L 11 R 1333/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2617/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1333/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1953 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau mit Weiterbildung zur Finanzbuchhalterin (1977 bis 1978). Seit 1978 ist sie als Buchhalterin versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis November 2005 in einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden pro Woche, danach reduziert auf 5 Stunden. Das Arbeitsverhältnis besteht noch fort. Seit 01. November 2005 bezieht sie Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Der Grad der Behinderung der Klägerin liegt bei 50.

Am 11. Juli 2005 beantragte die Klägerin wegen psychosomatischer Beschwerden, Migräne und schwerer Schmerzzustände die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine orthopädische und nervenfachärztliche Begutachtung der Klägerin. Der Orthopäde Dr. P. beschrieb eine Migräne ohne Aura sowie ein Cervikalsyndrom bei Fehlstatik und Migräne. Die Funktion der Halswirbelsäule (HWS) sei völlig frei und ohne Anhalt für Blockierungen, maximale Schmerzpunkte ließen sich nicht finden. Insofern handele es sich bei den mit der Migräne auftretenden rechtsseitigen Nackenschmerzen am ehesten um ein sekundäres Geschehen, welches eine deutlich untergeordnete Rolle für die Schmerzsymptomatik spiele und für die Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht relevant sei. Die aus orthopädischer Sicht möglichen konservativen therapeutischen Maßnahmen seien bereits weitestgehend ausgeschöpft und hätten bisher zu keinem Erfolg geführt. Die Klägerin sei sicher durch ihre migränebedingten Beschwerden in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Aus orthopädischer Sicht ergäben sich allerdings keine wesentlichen Einschränkungen, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei weiterhin vollschichtig möglich. Die Klägerin müsse sich wirbelsäulengerecht mit Vermeidung von Dauerbelastungen des Schulter-Nacken-Gürtels in Zwangshaltungen verhalten. Der Psychiater A. diagnostizierte eine depressive Verstimmungsbereitschaft bei histronisch aufgebauter Persönlichkeitsorganisation mit narzisstischen, perfektionistischen und zwanghaften Zügen und damit verbunden einer Bereitschaft zur Überlastung. Aus psychiatrischer Sicht könne die Klägerin sowohl ihre Tätigkeit als Buchhalterin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich arbeiten. Mit Bescheid vom 30. November 2005 lehnte die Beklagte gestützt hierauf den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei nach den ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in ihrem bisherigen Beruf als Buchhalterin erwerbstätig zu sein und deswegen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Krankheitsverlauf ihrer Migräne sei bereits chronisch. Sie verbringe durchschnittlich zwei Tage im Bett mit starker Migräne und Erbrechen im dunklen Zimmer. Danach fühle sie sich schlapp, müde und ausgelaugt von den Medikamenten, ohne die sie den Anfall nicht überstehen würde. Zudem leide sie an chronischer Erschöpfung verbunden mit Konzentrationsproblemen, die sich auf die Arbeit auswirkten. Nach Einholung eines Befundberichtes des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. W. veranlasste die Beklagte eine weitere nervenärztliche Begutachtung der Klägerin. Der Neurologe und Psychiater Dr. W. kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei der im Vordergrund stehenden Migräne ohne Aura noch vollschichtig Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wie auch ihre letzte berufliche Tätigkeit verrichten könne. Die Therapiemöglichkeiten seien bei ihr nicht ausgeschöpft. Erst wenn Therapieresistenz bestehe, könne eine dauerhafte Leistungseinschränkung definiert werden. Unter einer entsprechenden ambulanten medikamentösen Behandlung sei die Prognose bezüglich einer befriedigenden Migränebehandlung als überwiegend günstig anzusehen. Die Klägerin müsse lediglich Wechsel- oder Nachtschicht vermeiden. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juli 2006 den Widerspruch als unbegründet zurück. Weder der Befundbericht von Dr. W. noch das Gutachten von Dr. W. hätten weitere Befunde ergeben, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren bereits getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führen würden.

Mit ihrer dagegen am 19. Juli 2006 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter verfolgt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG den Hausarzt Dr. W. als sachverständigen Zeugen befragt, eine Arbeitgeberauskunft eingeholt und die Klägerin anschließend nervenfachärztlich begutachten lassen.

