Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 P 2695/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2783/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird geführt über einen Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Juli 2003.
Die am 29. April 1994 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Sie leidet - ebenso wie eine 1992 geborene Schwester - an der Stoffwechselstörung Mukoviszidose. Die Leistung von Pflegegeld nach Pflegestufe I seit Inkrafttreten der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurde aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in T. vom 02. Oktober 2001 (Dr. R.) beendet; ein nochmaliger Antrag blieb erfolglos (Stellungnahme Dr. R. vom 19. Februar 2002).
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Antrag der Klägerin auf Geldleistungen vom 24. Juli 2003. Vorgelegt wurden die Berichte der Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums T. vom 22. Februar 2002 und 22. Oktober 2003 (Facharzt Dr. B.). Es bestünden eine bereits ungewöhnlich weit fortgeschrittene Lungenerkrankung, eine schwere Mangelernährung sowie wiederholte Darmverschlüsse bei voroperiertem Darm. Arzt Dr. M.-W. vom MDK erstattete das Gutachten vom 17. November 2003. Es bestehe ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von täglich 16 Minuten, der Ernährung von 25 Minuten und der Mobilität von zehn Minuten, insgesamt 51 Minuten. Hiervon müssten die Standardwerte für ein gleichaltriges gesundes Kind von 35 Minuten abgezogen werden, sodass sich ein Aufwand von 16 Minuten ergebe. Ein krankheitsbedingter Mehraufwand bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen sei in Form einer geringfügig aufwendigeren Körperpflege (doppelter Zeitaufwand wie für ein gesundes gleichaltriges Kind) sowie einer Aufforderung und Motivation zur regelmäßigen Nahrungsaufnahme (fünfmal täglich für insgesamt 20 Minuten) festzustellen. Durch Bescheid vom 21. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der tägliche Mindestaufwand für Pflegestufe I von 45 Minuten werde nicht erreicht.
Mit dem Widerspruch hiergegen legte die Klägerin ein Schreiben des Mukoviszidose e.V. Bonn vom 05. November 2002 vor. Die Unterstützung der Nahrungsaufnahme sei äußerst zeitaufwendig und mangels Einsicht in die Notwendigkeit vermehrter Nahrungsaufnahme müssten die Eltern oft gegen eine massive Abwehrhaltung anarbeiten. Im Bereich der Körperpflege sei ein wesentlich häufigeres Waschen als bei anderen Kindern erforderlich. Betreffend die Mobilität erfordere das Aufstehen und Zubettgehen aufwendige Hilfe. Die Klägerin ergänzte, obwohl Dr. M.-W. bei der Ernährung einen Mehraufwand von 20 Minuten eingestellt habe, erfolge gleichwohl ein Abzug von 35 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind. Der Zeitabzug sei im Übrigen zu hoch angesetzt. Auch die Überprüfung des Stuhles gehöre zur Grundpflege. Wie auch schon das Bundessozialgericht (BSG) in Urteilen vom 29. April 1999 (B 3 P 12/98 R und 13/98 R = SozR 3-3300 § 14 Nr. 11) betont habe, müssten die Maßnahmen zur Schleimentfernung großzügiger berücksichtigt werden. Pflegefachkraft G. H. erstattete das Gutachten nach Aktenlage vom 17. März 2004. Zu den vom Vorgutachter genannten Zeitwerten seien vier Minuten fürs Duschen und fünf Minuten für die Nahrungsaufnahme hinzuzuzählen, sodass sich ein krankheitsbedingter Mehrbedarf von 25 Minuten ergebe. Entgegen klägerischer Auffassung zähle insbesondere die Prüfung der Konsistenz des Stuhles nicht zu den grundpflegerischen Verrichtungen, sondern zur Krankenbeobachtung. Auch Maßnahmen zur Schleimentfernung seien nicht berücksichtigungsfähig. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004). Aufgrund der Gutachtenergebnisse werde der zeitliche Mindestaufwand für Pflegestufe I nicht erreicht.
