderungen bei Mehrfachbehinderungen und hochbetagten Patienten.

Seitens des VdAK/AEV wurde lediglich auf die oben zitierte WIdO-Studie verwiesen, aus welcher hervorgehe, dass eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei.

Der AOK-Bundesverband verwies auf die gleiche Studie, insbesondere darauf, dass der erzielte Hörgewinn bei digitaler Versorgung nicht wesentlich höher liege als bei analoger, dass bei vielen Versorgten keine Vergleichsgeräte angepasst worden seien und dass die finanzielle Belastung der Versicherten stark vom gewählten Versorgungsweg abhänge.

Der BKK Bundesverband beschränkte sich auf die Übersendung der Studie aus dem oben geannten Kooperationsprojekt mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e.V.

Der IKK Bundesverband wies zum einen darauf hin, dass zur Zeit (Juli 2004) bundeseinheitliche Festbeträge erarbeitet würden, die ebenso wie die bisherigen landesbezogenen Festbeträge so zu bemessen seien, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet sei. Die bereits zitierten Studien belegten, dass eine zuzahlungsfreie Versorgung in einer signifikant hohen Zahl an Versorgungsfällen unabhängig vom Grad der Schwerhörigkeit zu einer hohen Zufriedenheit bei den Versicherten führe. Die Ursachen für Zuzahlungen seien vielschichtig. So werde von den Versicherten teilweise eine Versorgung gewünscht, die medizinisch nicht indiziert sei, was wohl auch auf das Verkaufsverhalten der Akustiker zurückzuführen sei, die wirtschaftlich an der Abgabe von kostenaufwändigen volldigitalen Geräten interessiert seien. Auch sei der Wettbewerb im Bereich der Hörhilfenversorgung unzureichend. Für einen Vorteil digitaler im Vergleich zu analogen Geräten existiere kein wissenschaftlicher Beleg. Vielmehr belegten die vorliegenden Studien, dass gerade hochgradige und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeiten überproportional häufig mit Festbetragsgeräten versorgt würden

Der DSB verwies in seiner Stellungnahme auf nach seiner Auffassung bestehende methodische Mängel der vorliegenden Studien, die gleichwohl den eindeutigen Schluss zuließen, dass die bestehenden Festbeträge zu niedrig seien, da selbst im Falle des verkürzten Versorgungsweges, bei dem es regelmäßig an einer vergleichenden Anpassung fehlen dürfte, nur weniger als die Hälfte der Versorgungsfälle zum Festbetrag erfolge.

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte hat mit Schreiben vom 13.07.2004 einen Auszug einer Stellungnahme seines ehemaligen 1. Vorsitzenden, Prof. Dr. med. Klaus Seifert, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG am 19. März 2002 im Verfahren 1 BvL 29/95 (Abdruck in HNO-Mitteilungen 2003, 44f) zu den Akten gereicht. Hierin wird insbesondere daruaf hingewiesen, dass die Versorgung von Schallempfindungs- bzw. Innenohrschwerhörigkeiten (IOS) im Gegensatz zur Versorgung von Schallleitungsschwerhörigkeiten nicht durch bloße lineare Verstärkung des Eingangssignals erfolgen könne, sondern zum einen den frequenzabhängigen Hörverlust berücksichtigen, zum anderen eine Überverstärkung vermeiden müsse. Auch mit den leistungsfähigsten modernen Geräten lasse sich, anders als etwa eine Fehlsichtigkeit durch Sehhilfen, eine IOS niemals vollständig ausgleichen, also bis zu einem Zustand, wie er bei Gesunden vorliege.

Das Gericht hat schließlich, ebenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008, Auszüge aus einem Gutachten des Herrn Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Kießling, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Abteilung Audiologie, der Justus-Liebig-Universität Gießen, aus August 2004 ("Mögliche Instrumente zur Steuerung der Hörgeräteversorgung im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bei Lärmschwerhörigkeit - BK 2301") durch Übergabe an die Parteien in das Verfahren eingeführt. Hierin wird ausgeführt, dass zur bestmöglichen Versorgung eines Lärmschwerhörigen (IOS) nach dem aktuellen Stand der Technik durchschnittliche Kosten je Ohr von etwa 1200 EUR aufzuwenden seien. Wegen des näheren Inhalts wird auf die entsprechende Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es der Klägerin nicht an der Klagebefugnis, obschon sie tatsächlich bereits über die streitigen Geräte verfügt. Nach den nachvollziehbaren und nicht angegriffenen Ausführungen des Akustikers hat er sich gegenüber der Klägerin ausdrücklich die Geltendmachung des vollen veranschlagten Kaufpreises für den Fall vorbehalten, dass ihre Klage erfolglos ist, womit ein Rechtsschutzbedürfnis bereits unabhängig davon vorliegt, dass die Klägerin bei rechtskräftiger Feststellung ihres Sachleistungsanspruches auch die Erstattung der von ihr geleisteten Anzahlung geltend machen kann.

Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Klägerin mit den streitigen Hörgeräten zu versorgen. Auch wenn sie sich in ihren Bescheiden in erster Linie mit einem Anspruch auf Übernahme von Kosten auseinandergesetzt hat, hat die Beklagte doch zumindest im Widerspruchsbescheid hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit ist, die streitigen Geräte als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Versorgung mit den streitigen Hörgeräten, da es sich um Hörhilfen im Sinne von § 33 Abs 1 SGB V handelt, welche im Einzelfall erforderlich sind, um die Hörbehinderung der Klägerin auszugleichen.

Es bedarf keiner näheren Erläuterungen, dass das streitigen Geräte weder Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens darstellen, noch nach § 34 Abs 4 SGB V als Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis ausgeschlossen sind.