Dr. W., der die Klägerin seit 1995 behandelt, hat ausgeführt, dass die Klägerin seit 32 Jahren an Migräne leide, daneben bestünden ein chronisches HWS-Syndrom, rezidivierende Verspannungskopfschmerzen (seit 11 Jahren), Struma II, eine Refluxösophagitis, ein rezidivierender psycho-physischer Erschöpfungszustand (seit drei Jahren zunehmend), eine Hypercolesterinämie, eine Belastungsdyspnoe sowie eine arterielle Hypertonie. Aufgrund der ca. zweimal wöchentlich auftretenden Migräne sei die Klägerin seiner Auffassung nach nicht in der Lage, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig sechs Stunden täglich zu arbeiten. Sie wäre vielmehr darauf angewiesen, mittels Gleitzeit ihr wöchentliches Arbeitsprogramm zu bewältigen. Obwohl im Anfall die Medikamente doch relativ gut ansprächen, sei sie meist nicht in der Lage ihrer Arbeit nachzugehen. Darüber hinaus müsse sie Arbeiten unter Stress oder unter Mobbing unbedingt vermeiden.

Die AMP Generalplaner-GmbH hat mitgeteilt, die Klägerin sei zunächst in einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden pro Woche bei ein bis zwei Arbeitstagen wöchentlich im Büro und zuhause seit 01. November 2002 beschäftigt gewesen. Nach Änderungskündigung sei sie seit 01. November 2005 im Umfang von 5 Stunden pro Woche bei einem Arbeitstag wöchentlich tätig. Sie sei mit Buchhaltungsarbeiten, also Belege bearbeiten und abheften, Gehälter vorbereiten, Kassenführung und Schreiben, Überweisungen vornehmen, Zahlungseingänge kontrollieren und verfolgen, Schriftverkehr im Rahmen der Buchhaltung erledigen, Buchhaltung sortieren und ablegen sowie sonstige telefonische Erledigungen im Rahmen der Buchhaltung betraut. Arbeitsausfälle bestünden nicht, da sie immer die Stunden nacharbeiten würde.

Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat in seinem Gutachten ausgeführt, die Klägerin leide an langjährigen Kopfschmerzen ohne klinisch richtungweisende Befunde auch in der apparativen Diagnostik sowie psychopathologisch ohne eigenständige Beschwerden neben einer migränoiden Komponente und mit hinein spielend möglicherweise auch cervikogener (HWS-bedingter) Komponente ohne Anhalt für diesbezügliche neurologische (etwa radikuläre oder myelopathische) Komplikationen. Diese sollten einer - zumutbaren - Behandlung (ambulante Psychotherapie) zugeführt werden. Denn bei der Klägerin falle ein erhebliches Missverhältnis zwischen einer 35-jährigen Migräneanamnese und nicht stattfindender nervenärztlicher Betreuung auf. Insgesamt ließe sich kein Krankheitsbild belegen, welches unter zumutbarer Willensanspannung und zumutbarer Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmöglichkeiten zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führe. Wenigstens körperlich leichte Tätigkeiten könne sie noch vollschichtig verrichten. Dies gelte auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Die Wegefähigkeit sei nervenärztlicherseits nicht eingeschränkt.

Die Klägerin hat hierzu eine ärztliche Bescheinigung von Dr. W. vorgelegt, wonach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. nicht zu folgen sei und Versuche, durch prophylaktische Maßnahmen die Migränehäufigkeit zu reduzieren, leider fehlgeschlagen seien.

Die Klägerin hat weiter eine ärztliche Stellungnahme des Neurologen Dr. G. sowie des Nervenfacharztes Dr. M. zu den Akten gegeben. Dr. G. hat bezweifelt, dass es sich um eine klassische Migräne handele, sondern vermutete ein kombiniertes Kopfschmerz-Syndrom multifaktoreller Genese, welches kernspintommographisch abgeklärt werden müsse. Der neurologische Befund sei regelgerecht. Dr. M. hat einen Dauerschmerz mit zusätzlichen Schmerzattacken (Übelkeit und Erbrechen) beschrieben, wobei die medikamentösen Therapieverfahren ausgereizt seien. Der Schwerpunkt der Behandlung solle daher auf Entspannungsverfahren liegen.