Mit der am 06. Juli 2004 beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen, von diesem durch Beschluss vom 05. August 2004 an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwiesenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das zweite Gutachten sei nur nach Aktenlage erstellt worden. Waschen, Duschen und Reinigen der Haut erforderten einen höheren Aufwand. Dies gelte auch für die Umstände der Stuhlentleerung. Die Zubereitung der Hauptmahlzeiten erfordere schon im Interesse der Motivation hohen Aufwand. Die vermehrte Nahrungsaufnahme müsse gegen den eigentlichen Appetit erfolgen. Auch die Schleimelimination sei noch zu wenig gewürdigt. Hierzu legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Mai 2005 das eingehende Pflegeprotokoll, erstellt von der Mutter, sowie den Bericht des Universitätsklinikums T. vom 16. August 2005 (Prof. Dr. St. und Dr. B.) vor.
Die Beklagte trat unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen der Klage entgegen.
Pflegefachkraft/Pflegedienstleiterin F. erstattete aufgrund des Hausbesuchs vom 30. August 2005 das Gutachten vom 01. September 2005. Aufgrund der altersentsprechenden Weiterentwicklung bestehe in der Grundpflege kein messbarer Zeitbedarf mehr. Es müsse dabei verbleiben, dass Kontrolle des Stuhlgangs, Reinigung und Desinfektion nicht zur Grundpflege zählten. Auch die Einsicht zur Nahrungsaufnahme sei inzwischen altersentsprechend vorhanden. Krankengymnastik und Inhalieren fielen in den Bereich der Behandlungspflege.
Durch Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, laut dem überzeugenden Gutachten der Pflegefachkraft F. könne die Klägerin die Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens selbstständig erledigen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 13/98 R -) zähle die Schleimelimination nicht zur Grundpflege und gehöre die Säuberung von Geräten oder die Hilfeleistung bei der Desinfektion zur hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Krankengymnastik könne keinesfalls berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei wegen des damals noch jüngeren Alters und der damit eingeschränkten Einsichtsfähigkeit der Klägerin ein höherer Hilfebedarf gegeben gewesen. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen bestehe jedoch keine Veranlassung, an den Einschätzungen der MDK-Gutachter zu zweifeln.
Gegen den Gerichtsbescheid, dessen Zustellung die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem 29. Mai 2006 bescheinigt hat, hat die Klägerin am 31. Mai 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und ergänzend darauf, dass zum 01 September 2006 die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (Begutachtungs-Richtlinien) hinsichtlich des Zeitabzugs für gesunde gleichaltrige Kinder geändert worden seien. Danach hätten die Gutachter des MDK nur einen Zeitabzug von drei bzw. 0 Minuten vornehmen dürfen. Mithin resultiere jedenfalls für den damaligen Zeitpunkt ein Pflegebedarf von über 45 Minuten. Im Übrigen werde auf das Pflegeprotokoll der Mutter Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 zu verurteilen, ihr ab 01. Juli 2003 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie entgegnet unter Vorlage einer Stellungnahme des F. F., MDK, vom 08. November 2006, entgegen den Darlegungen der Klägerin sei der krankheitsspezifische Mehraufwand nicht abhängig von dem Zeitwert, der in den Begutachtungs-Richtlinien für ein gleichaltriges gesundes Kind festgelegt sei, er lasse sich vielmehr verrichtungsbezogen im direkten Vergleich mit den Fähigkeiten eines gleichaltrigen gesunden Kindes ermitteln. Nachdem früher aus formalen Gründen in den Pflegegutachten zunächst der Gesamthilfebedarf dokumentiert worden sei, werde jetzt nur noch der krankheitsbedingte Mehraufwand errechnet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2006 die Klage wegen des Bescheids vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht weder ab 01. Juli 2003 noch ab einem späteren Zeitpunkt Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) zu, auch nicht in Pflegestufe I.