L 4 KR 1/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 KR 205/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 1/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Vorversicherungszeit für die KVdR
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2004 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er seit dem 1. Mai 1999 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert ist.

Der am 1934 geborene Kläger beantragte bei der Beigeladenen am 9. Dezember 1998 die Bewilligung einer Altersrente. Er war nach der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 1. August 1948 seit dem 1. Januar 1969 in der Polizeidienststelle bzw. der Polizeidirektion H. beschäftigt.

Seit dem 1. Januar 1972 war der Kläger wie folgt krankenversichert: • Januar 1972 bis 31. Dezember 1990 SVK • Januar 1990 bis 2. Dezember 1991 Barmer Ersatzkasse H. • Dezember 1991 bis 30. Juni 1994 Freie Heilfürsorge • 01. Juli 1994 bis fortlaufend Barmer Ersatzkasse.

Am 18. Dezember 1998 ging bei der Beklagten eine vorformulierte Meldung der Beigeladenen über die Rentenantragsstellung des Klägers ein. In dieser Meldung hat er folgende Erklärung unterzeichnet:

"Ich versichere, dass ich sämtliche Angaben in diesem Vordruck nach bestem Wissen gemacht habe. Das Merkblatt über die KVdR habe ich erhalten."

Auf dem Meldungsbogen befindet sich ein Prüfvermerk und Stempel der Beklagten vom 28. Dezember 1998. Unter der Überschrift "Bearbeitungsvermerk der Krankenkasse" ist angekreuzt, dass die KVdR-Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Beklagte behauptet, sie habe den Kläger darüber schriftlich informiert. In der Folgezeit führte sie ihn als freiwillig versicherten Rentner.

Am 31. Mai 2002 verlangte der Kläger von der Beklagten als pflichtversicherter Rentner eingestuft zu werden und verwies auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 12. Juni 2002 fest, dass eine Versicherungspflicht in der KVdR nicht bestehe. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 sei das derzeit geltende Recht ab dem 1. April 2002 außer Kraft gesetzt worden und durch die zuvor geltende Regelung zu ersetzen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bestehe Versicherungspflicht in der KVdR und in der Pflegeversicherung, wenn während 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes zwischen der ehemaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und dem Tag der Rentenantragstellung eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe. Auf die Art der Versicherung (Pflicht- oder Familienversicherung bzw. freiwillige Versicherung) komme es dabei nicht mehr an. Der Kläger habe am 1. August 1948 erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und den Rentenantrag am 9. Dezember 1998 gestellt. Als Beginn der zweiten Hälfte der Rahmenfrist sei daher der 6. Oktober 1973 anzusehen. Der Zeitrahmen von 9/10 setze Versicherungszeiten von mindestens 22 Jahren, 8 Monaten und 2 Tagen voraus. Der Kläger weise jedoch nur Versicherungszeiten von 22 Jahren, 7 Monaten und 7 Tagen auf und erreiche damit nicht die Grenze von Mindestzeiten der Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Hiergegen legte der Kläger am 14. Juni 2002 Widerspruch ein und übersandte eine Mitteilung der Polizeidirektion H. vom 26. März 2002, wonach seine Dienstzeit mit Ablauf des 30. April 1999 geendet habe. Nach seiner Ansicht habe die Beklagte das tatsächliche Ende der Beschäftigung bei der Berechnung berücksichtigen müssen. Ihm könne kein Nachteil daraus erwachsen, den Rentenantrag nur einige Tage zu früh gestellt zu haben. Auch habe er keine Möglichkeit gehabt, seine Zeit als Beamter auf Probe von 1991 bis 1994 zu vermeiden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 15. März 2000 die ab 1. Januar 1993 geltende Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V aufgehoben und das davor geltende Recht mit Wirkung ab dem 1. April 2002 wieder in Kraft gesetzt. Der Gesetzgeber habe innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist das Gesetz nicht geändert. Die gesetzliche Rahmenfrist ende mit dem Tage der Rentenantragsstellung. Ab diesem Zeitpunkt seien weitere Versicherungszeiten nicht mehr zu berücksichtigen. Der Kläger erfülle daher nicht die erforderlichen Vorversicherungszeiten für die Aufnahme in die KVdR. Der Kläger hat am 6. September 2002 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Nach den Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis seien ihm neben der geleisteten Dienstzeit bei der Nationalen Volksarmee weitere zwei Jahre und 15 Tage anzuerkennen. Seine Altersrente habe er erst ab dem 1. Mai 1999 erhalten. Weder die Beigeladene noch die Beklagte hätten ihn auf die Vorteile einer späteren Rentenantragstellung hingewiesen.

