S 17 KR 296/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 17 KR 296/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 259/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Eine Selbstzahlerklausel in einem formularmäßig von einem Krankenhausträger verwendeten Behandlungsvertrag ist unwirksam, wenn Patient und Krankenhausträger übereinstimmend eine Aufnahme und Behandlung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung wollen und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Behandlungsvertrages eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse noch nicht abgelehnt worden ist.

2. Hat der Kläger rechtsgrundlos an den Krankenhausträger geleistet, besteht auch kein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der beklagten Krankenkasse.
Die Klage wird abgewiesen. Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Der bei der Beklagten versicherte Kläger begehrt die Kostenerstattung für zwei Krankenhausbehandlungen.

Bei dem 1947 geborenen Kläger wurde eine beatmungspflichtige schlafbezogenen Atmungsstörung (Schlaf-Apnoe-Syndrom, chronische Tagesmüdigkeit) sowie ein Zustand nach hypertensiver Entgleisung diagnostiziert. Hinsichtlich der Diagnosen im Jahr 2004 wird im Übrigen auf den Entlassungsbrief der X-Kliniken B. vom 21. September 2004 (Bl. 13ff. der Akte) Bezug genommen. Wegen der schlafbezogenen Atmungsstörung befand sich der Kläger seit dem Jahr 2000 wiederholt in stationärer Behandlung. Nach der damaligen fachmedizinischen Einschätzung der behandelnden Ärzte seien stationäre Kontrolluntersuchungen des Klägers in regelmäßigen Abständen von circa sechs Monaten notwendig. Insoweit wird auf die der Klageschrift beigefügten Berichte verwiesen. Die Beklagte gewährte zunächst diese Krankenhausaufenthalten als Sachleistung. Die Kostenübernahme für eine im Mai 2003 durchgeführte stationäre Behandlung erfolgte erst im Wege des Anerkenntnisses im Rahmen eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits (Sozialgericht Wiesbaden, Az.: S 17 KR 1017/04).

Zum Jahreswechsel 2003/2004 plante der Kläger wiederum eine stationäre Verlaufskontrolle in den X-Kliniken B., einem Vertragskrankenhaus, nachdem sich erneut erhebliche Schlafprobleme eingestellt hatten. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2003 wurde der Kläger vom Krankenhaus aufgefordert, zum Termin zur stationären Aufnahme am 21. Januar 2004 eine Krankenhauseinweisung und die Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vorzulegen. Der Kläger schrieb daraufhin die Beklagte an und bat um rechtzeitige Übersendung einer Kostenübernahmeerklärung. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Blatt 1 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Der behandelnde Vertragsarzt (Pneumologe und Internist) verordnete am 6. Januar 2004 eine Krankenhausbehandlung aufgrund der Diagnose Schlaf-Apnoe-Syndrom und restless legs-Syndrom.

Bei seiner Aufnahme am 21. Januar 2004 unterschrieb der Kläger nach seinen Angaben einen Behandlungsvertrag. In der Ausfertigung für den Patienten, die der Kläger im Erörterungstermin vorgelegt hat, wurde der Kläger als Patient und Versicherter bezeichnet. Aufgenommen waren ferner als Kostenträger der Regelleistung die "D. Krankenkasse Berlin/Brandenburg" und als Kostenträger der Wahlleistung die private Zusatzversicherung des Klägers. Weiterhin findet sich folgende Formulierung: "Für den Fall, daß keine Kostenübernahmeerklärung eines Sozialleistungsträgers, eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgers oder einer privaten Krankenversicherung vorgelegt wird oder die vorgelegte Kostenübernahmeerklärung nicht die Kosten aller in Anspruch genommenen Leistungen abdeckt, ist der Patient ganz bzw. teilweise als Selbstzahler zur Zahlung des Entgelts für die Krankenhausleistung verpflichtet."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Behandlungsvertrages wird auf die Ablichtung in der Akte verwiesen.

Die stationäre Behandlung wurde vom 21. Januar 2004 bis 24. Januar 2004 durchgeführt. Erst mit Schreiben vom 22. Januar 2004, Zugang beim Kläger unbekannt, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl.14-15 der Beklagtenakte verwiesen. Die X-Kliniken B. stellten dem Kläger 1.539,29 EUR in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte nach dem DRG-System. Der Kläger zahlte diesen Betrag.

In vergleichbarer Weise erfolgte die stationäre Verlaufskontrolle am 20. und 21. September 2004; der Behandlungsvertrag vom 20. September 2004 hat den gleichen, o.g. Inhalt. Der Kläger begab sich aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung vom 30. August 2004 (Bl. 45 der Beklagtenakte) in die stationäre Behandlung in den X Kliniken B. Der Kostenübernahmeantrag wurde gegenüber dem Kläger am 27. Dezember 2004 abgelehnt. Der Krankenhausträger stellte 473,14 EUR in Rechnung, die der Kläger bezahlte. Hinsichtlich des Inhalts der Rechnung vom 21. September 2004 wird auf die im Erörterungstermin zu den Akten gereichte Abschrift verwiesen.

