Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 P 1577/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3978/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Juli 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin auch ab 01. Juli 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe II im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.
Die 1993 geborene Klägerin ist bei der Beklagten über ihren Vater familienpflegeversichert. Bei ihr besteht ein frühkindlicher Hirnschaden mit kognitiver und psychomotorischer Retardierung sowie eine cerebrale Bewegungs-/Verhaltensstörung. Sie besucht die C.schule Sch. - Schule für geistig Behinderte (Schule).
Mit Bescheid vom 15. August 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 01. Mai 1996 Pflegegeld nach Pflegestufe II (DM 800,00 pro Monat). Grundlage des Bescheids war das am 24. Juli 1996 erstattete Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B., in dem die Voraussetzungen der Pflegestufe II seit der ersten Lebenswoche bejaht wurden. Es wurde Hilfebedarf bei der Körperpflege (Waschen, Duschen/Baden, Zahnpflege, Kämmen/Rasieren, Darm-/Blasenentleerung) von 60 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung, Nahrungsaufnahme) von 60 Minuten und bei der Mobilität (An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung) von 30 Minuten angenommen; eine Wiederholungsbegutachtung wurde in zwei Jahren empfohlen. Am 24. Juli 1998 wurde deswegen die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Berton untersucht. Im zusammen mit Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) erstatteten Gutachten vom 05. August 1998 wurde ausgeführt, seit der letzten Begutachtung seien bei der Klägerin kleine Entwicklungsfortschritte erkennbar. Sie erfülle nach wie vor die Voraussetzungen der Pflegestufe II. Insoweit wurde bei der Grundpflege täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege (Waschen, Zahnpflege, Kämmen, Darm- und Blasenentleerung) von 50 Minuten, bei der Ernährung (Nahrungsaufnahme) von 75 Minuten und bei der Mobilität (An- und Auskleiden, Stehen, Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung) von 18 Minuten, insgesamt 143 Minuten angenommen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass insoweit schon die Zeitwerte für gesunde gleichaltrige Kinder abgezogen worden seien. Eine weitere Nachuntersuchung wurde nach Ablauf von zwei Jahren empfohlen. Mit Bescheid vom 10. August 1998 teilte die Beklagte der Klägerin danach mit, sie erhalte ab 01. August 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe II in Höhe von monatlich DM 800,00. Der Gutachter des MDK empfehle zum 31. Juli 2000 eine Nachuntersuchung. Dieser Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Am 26. Juni 2000 wurde die Klägerin dann erneut in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Bu. untersucht. Im zusammen mit Dr. Sch. erstatteten Gutachten vom 28. Juni 2000 wurde ausgeführt, die Klägerin habe weitere Entwicklungsfortschritte gezeigt, besonders bezüglich der Sprachentwicklung und der Sauberkeitserziehung. Der Zeitaufwand für den grundpflegerischen Hilfebedarf liege bei 261 Minuten pro Tag (Körperpflege 98 Minuten, Ernährung 134 Minuten und Mobilität 29 Minuten). Der Hilfebedarf eines gleichaltrigen Mädchens betrage ungefähr 80 Minuten pro Tag. Es liege mithin ein Mehraufwand von 181 Minuten pro Tag vor, was den zeitlichen Kriterien der Pflegestufe II entspreche. Im Hinblick auf die Prognose, dass eine weitere Selbstständigkeitsentwicklung mit zunehmendem Lebensalter möglich sei, wurde eine Wiederholungsbegutachtung im Juni 2002 vorgeschlagen. Mit Schreiben vom 03. Juli 2000 (AOK - Die Gesundheitskasse Rhein-Neckar) wurde der Klägerin daraufhin mitgeteilt, der MDK habe bei seiner Untersuchung am 26. Juni 2000 weiterhin die Pflegestufe II festgestellt und bestätigt. Die nächste Nachuntersuchung sei für Juni 2002 vorgesehen. Diese Nachuntersuchung wurde dann in der häuslichen Umgebung der Klägerin am 03. Juni 2002 wieder durch die Pflegefachkraft Bu. durchgeführt. Im am 13. Juni 2002 erstatteten Gutachten wurde ausgeführt, bei der gut neun Jahre alten Klägerin sei ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 265 am Tag festgestellt worden (Körperpflege 86 Minuten, Ernährung 110 Minuten, Mobilität 69 Minuten). Ein vergleichbar gesundes gleichaltriges Mädchen benötige ungefähr 50 Minuten, sodass ein Mehraufwand von 210 Minuten am Tag gegeben sei. Dieser liege weiterhin im Zeitbereich der Pflegestufe II. Eine pflegestufenrelevante Veränderung sei eher nicht zu erwarten. Als Termin für eine Wiederholungsbegutachtung wurde Juni 2005 benannt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 teilte danach die Beklagte der Klägerin mit, nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 erhalte sie auch weiterhin Leistungen der Pflegestufe II. Der nächste Nachuntersuchungstermin sei für Juni 2005 festgelegt worden.