Auch die grundsätzliche Indikation für eine (beidseitige) Hörhilfenversorgung gemäß § 33 Abs 1 Satz 3 i.V.m. § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V i.V.m. Abschnitt F der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (,Hilfsmittel-Richtlinien") ist ausweislich der voliegenden vertragsärztlichen Verordnung gegeben. Hiernach beträgt der Hörverlust auf beiden Ohren bei allen Prüffrequenzen mindestens 50 dB (Ziffer 62.2 Satz 2 der Hilfsmittel-Richtlinien). Die Verstehensquote ohne Hörgeräte ist bei 65 dB beidseits null. Mit den Geräten wird bei 65 dB das Sprachverstehen auf 100% gesteigert und erreicht somit den Punkt maximalen Einsilbenverstehens, der ohne Hörgerät (bei 100 dB) noch zu registrieren war, sodass auch die Anforderungen gemäß Ziffer 63.2 Satz 1 der Hilfsmittel-Richtlinien erfüllt werden.

Im Verhältnis zum Versicherten rechnet das Gericht den Akustiker als Leistungserbringer grundsätzlich dem Lager der Krankenkasse zu, vgl. LSG Celle-Bremen vom 24.06.2005, L 4 KR 147/03. Die Krankenkasse ist gegenüber dem Versicherten zur Sachleistung (Versorgung mit Hörgeräten) verpflichtet. Sie stellt diese Sachleistungen allerdings nicht selbst zur Verfügung, obschon das rechtlich wohl zulässig wäre, sondern bedient sich insoweit eines vertraglich gebundenen Leistungserbringers. Ist dieser - wie hier - nicht in der Lage, eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag zu erbringen, kann es nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichen, wenn sich die Krankenkasse pauschal auf die Festbetragsregelung zurückzieht, ohne konkrete anderweitige und preisgünstigere Versorgungsmöglichkeiten vorzuschlagen.

Im Übrigen ist der Akustiker vorliegend nach seinen detaillierten Angaben auf der Rückseite der vertragsärztlichen Verordnung und im Schreiben vom 25.07.2007 seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nachgekommen. Gemäß § 3 Abs 1 des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der biha und dem VdAK/AEV erhält der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote entsprechend dem festgestellten Hörverlust. Das ist hier erfolgt, ohne dass jedoch durch die eigenanteilsfreien Versorgungsangebote ein ausreichender Hörgewinn erzielt worden wäre.

Selbst wenn man aber den vorstehenden Ausführungen nicht folgte, lässt sich vorliegend auch positiv feststellen, dass eine ausreichende Versorgung zu einem geringeren Preis nicht möglich war. Der Akustiker hat zwei zuzahlungsfreie Vergleichsgeräte mit deutlich schlechterem Ergebnis als mit dem streitigen Gerät angepasst (Sprachverstehen von 0% im Störgeräusch im Vergleich zu 40% bei der Versorgung mit dem streitigen Gerät, bei leiserem Nutzschall von lediglich 55 dB Sprachverstehen von 10 bzw. 20% im Vergleich zu 80%), obschon es sich zumindest bei einem dieser Vergleichsgeräte (Siemens Phoenix 313, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.2090) laut Angaben im Hilfsmittelverzeichnis um ein volldigitales, zweikanaliges Gerät handelte. Unter den Testbedingungen (Störgeräusch 60 dB, Nutzschall 65 dB) hat sich gleichwohl ein nennenswerter Anteil verstandener Wörter (40%) erst durch Verwendung der streitigen Geräte ergeben. Selbst das weitere, nicht mehr eigenanteilsfreie Geräte der Marke Widex, ein 15kanaliges, volldigitales Hörgerät, das nach aktuellen Recherchen im Internet zu einem noch deutlich höheren Preis als die streitigen Geräte angeboten wird, erreichte hier lediglich 30%.

Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass durch das streitige Hilfsmittel ein im täglichen Leben erheblicher Gebrauchsvorteil im Vergleich zu eienr Versorgung mit Festbetragsgeräten bewirkt wird. Da auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts weder die Beklagte selbst noch nach Beratung durch den MDK in der Lage war, ein konkretes Gerät gleicher Wirksamkeit zu benennen, das im Versorgungszeitraum (Mitte 2006) zum Festbetrag durch einen zugelassenen Leistungserbringer hätte abgegeben werden können, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der dokumentierte Hörgewinn (insbesondere im Störschall und bei leiserem Nutzschall) nicht anders erzielbar war.

Es bedarf schließlich auch keiner sachverständigen Hilfe, um festzustellen, dass die mit dem streitigen Gerät erzielte Verbesserung des Hörvermögens einen ganz wesentlichen Alltagsvorteil darstellt, da die Fähigkeit, menschliche Sprache auch unter ungünstigen Umgebungsbedingungen (z.B. im Straßenverkehr, in Menschengruppen, bei Windgeräuschen, bei der heute allgegenwärtigen Hintergrundsbeschallung) zu verstehen, zu den Grundfähigkeiten des Menschen gehört, welche im Rahmen des von der Krankenversicherung abzudeckenden Basisausgleichs so weit wie möglich mit den Mitteln der Krankenversicherung auzugleichen sind.

Der Begriff des Basisausgleichs ist dabei keineswegs missverständlich dahingehend zu verstehen, dass das Maß des zu beanspruchenden Behinderungsausgleichs im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten beschränkt würde. Vielmehr wird durch diesen Begriff lediglich klargestellt, welche im Falle einer Behinderung durch Hilfsmittel ausgleichbaren Fähigkeiten eines Gesunden durch die gesetzliche Krankenversicherung auszugleichen sind. In ständiger Rechtsprechung zählt das BSG hierzu insbesondere die sogenannten Grundbedürfnisse, nämlich die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke und behinderte Mensch mit Hilfe des Hilfsmittels wieder aufschließen soll, Urteil vom 06.08.1998, B 3 KR 3/97 R, m.w.N.