Anlässlich der beiden stationären Aufenthalte wurden zwischen dem Kläger und dem Chefarzt weitere Behandlungsvereinbarungen geschlossen.

Die Widersprüche des Klägers gegen die beiden Ablehnungen wurden mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, sämtliche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen des Aufenthalts im Januar 2004 seien im ambulanten fachärztlichen Rahmen durchführbar gewesen. Auch eine Atemwegdruckkontrolle (CPAP-Kontrolle) sei im ambulanten Rahmen sichergestellt und durchführbar. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 155ff. der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Die vorliegende Klage ist am 23. November 2007 beim Sozialgericht Wiesbaden eingegangen.

Der Kläger trägt vor, dass nach fachmedizinischer Einschätzung die stationären Kontrolluntersuchungen erforderlich gewesen seien.

Er beantragt sinngemäß,
die Bescheide vom 22. Januar 2004 und 27. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung der Kosten der stationären Behandlung vom 21. bis 24. Januar 2004 und vom 20. bis 21. September 2004 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid.

Hinsichtlich des Ergebnisses des Erörterungstermins wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. September 2008 Bezug genommen. Die Beteiligten wurden im Erörterungstermin zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte, der Gerichtsakte S 17 KR 1017/04 sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nach Anhörung der Beteiligten im Erörterungstermin konnte das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Kostenerstattungsanspruch, da er seinerseits nicht verpflichtet war, die vom Krankenhaus geltend gemachte Vergütung zu zahlen. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R) und des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 16. November 2006 – L 8 KR 32/06), der sich die Kammer anschließt, gewährt § 13 Abs. 3 SGB V einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Dies wiederum setzt voraus, dass der Nachteil des Versicherten tatsächlich besteht, d.h. dem Kläger eine Kostenlast in Gestalt einer Rechtspflicht zur Zahlung gegenüber dem Krankenhaus entstanden ist. Das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs 3 SGB V eröffnet nicht die Möglichkeit, die Leistungspflicht der Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (Hess. LSG, Urteil vom 1. September 2005, Az.: L 1 KR 699/03; vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001, Az.: B 1 KR 6/01 R, BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 25).

Der Kläger hat an das Krankenhaus rechtsgrundlos geleistet.

Der Krankenhausträger hatte keinen Vergütungsanspruch aus Selbstzahlerabreden mit dem Kläger. Die Selbstzahlerklauseln in den Behandlungsverträgen sind, soweit sie die Vergütung einer als Sachleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beanspruchten Leistung betreffen, unwirksam.

Die Selbstzahlerabrede ist nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die Inhaltskontrolle nach §§ 307ff. BGB ist auf die vorliegenden Selbstzahlerklauseln anzuwenden, entweder direkt – geht man von einer privatrechtlichen Klausel aus – oder über §§ 58 Abs. 1, 61 Satz 2 SGB X. Sowohl in der Rechtsprechung des BGH als auch des BSG wird inzwischen – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen wie Belegarztbehandlung und ambulanter Aufnahme abgesehen – übereinstimmend davon ausgegangen, dass bei der Krankenhausbehandlung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung das Vergütungsrechtsverhältnis allein öffentlich-rechtlicher Natur ist, zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger besteht und folglich der Krankenhausträger keinen Vergütungsanspruch gegen den Patienten hat (vgl. BGHZ 89, 250, (255 ff.); BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R; zu Abgrenzungsfragen insbesondere: BGH, Urteil vom 9. Mai 2000, Az.: VI ZR 173/99; Urteil vom 28. April 2005, Az.: III ZR 351/04 – alle zitiert nach juris). Nach § 2 Abs 1 und 2 SGB V stellen die Krankenkassen ihren Versicherten die im Dritten Kapitel des Gesetzes genannten Leistungen, zu denen auch die Krankenhausbehandlung gehört (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 SGB V), als Sachleistungen kostenfrei zur Verfügung. Sie bedienen sich dabei zugelassener Leistungserbringer, mit denen sie entsprechende Verträge schließen (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB V). Die Versicherten erhalten die benötigten Leistungen unentgeltlich; die Vergütung erfolgt im Falle der stationären Versorgung durch die Krankenkasse. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (BSG a. a. O.). Mit anderen Worten: Nach der Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des BSG ist mit der Aufnahme eines Kassenpatienten zur stationären Behandlung das Abrechnungsverhältnis rechtlich abgekoppelt von den Behandlungsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Patient. Der Honoraranspruch des Krankenhausträgers ist unmittelbar gegen die Krankenkasse gerichtet (OLG Hamburg, Urteil vom 20. März 2001; Az.: 1 U 62/01). Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob deshalb das Abrechnungsverhältnis insgesamt und einheitlich sozialrechtlicher Natur ist (vgl. auch Höfler in: Kasseler Kommentar, 50. EL. § 39 SGB V Rn. 45 m.w.N. zum Streitstand), was zur Folge haben könnte, dass die von sozialversicherungsrechtlichen Regelungen abweichenden Selbstzahlerklauseln dem Öffentlichen Recht zuzurechnen wären. Diese Rechtsnatur und eine Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des SGB X wird nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass es sich um einen Vertrag zwischen Privaten handelt (vgl. Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 53 Rn. 8). Die Rechtsnatur kann aber letztlich offen bleiben, da seit der Schuldrechtsreform 2002 die hier maßgeblichen Nichtigkeitsgründe im Rahmen der Inhaltskontrolle auf öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Verträge gleichermaßen Anwendung finden (§§ 58 Abs. 1, 61 Satz 2 SGB X; vgl. Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 62 Rn. 58f.; Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, Vorb. §§ 307 Rn. 4, beide m. w. N.).