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im Einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Gemäß § 15 Abs. 2 SGB XI ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Die Regelung stellt klar, dass "der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand, also auf den krankheits- oder behinderungsbedingten Pflegemehraufwand abzustellen ist (vgl. hierzu insbesondere BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 9). Der Abzug gegenüber gleichaltrigen gesunden Kindern ist zwingend vorzunehmen. Der gesetzlichen Regelung lässt sich freilich nicht entnehmen, wie der krankheits- oder behinderungsbedingte Pflegemehraufwand im Einzelnen zu berechnen sein soll. Nach der zitierten Rechtsprechung zwingt § 15 Abs. 2 SGB XI nicht dazu, bei Kindern den zeitlichen Pflegebedarf stets in zwei Schritten zu ermitteln, indem zunächst der Gesamtpflegeaufwand bei den maßgebenden Verrichtungen im konkreten Fall festzustellen und davon sodann - unter Ansatz der in den Begutachtungs-Richtlinien in einer Tabelle aufgeführten Durchschnittswerte - der Pflegeaufwand für ein gesundes gleichaltriges Kind abzuziehen ist. Der zusätzliche Pflegebedarf lässt sich auch dadurch ermitteln, dass auf den konkret bestehenden Mehraufwand abgestellt wird, der durch die Krankheit oder Behinderung bei den Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI verursacht wird. Einer Differenzberechnung nach allgemeinen Durchschnittswerten bedarf es dann nicht, wenn die Krankheit oder Behinderung einen konkret fassbaren Mehrbedarf verursacht, weil das Kind im Übrigen normal entwickelt ist und sich als gesundes Kind mit dem dann noch vorhandenen Pflegebedarf vorstellen lässt. Letzteres wird sich regelmäßig aber nur bezüglich derjenigen Verrichtungen exakt feststellen lassen, die wegen der konkreten Krankheit oder Behinderung erforderlich sind, wie etwa in der zitierten Entscheidung des BSG der zusätzlich notwendige Aufwand im Zusammenhang mit der Sauerstoffversorgung. Demgemäß wird es für sachgerecht gehalten, bei der Schätzung des Aufwands eines gesunden gleichaltrigen Kindes die in den Begutachtungs-Richtlinien wiedergegebenen Zeitansätze heranzuziehen, bei denen es sich um Erfahrungswerte handelt. In diesem Zusammenhang haben die vor dem 01. September 2006 angewandten Begutachtungs-Richtlinien vom 21. März 1997 in der Fassung vom 22. August 2001 die oben zuerst genannte Methode (Gesamtpflegeaufwand abzüglich Aufwand für ein gesundes gleichaltriges Kind) gewählt, während die jetzt herangezogenen Begutachtungs-Richtlinien in der Fassung vom 11. Mai 2006 von vornherein auf den konkret fassbaren Mehrbedarf abstellen. Auf diese Änderung hat die Beklagte (Stellungnahme L. vom 08. November 2006) zuletzt zutreffend hingewiesen. Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten (Dr. M.-W. vom 17. November 2003, Pflegefachkraft H. vom 17. März 2004) haben sich noch der früheren Methode bedient. Gleichwohl ergibt sich allerdings kein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 vollen (= mehr als 45) Minuten.
Der Zustand der Klägerin ist, worüber im Einzelnen kein Streit besteht, gekennzeichnet durch eine weit fortgeschrittene Lungenerkrankung, schwere Mangelernährung sowie Darmverschlüsse bei voroperiertem Darm; die erkrankungsbedingte Appetitlosigkeit ist stark ausgeprägt. In Kenntnis dieses Befundes (vgl. etwa Bescheinigung des Universitätsklinikums T. - Facharzt Dr. B. - vom 22. Oktober 2003) haben die Begutachtungen im Antrags- und Gerichtsverfahren stattgefunden. Diese haben ergeben, dass der Zeitaufwand der Grundpflege nicht mindestens 46 volle (= mehr als 45) Minuten beträgt. Aufgrund der Erkrankungen ergibt sich ein zusätzlicher krankheitsbedingter Pflegemehraufwand im Bereich der Körperpflege und der Nahrungsaufnahme, wie dies auch in dem von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Schreiben des Mukoviszidose e.V. vom 05. November 2002 dargelegt wird. Nach den Darlegungen des Gutachters Dr. M.