Einschränkend wirkt sich der Begriff des Basisausgleichs auf den Leistungsanspruch des Versicherten daher erst dann aus, wenn durch das Hilfsmittel Bedürfnisse befriedigt werden sollen, die außerhalb dieses Basisausgleichs liegen, weil sie keine Grundbedürfnisse mehr darstellen, so etwa die Fähigkeit, einen Pkw zu nutzen (BSG a.a.O.), die Erschließung eines Bewegungsradius, den auch Gesunde regelmäßig nicht mehr zu Fuß zurücklegen (Urteil vom 16.09.1999, B 3 KR 8/98 R), oder die Fähigkeit, ein Hochschulstudium zu absolvieren (Urteil vom 30.01.2001, B 3 KR 10/00 R).

Ist jedoch die Fähigkeit (das Grundbedürfnis) zu hören betroffen, geht es also insbesondere darum, die Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen Menschen sicherzustellen oder wesentlich zu erleichtern, fällt dies eindeutig in den Bereich des von der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichernden Basisausgleichs.

Eine Einschränkung des zu beanspruchenden Behinderungsausgleichs ergibt sich im Rahmen der Grundbedürfnisse auch nicht etwa in quantitativer Hinsicht aufgrund der vom Gesetz weitgehend synonym verwendeten Begriffe "ausreichend", "notwendig", "zweckmäßig" und "wirtschaftlich".

Ausreichend ist grundsätzlich diejenige Versorgung, die den Fähigkeiten eines Gesunden am nächsten kommt. Ein Ausschluss aus Wirtschaftlichkeitsgründen kommt solange nicht in Betracht, wie das jeweilige Hilfmittel im Vergleich zur preisgünstigeren Alternative im Alltagsleben zu einem deutlichen Gebrauchsvorteil führt, BSG vom 06.06.2002, B 3 KR 68/01 R. Eine zusätzliche Kosten-Nutzen-Erwägung kann nach dieser zutreffenden Entscheidung allenfalls dann geboten sein, wenn der zusätzliche Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels im Alltagsleben eher gering ist, die dafür anfallenden Kosten hingegen als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen sind.

Im Einklang mit den beiden Hauptkriterien, anhand derer die Hilfsmittel-Richtlinien den Versorgungserfolg von Hörhilfen bemessen, und entgegen LSG Stuttgart, L 11 KR 1913/04 vom 08.03.2005, ist daher jedes Mehr an Sprachverstehen und Richtungsgehör (oberhalb der Messfehlergrenze) als wesentlicher Gebrauchsvorteil in dem o.g. Sinne anzusehen. Der in der erwähnten Entscheidung enthaltene Hinweis an den Versicherten, er könne sich schließlich zwecks besseren Verstehens der "Schallquelle zuwenden" und benötige die begehrte, nicht zwingend notwendige Mehrmikrofontechnik daher nicht, erscheint vor diesem Hintergrund zumindest grenzwertig. Er ist jedenfalls dann verfehlt, wenn dieses "Zuwenden" ein bei eingeschränktem Richtungshören nur unter Schwierigkeiten und nicht unerheblichem Zeitaufwand mögliches "Suchen" nach der Schallquelle beinhaltet, denn nach erfolgreicher "Ortung" und Hinwendung hat der Hörgeschädigte den Inhalt des Gesagten bereits verpasst.

Im Falle einer Hörhilfenversorgung wird nach Auffassung der Kammer die Grenze des nicht mehr Notwendigen vielmehr erst durch das Normalgehör gezogen, wenn also etwa die Hörschwelle durch das Hilfsmittel über die dem Normalgehör eines jungen Menschen entsprechende Schwelle von 0 dB hinaus angehoben werden soll. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kann deshalb keine Versorgung begehrt werden, die Fähigkeiten eines besonders scharfen, geschulten oder gar absoluten Gehörs vermittelt. Wegen eher geringen Alltagsnutzens ausgeschlossen und zugleich nicht mehr vom Basisausgleich umfasst wäre daher etwa die Fähigkeit eines Dirigenten eines Sinfonieorchesters, die achte von der neunten Zweiten Geige unterscheiden zu können. Solange sich jedoch das Sprachverstehen und/oder das Richtungsgehör steigern lassen, auch solange sich Klangverzerrungen, Rückkopplungen und andere den natürlichen Höreindruck nachteilig verändernde Verstärkungsfolgen merklich reduzieren lassen, so lange bleibt die gesetzliche Krankenversicherung nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen auch zur Versorgung mit dem jeweils besseren Hilfsmittel verpflichtet.

Die Einschätzung der Kammer, dass die vom Akustiker vorgenommene Versorgung seinerzeit ausreichend und wirtschaftlich war, wird durch die Stellungnahme des MDK vom 08.06.2007 nicht nur nicht in Frage gestellt sondern bestätigt. Hiernach steht im Ergebnis fest, dass die Hörbehinderung der Klägerin so schwierig zu versorgen ist, dass nur durch die streitigen Geräte eine ausreichende, nämlich bestmögliche Versorgung erzielt werden kann, die aber gleichwohl noch weit hinter den Möglichkeiten eines Normalgehörs zurückbleibt.

Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ist vorliegend in der Wahl der streitigen Geräte weder seitens der Klägerin noch seitens des Akustikers ersichtlich, da allein durch diese Geräte eine ausreichende Versorgung erfolgt.