Mit Urteil vom 21. Februar 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 28. Februar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen seien insgesamt nicht so stark ausgeprägt, dass sie dadurch gehindert wäre, einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auch als Buchhalterin nachzugehen. Dies stehe aufgrund des Gutachtens Dr. B. wie auch der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. P., dem Psychiater A. und von dem Neurologen und Psychiater Dr. W. fest. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe keine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens, die Klägerin leide lediglich an einem Cervikalsyndrom bei Fehlstatik. Unter Beachtung eines wirbelsäulengerechten Verhaltens mit Vermeidung von Dauerbelastungen des Schulter-Nacken-Gürtels in Zwangshaltungen sei sie durchaus noch in der Lage, auch Buchhaltertätigkeiten zu verrichten. Dies gelte auch hinsichtlich der Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Sie leide zwar seit Jahren an einem bestehenden Kopfschmerzsyndrom mit migränoider und cervikogener Komponente, jedoch ohne Anhalt auf neurologische Komplikationen. Es bestehe ein erhebliches Missverhältnis zwischen der ausdrücklich formulierten Migräneanamnese und nicht stattfindender nervenärztlicher Behandlung. Auch das Ausmaß der Kopfschmerzen werde erheblich diskrepant geschildert, nämlich von zweimal die Woche bis ein bis drei Tage andauernd und nicht wirklich erkennbaren Bemühungen, die aktuelle Behandlungsstrategie oder auch etwaige Behandlungsoptionen für die Zukunft zu klären. Aus den vorgelegten Berichten der Neurologen Dr. G. sowie des Neurologen und Psychiater Dr. M. sei eine andere Beurteilung nicht herzuleiten. Diese bescheinigten lediglich das bestehende Kopfschmerzsyndrom, welches bereits von dem Sachverständigen eingehend gewürdigt worden wäre. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie noch ihre Buchhaltungstätigkeit weiter sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne.

Mit ihrer dagegen am 17. März 2008 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, der Sachverständige Dr. B. habe ihrer Schmerzsymptomatik und der damit im Zusammenhang stehenden Migräneanfälle schlicht keinen Glauben geschenkt, obwohl dies durch die behandelnden Ärzte hinreichend dokumentiert worden wäre.

Sie hat hierzu einen Befundbericht von Dr. M., des Weiteren den Konziliarbericht der Diplompsychologin K. (mittelgradige depressive Episode) vorgelegt, wonach es zunehmend zu einem Kombinationskopfschmerz und infolge dessen zu einer depressiven Störung auch bei mangelnder Krankheitsbewältigung sowie Einschränkung einer regelmäßigen Lebensführung gekommen sei. Deswegen seien psychotherapeutische Maßnahmen und auch eine medikamentöse Behandlung der depressiven Überlagerung eingeleitet worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2008 sowie den Bescheid vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 2005 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer bisherigen Leistungseinschätzung durch den Gutachter Dr. H. bestätigt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat ein weiteres nervenärztliches Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. H. eingeholt. Dieser beschrieb einen guten Allgemeinzustand bei körperlich-neurologisch regelgerechtem Befund. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei insgesamt leicht reduziert, wobei sich Störungen der Konzentration, der Auffassung oder des Durchhaltevermögens nicht gezeigt hätten. Auch Anhaltspunkte für Störungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses lägen nicht vor. Die Klägerin leide an einem Kombinationskopfschmerz (Migräne und Spannungskopfschmerzen), der außerhalb akuter schwerer Kopfschmerzattacken keine bedeutsamen Leistungseinschränkungen bedinge. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine leichte depressive Episode vor, wobei die Kriterien für das Vorliegen einer Angststörung ebenso wenig erfüllt seien wie für eine eigenständige somatoforme Störung. Auffällig sei, dass sich die von der Klägerin angegebenen deutlichen Einschränkungen möglicher alltäglicher Aktivitäten auch außerhalb des Auftretens akuter schwerer Kopfschmerzattacken beschrieben worden wären und somit nicht nachvollziehbar seien. Die leichte depressive Episode sei einer Behandlung zugängig und die vorliegenden Kopfschmerzen ließen sich nur symptomatisch behandeln. Die Klägerin könne daher insgesamt noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von Akkord-, Wechsel- oder Nachtarbeit sowie unter besonderem Zeitdruck, besonderer Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie erhöhter Verantwortung oder besonderer (hoher) geistiger Tätigkeit verrichten.