Die Beklagte hat das Merkblatt über die KVdR vom Stand August 1998 zur Gerichtsakte gereicht. Unter Ziffer 1.1 findet sich unter der Überschrift "Die Vorversicherungszeit" folgender Hinweis:

"Zur Begründung einer KVdR-Mitgliedschaft ist es erforderlich, dass seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Rentenantragsstellung mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden hat."

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, ihm sei das Merkblatt über die KVdR nicht bekannt.

In der öffentlichen Sitzung vom 30. November 2004 hat der Kläger erklärt, er sei vor dem Jahr 1973 bei der NVA gewesen.

Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 30. November 2004 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und antragsgemäß festgestellt, dass der Kläger ab dem 1. Mai 1999 pflichtversichertes Mitglied in der KVdR bei der Beklagten sei. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen vor. Die Beklagte habe es versäumt, bei der Prüfung der am 18. Dezember 1998 eingegangenen Meldung der Beigeladenen festzustellen, dass dem Kläger zur Erfüllung der Vorversicherungszeit lediglich 24 Tage fehlen und es für ihn sinnvoll sei, den Rentenantrag später zu stellen. Die unterbliebene Beratung, die zu einer Rücknahme des Rentenantrags hätte führen können, habe zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen der KVdR geführt. Zwischen der unterbliebenen Beratung und der für den Kläger nachteiligen Folge bestehe auch ein Ursachenzusammenhang. Der Beklagten sei es bei richtiger Beratung und unterstellter Rücknahme des Rentenantrages möglich, den Kläger so zu stellen, als ob er den Rentenantrag nach der Erfüllung seiner Vorversicherungszeit für die KVdR gestellt hätte.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. Dezember 2004 zugestellte Urteil am 4. Januar 2005 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: Die Bearbeitung einer Meldung zur KVdR nach § 201 SGB V begründe ohne entsprechende Anfrage des Versicherten keine Beratungspflicht, auf einen bestimmten Tag der Rentenantragsstellung hinzuwirken. Die von der Vorinstanz verlangte Beratungspflicht hätte ein zeitintensives Abtastverfahren unter Neuberechnung der Rahmenfrist erfordert. Mit Vollendung des 65. Lebensjahrs habe das Beschäftigungsverhältnis des Klägers automatisch zum 30. April 1999 sein Ende gefunden. Selbst wenn der Rentenantrag erst zu diesem letztmöglichen Termin gestellt worden wäre, wären die Voraussetzungen für eine KVdR immer noch nicht erfüllt. Die Beklagte hat unter dem 22. Dezember 2004 eine alternative Berechnung von Vorversicherungszeiten vorgenommen. Bei einer Rahmenfrist vom 1. August 1948 bis zum 8. Mai 2000 sei als Beginn der zweiten Hälfte der Beschäftigung der 20. Juni 1974 anzusehen. Der Zeitraum der zweiten Hälfte der versicherungspflichtigen Beschäftigungszeit betrage in diesem Fall 25 Jahre, 10 Monate und 21 Tage. 9/10 davon seien 23 Jahre, 3 Monate und 21 Tage. Diese Versicherungszeiten könne der Kläger nur erreichen, wenn er erst am 8. Mai 2000 einen Rentenantrag gestellt hätte und über den 30. April 1999 hinaus noch einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

In einer nichtöffentlichen Sitzung des Senats vom 2. November 2005 hat der Kläger erklärt: Er werde als freiwillig versicherter Rentner bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie bei den Zinserträgen und den damit verbundenen erweiterten Auskunftspflichten gegenüber den Rentnern in der KVdR benachteiligt.