Eine Pflicht zur Zuzahlung seitens der Klägein ergibt sich daher nur entsprechend § 61 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 in Höhe von 10 EUR je Hörgerät. Im Übrigen bleibt die Beklagte verpflichtet, die streitigen Geräte der Klägerin als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Wie sie dies letztlich bewerkstelligt, bleibt der Beklagten überlassen, ob sie also, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vergleichsweise vorgeschlagen, unter Annahme eines über den vollen veranschlagten Kaufpreises abgeschlossenen Kaufvertrages zwischen Akustiker und Klägerin letzterer den Kaufpreis erstattet, oder - der Rechtsnatur des Sachleistungsanspruches gemäß - dem Akustiker den ihm im Ergebnis von Verhandlungen zustehenden Kaufpreis (etwa nach Abzug eines Abschlags für das zweite Gerät) zukommen lässt. Ohne dass dies von der Kammer zu entscheiden wäre, wird lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte auch gegenüber dem Akustiker nicht wird auf die vertraglich vereinbarte Versorgungspauschale berufen können. Da nach einschätzung des Gerichts bei leistungsfähigen modernen Hörgeräten wie den hier streitigen bereits der Einkaufspreis des Akustikers diesen Festbetrag bei weitem übersteigt, liegt es auf der Hand, dass die Weigerung, die Geräte zum Pauschalpreis herauszugeben, nicht etwa auf einem übertriebenen, unangemessenen Gewinnstreben des Akustikers sondern auf der zu geringen Höhe der Pauschale beruht, worauf noch einzugehen ist. Hierdurch wird der Akustiker keineswegs in die Lage versetzt, die schwierigeren Versorgungsfälle gleichsam im Sinne einer Mischkalkulation durch die Gewinne aus den zum Festbetrag zu versorgenden Fälle mitzuversorgen.

Eine Einschränkung des Sachleistungsanspruchs der Klägerin ergibt sich auch nicht aufgrund der Festbetragsregelung des § 33 Abs 2 Satz 1 i.V.m. §§ 35, 36 SGB V.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass nach den Feststellungen des Gerichts der seinerzeit maßgebliche Festbetrag in Höhe von 828,88 EUR ebensowinig wie der von der Beklagten dem Akustiker zugesagte Gesamtbetrag in Höhe von 1244 EUR (Festbetrag zuzüglich vertraglicher Reparaturpauschalen in Höhe von je 209 EUR) für den Ausgleich der bei der Klägerin konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreichte.

Die entsprechende Erwägung des BSG, der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenze die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn er im Einzelfall für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche (Urteil vom 23.01.2003, B 3 KR 7/02 R), hält die Kammer nicht für zutreffend. Gemäß § 12 Abs 2 SGB V erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag, wenn für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Eine über den (wirksam festgesetzten) Festbetrag hinausgehende Leistungspflicht der Krankenkasse soll also nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht bestehen, auch wenn im Einzelfall die Leistung durch den Festbetrag nicht bewirkt werden kann, vgl. BT-Drucks 11/2237 (Regierungsentwurf zum Gesundheitsreformgesetz), Seite 164. Anderenfalls verlöre der Festbetrag seine Funktion und stellte nicht mehr als eine bloße Empfehlung oder Richtgröße dar. Da die erwähnten Ausführungen des BSG für seine Entscheidung nicht tragend waren (der dortige Kläger hatte sich das Hilfsmittel tatsächlich zum Festbetrag verschafft), es sich mithin um ein bloßes obiter dictum handelte, erübrigen sich insoweit allerdings weitere Ausführungen.

Die Verbindlichkeit eines (wirksamen) Festbetrages auch im Ausnahmefall wird durch die Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2002, 1 BvL 29/95, Rdz. 144-147, bestätigt. Indem sich der Erste Senat gehalten sieht, einerseits darauf hinzuweisen, dass mit den gesetzlichen Festbetragsregelungen keine Abkehr vom Sachleistungsprinzip verbunden sei, und andererseits darauf, dass eine gesetzeskonforme Festbetragsfestsetzung dann nicht mehr vorliege, wenn die Versicherten die ihnen zustehenden Sachleistungen nur noch ausnahmsweise ohne Eigenbeteiligung erhalten könnten, und schließlich die Bedeutung der (fach)gerichtlichen Kontrolle der Festbetragsfestsetzung betont, wird deutlich, dass nicht die Anwendbarkeit der Festbeträge im Einzelfall sondern die Wirksamkeit der jeweiligen Festbetragsfestsetzung als solche der gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden soll.

Ein Leistungsausschluss hinsichtlich der von der Klägerin gewählten, zum Festbetrag nicht erhältlichen Versorgung ergibt sich trotz der grundsätzlichen und ausnahmslosen Verbindlichkeit von Festbeträgen aber vorliegend deshalb nicht, weil die von der Beklagten angewendeten Festbeträge unwirksam sind.

Es kann dabei dahinstehen, ob die hier nach Auffassung der Beklagten anwendbaren Festbeträge (Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 für die Festbetragsgruppen Einlagen, Hörhilfen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Sehhilfen, Stomaartikel, am 1. Januar 2005 bundesweit in Kraft getreten und am 10. Dezember 2004 im Bundesanzeiger Nr. 235 a veröffentlicht) bereits aus formalen Gründen rechtswidrig und daher nicht anwendbar sind, etwa weil es in der Bekanntmachung an einem Hinweis fehlte, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können, vgl. den Hinweis des BSG in der Termin-Vorschau Nr. 12/06 zur mündlichen Verhandlung des 3. Senats am 23.03.2006 zum später aufgehobenen Verhandlungstermin in dem Verfahren B 3 KR 10/05 R. Ob angesichts von § 35 Abs 2 Nr 5 SGB X tatsächlich allein aus dem Fehlen eines derartigen Hinweises auf die Unwirksamkeit der Festbetragsfestsetzung geschlossen werden kann, braucht hier ebensowenig entschieden zu werden, wie die Frage, ob der bekanntgemachte Text, der sich im wesentlichen auf die Wiedergabe der einschlägigen Gesetzestexte und die eigentlichen Festbeträge beschränkt, den vollständigen Verwaltungsakt nebst Begründung darstellen soll.