Die Klägerin hat hierzu noch ärztliche Bescheinigungen von Dr. W. und Dr. M. vorgelegt, wonach sie aufgrund der zweimal wöchentlichen Migräneanfälle und der depressiven Symptomatik nur noch drei bis vier Stunden täglich ohne Stress arbeiten könne und die Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar erfüllt sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 15. August 2006 ergibt. Sie ist indessen weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Dies hat das SG in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen, des Gutachtens von Dr. B. sowie der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten von Dr. P., dem Psychiater A. und von dem Neurologen und Psychiater Dr. W. ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und sieht daher auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Die Ermittlungen im Berufungsverfahren führen zu keinem anderen Ergebnis. Danach steht vielmehr fest, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von Akkord-, Wechsel- oder Nachtarbeit sowie unter besonderem Zeitdruck, besonderer Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie erhöhter Verantwortung oder besonderer (hoher) geistiger Tätigkeit verrichten kann.

Auf neurologischem Fachgebiet liegt nach dem Sachverständigen Dr. H. ein Kombinationskopfschmerz ohne richtungsweisende Befunde vor, wobei die damit einhergehenden rechtsseitigen Nackenschmerzen, wie dies insbesondere Dr. P. ausgeführt hat, wohl am ehesten mit dem Cervikalsyndrom bei Fehlstatik erklärt werden können. Dieser Nackenschmerz stellt aber nach der Einschätzung des Orthopäden eine deutlich untergeordnete Rolle für die Schmerzsymptomatik dar. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit dem Befund von Dr. G., der ebenfalls eine klassische Migräne verneint und im Vordergrund der gesundheitlichen Beschwerden das komplexe Kopfschmerzgeschehen im Sinne eines kombinierten Kopfschmerz-Syndroms multifaktoreller Genese gesehen hat.

Sowohl Dr. B. wie Dr. H. haben dadurch keine bedeutsame Leistungseinschränkung quantitativer Art begründet gesehen. Der Senat konnte sich insoweit der abweichenden Beurteilung von Dr. W. und Dr. M. nicht anschließen, die ihre Einschätzung eines halbschichtigen Leistungsvermögens mit der Intensität der Migräneanfälle wie der Therapieresistenz der Erkrankung begründet haben. Nach den Angaben der Klägerin soll sie danach seit 35 Jahren an Migräne zweimal in der Woche leiden, wobei die Frequenz von ein bis drei Tage andauernd beschrieben wird, daneben fast täglich ein Kopfschmerz bestehe. Gegen die von ihr geschilderte Intensität der Kopfschmerzerkrankung spricht zur Überzeugung des Senats, dass bei der Klägerin offenbar bislang kein Leidensdruck vorliegt, dass sie entschlossen die ihr gutachterlicherseits vorgeschlagenen Therapieoptionen wahrnimmt. Sie behandelt vielmehr die Anfälle nur akut, aber nach Einschätzung des Psychiaters A. nicht ausreichend mit Arzneimitteln. Andere konservative Behandlungsmöglichkeiten wie Entspannungstechniken oder Rückengymnastik werden nicht durchgeführt. Erst im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde im April 2008 eine Psychotherapie eingeleitet, obwohl ihr diese bereits 2005 von dem Gutachter dringend angeraten wurde, und dies allein vor dem Hintergrund der sich anbahnenden depressiven Symptomatik, also nicht zur Kopfschmerzprophylaxe. Eine nervenärztliche Mitbehandlung findet nur einmal monatlich statt. An dem Ausmaß der Kopfschmerzanamnese bestehen auch deswegen erhebliche Zweifel, weil die geschilderte Medikation (Ibuprofen nur ein Mal pro Woche) gegen einen ständigen starken Spannungskopfschmerz spricht. Schließlich wäre bei den geschilderten Schlafstörungen und dem ständigen Erbrechen mit Appetitreduktion auch ein deutlich verminderter Allgemeinzustand zu erwarten gewesen, in dem sich die Klägerin aber gerade nicht zeigte. Auch Konzentrationsstörungen konnten nicht festgestellt werden.