Am 24. Mai 2005 wurde die Klägerin dann durch Dr. W. vom MDK in ihrer häuslichen Umgebung untersucht. Im Gutachten vom 25. Mai 2005 stellte Dr. W. einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 64 Minuten fest, und zwar bei der Körperpflege 47 Minuten, bei der Ernährung sechs Minuten und bei der Mobilität elf Minuten. Der Hilfebedarf im Bereich der Hauswirtschaft liege bei 60 Minuten. Es wurde weiter darauf hingewiesen, im Vergleich zum Vorgutachten sei eine signifikante Minderung der Hilfseinsätze eingetreten. Die Klägerin benötige tagsüber keine Windelversorgung mehr, gehe allein zur Toilette, lediglich noch Nachsäubern nach Stuhlgang sei erforderlich. Außerdem könne sie sich selber an- und ausziehen und auch selber essen und trinken. Im weiteren Verlauf sei durchaus mit nochmaliger Minderung des derzeitigen Hilfebedarfs zu rechnen. Als Termin für eine Wiederholungsbegutachtung wurde der 01. Mai 2008 angenommen. Mit Anhörungsschreiben vom 02. Juni 2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, im Rahmen der Nachuntersuchung durch den MDK am 24. Mai 2005 sei festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegestufe II nicht mehr gegeben seien. Ab 01. Juli 2005 würden deshalb Leistungen der Pflegestufe I in Höhe von monatlich EUR 205,00 gezahlt werden. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Äußerung innerhalb von zwei Wochen. Die Klägerin widersprach der beabsichtigten Herabstufung. Das MDK-Gutachten sei lückenhaft und unvollständig. Allein bei der Körperpflege seien 66 Minuten tägliche Pflegezeit nicht berücksichtigt worden. Bei der Ernährung seien es insoweit 15 Minuten und bei der Mobilität zusätzlich 20 Minuten, wobei der Zeitaufwand für die Begleitung zu den Therapien völlig unberücksichtigt gelassen worden sei. Unter Berücksichtigung weiterer 42 Minuten pro Tag ergebe sich für die Grundpflege ein zusätzlicher Hilfebedarf von täglich 143 Minuten. Der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege betrage mithin 207 Minuten. Die Beklagte erhob dazu das Kurzgutachten nach Aktenlage der Dr. W. vom 21. Juni 2005, in dem ausgeführt wurde, nach dem Vorbringen der Klägerin sei ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 75 Minuten pro Tag nachvollziehbar; dies entspreche nach wie vor der Pflegestufe I. Mit Bescheid (mit Rechtsbehelfsbelehrung) vom 22. Juni 2005 teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben mit, zu den im Anhörungsverfahren geltend gemachten Einwendungen habe sie, die Beklagte, nochmals eine Beurteilung des MDK eingeholt. Nach wie vor bestehe keine Möglichkeit, weitere Pflegeleistungen nach Stufe II zu zahlen. Die Beurteilung des MDK vom 24. Mai 2005 sei in sich schlüssig und plausibel. Ein erheblich höherer Pflegebedarf für Pflegestufe II sei auch jetzt nicht ersichtlich. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage derzeit 75 Minuten. Ab 01. Juli 2005 sei der Klägerin nur noch Pflegegeld der Pflegestufe I zu zahlen. Dem Bescheid war eine Kopie des Gutachtens der Dr. W. vom 21. Juni 2005 beigefügt. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin Hilfebedarf bei der Grundpflege von insgesamt mindestens 198 Minuten pro Tag geltend (Körperpflege 113 Minuten, Ernährung 21 Minuten, Mobilität 64 Minuten). Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass sie von ihrer Mutter jeden Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag zur Krankengymnastik begleitet werde und jeden Freitag zur Logopädie. Sie reichte die logopädische Kurzmitteilung des Logopäden Pf. vom 10. Juni 2005 sowie Berichte der Physiotherapeutin Max vom 15. Juni 2005 und der Schule vom 14. Juni 2005 ein. Die Beklagte veranlasste daraufhin am 18. Oktober 2005 die erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft R ... Im am 14. November 2005 erstatteten Gutachten wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 101 Minuten festgestellt, nämlich bei der Körperpflege 60 Minuten, bei der Ernährung zwölf Minuten und bei der Mobilität 29 Minuten. Es wurde ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten vom 24. Mai 2005 sei jetzt ein etwas höherer Hilfebedarf festgestellt worden. Die zeitlichen Kriterien für die Pflegestufe II seien weiterhin nicht ausreichend erfüllt. Im Vergleich zum Gutachten vom 03. Juni 2002 gehe die Klägerin nach regelmäßiger Aufforderung jetzt selbstständig zur Toilette. Tagsüber kote sie in der Regel nicht mehr ein. Ein Toilettengang in der Nacht sei ausreichend. Mit Schreiben vom 23. November 2005 (AOK - Die Gesundheitskasse Rhein-Neckar) wurde die Klägerin von dem Gutachten vom 14. November 2005, das beigefügt war, unterrichtet, mit der Frage, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde. Dazu machte die Klägerin geltend, ihre Mutter habe über sieben Tage ein Pflegeprotokoll geführt. Daraus ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 136 Minuten, bei der Ernährung von 54 Minuten und bei der Mobilität von 129 Minuten, insgesamt 319 Minuten. Die Beklagte erhob nun noch eine Auskunft der Schule (Sonderschullehrerin S.) vom 20. März 2006 mit einer Aufstellung des Hilfebedarfs vom 20. März 2006, in der teilweiser Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung, beim Kleinschneiden der Ernährung, beim Socken/Strümpfe/Schuhe anziehen, beim Knöpfe/Reißverschlüsse/BH schließen, beim Bluse/Hemd/Pullover usw. anziehen sowie beim Rock/Hose anziehen angegeben wurde. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden gemeinsamen Widerspruchsausschusses für die Kranken- und Pflegeversicherung vom 26. April 2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Es wurde ausgeführt, ein Verwaltungsakt sei nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Entscheidung vorgelegen hätten, wesentliche Veränderungen eingetreten seien. Durch den MDK sei festgestellt worden, dass der Hilfebedarf nur noch in geringerem Umfang erforderlich sei. Die Pflegekasse sei demnach berechtigt und zugleich verpflichtet, nur noch Leistungen entsprechend der Pflegestufe I zu zahlen. Gestützt auf die Gutachten des MDK komme auch der Widerspruchsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II bei der Klägerin nicht mehr vorlägen. Im Vergleich zu der Beurteilung vom 03. Juni 2002 stelle sich bei den Untersuchungen vom Mai, Juni und Oktober 2005 eine wesentliche Reduzierung des Hilfebedarfs dar. Insbesondere bei Ernährung und Mobilität sei die Klägerin selbstständiger geworden. Unter Berücksichtigung aller Faktoren komme auch der Widerspruchsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorlägen. Unter der wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X sei eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung rechtserhebliche Änderung der Tatsachen oder rechtlichen Verhältnisse zu verstehen.