Bei den Selbstzahlerklauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB). Die Selbstzahlerklauseln befinden sich in formularmäßig von den X Kliniken B. verwendeten Behandlungsverträgen. Die vorformulierte Klausel soll nach ihrem Wortlaut bei einer Vielzahl von Verträgen sowohl bei Patienten Verwendung finden, die im System der GKV versichert sind, als auch bei Patienten die auf Leistungen anderer öffentlich-rechtlicher Kostenträger (z. B. Beihilfe) zurückgreifen und auch auf rein privatrechtliche Behandlungsverträge.

Die Klauseln sind unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen. Denn die Verpflichtung des Patienten, die Kosten einer stationären Behandlung als Selbstzahler zu tragen, wenn seine Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 39, 107ff. SGB V, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Einbindung der Krankenhäuser gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 und § 112 SGB V in ein System öffentlich-rechtlicher Verträge, die das Vergütungsverhältnis abschließend regeln, lässt für abweichende privatrechtliche Regelungen keinen Raum (so zu vergleichbaren Klauseln ausführlich: OLG Hamburg, Urteil vom 20. März 2001; Az.: 1 U 62/01; LG Wiesbaden, Urteil vom 19. Oktober 2007, Az.: 3 S 19/07; vgl. ferner auch: BGH, Beschl. v. 30. Januar 1997, NJW 1997 S. 1636, 1637 = VersR 1997 S. 1552 ff).

Es handelt sich bei der Regelung einer "Auffangverbindlichkeit" des Klägers um eine Abweichung vom Grundgedanken der §§ 39, 107ff. SGB V, denn die Vertragsparteien wollten vorliegend gerade keine vom System der GKV losgelöste Vergütung einer privatärztlichen Leistung: Der Kläger machte mit der Vorlage einer vertragsärztlichen Einweisung und dem Bemühen um die Vorlage einer Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse deutlich, dass er im System der GKV behandelt werden wollte; auch die handelnden Vertreter des Krankenhausträgers bestätigten mit der Aufnahme einer gesetzlichen Krankenkasse als Kostenträger für die Regelleistung im Vertragsformular, dass eine Behandlung als Sachleistung nach den §§ 39, 107ff. SGB V gewollt war. Sowohl die zu erbringenden Leistungen als auch die zu beanspruchende Vergütung sollten sich also nach dem SGB V richten; der Krankenhausträger wollte sich mit der Selbstzahlerklausel innerhalb dieses Rechtsrahmens einen weiteren Schuldner verschaffen, um das Risiko einer nachträglich verweigerten Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse auf den Patienten abzuwälzen. Abgerechnet wurde gegenüber dem Kläger auch konsequent die erforderlichenfalls von der Kasse zu leistende Krankenhausvergütung nach dem DRG-System. Dies ist aber mit dem gesetzlichen Leitbild, wonach kein Vergütungsanspruch gegenüber dem Patienten besteht – siehe oben Seite 5 unten bis Seite 6 oben – und Streitigkeiten über die Erbringung und Vergütung der Leistung zwischen Krankenkasse und Krankenhaus auszutragen sind (vgl. Wahl in: jurisPK SGB V, § 39 Rn. 97; BSG a. a. O.) unvereinbar. Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass das System der GKV sich mit Wahlleistungen und Zusatzvereinbarungen hin zum Privatrecht geöffnet hat (so auch LG Wiesbaden a. a. O.). Dieses sind nämlich – wie die hier unstreitig auf privatrechtlicher Ebene getroffene Vereinbarung zur Chefarztbehandlung – nach der o. g. Systematik strikt von den gesetzlich vorgesehenen Grundleistungen zu trennen, um deren Vergütung es hier geht. Eine nicht hinnehmbare Abweichung von den Grundgedanken des SGB V liegt jedenfalls dann vor, wenn – wie hier – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beide Vertragsparteien davon ausgehen, dass "eigentlich" eine Behandlung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung gewollt ist (vgl. OLG Hamburg a. a. O.). Die Ablehnung der Kostenübernahme dürfte angesichts des Datums im Falle der ersten Behandlung dem Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst nach Ende der Behandlung zugegangen sein; im zweiten Fall ist die Ablehnung erst Monate nach Behandlung erfolgt.