Bei der Klägerin muss daher insgesamt daher davon ausgegangen werden, dass zum einen die Schmerzen nicht das von ihr geschilderte Ausmaß haben können, zum anderen die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft sind, möglicherweise durch die eingeleitete Psychotherapie auch von einer Besserung auszugehen ist, zumal die Klägerin die Gespräche als ausgesprochen hilfreich schildert.

Für die Richtigkeit der Beurteilung eines vollschichtigen Leistungsvermögens durch den Sachverständigen Dr. H. spricht weiter, dass die Klägerin sämtliche Fragen zu ihren Krankheiten, deren Behandlung und Medikation wie ihrem aktuellen Tagesablauf beantworten konnte. Dies belegt, dass keine Störungen der Konzentration, der Auffassung oder des Durchhaltevermögens vorgelegen haben können. Die Klägerin hat auch noch dem Sachverständigen Dr. B. gegenüber geschildert, dass ihr Haupthobby das Lesen sei, mithin eine Beschäftigung, die einer hohen Konzentration bedarf, erst gegenüber Dr. H. hat sie dies dahingehend eingeschränkt, dass sie das Gefühl habe, beim Lesen würden ihre Kopfschmerzen schlimmer.

Eine belangvolle Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet liegt nach dem Gutachten von Dr. H. ebenfalls nicht vor. Dieser hat zwar eine leichte depressive Episode beschrieben, die sich durch eine insgesamt leicht gedrückte Stimmungslage und eine leichte Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit geäußert hat. Die Kriterien einer Angsterkrankung oder einer eigenständigen somatoformen Störung werden dadurch jedoch nicht erfüllt. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Klägerin gegenwärtig einer psychotherapeutischen Behandlung unterzieht, diese offensichtlich einen guten Erfolg zeigt und deswegen noch nicht von einer Therapieresistenz ihrer Erkrankung oder gar von einem stärkeren Ausmaß ausgegangen werden kann.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie mit den bei ihr vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch ihren bisherigen Beruf als Buchhalterin sechs Stunden und mehr verrichten kann.

Der Sachverhalt ist aufgeklärt, insbesondere bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren schmerzsymptomatischen/neurologischen Gutachtens im Hinblick auf die Migräneerkrankung der Klägerin. Hierzu liegt dem Senat bereits das aktuelle Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vor, der u.a. Facharzt für Neurologie ist und auch als Psychiater kompetent genug ist, das Ausmaß der Schmerzerkrankung der Klägerin gutachtlich einzuschätzen. Dr. H. ist als Nervenarzt mit langjähriger Erfahrung in der Schmerzbegutachtung ausreichend kompetent, um die Auswirkungen der Erkrankung zu bewerten. Denn die Beurteilung von Schmerzzuständen kann nicht vorrangig einer besonderen fachärztlichen Ausrichtung zugewiesen werden. Für die Qualifikation eines Gutachters kommt es nicht darauf an, ob er von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig ist. Die Beurteilung von Schmerz fällt nicht zwingend in ein bestimmtes Fachgebiet. Notwendig sind vielmehr fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen (BSG, Beschluss vom 9. April 2003, B 5 RJ 80/02 B, und Beschluss vom 12. Dezember 2003, B 13 RJ 179/03 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 3). Die von der Klägerin zuletzt vorgelegten Befundberichte von Dr. W. und Dr. M. belegen auch keine Verschlimmerung des Gesundheitszustands der Klägerin, vielmehr ist die geschilderte Intensität der Migräne bzw. die Bewertung der beiden Ärzte bereits bekannt und in die Begutachtung von Dr. H. eingeflossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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