Am 16. Mai 2006 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie benannte die sie behandelnden Ärzte und machte geltend, für die Zuordnung zu einer Pflegestufe sei allein der im Einzelfall bestehende individuelle Hilfebedarf des Versicherten maßgeblich. Der Zeitaufwand für die Grundpflege liege bei ihr täglich zwischen 316 und 327 Minuten, weshalb zumindest die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfüllt seien. Insoweit ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 136 bis 144 Minuten, bei der Ernährung von 54 Minuten und bei der Mobilität von 126 bis 129 Minuten (Schriftsatz vom 04. Juli 2006, Bl. 21 bis 24 der SG-Akte).
Das SG erhob das Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin Bur. vom 23. Dezember 2006, der die Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 18. Oktober und 20. Dezember 2006 untersucht hatte. Der Sachverständige stellte einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 104 Minuten fest, d.h. 61 Minuten bei der Körperpflege, 19 Minuten bei der Ernährung und 24 Minuten bei der Mobilität (ohne Zeitaufwand für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Es komme noch ein Zeitaufwand von 29 Minuten pro Tag für die Begleitung zu den ärztlich verordneten Therapien und das Mitwirken der Mutter bei diesen Behandlungen hinzu. Im Gutachten vom 14. November 2005 werde der Hilfebedarf zu niedrig bemessen. Gegenüber dem Gutachten vom 13. Juni 2002 sei eine erhebliche Verringerung des Hilfebedarfs eingetreten.
Die Klägerin machte dazu geltend, der tatsächliche Zeitaufwand für die erforderliche Grundpflege sei teilweise unvollständig (Schriftsatz vom 22. Januar 2007, Bl. 52/53 der SG-Akte). Die Beklagte äußerte sich dazu unter Vorlage des Gutachtens nach Aktenlage der Dr. H. vom MDK vom 13. Februar 2007, worin ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 104 Minuten angenommen wurde (Bl. 54 bis 58 der SG-Akte). In der vom SG eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 14. Mai 2007 gelangte der Sachverständige Bur. dann zu einem berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 109 Minuten (Körperpflege 64 Minuten, Ernährung 19 Minuten, Mobilität 26 Minuten).
Mit Urteil vom 13. Juli 2007 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe ab 01. Juli 2005 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Bur ... Es sei eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die für die Feststellung der Pflegestufe II maßgebend gewesen seien, erreicht.
Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. August 2007 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, der tatsächlich bei ihr noch anfallende Pflegeaufwand spiegele sich nicht ausreichend und nur unvollständig in der gerichtlichen Entscheidung wider. Eine erhebliche Verringerung des Hilfebedarfs, der bei ihr bei täglich 316 bis 327 Minuten liege, sei nicht eingetreten. Insoweit ergebe sich höherer Hilfebedarf bei der Körperpflege, bei der Ernährung und bei der Mobilität. Insbesondere seien auch die Zeiten für die Begleitung durch ihre Mutter zu den Therapien berücksichtigungsfähig. Ihre Mutter sei während der Therapien zeitlich und örtlich gebunden, und zwar auch wegen der Hilfe bei der krankengymnastischen Behandlung. Die Klägerin hat auch Angaben zur Krankengymnastik und zur Logopädie unter Vorlage der entsprechenden Heilmittelverordnungen vom 05. November 2007 gemacht (Schriftsätze vom 18. September, 19. Oktober und 22. November 2007 sowie vom 1. September 2008 (Bl. 22 bis 25, 29 bis 30, 32 bis 35 und 47 bis 49 der LSG-Akte).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Voraussetzungen für die Rückstufung in die Pflegestufe I ab 01. Juli 2005 nach § 48 SGB X habe sie in ihren Schriftsätzen nachgewiesen. Das BSG habe im Urteil vom 07. Juli 2005 (B 3 P 8/04 R) ausgeführt, dass nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen zu vergleichen seien, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden seien, vorhanden gewesen seien. Ihr Schreiben vom 18. Juni 2002 enthalte nicht lediglich eine schlichte Mitteilung über das Ergebnis der seinerzeit durchgeführten MDK-Begutachtung, sondern einen neuen Verwaltungsakt, der mit einem formlosen Schreiben bekanntgegeben worden sei. Insoweit habe sie damals die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 14, 15 SGB XI vollständig neu geprüft und aufgrund der MDK-Begutachtung vom 03. Juni 2002 erneut und unabhängig von der Leistungsbewilligung des Jahres 1998 bestätigt. In dem Verfügungssatz heiße es nämlich, dass die Klägerin nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 auch weiterhin Leistungen der Pflegestufe II erhalte. Damit liege ein die Zukunft betreffender Folgebescheid vor, der den ursprünglichen Leistungsbescheid ersetzt habe. Anders wäre es nur gewesen, wenn sie lediglich erklärt hätte, dass die Nachuntersuchung des MDK die Pflegestufe II bestätigt habe und es dadurch keinen Anlass gegeben habe, den Bescheid aus dem Jahr 1998 zu ändern. Bei der von ihr im Bescheid vom 18. Juni 2002 gewählten Formulierung sei auch ohne formelle Feststellung der Ersetzung der vorherige Bescheid gegenstandslos geworden. Der vorherige Bescheid sei somit durch den Folgebescheid auf sonstige Weise erledigt worden (Schriftsätze vom 28. September 2007 und vom 18. Juli 2008, Bl. 27 bis 28 und 41 bis 42 der LSG-Akte).
Der Berichterstatter des Senats hat eine Auskunft der Krankengymnastik V. vom 15. Januar 2008 zu der dort bei der Klägerin durchgeführten Krankengymnastik eingeholt (Bl. 39 der LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten einschließlich der eingereichten Unterlagen, die die Vorgänge vor dem 12. April 2002 betreffen, sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen.