Die Unwirksamkeit der Festbetragsfestsetzung ergibt sich jedenfalls daraus, dass die festgesetzten Beträge zur Überzeugung des Gerichts der Höhe nach nicht geeignet waren, im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung der Versicherten mit Hörhilfen zu gewährleisten.

Das Gericht gewinnt diese Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Die insgesamt zur Verfügung stehenden Informationen lassen den Schluss zu, dass für eine ausreichende Versorgung eines Schwerhörigen mit Hörgeräten pro Ohr durchschnittlich ein Betrag in Höhe von mindestens 1000 EUR erforderlich ist und dass nur im relativ seltenen Ausnahmefall einer reinen Mittelohrschwerhörigkeit eine ausreichende Versorgung zu dem hier maßgeblichen Festbetrag von 421,88 EUR (für das erste Gerät, unabhängig von Gruppe, also von der Zahl der Kanäle und der weiteren Ausstattung, ohne Ohrpassstück), möglich ist.

Die Ergebnisse der Studien des WIdO und des IKK-Bundesverbandes, wonach sich die Summe der von den Kassen übernommenen Festbeträge und der durchschnittlichen Zuzahlungen der Versicherten je Ohr in etwa in der genannten Höhe von 1000 EUR bewegt, decken sich mit der Einschätzung im Gutachten Kießling, der Kosten pro Gerät von 1000 bis 1200 EUR veranschlagt. Dass er hierbei eine bestimmte Art der Schwerhörigkeit, die Lärmschwerhörigkeit, mithin eine IOS, zugrundelegt, ändert nichts an der Verwertbarkeit seiner sachverständigen Einschätzung, da auch der weit überwiegende Teil der Allgemeinbevölkerung, der ohne Nachweis einer beruflichen Verursachung an einer Schwerhörigkeit leidet, von einer auschließlichen oder überwiegenden IOS betroffen ist, wie sich den überzeugenden Ausführungen des Herrn Prof. Dr. med. Seifert entnehmen lässt, der den Anteil der Schallleitungsschwerhörigkeiten auf unter 5% beziffert.

Auch die Tatsache, dass im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung die Rehabilitation des Versicherten "mit allen geeigneten Mitteln" zu betreiben ist, ohne dass wie in der gesetzlichen Krankenversicherung das Gebot der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich normiert wäre, führt zu keinem anderen Bewertungsmaßstab. Wie oben bereits gezeigt, schuldet auch die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Erfüllung von Grundbedürfnissen den bestmöglichen Behinderungsausgleich, ohne dass eine Abwägung des Fähigkeitsgewinns gegen die hierfür aufzuwendenden Kosten zulässig wäre. Ausreichend im Sinne von § 36 Abs 3 i.V.m. § 35 Abs 5 Satz 1 SGB V ist diejenige Versorgung, die den Fähigkeiten eines (Hör)Gesunden am nächsten kommt. Da auch im Bereich der Unfallversicherung kein Anspruch auf eine nicht notwendige Versorgung (überflüssige sogenannte Gimmicks, rein optische Verbesserungen o.ä.) besteht, lassen sich die Ergebnisse aus diesem Rechtsgebiet auch insoweit auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen.

Das gefundene Ergebnis wird schließlich auch durch einen internationalen Vergleich unterstützt: In der Schweiz gelten seit 2006 Hörgeräte-Tarife, die je nach Indikation Gesamtkosten (incl. Dienstleistung des Akustikers) bei einseitiger Versorgung von umgerechnet ca. 1000 bis 1550 EUR, bei beidseitiger Versorgung von ca. 1600 bis 2600 EUR vorsehen. Der entsprechende "Tarifvertrag" ist auf der Internetseite der Zentralstelle für Medizinaltarife in Luzern (www.zmt.ch) veröffentlicht und kann zumindest als zusätzliches Argument als allgemeinkundige Tatsache bei der Entscheidung berücksichtigt werden ...

Wenngleich es demnach möglich erscheint, dass im Einzelfall auch einmal ein Schwerhöriger zu den hier anwendbaren Festbeträgen ausreichend versorgt werden kann, insbesondere dann, wenn er an einer reinen Schallleitungsschwerhörigkeit leidet, lässt sich doch einwandfrei feststellen, dass innerhalb der Festbeträge im Regelfall eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht möglich ist, sodass eine nähere Definition der Bedeutung des Begriffs "im Allgemeinen", die das BVerfG, a.a.O., Rdz. 145, den (Fach)Gerichten überlässt, im Hinblick auf das festgestellt "umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis" entbehrlich erscheint.

Die Kammer ist der Überzeugung, dass jedenfalls bei der vorgenommenen statistischen Betrachtung das Ergebnis der beiden vorliegenden Studien den zwingenden Schluss zulässt, dass eine ausreichende Versorgung mit Hörhilfen tatsächlich im Allgemeinen nur gegen erhebliche Eigenbeteiligung möglich war und ist. Zwar mag es im Einzelfall nicht auszuschließen sein, dass ein Versicherter trotz objektiv fehlender Notwendigkeit eine wesentlich teuerere Versorgungsvariante, etwa aus bloßen ästhetischen Erwägungen oder aus reiner Technikbegeisterung heraus wählt. Dass aber weit über 80% der Versorgungsfälle aus derartigen objektiv nicht nachvollziehbaren Erwägungen heraus zu erheblichen Eigenbeteiligungen der Versicherten führen, ist völlig fernliegend.