Offenbleiben kann, ob die Klausel auch noch aus anderen Gründen unwirksam ist (dazu OLG Köln, Urteil vom 21. Juli 1996, Az.: 7 U 147/86; OLG Saarbrücken, Urteile vom 12. April 2000, Az.: 1 U 771/99 - 191, 1 U 771/99 – zitiert nach juris).

Für eine Selbstzahlerverpflichtung beim Kassenpatienten bleibt nach alledem nur dann Raum, wenn sie im Bewusstsein der bereits erfolgten Ablehnung der Kostenübernahme durch die Kasse eingegangen wurde oder aber der Patient während der Behandlung von der Ablehnung in Kenntnis gesetzt wird und im Krankenhaus verbleiben will (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2000, Az.: VI ZR 173/99). Beides war hier nicht der Fall. Soweit in der Literatur zuweilen für eine grundsätzliche Zulässigkeit von Selbstzahlerverpflichtungen die o. g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. April 2005 angeführt wird (Hauser, KH 2005, 1023), kann dem nicht gefolgt werden. In dem vom BGH entschiedenen Fall bestand gerade kein Sozialversicherungsverhältnis, insofern konnte die vom BGH im Rahmen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorgenommene Vertragsergänzung mit einer Selbstzahlerverpflichtung von vorne herein nicht gegen den Grundgedanken der §§ 39, 107ff. SGB V verstoßen (so ausdrücklich auch LG Wiesbaden a. a. O.).

Weitere Anspruchsgrundlagen scheiden auch aus: Bei der gegebenen Sachlage schuldete der Kläger dem Krankenhausträger keine Vergütung aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Eine Behandlung als Privatpatient mit der Verpflichtung, die entstehenden Kosten selbst zu zahlen, entsprach weder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Klägers noch seinem Interesse. Er wollte eine Kassenleistung in Anspruch nehmen, wie sich aus dem Kostenübernahmeantrag und der Angabe der Beklagten als zuständige Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus ergibt. Damit haben die Voraussetzungen des § 683 Satz 1 BGB nicht vorgelegen. Ein Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs 1 Satz 1 BGB) scheitert daran, dass zwischen dem Kläger und dem Krankenhaus in Bezug auf die in Rede stehende Behandlung kein Leistungsverhältnis besteht, da die Leistung nach übereinstimmenden Willen von Kläger und Krankenhaus als Leistung der Beklagten erbracht werden sollte (vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R m. w. N. aus der Rechtsprechung der OLGe).

Dem Kläger kommt auch unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens kein Kostenerstattungsanspruch zu, etwa weil das Verhalten des Leistungserbringers der Beklagten zuzurechnen wäre. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 SGB V ist auf Fälle zugeschnitten, in denen der Anspruchsteller sich bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln lässt, indem er einen nicht zugelassenen Leistungserbringer aufsucht oder mit einem zugelassenen Leistungserbringer vom öffentlich-rechtlichen Leistungsrahmen abweichende privatrechtliche Vereinbarungen trifft; dagegen greift § 13 Abs 3 SGB V nicht ein, wenn die Behandlung sowohl von Seiten des Leistungserbringers als auch von Seiten des Versicherten erkennbar als Sachleistung zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden soll und lediglich bei der Abwicklung gegen Grundsätze des Leistungsrechts verstoßen wird (BSG, Urteil vom 9. Juni 1998, Az.: B 1 KR 18/96 R). Die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung machte im Einzelfall hiervon nur dann eine Ausnahme, wenn der Leistungserbringer suggeriert, dass die Kostenübernahme gesichert ist oder nicht mehr von einer Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse abhängt (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1998, Az.: B 1 KR 18/96 R, aufgegeben durch BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R). Das war vorliegend aber auch nicht der Fall; der Kläger war sich der Bedeutung der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten für seinen Behandlungsanspruch sehr wohl bewusst; auch das Krankenhaus hatte auf die Vorlage der Kostenübernahmeerklärung gedrängt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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