Mit der Berufung begehrt die Klägerin die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006, um so die Weiterzahlung des früher mit Bescheid bindend bewilligten Pflegegelds nach Pflegestufe II ab 01. Juli 2005 zu erreichen. Um dieses Prozessziel durchzusetzen, bedurfte es eines mit dem Aufhebungsantrag verbundenen Verpflichtungsantrags, ihr ab 01. Juli 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe II weiterzuzahlen, nicht. Ein derartiger Leistungsantrag wäre im Übrigen unzulässig.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 ist schon deswegen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Beklagte weder damit noch mit dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 den maßgebend gewesenen früheren Bewilligungsbescheid vom 10. August 1998 aufgehoben hat.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid ist danach derjenige Bescheid, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmals vollständig entschieden worden ist. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt, dass dieser Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid aufgehoben wird. Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids, soweit die wesentliche Änderung reichen soll, muss notwendiger Inhalt des Bescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sein. Hier stellte zwar zunächst die Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe II ab 01. Mai 1996 mit Bescheid vom 15. August 1996 einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, denn die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren (vgl. BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Hier ist jedoch der weitere Bescheid vom 10. August 1998, mit dem nach Erhebung eines Nachprüfungsgutachtens vom 05. August 1998 entschieden wurde, dass der Klägerin ab 01. August 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe II zusteht, der maßgebende Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid, denn es ergibt sich daraus, dass die Beklagte unabhängig vom Bewilligungsbescheid vom 15. August 1996 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Pflegegeld nach Pflegestufe II (§ 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI) vollständig überprüft hat. Maßgebender Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid ist nicht das Schreiben vom 03. Juli 2000, denn, abgesehen davon, dass nicht erkennbar war, dass es von der zuständigen Beklagten als Pflegekasse erlassen worden ist, enthält es lediglich eine schlichte Mitteilung über das Ergebnis der durchgeführten MDK-Begutachtung, verbunden mit dem Zusatz, dass - wie im MDK-Gutachten vom 28. Juni 2000 vorgeschlagen - eine Nachuntersuchung im Juni 2002 vorgesehen sei. Diesen bloßen Charakter einer Mitteilung über die MDK-Begutachtung enthält entgegen der Ansicht der Beklagten dann auch das weitere Schreiben der Beklagten vom 18. Juni 2002, wonach die Klägerin nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 weiterhin Leistungen der Pflegestufe II erhalte, verbunden mit dem Hinweis auf den nächsten Nachuntersuchungstermin im Juni 2005 (wie im Gutachten vom 13. Juni 2002 vorgeschlagen).
Den hier für die Bewilligung der Dauerleistung maßgebenden Bewilligungsbescheid vom 10. August 1998 hat die Beklagte bisher nicht aufgehoben, weshalb aufgrund dieses Bescheids ab 01. Juli 2005 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe II zu zahlen ist. Aus dem hier angegriffenen Bescheid vom 22. Juni 2005 ergibt sich nicht, dass damit, dass die Leistungen der Pflegestufe II mit dem 30. Juni 2005 enden sollen, die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 10. August 1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben wurde, zumal darin, ebenso wenig wie auch in dem vorausgegangenen Anhörungsschreiben, weder § 48 SGB X noch irgendein aufzuhebender Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid oder ein Vergleichsgutachten genannt ist. Es sind auch keine Merkmale einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs bei der Grundpflege benannt. Es liegt also nicht etwa der Fall vor, dass nur der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid mit einem falschen Datum bezeichnet worden wäre, wie im Fall, über den das BSG im Urteil vom 07. Juli 2005 (SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) entschieden hat. Insoweit wurde beispielsweise auch nicht etwa als Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid der von der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Juli 2008 bezeichnete "Bescheid" vom 18. Juni 2002, der aufgehoben worden sei, genannt. Mithin ist hier kein Raum, im Wege der Auslegung von einer konkludenten Aufhebung des maßgebenden Dauerleistungsbescheids vom 10. August 1998 auszugehen. Daraus, dass die Klägerin der Neueinstufung in die Pflegestufe I ab 01. Juli 2005 widersprochen hat, kann ebenfalls nicht hergeleitet werden, dass sie sich im Klaren gewesen ist, dass ihr gegenüber der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid vom 10. August 1998 aufgehoben werden sollte.
Der Mangel der Aufhebung des Ursprungs(Vergleichs)-Bescheids vom 10. August 1998 wird auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 geheilt. Zwar wird darin der Wortlaut der Bestimmung des § 48 SGB X zitiert (Seite 2, 8 des Widerspruchsbescheids) und (Seite 8 des Widerspruchsbescheids) festgestellt, "dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorliegen". Da jedoch jede Bezugnahme auf den konkret teilweise aufzuhebenden Dauerverwaltungsakt vom 10. August 1998 und das insoweit maßgebende Vergleichsgutachten vom 24. Juli 1998 fehlt, sondern allein ein Vergleich zwischen den MDK-Gutachten vom 24. Mai und 21. Juni 2005 einerseits und vom 03. Juni 2002 (richtig 13. Juni 2002) vorgenommen wird, erscheint auch der Widerspruchsbescheid nicht als Bescheid, mit dem der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid vom 10. August 1998 aufgehoben worden wäre.
Danach war der Bescheid vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufzuheben.
Darauf, ob im Vergleich zwischen den bei Erlass des Bescheids vom 10. August 1998 vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen, wie sie im MDK-Gutachten vom 24. Juli 1998 zum Ausdruck gekommen sind, und den Verhältnissen im Juni 2005 eine wesentliche Verminderung des Hilfebedarfs bei der Grundpflege auf unter 120 Minuten pro Tag eingetreten war, sei es beispielsweise im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung für die ärztlich verordneten krankengymnastischen und logopädischen Termine, die sie in Begleitung ihrer Mutter wahrnimmt, kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin auch ab 01. Juli 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe II im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.