Der diesbezügliche Einwand des IKK Bundesverbandes, von den Versicherten werde teilweise eine Versorgung gewünscht, die medizinisch nicht indiziert sei, vermag daher ebensowenig zu tragen, wie die Feststellung, die Studien belegten, dass eine zuzahlungsfreie Versorgung in einer signifikant hohen Zahl an Versorgungsfällen unabhängig vom Grad der Schwerhörigkeit zu einer hohen Zufriedenheit bei den Versicherten führe. Zwar ist auch ein Anteil von 12,8% der Befragten (204 von 1596 Befragten der Tabelle auf Seite 174 der Studie), die mit der Hörgeräteversorgung sehr zufrieden bzw. zufrieden waren, ohne eine Zuzahlung geleistet zu haben, als signifikant zu bezeichnen. Den Beleg dafür, dass mit den geltenden Festbeträgen im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist, vermag diese Zahl aber beileibe nicht zu liefern. Zudem sagt die subjektive Zufriedenheit der Befragten, deren Auswahl nicht überprüfbar ist, nichts darüber aus, woher diese Zufriedenheit rührt, ob etwa daher, dass die im Befragungszeitraum getragenen Geräte lediglich besser waren als die noch schlechteren, zuvor getragenen (oder in der Schublade verwahrten) Geräte. Erst Recht lässt diese Angabe keine Aussage dazu zu, ob die jeweilige Versorgung ausreichend in dem o.g. Sinne ist, was zugleich eine Bewertung des Umstands unmöglich macht, dass der Grad der Zufriedenheit offenbar weder maßgeblich vom Grad der Schwerhörigkeit noch von der Höhe des Zuzahlungsbetrages noch von der Bauart der Geräte abhängig ist. Gänzlich unwahrscheinlich erscheint es jedenfalls der Kammer, die bereits eine Vielzahl von Hörgeräte-Versorgungen zu beurteilen hatte, die jeweils das Gegenteil belegten, dass auch die Qualität der Versorgung und das Maß des erzielbaren Hörgewinns von den vorgenannten Faktoren (Schwerhörigkeitsgrad, Preis und Bauart) unabhängig sein sollen.

Auch der Hinweis auf das Verkaufsverhalten der Akustiker und den unzureichenden Wettbewerb im Bereich der Hörhilfenversorgung vermag das gefundene Ergebnis jedenfalls bezogen auf den Leistungsanspruch der Versicherten gegenüber ihrer Krankenkasse nicht zu entkräften. Wenn es den Kassen nicht gelingt, ihre Vertragspartner wirksam dazu zu verpflichten, annähernd jeden Versicherten mit einer jeweils geeigneten und ausreichenden Hörhilfe zu versorgen und nicht lediglich ein zuzahlungsfreies aber unzureichendes Versorgungsangebot (bzw. deren zwei) zu machen, wird der gesetzliche Leistungsanspruch der Versicherten nicht erfüllt. Da nach den Angaben in der WIdO-Studie zudem jedenfalls bei leistungsfähigen modernen Hörgeräten bereits der Einkaufspreis des Akustikers den Festbetrag bei weitem übersteigt, liegt es auf der Hand, dass diese Nichterfüllung der Ansprüche der Versicherten auf der zu geringen Höhe der Festbeträge beruht. Dies gilt letztlich auch für die im Einstandspreis günstigeren Geräte, der in der genannten Studie (Festbetragsgruppe 3) mit 540 bzw. 545 DM angegeben wird. Die dem Akustiker bei Abgabe zum Festbetrag verbleibende Marge von etwa 150 EUR mag zwar ausreichen, um bei einfach gelagerten Fällen (Schallleitungsschwerhörigkeiten ohne Besonderheiten) den mehrstündigen Dienstleistungsaufwand abzudecken und zudem einen (kleinen) Gewinn für den Inhaber zu erwirtschaften. Keineswegs wird der Akustiker hierdurch aber in die Lage versetzt, die Vielzahl der schwierigeren Versorgungsfälle gleichsam im Sinne einer Mischkalkulation ausreichend mitzuversorgen und noch immer am Markt existieren zu können.

Insoweit der IKK Bundesverband vorträgt, für einen Vorteil digitaler im Vergleich zu analogen Geräten existiere kein wissenschaftlicher Beleg; vielmehr belegten die vorliegenden Studien, dass gerade hochgradige und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeiten überproportional häufig mit Festbetragsgeräten versorgt würden, vermag auch dies die Feststellungen der Kammer nicht in Frage zu stellen. Zum einen stellen auch die sachverständigen Äußerungen des Herrn Prof. Kießling und des Herrn Prof. Seifert, da aus berufenem Munde, wissenschaftliche Belege, wenn auch niedriger Evidenz (Expertenmeinungen) dar. Zudem besagt der Umstand, dass derart hochgradige Schwerhörigkeiten in der Praxis oftmals mit einfachen "Kassengeräten" versorgt werden, keineswegs, dass hierdurch eine ausreichende Versorgung erzielt wird. Im Gegenteil ist die Vermutung gerechtfertigt, dass in derart schwer zu versorgenden Fällen oftmals hochbetagter Versicherter der Versuch einer den technischen Möglichkeiten nach optimale Versorgung mit Hochleistungsgeräten wegen der zu erwartenden Zuzahlungen in vierstelliger Höhe erst gar nicht unternommen wird und stattdessen preiswerte "Schubladengeräte" abgegeben werden, was die denkbar unwirtschaftlichste Versorgungsvariante darstellt.