-W. werden für die Körperpflege 16 Minuten täglich benötigt (Ganzkörperwäsche vier Minuten, Duschen sechs Minuten, Zahnpflege drei Minuten und Stuhlgang drei Minuten). Hiervon ist nach der schlüssigen Aussage des Gutachters nur die Hälfte des Zeitaufwands für Ganzkörperwäsche und Duschen zu berücksichtigen, also fünf Minuten. Im Bereich der Ernährung insgesamt 25 Minuten - ist ein Aufwand von fünf Minuten für mundgerechte Zubereitung bereits bei einem gesunden Kind erforderlich, so dass insgesamt 20 Minuten für Motivation und Aufforderung zum Essen wegen erkrankungsbedingter Appetitlosigkeit verbleiben. Letztlich ergibt sich auch bei der Mobilität - insgesamt zehn Minuten - kein messbarerer grundpflegerischer Mehrbedarf. Mithin sind nach den eigenen Berechnungen des Gutachters Dr. M.-W. insgesamt 25 Minuten zu berücksichtigen. Der von ihm angegebene Nettomehraufwand von nur 16 Minuten (Gesamtaufwand von 51 Minuten abzüglich 35 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind) ist nach den eigenen Ausführungen im Gutachten zu gering, dies bleibt jedoch im hier maßgeblichen Zeitrahmen unerheblich. Pflegefachkraft H. nannte einen krankheitsbedingten Pflegemehraufwand von 27 Minuten (Nahrungsaufnahme 20 Minuten sowie aufgrund der vermehrten Schwitzneigung zwei Minuten wegen der Notwendigkeit des zweimaligen Waschens und fünf Minuten wegen der Notwendigkeit des zweimal täglichen Duschens). Das im Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten der Pflegefachkraft Pflegedienstleiterin F. vom 01. September 2005 hat in keinem einzigen Punkt zu einem dem Anspruch der Klägerin günstigeren Zeitansatz geführt. Vielmehr ergibt sich aus diesem Gutachten, dass die Klägerin aufgrund der altersentsprechenden Weiterentwicklung keiner Hilfe bei den Verrichtungen der Grundpflege mehr bedarf.
Alle Gutachter sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Schleimelimination, Sicherstellung der Medikamenteneinnahme und Atemtherapie in den Bereich der Behandlungspflege gehören und damit nicht bei der Ermittlung des Zeitaufwands für die Verrichtungen der Grundpflege berücksichtigt werden können. Dies hat das SG zutreffend unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (SozR 3-3300 § 14 Nr. 11) entschieden. Das "Abklopfen" zur Schleimelimination, das nach den Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber der gerichtlichen Sachverständigen F. morgens nach dem Aufstehen, wobei die Klägerin sich selbstständig aus dem Bett erheben kann, erfolgt, lässt sich dieser Verrichtung und auch einer anderen im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtung nicht zuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird geführt über einen Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Juli 2003.
Die am 29. April 1994 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Sie leidet - ebenso wie eine 1992 geborene Schwester - an der Stoffwechselstörung Mukoviszidose. Die Leistung von Pflegegeld nach Pflegestufe I seit Inkrafttreten der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurde aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in T. vom 02. Oktober 2001 (Dr. R.) beendet; ein nochmaliger Antrag blieb erfolglos (Stellungnahme Dr. R. vom 19. Februar 2002).
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Antrag der Klägerin auf Geldleistungen vom 24. Juli 2003. Vorgelegt wurden die Berichte der Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums T. vom 22. Februar 2002 und 22. Oktober 2003 (Facharzt Dr. B.). Es bestünden eine bereits ungewöhnlich weit fortgeschrittene Lungenerkrankung, eine schwere Mangelernährung sowie wiederholte Darmverschlüsse bei voroperiertem Darm. Arzt Dr. M.-W. vom MDK erstattete das Gutachten vom 17. November 2003. Es bestehe ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von täglich 16 Minuten, der Ernährung von 25 Minuten und der Mobilität von zehn Minuten, insgesamt 51 Minuten. Hiervon müssten die Standardwerte für ein gleichaltriges gesundes Kind von 35 Minuten abgezogen werden, sodass sich ein Aufwand von 16 Minuten ergebe. Ein krankheitsbedingter Mehraufwand bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen sei in Form einer geringfügig aufwendigeren Körperpflege (doppelter Zeitaufwand wie für ein gesundes gleichaltriges Kind) sowie einer Aufforderung und Motivation zur regelmäßigen Nahrungsaufnahme (fünfmal täglich für insgesamt 20 Minuten) festzustellen. Durch Bescheid vom 21. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der tägliche Mindestaufwand für Pflegestufe I von 45 Minuten werde nicht erreicht.