Die 1993 geborene Klägerin ist bei der Beklagten über ihren Vater familienpflegeversichert. Bei ihr besteht ein frühkindlicher Hirnschaden mit kognitiver und psychomotorischer Retardierung sowie eine cerebrale Bewegungs-/Verhaltensstörung. Sie besucht die C.schule Sch. - Schule für geistig Behinderte (Schule).
Mit Bescheid vom 15. August 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 01. Mai 1996 Pflegegeld nach Pflegestufe II (DM 800,00 pro Monat). Grundlage des Bescheids war das am 24. Juli 1996 erstattete Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B., in dem die Voraussetzungen der Pflegestufe II seit der ersten Lebenswoche bejaht wurden. Es wurde Hilfebedarf bei der Körperpflege (Waschen, Duschen/Baden, Zahnpflege, Kämmen/Rasieren, Darm-/Blasenentleerung) von 60 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung, Nahrungsaufnahme) von 60 Minuten und bei der Mobilität (An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung) von 30 Minuten angenommen; eine Wiederholungsbegutachtung wurde in zwei Jahren empfohlen. Am 24. Juli 1998 wurde deswegen die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Berton untersucht. Im zusammen mit Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) erstatteten Gutachten vom 05. August 1998 wurde ausgeführt, seit der letzten Begutachtung seien bei der Klägerin kleine Entwicklungsfortschritte erkennbar. Sie erfülle nach wie vor die Voraussetzungen der Pflegestufe II. Insoweit wurde bei der Grundpflege täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege (Waschen, Zahnpflege, Kämmen, Darm- und Blasenentleerung) von 50 Minuten, bei der Ernährung (Nahrungsaufnahme) von 75 Minuten und bei der Mobilität (An- und Auskleiden, Stehen, Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung) von 18 Minuten, insgesamt 143 Minuten angenommen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass insoweit schon die Zeitwerte für gesunde gleichaltrige Kinder abgezogen worden seien. Eine weitere Nachuntersuchung wurde nach Ablauf von zwei Jahren empfohlen. Mit Bescheid vom 10. August 1998 teilte die Beklagte der Klägerin danach mit, sie erhalte ab 01. August 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe II in Höhe von monatlich DM 800,00. Der Gutachter des MDK empfehle zum 31. Juli 2000 eine Nachuntersuchung. Dieser Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Am 26. Juni 2000 wurde die Klägerin dann erneut in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Bu. untersucht. Im zusammen mit Dr. Sch. erstatteten Gutachten vom 28. Juni 2000 wurde ausgeführt, die Klägerin habe weitere Entwicklungsfortschritte gezeigt, besonders bezüglich der Sprachentwicklung und der Sauberkeitserziehung. Der Zeitaufwand für den grundpflegerischen Hilfebedarf liege bei 261 Minuten pro Tag (Körperpflege 98 Minuten, Ernährung 134 Minuten und Mobilität 29 Minuten). Der Hilfebedarf eines gleichaltrigen Mädchens betrage ungefähr 80 Minuten pro Tag. Es liege mithin ein Mehraufwand von 181 Minuten pro Tag vor, was den zeitlichen Kriterien der Pflegestufe II entspreche. Im Hinblick auf die Prognose, dass eine weitere Selbstständigkeitsentwicklung mit zunehmendem Lebensalter möglich sei, wurde eine Wiederholungsbegutachtung im Juni 2002 vorgeschlagen. Mit Schreiben vom 03. Juli 2000 (AOK - Die Gesundheitskasse Rhein-Neckar) wurde der Klägerin daraufhin mitgeteilt, der MDK habe bei seiner Untersuchung am 26. Juni 2000 weiterhin die Pflegestufe II festgestellt und bestätigt. Die nächste Nachuntersuchung sei für Juni 2002 vorgesehen. Diese Nachuntersuchung wurde dann in der häuslichen Umgebung der Klägerin am 03. Juni 2002 wieder durch die Pflegefachkraft Bu. durchgeführt. Im am 13. Juni 2002 erstatteten Gutachten wurde ausgeführt, bei der gut neun Jahre alten Klägerin sei ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 265 am Tag festgestellt worden (Körperpflege 86 Minuten, Ernährung 110 Minuten, Mobilität 69 Minuten). Ein vergleichbar gesundes gleichaltriges Mädchen benötige ungefähr 50 Minuten, sodass ein Mehraufwand von 210 Minuten am Tag gegeben sei. Dieser liege weiterhin im Zeitbereich der Pflegestufe II. Eine pflegestufenrelevante Veränderung sei eher nicht zu erwarten. Als Termin für eine Wiederholungsbegutachtung wurde Juni 2005 benannt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 teilte danach die Beklagte der Klägerin mit, nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 erhalte sie auch weiterhin Leistungen der Pflegestufe II. Der nächste Nachuntersuchungstermin sei für Juni 2005 festgelegt worden.