Zum anderen ist das Fehlen umfangreicherer Studien von höherer wissenschaftlicher Aussagekraft als denjenigen der von den Kassenverbänden vorgelegten ganz wesentlich dem Unterlassen der Spitzenverbände der Krankenkassen anzulasten. Die den Spitzenverbänden gemäß § 36 Abs 3 i.V.m. § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V obliegende, mindestens jährliche Überprüfung der Festbeträge findet augenscheinlich nicht statt, da anderenfalls auf die alarmierenden Ergebnisse der beiden vorliegenden Studien hin nähere Ermittlungen zum Versorgungsstand im Hörhilfenbereich angestellt und deren Ergebnisse auf die gerichtliche Anfrage hin vorgelegt worden wären.

Schließlich ergibt sich auch aus dem erklärten Ziel der Studien, die Vorteile der einzelnen Versorgungswege (insbesondere des "verkürzten") zu untersuchen, kein für die Wirksamkeit der Festbeträge sprechender Aspekt. Zwar lässt sich in der Tat feststellen, dass der Abgabepreis für Hörgeräte bei Online-Bestellungen regelmäßig deutlich niedriger ausfällt. Zum einen ändert dies aber nichts daran, dass auch diese Versorgungsvariante überwiegend nur gegen Eigenbeteiligung erfolgt. Zum anderen lässt dies völlig außer acht, dass die vom Akustiker zu erbringende, für den erzielten Hörerfolg wesentliche Dienstleistung der Anpassung bei desem Versorgungsweg entfällt, da weder der Versicherte selbst, noch der Online-Händler (mangels Anwesenheit) noch der HNO-Arzt (mangels entsprechender Ausbildung) die Anpassung vornehmen kann. Erst Recht entfällt die von den Kassenverbänden vertraglich von den Akustikern geforderte vergleichende Anpassung, sodass hier im Regelfall keine qualitativ sinnvolle Alternative aufgezeigt wird. Ausnahmsweise mag eine derartige Direktversorgung sinnvoll sein, wenn bei gleichgebliebenem Hörbefund eine Neuversorgung mit identischem Gerät ansteht.

Auch die in der WIdO-Studie genannte Summe der jährlich von gesetzlich Versicherten für die Hörgeräteversorgung erbrachten Zuzahlungen von ca. 300 Millionen DM bestätigt, dass das Sachleistungsprinzip im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen de facto längst nicht mehr gilt. Das vom BVerfG betonte Festhalten am Sachleistungsgrundsatz, was den Regelfall erheblicher Eigenanteile gerade ausschließt, entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sodass letztlich dahinstehen kann, ob ein Abgehen von diesem Prinzip durch eine allein vom Gesetzgeber zu treffende Entscheidung mit dem Pflichtversicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung, das wegen seiner Beitragslast eine daneben privat finanzierte Zusatzversicherung im Regelfall unmöglich macht (BVerfG vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98), verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre. Jedenfalls eine im Ergebnis gleich wirkende Entscheidung durch die Spitzenverbände im Wege einer unzureichenden Festbetragsfestsetzung ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

Die Aussagekraft der beigezogenen Ermittlungsergebnisse entfällt auch nicht durch bloßen Zeitablauf. Zwar werden heute, bzw. im maßgeblichen Zeitraum im Jahr 2006, viele der im Erhebungszeitraum noch teueren Hörgeräte entsprechend der allgemeinen Entwicklung bei digitaler Technik preiswerter, u.U. auch bereits zum Festbetrag erhältlich sein. Da im gleichen Zeitraum aber auch die technische Entwicklung weiter fortgeschritten ist und mit der neuesten, weiterhin nur weit oberhalb des Festbetrages erhältlichen Technik auch ein zusätzlicher Hörgewinn erzielbar geworden ist, steht nach Auffassung der Kammer der vollständigen Verwertung dieser Ermittlungsergebnisse nichts im Wege.

Das Gericht kann und muss schließlich auch über die Wirksamkeit der Festbeträge entscheiden, da es hierauf für die Prüfung des Anspruchs der Klägerin ankommt. Soweit das LSG Berlin-Brandenburg, L 4 KR 12/01, vom 28.11.2003, (ähnlich, allerdings mit nur knapper Begründung die von der Beklagten zitierte Entscheidung des LSG München vom 25.08.2005 - L 4 KR 150/04) eine inzidente Prüfung der Festbeträge im Leistungsstreit für ausgeschlossen hält, ist dem entgegenzutreten.

Bereits der erste Schritt der Begründung der genannten Entscheidungen, bei der Festsetzung der Festbeträge handele es sich um Allgemeinverfügungen (unter Hinweis auf KassKomm-Hess, § 35 SGB V, Rdz. 15), erscheint trotz der dies bestätigenden Gesetzesmaterialien und der Ausführungen des BVerfG (Urteil vom 17.12.2002, 1 BvL 29/95, Rdz. 138f) jedenfalls im Verhältnis zu den Versicherten zweifelhaft. Der Festbetragsfestsetzung fehlt es nach Auffassung der Kammer insoweit an der für jeden Verwaltungsakt zwingend erforderlichen Einzelfallregelung, sodass sie (im Verhältnis zu den Versicherten) als Akt der Rechtsetzung zu qualifizieren ist, welcher Art (Rechtsverordnung, Richtlinie, Satzungsrecht etc.) kann dahinstehen.