Mit dem Widerspruch hiergegen legte die Klägerin ein Schreiben des Mukoviszidose e.V. Bonn vom 05. November 2002 vor. Die Unterstützung der Nahrungsaufnahme sei äußerst zeitaufwendig und mangels Einsicht in die Notwendigkeit vermehrter Nahrungsaufnahme müssten die Eltern oft gegen eine massive Abwehrhaltung anarbeiten. Im Bereich der Körperpflege sei ein wesentlich häufigeres Waschen als bei anderen Kindern erforderlich. Betreffend die Mobilität erfordere das Aufstehen und Zubettgehen aufwendige Hilfe. Die Klägerin ergänzte, obwohl Dr. M.-W. bei der Ernährung einen Mehraufwand von 20 Minuten eingestellt habe, erfolge gleichwohl ein Abzug von 35 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind. Der Zeitabzug sei im Übrigen zu hoch angesetzt. Auch die Überprüfung des Stuhles gehöre zur Grundpflege. Wie auch schon das Bundessozialgericht (BSG) in Urteilen vom 29. April 1999 (B 3 P 12/98 R und 13/98 R = SozR 3-3300 § 14 Nr. 11) betont habe, müssten die Maßnahmen zur Schleimentfernung großzügiger berücksichtigt werden. Pflegefachkraft G. H. erstattete das Gutachten nach Aktenlage vom 17. März 2004. Zu den vom Vorgutachter genannten Zeitwerten seien vier Minuten fürs Duschen und fünf Minuten für die Nahrungsaufnahme hinzuzuzählen, sodass sich ein krankheitsbedingter Mehrbedarf von 25 Minuten ergebe. Entgegen klägerischer Auffassung zähle insbesondere die Prüfung der Konsistenz des Stuhles nicht zu den grundpflegerischen Verrichtungen, sondern zur Krankenbeobachtung. Auch Maßnahmen zur Schleimentfernung seien nicht berücksichtigungsfähig. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004). Aufgrund der Gutachtenergebnisse werde der zeitliche Mindestaufwand für Pflegestufe I nicht erreicht.
Mit der am 06. Juli 2004 beim Sozialgericht Stuttgart erhobenen, von diesem durch Beschluss vom 05. August 2004 an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwiesenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das zweite Gutachten sei nur nach Aktenlage erstellt worden. Waschen, Duschen und Reinigen der Haut erforderten einen höheren Aufwand. Dies gelte auch für die Umstände der Stuhlentleerung. Die Zubereitung der Hauptmahlzeiten erfordere schon im Interesse der Motivation hohen Aufwand. Die vermehrte Nahrungsaufnahme müsse gegen den eigentlichen Appetit erfolgen. Auch die Schleimelimination sei noch zu wenig gewürdigt. Hierzu legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Mai 2005 das eingehende Pflegeprotokoll, erstellt von der Mutter, sowie den Bericht des Universitätsklinikums T. vom 16. August 2005 (Prof. Dr. St. und Dr. B.) vor.
Die Beklagte trat unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen der Klage entgegen.
Pflegefachkraft/Pflegedienstleiterin F. erstattete aufgrund des Hausbesuchs vom 30. August 2005 das Gutachten vom 01. September 2005. Aufgrund der altersentsprechenden Weiterentwicklung bestehe in der Grundpflege kein messbarer Zeitbedarf mehr. Es müsse dabei verbleiben, dass Kontrolle des Stuhlgangs, Reinigung und Desinfektion nicht zur Grundpflege zählten. Auch die Einsicht zur Nahrungsaufnahme sei inzwischen altersentsprechend vorhanden. Krankengymnastik und Inhalieren fielen in den Bereich der Behandlungspflege.
Durch Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, laut dem überzeugenden Gutachten der Pflegefachkraft F. könne die Klägerin die Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens selbstständig erledigen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 13/98 R -) zähle die Schleimelimination nicht zur Grundpflege und gehöre die Säuberung von Geräten oder die Hilfeleistung bei der Desinfektion zur hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Krankengymnastik könne keinesfalls berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei wegen des damals noch jüngeren Alters und der damit eingeschränkten Einsichtsfähigkeit der Klägerin ein höherer Hilfebedarf gegeben gewesen. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen bestehe jedoch keine Veranlassung, an den Einschätzungen der MDK-Gutachter zu zweifeln.