Am 24. Mai 2005 wurde die Klägerin dann durch Dr. W. vom MDK in ihrer häuslichen Umgebung untersucht. Im Gutachten vom 25. Mai 2005 stellte Dr. W. einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 64 Minuten fest, und zwar bei der Körperpflege 47 Minuten, bei der Ernährung sechs Minuten und bei der Mobilität elf Minuten. Der Hilfebedarf im Bereich der Hauswirtschaft liege bei 60 Minuten. Es wurde weiter darauf hingewiesen, im Vergleich zum Vorgutachten sei eine signifikante Minderung der Hilfseinsätze eingetreten. Die Klägerin benötige tagsüber keine Windelversorgung mehr, gehe allein zur Toilette, lediglich noch Nachsäubern nach Stuhlgang sei erforderlich. Außerdem könne sie sich selber an- und ausziehen und auch selber essen und trinken. Im weiteren Verlauf sei durchaus mit nochmaliger Minderung des derzeitigen Hilfebedarfs zu rechnen. Als Termin für eine Wiederholungsbegutachtung wurde der 01. Mai 2008 angenommen. Mit Anhörungsschreiben vom 02. Juni 2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, im Rahmen der Nachuntersuchung durch den MDK am 24. Mai 2005 sei festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegestufe II nicht mehr gegeben seien. Ab 01. Juli 2005 würden deshalb Leistungen der Pflegestufe I in Höhe von monatlich EUR 205,00 gezahlt werden. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Äußerung innerhalb von zwei Wochen. Die Klägerin widersprach der beabsichtigten Herabstufung. Das MDK-Gutachten sei lückenhaft und unvollständig. Allein bei der Körperpflege seien 66 Minuten tägliche Pflegezeit nicht berücksichtigt worden. Bei der Ernährung seien es insoweit 15 Minuten und bei der Mobilität zusätzlich 20 Minuten, wobei der Zeitaufwand für die Begleitung zu den Therapien völlig unberücksichtigt gelassen worden sei. Unter Berücksichtigung weiterer 42 Minuten pro Tag ergebe sich für die Grundpflege ein zusätzlicher Hilfebedarf von täglich 143 Minuten. Der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege betrage mithin 207 Minuten. Die Beklagte erhob dazu das Kurzgutachten nach Aktenlage der Dr. W. vom 21. Juni 2005, in dem ausgeführt wurde, nach dem Vorbringen der Klägerin sei ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 75 Minuten pro Tag nachvollziehbar; dies entspreche nach wie vor der Pflegestufe I. Mit Bescheid (mit Rechtsbehelfsbelehrung) vom 22. Juni 2005 teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben mit, zu den im Anhörungsverfahren geltend gemachten Einwendungen habe sie, die Beklagte, nochmals eine Beurteilung des MDK eingeholt. Nach wie vor bestehe keine Möglichkeit, weitere Pflegeleistungen nach Stufe II zu zahlen. Die Beurteilung des MDK vom 24. Mai 2005 sei in sich schlüssig und plausibel. Ein erheblich höherer Pflegebedarf für Pflegestufe II sei auch jetzt nicht ersichtlich. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage derzeit 75 Minuten. Ab 01. Juli 2005 sei der Klägerin nur noch Pflegegeld der Pflegestufe I zu zahlen. Dem Bescheid war eine Kopie des Gutachtens der Dr. W. vom 21. Juni 2005 beigefügt. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin Hilfebedarf bei der Grundpflege von insgesamt mindestens 198 Minuten pro Tag geltend (Körperpflege 113 Minuten, Ernährung 21 Minuten, Mobilität 64 Minuten). Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass sie von ihrer Mutter jeden Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag zur Krankengymnastik begleitet werde und jeden Freitag zur Logopädie. Sie reichte die logopädische Kurzmitteilung des Logopäden Pf. vom 10. Juni 2005 sowie Berichte der Physiotherapeutin Max vom 15. Juni 2005 und der Schule vom 14. Juni 2005 ein. Die Beklagte veranlasste daraufhin am 18. Oktober 2005 die erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft R ... Im am 14. November 2005 erstatteten Gutachten wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 101 Minuten festgestellt, nämlich bei der Körperpflege 60 Minuten, bei der Ernährung zwölf Minuten und bei der Mobilität 29 Minuten. Es wurde ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten vom 24. Mai 2005 sei jetzt ein etwas höherer Hilfebedarf festgestellt worden. Die zeitlichen Kriterien für die Pflegestufe II seien weiterhin nicht ausreichend erfüllt. Im Vergleich zum Gutachten vom 03. Juni 2002 gehe die Klägerin nach regelmäßiger Aufforderung jetzt selbstständig zur Toilette. Tagsüber kote sie in der Regel nicht mehr ein. Ein Toilettengang in der Nacht sei ausreichend. Mit Schreiben vom 23. November 2005 (AOK - Die Gesundheitskasse Rhein-Neckar) wurde die Klägerin von dem Gutachten vom 14. November 2005, das beigefügt war, unterrichtet, mit der Frage, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde. Dazu machte die Klägerin geltend, ihre Mutter habe über sieben Tage ein Pflegeprotokoll geführt. Daraus ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 136 Minuten, bei der Ernährung von 54 Minuten und bei der Mobilität von 129 Minuten, insgesamt 319 Minuten. Die Beklagte erhob nun noch eine Auskunft der Schule (Sonderschullehrerin S.) vom 20. März 2006 mit einer Aufstellung des Hilfebedarfs vom 20. März 2006, in der teilweiser Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung, beim Kleinschneiden der Ernährung, beim Socken/Strümpfe/Schuhe anziehen, beim Knöpfe/Reißverschlüsse/BH schließen, beim Bluse/Hemd/Pullover usw. anziehen sowie beim Rock/Hose anziehen angegeben wurde. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden gemeinsamen Widerspruchsausschusses für die Kranken- und Pflegeversicherung vom 26. April 2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Es wurde ausgeführt, ein Verwaltungsakt sei nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Entscheidung vorgelegen hätten, wesentliche Veränderungen eingetreten seien. Durch den MDK sei festgestellt worden, dass der Hilfebedarf nur noch in geringerem Umfang erforderlich sei. Die Pflegekasse sei demnach berechtigt und zugleich verpflichtet, nur noch Leistungen entsprechend der Pflegestufe I zu zahlen. Gestützt auf die Gutachten des MDK komme auch der Widerspruchsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II bei der Klägerin nicht mehr vorlägen. Im Vergleich zu der Beurteilung vom 03. Juni 2002 stelle sich bei den Untersuchungen vom Mai, Juni und Oktober 2005 eine wesentliche Reduzierung des Hilfebedarfs dar. Insbesondere bei Ernährung und Mobilität sei die Klägerin selbstständiger geworden. Unter Berücksichtigung aller Faktoren komme auch der Widerspruchsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorlägen. Unter der wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X sei eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung rechtserhebliche Änderung der Tatsachen oder rechtlichen Verhältnisse zu verstehen.