Voraussetzung für die Qualifizierung eines Akts der öffentlichen Gewalt als Allgemeinverfügung ist stets, dass "die getroffene Regelung nicht in der Form eines Rechtssatzes erfolgt", Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 35, Rdz. 102, m.w.N. Erfordert die Anwendung des zu betrachtenden Rechtsaktes zusätzliche eigenständige Prüfungsschritte, handelt es sich nicht um eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung, BSG vom 04.10.1994, 7 KlAr 1/93. Da durch die Festbetragsfestsetzung jedoch, wie die gegenüber der Klägerin ergangenen, sich auf die individuellen Verhältnisse der Klägerin beziehenden, Verwaltungsakte der Beklagten eindrucksvoll bestätigen, die Ansprüche einzelner Versicherter nicht unmittelbar geregelt werden, kann sie insoweit auch nicht als Allgemeinverfügung im Sinne von § 31 Satz 2 SGB X angesehen werden. Etwas anderes mag im Verhältnis zu den Leistungserbringern gelten, die infolge der Festbetragsfestsetzung für jeden Fall der Abgabe einer ärztlich verordneten Hörhilfe regelmäßig einen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse nur in Höhe des Festbetrages erwerben.

Dem steht nicht etwa entgegen, dass der Gesetzgeber für die Festbetragsfestsetzung eine Rechtsschutzmöglichkeit (§ 35 Abs 7 SGB V) vorgesehen hat, da hierdurch zwar eine abstrakte Prüfungsmöglichkeit aufgezeigt wird, ohne dass dies jedoch Einfluss auf die Rechtsqualität der Festbetragsfestsetzung haben kann. Auch diejenigen Rechtsvorschriften, die etwa der abstrakten Normenkontrolle nach § 47 Abs 1 VwGO unterworfen sind, werden hierdurch nicht etwa zum Verwaltungsakt; sie bleiben Rechtsnorm.

Gegen den Charakter der Festbetragsfestsetzung als Allgemeinverfügung spricht ferner, dass der von ihr betroffene Personenkreis, die Adressaten, jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe weder bestimmt noch bestimmbar ist. Der Personenkreis lässt sich weder danach bestimmen, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe gesetzlich krankenversichert ist, noch danach wer als Schwerhöriger zumindest potentiell zum Kreis der durch Hörhilfen zu Versorgenden gehört. Anderenfalls verfehlte die Festbetragsfestsetzung für diejenigen Personen ihren Zweck, die im Bekanntgabezeitpunkt nicht gesetzlich versichert und/oder nicht schwerhörig sind, es aber später werden.

Nach alledem mag der Festbetragsfestsetzung zwar gegenüber den betroffenen Leistungserbringern die Rechtsnatur einer Allgemeinverfügung zukommen, nicht jedoch im Verhältnis zu den im zeitlichen Geltungsbereich betroffenen Versicherten.

Jedenfalls aber der Schluss aus der unterstellten Rechtsnatur der Festbetragsfestsetzung als Allgemeinverfügung darauf, dass ihre Rechtmäßigkeit nicht im Leistungsstreit inzident, sondern ausschließlich im Verfahren gemäß § 36 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 35 Abs. 7 SGB V überprüft werden könnte (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), sodass dem Gericht die im Falle der Einordnung als untergesetzliche Rechtsnorm zustehende Verwerfungskompetenz genommen wäre, verbietet sich vor dem Hintergrund der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs 4 GG bzw. des Gebots des effektiven Rechtsschutzes.

Da die Klage gemäß § 35 Abs 7 SGB V gegen den Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung) Festbetragsfestsetzung als Anfechtungsklage im Sinne von § 78 SGG (BSG vom 24.11.2004, B 3 KR 16/03 R) der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG unterfällt, träte auch dem Versicherten gegenüber mit Ablauf der Frist Bestandskraft ein, ohne dass er dies im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung absehen könnte, ja selbst für den Fall, dass er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gesetzlich krankenversichert (oder schwerhörig) und damit potentiell von der Allgemeinverfügung betroffen wäre, es ihm mithin an der Klagebefugnis fehlte.

Auch der Rechtsprechung des BVerfG, a.a.O., lässt sich derartiges nicht entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die in § 35 Abs 7 SGB V vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle (in erster Linie den betroffenen Leistungserbringern) lediglich eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet, ohne die Möglichkeit der Inzident-Prüfung im Leistungsstreit zu verschliessen. Anderenfalls wäre es nicht nahcvollziehbar, dass das BVerfG zwar einerseits ausführt, Verfassungsrecht gebiete es nicht, Festbeträge durch Rechtsverordnung festzusetzen (Rdz. 105 a.a.O.), sich dann aber jeglicher Ausführung zu Fragen des Rechtsschutzes im Einzelfall (Leistungsfall) enthält. Derartige Ausführungen wären aber zu erwarten gewesen, wenn das BVerfG eine derartige Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit auf die Klage nach § 35 Abs 7 SGB V angenommen hätte.

Eine Rechtsvorschrift, die gegen höherrangiges Recht verstößt, ist regelmäßig nichtig, also von Anfang an unwirksam, und deshalb vom Richter bei der Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren unberücksichtigt zu lassen, BSG vom 04.12.2007, B 2 U 36/06 R. Nähme man mit dem LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. an, dass dem Gericht im Leistungsstreit hinsichtlich der Festbetragsfestsetzung keine derartige, für das Rechtsstaatsprinzip wesentliche Verwerfungskompetenz zukäme, ginge dies im Ergebnis mit einem Rechtsmittelausschluss jedenfalls für diejenigen Versicherten einher, die bis zur Bestandskraft der "Allgemeinverfügung" mangels eigener Betroffenheit nicht klagebefugt waren. Eine so weitreichende Schlussfolgerung aus der zitierten Entscheidung des BVerfG zu ziehen, ist weder geboten noch zulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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