Gegen den Gerichtsbescheid, dessen Zustellung die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem 29. Mai 2006 bescheinigt hat, hat die Klägerin am 31. Mai 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und ergänzend darauf, dass zum 01 September 2006 die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (Begutachtungs-Richtlinien) hinsichtlich des Zeitabzugs für gesunde gleichaltrige Kinder geändert worden seien. Danach hätten die Gutachter des MDK nur einen Zeitabzug von drei bzw. 0 Minuten vornehmen dürfen. Mithin resultiere jedenfalls für den damaligen Zeitpunkt ein Pflegebedarf von über 45 Minuten. Im Übrigen werde auf das Pflegeprotokoll der Mutter Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 zu verurteilen, ihr ab 01. Juli 2003 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie entgegnet unter Vorlage einer Stellungnahme des F. F., MDK, vom 08. November 2006, entgegen den Darlegungen der Klägerin sei der krankheitsspezifische Mehraufwand nicht abhängig von dem Zeitwert, der in den Begutachtungs-Richtlinien für ein gleichaltriges gesundes Kind festgelegt sei, er lasse sich vielmehr verrichtungsbezogen im direkten Vergleich mit den Fähigkeiten eines gleichaltrigen gesunden Kindes ermitteln. Nachdem früher aus formalen Gründen in den Pflegegutachten zunächst der Gesamthilfebedarf dokumentiert worden sei, werde jetzt nur noch der krankheitsbedingte Mehraufwand errechnet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2006 die Klage wegen des Bescheids vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht weder ab 01. Juli 2003 noch ab einem späteren Zeitpunkt Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) zu, auch nicht in Pflegestufe I.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im Einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Gemäß § 15 Abs. 2 SGB XI ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Die Regelung stellt klar, dass "der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand, also auf den krankheits- oder behinderungsbedingten Pflegemehraufwand abzustellen ist (vgl. hierzu insbesondere BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 9). Der Abzug gegenüber gleichaltrigen gesunden Kindern ist zwingend vorzunehmen. Der gesetzlichen Regelung lässt sich freilich nicht entnehmen, wie der krankheits- oder behinderungsbedingte Pflegemehraufwand im Einzelnen zu berechnen sein soll. Nach der zitierten Rechtsprechung zwingt § 15 Abs. 2 SGB XI nicht dazu, bei Kindern den zeitlichen Pflegebedarf stets in zwei Schritten zu ermitteln, indem zunächst der Gesamtpflegeaufwand bei den maßgebenden Verrichtungen im konkreten Fall festzustellen und davon sodann - unter Ansatz der in den Begutachtungs-Richtlinien in einer Tabelle aufgeführten Durchschnittswerte - der Pflegeaufwand für ein gesundes gleichaltriges Kind abzuziehen ist. Der zusätzliche Pflegebedarf lässt sich auch dadurch ermitteln, dass auf den konkret bestehenden Mehraufwand abgestellt wird, der durch die Krankheit oder Behinderung bei den Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI verursacht wird. Einer Differenzberechnung nach allgemeinen Durchschnittswerten bedarf es dann nicht, wenn die Krankheit oder Behinderung einen konkret fassbaren Mehrbedarf verursacht, weil das Kind im Übrigen normal entwickelt ist und sich als gesundes Kind mit dem dann noch vorhandenen Pflegebedarf vorstellen lässt. Letzteres wird sich regelmäßig aber nur bezüglich derjenigen Verrichtungen exakt feststellen lassen, die wegen der konkreten Krankheit oder Behinderung erforderlich sind, wie etwa in der zitierten Entscheidung des BSG der zusätzlich notwendige Aufwand im Zusammenhang mit der Sauerstoffversorgung. Demgemäß wird es für sachgerecht gehalten, bei der Schätzung des Aufwands eines gesunden gleichaltrigen Kindes die in den Begutachtungs-Richtlinien wiedergegebenen Zeitansätze heranzuziehen, bei denen es sich um Erfahrungswerte handelt. In diesem Zusammenhang haben die vor dem 01. September 2006 angewandten Begutachtungs-Richtlinien vom 21. März 1997 in der Fassung vom 22. August 2001 die oben zuerst genannte Methode (Gesamtpflegeaufwand abzüglich Aufwand für ein gesundes gleichaltriges Kind) gewählt, während die jetzt herangezogenen Begutachtungs-Richtlinien in der Fassung vom 11. Mai 2006 von vornherein auf den konkret fassbaren Mehrbedarf abstellen. Auf diese Änderung hat die Beklagte (Stellungnahme L. vom 08. November 2006) zuletzt zutreffend hingewiesen. Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten (Dr. M.-W. vom 17. November 2003, Pflegefachkraft H. vom 17. März 2004) haben sich noch der früheren Methode bedient. Gleichwohl ergibt sich allerdings kein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 vollen (= mehr als 45) Minuten.