Am 16. Mai 2006 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie benannte die sie behandelnden Ärzte und machte geltend, für die Zuordnung zu einer Pflegestufe sei allein der im Einzelfall bestehende individuelle Hilfebedarf des Versicherten maßgeblich. Der Zeitaufwand für die Grundpflege liege bei ihr täglich zwischen 316 und 327 Minuten, weshalb zumindest die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfüllt seien. Insoweit ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 136 bis 144 Minuten, bei der Ernährung von 54 Minuten und bei der Mobilität von 126 bis 129 Minuten (Schriftsatz vom 04. Juli 2006, Bl. 21 bis 24 der SG-Akte).
Das SG erhob das Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin Bur. vom 23. Dezember 2006, der die Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 18. Oktober und 20. Dezember 2006 untersucht hatte. Der Sachverständige stellte einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 104 Minuten fest, d.h. 61 Minuten bei der Körperpflege, 19 Minuten bei der Ernährung und 24 Minuten bei der Mobilität (ohne Zeitaufwand für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Es komme noch ein Zeitaufwand von 29 Minuten pro Tag für die Begleitung zu den ärztlich verordneten Therapien und das Mitwirken der Mutter bei diesen Behandlungen hinzu. Im Gutachten vom 14. November 2005 werde der Hilfebedarf zu niedrig bemessen. Gegenüber dem Gutachten vom 13. Juni 2002 sei eine erhebliche Verringerung des Hilfebedarfs eingetreten.
Die Klägerin machte dazu geltend, der tatsächliche Zeitaufwand für die erforderliche Grundpflege sei teilweise unvollständig (Schriftsatz vom 22. Januar 2007, Bl. 52/53 der SG-Akte). Die Beklagte äußerte sich dazu unter Vorlage des Gutachtens nach Aktenlage der Dr. H. vom MDK vom 13. Februar 2007, worin ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 104 Minuten angenommen wurde (Bl. 54 bis 58 der SG-Akte). In der vom SG eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 14. Mai 2007 gelangte der Sachverständige Bur. dann zu einem berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 109 Minuten (Körperpflege 64 Minuten, Ernährung 19 Minuten, Mobilität 26 Minuten).
Mit Urteil vom 13. Juli 2007 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe ab 01. Juli 2005 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Bur ... Es sei eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die für die Feststellung der Pflegestufe II maßgebend gewesen seien, erreicht.
Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. August 2007 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, der tatsächlich bei ihr noch anfallende Pflegeaufwand spiegele sich nicht ausreichend und nur unvollständig in der gerichtlichen Entscheidung wider. Eine erhebliche Verringerung des Hilfebedarfs, der bei ihr bei täglich 316 bis 327 Minuten liege, sei nicht eingetreten. Insoweit ergebe sich höherer Hilfebedarf bei der Körperpflege, bei der Ernährung und bei der Mobilität. Insbesondere seien auch die Zeiten für die Begleitung durch ihre Mutter zu den Therapien berücksichtigungsfähig. Ihre Mutter sei während der Therapien zeitlich und örtlich gebunden, und zwar auch wegen der Hilfe bei der krankengymnastischen Behandlung. Die Klägerin hat auch Angaben zur Krankengymnastik und zur Logopädie unter Vorlage der entsprechenden Heilmittelverordnungen vom 05. November 2007 gemacht (Schriftsätze vom 18. September, 19. Oktober und 22. November 2007 sowie vom 1. September 2008 (Bl. 22 bis 25, 29 bis 30, 32 bis 35 und 47 bis 49 der LSG-Akte).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Voraussetzungen für die Rückstufung in die Pflegestufe I ab 01. Juli 2005 nach § 48 SGB X habe sie in ihren Schriftsätzen nachgewiesen. Das BSG habe im Urteil vom 07. Juli 2005 (B 3 P 8/04 R) ausgeführt, dass nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen zu vergleichen seien, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden seien, vorhanden gewesen seien. Ihr Schreiben vom 18. Juni 2002 enthalte nicht lediglich eine schlichte Mitteilung über das Ergebnis der seinerzeit durchgeführten MDK-Begutachtung, sondern einen neuen Verwaltungsakt, der mit einem formlosen Schreiben bekanntgegeben worden sei. Insoweit habe sie damals die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 14, 15 SGB XI vollständig neu geprüft und aufgrund der MDK-Begutachtung vom 03. Juni 2002 erneut und unabhängig von der Leistungsbewilligung des Jahres 1998 bestätigt. In dem Verfügungssatz heiße es nämlich, dass die Klägerin nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 auch weiterhin Leistungen der Pflegestufe II erhalte. Damit liege ein die Zukunft betreffender Folgebescheid vor, der den ursprünglichen Leistungsbescheid ersetzt habe. Anders wäre es nur gewesen, wenn sie lediglich erklärt hätte, dass die Nachuntersuchung des MDK die Pflegestufe II bestätigt habe und es dadurch keinen Anlass gegeben habe, den Bescheid aus dem Jahr 1998 zu ändern. Bei der von ihr im Bescheid vom 18. Juni 2002 gewählten Formulierung sei auch ohne formelle Feststellung der Ersetzung der vorherige Bescheid gegenstandslos geworden. Der vorherige Bescheid sei somit durch den Folgebescheid auf sonstige Weise erledigt worden (Schriftsätze vom 28. September 2007 und vom 18. Juli 2008, Bl. 27 bis 28 und 41 bis 42 der LSG-Akte).
Der Berichterstatter des Senats hat eine Auskunft der Krankengymnastik V. vom 15. Januar 2008 zu der dort bei der Klägerin durchgeführten Krankengymnastik eingeholt (Bl. 39 der LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten einschließlich der eingereichten Unterlagen, die die Vorgänge vor dem 12. April 2002 betreffen, sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen.
Mit der Berufung begehrt die Klägerin die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006, um so die Weiterzahlung des früher mit Bescheid bindend bewilligten Pflegegelds nach Pflegestufe II ab 01. Juli 2005 zu erreichen. Um dieses Prozessziel durchzusetzen, bedurfte es eines mit dem Aufhebungsantrag verbundenen Verpflichtungsantrags, ihr ab 01. Juli 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe II weiterzuzahlen, nicht. Ein derartiger Leistungsantrag wäre im Übrigen unzulässig.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 ist schon deswegen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Beklagte weder damit noch mit dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 den maßgebend gewesenen früheren Bewilligungsbescheid vom 10. August 1998 aufgehoben hat.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid ist danach derjenige Bescheid, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmals vollständig entschieden worden ist. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt, dass dieser Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid aufgehoben wird. Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids, soweit die wesentliche Änderung reichen soll, muss notwendiger Inhalt des Bescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sein. Hier stellte zwar zunächst die Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe II ab 01. Mai 1996 mit Bescheid vom 15. August 1996 einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, denn die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren (vgl. BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Hier ist jedoch der weitere Bescheid vom 10. August 1998, mit dem nach Erhebung eines Nachprüfungsgutachtens vom 05. August 1998 entschieden wurde, dass der Klägerin ab 01. August 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe II zusteht, der maßgebende Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid, denn es ergibt sich daraus, dass die Beklagte unabhängig vom Bewilligungsbescheid vom 15. August 1996 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Pflegegeld nach Pflegestufe II (§ 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI) vollständig überprüft hat. Maßgebender Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid ist nicht das Schreiben vom 03. Juli 2000, denn, abgesehen davon, dass nicht erkennbar war, dass es von der zuständigen Beklagten als Pflegekasse erlassen worden ist, enthält es lediglich eine schlichte Mitteilung über das Ergebnis der durchgeführten MDK-Begutachtung, verbunden mit dem Zusatz, dass - wie im MDK-Gutachten vom 28. Juni 2000 vorgeschlagen - eine Nachuntersuchung im Juni 2002 vorgesehen sei. Diesen bloßen Charakter einer Mitteilung über die MDK-Begutachtung enthält entgegen der Ansicht der Beklagten dann auch das weitere Schreiben der Beklagten vom 18. Juni 2002, wonach die Klägerin nach dem Gutachten vom 03. Juni 2002 weiterhin Leistungen der Pflegestufe II erhalte, verbunden mit dem Hinweis auf den nächsten Nachuntersuchungstermin im Juni 2005 (wie im Gutachten vom 13. Juni 2002 vorgeschlagen).
Den hier für die Bewilligung der Dauerleistung maßgebenden Bewilligungsbescheid vom 10. August 1998 hat die Beklagte bisher nicht aufgehoben, weshalb aufgrund dieses Bescheids ab 01. Juli 2005 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe II zu zahlen ist. Aus dem hier angegriffenen Bescheid vom 22. Juni 2005 ergibt sich nicht, dass damit, dass die Leistungen der Pflegestufe II mit dem 30. Juni 2005 enden sollen, die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 10. August 1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben wurde, zumal darin, ebenso wenig wie auch in dem vorausgegangenen Anhörungsschreiben, weder § 48 SGB X noch irgendein aufzuhebender Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid oder ein Vergleichsgutachten genannt ist. Es sind auch keine Merkmale einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs bei der Grundpflege benannt. Es liegt also nicht etwa der Fall vor, dass nur der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid mit einem falschen Datum bezeichnet worden wäre, wie im Fall, über den das BSG im Urteil vom 07. Juli 2005 (SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) entschieden hat. Insoweit wurde beispielsweise auch nicht etwa als Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid der von der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Juli 2008 bezeichnete "Bescheid" vom 18. Juni 2002, der aufgehoben worden sei, genannt. Mithin ist hier kein Raum, im Wege der Auslegung von einer konkludenten Aufhebung des maßgebenden Dauerleistungsbescheids vom 10. August 1998 auszugehen. Daraus, dass die Klägerin der Neueinstufung in die Pflegestufe I ab 01. Juli 2005 widersprochen hat, kann ebenfalls nicht hergeleitet werden, dass sie sich im Klaren gewesen ist, dass ihr gegenüber der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid vom 10. August 1998 aufgehoben werden sollte.
Der Mangel der Aufhebung des Ursprungs(Vergleichs)-Bescheids vom 10. August 1998 wird auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 geheilt. Zwar wird darin der Wortlaut der Bestimmung des § 48 SGB X zitiert (Seite 2, 8 des Widerspruchsbescheids) und (Seite 8 des Widerspruchsbescheids) festgestellt, "dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorliegen". Da jedoch jede Bezugnahme auf den konkret teilweise aufzuhebenden Dauerverwaltungsakt vom 10. August 1998 und das insoweit maßgebende Vergleichsgutachten vom 24. Juli 1998 fehlt, sondern allein ein Vergleich zwischen den MDK-Gutachten vom 24. Mai und 21. Juni 2005 einerseits und vom 03. Juni 2002 (richtig 13. Juni 2002) vorgenommen wird, erscheint auch der Widerspruchsbescheid nicht als Bescheid, mit dem der Ursprungs(Vergleichs)-Bescheid vom 10. August 1998 aufgehoben worden wäre.
Danach war der Bescheid vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2006 aufzuheben.
Darauf, ob im Vergleich zwischen den bei Erlass des Bescheids vom 10. August 1998 vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen, wie sie im MDK-Gutachten vom 24. Juli 1998 zum Ausdruck gekommen sind, und den Verhältnissen im Juni 2005 eine wesentliche Verminderung des Hilfebedarfs bei der Grundpflege auf unter 120 Minuten pro Tag eingetreten war, sei es beispielsweise im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung für die ärztlich verordneten krankengymnastischen und logopädischen Termine, die sie in Begleitung ihrer Mutter wahrnimmt, kommt es nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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