Der Zustand der Klägerin ist, worüber im Einzelnen kein Streit besteht, gekennzeichnet durch eine weit fortgeschrittene Lungenerkrankung, schwere Mangelernährung sowie Darmverschlüsse bei voroperiertem Darm; die erkrankungsbedingte Appetitlosigkeit ist stark ausgeprägt. In Kenntnis dieses Befundes (vgl. etwa Bescheinigung des Universitätsklinikums T. - Facharzt Dr. B. - vom 22. Oktober 2003) haben die Begutachtungen im Antrags- und Gerichtsverfahren stattgefunden. Diese haben ergeben, dass der Zeitaufwand der Grundpflege nicht mindestens 46 volle (= mehr als 45) Minuten beträgt. Aufgrund der Erkrankungen ergibt sich ein zusätzlicher krankheitsbedingter Pflegemehraufwand im Bereich der Körperpflege und der Nahrungsaufnahme, wie dies auch in dem von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Schreiben des Mukoviszidose e.V. vom 05. November 2002 dargelegt wird. Nach den Darlegungen des Gutachters Dr. M.-W. werden für die Körperpflege 16 Minuten täglich benötigt (Ganzkörperwäsche vier Minuten, Duschen sechs Minuten, Zahnpflege drei Minuten und Stuhlgang drei Minuten). Hiervon ist nach der schlüssigen Aussage des Gutachters nur die Hälfte des Zeitaufwands für Ganzkörperwäsche und Duschen zu berücksichtigen, also fünf Minuten. Im Bereich der Ernährung insgesamt 25 Minuten - ist ein Aufwand von fünf Minuten für mundgerechte Zubereitung bereits bei einem gesunden Kind erforderlich, so dass insgesamt 20 Minuten für Motivation und Aufforderung zum Essen wegen erkrankungsbedingter Appetitlosigkeit verbleiben. Letztlich ergibt sich auch bei der Mobilität - insgesamt zehn Minuten - kein messbarerer grundpflegerischer Mehrbedarf. Mithin sind nach den eigenen Berechnungen des Gutachters Dr. M.-W. insgesamt 25 Minuten zu berücksichtigen. Der von ihm angegebene Nettomehraufwand von nur 16 Minuten (Gesamtaufwand von 51 Minuten abzüglich 35 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind) ist nach den eigenen Ausführungen im Gutachten zu gering, dies bleibt jedoch im hier maßgeblichen Zeitrahmen unerheblich. Pflegefachkraft H. nannte einen krankheitsbedingten Pflegemehraufwand von 27 Minuten (Nahrungsaufnahme 20 Minuten sowie aufgrund der vermehrten Schwitzneigung zwei Minuten wegen der Notwendigkeit des zweimaligen Waschens und fünf Minuten wegen der Notwendigkeit des zweimal täglichen Duschens). Das im Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten der Pflegefachkraft Pflegedienstleiterin F. vom 01. September 2005 hat in keinem einzigen Punkt zu einem dem Anspruch der Klägerin günstigeren Zeitansatz geführt. Vielmehr ergibt sich aus diesem Gutachten, dass die Klägerin aufgrund der altersentsprechenden Weiterentwicklung keiner Hilfe bei den Verrichtungen der Grundpflege mehr bedarf.
Alle Gutachter sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Schleimelimination, Sicherstellung der Medikamenteneinnahme und Atemtherapie in den Bereich der Behandlungspflege gehören und damit nicht bei der Ermittlung des Zeitaufwands für die Verrichtungen der Grundpflege berücksichtigt werden können. Dies hat das SG zutreffend unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (SozR 3-3300 § 14 Nr. 11) entschieden. Das "Abklopfen" zur Schleimelimination, das nach den Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber der gerichtlichen Sachverständigen F. morgens nach dem Aufstehen, wobei die Klägerin sich selbstständig aus dem Bett erheben kann, erfolgt, lässt sich dieser Verrichtung und auch einer anderen im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtung nicht zuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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