Mit Beschluss vom 23. November 2005 hat der Senat die Rentenversicherung Bund notwendig beigeladen und die Rentenakte (53 210434 B 087) beigezogen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

In der öffentlichen Sitzung vom 23. April 2008 hat der Prozessvertreter des Klägers zunächst vorgetragen, der Kläger sei seit 1991 durchgängig bei der Beklagten versichert gewesen sei. Die Beklagte hat nach Prüfung der Unterlagen vorgetragen, ein freiwilliges Versicherungsverhältnis in der Zeit vom Dezember 1991 bis 30. Juni 1994 habe nicht bestanden. Der Kläger hat hierzu erklärt, er könne eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten für diesen Zeitraum nicht belegen.

Am 18. und 20. Juni sowie am 2. Juli 2008 haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte sowie auf die beigezogene Rentenakte verwiesen, welche Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) entscheiden, da beide Beteiligten sowie die Beigeladene sich hiermit einverstanden erklärt haben.

Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und auch ansonsten zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse für die erhobene Feststellungsklage ist zu bejahen. Zumindest bis zur Angleichung der beitragsrechtlichen Belastung der Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Rentner ab dem 1. Januar 2004 gemäß § 248 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (- GMG - Bundesgesetzblatt I S. 2149) sind die Rentner in der KVdR gegenüber den freiwillig versicherten Rentnern besser gestellt. Von einem Rechtsschutzinteresse des Klägers ist daher auszugehen.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Ihre Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat weder ab dem 1. Mai 1999 noch ab dem 1. April 2002 einen Anspruch auf Feststellung seiner Pflichtversicherung in der KVdR.

Ein Anspruch des Klägers nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) kann bereits wegen eines fehlenden Verwaltungsaktes der Beklagten nicht bestehen. Das behauptete Schreiben der Beklagten vom Dezember 1998 befindet sich nicht in der Verwaltungsakte und ist daher für den Senat inhaltlich nicht prüffähig. Die Beklagte vermag weder die Existenz noch einen entsprechenden Zugang dieses Schreibens nachzuweisen. Dies wirkt sich zu Lasten der Beklagten aus, die so zu stellen ist, als wenn das vermeintliche Schreiben vom Dezember 1998 nicht existierte.

Der Rechtsanspruch für die Aufnahme in die KVdR hat sich seit dem 1. Mai 1999 geändert. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist Voraussetzung für eine Pflichtversicherung in der KVdR, dass während mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums zwischen erstmaliger Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und Stellung des Rentenantrags eine Mitgliedschaft oder Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden hat. Dabei wurden seit dem 01.01.1993 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) nur Zeiten einer Pflichtversicherung berücksichtigt. Die Nichtberücksichtigung der Zeiten einer freiwilligen Mitgliedschaft sind mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, wie es das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15.03.2000 ausdrücklich klargestellt hat (Beschluss vom 15. März 2000, 1 BvL 16/96, zitiert nach Juris). Das Bundesverfassungsgericht hat aber diese Regelung nicht für nichtig erklärt, sondern ließ die Anwendung des Gesetzes bis zum 31. März 2002 zu. Dies bedeutet, dass bis zum Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist die Vorversicherungszeit nur mit Zeiten einer Pflichtmitgliedschaft erreicht werden können. Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 15.03.2000 (a.a.O.) gesetzte Frist zunächst verstreichen lassen, ohne eine Neuregelung zur Beseitigung der verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Pflicht- und freiwillig Versicherten hinsichtlich des Zugangs zur KVdR zu treffen. Daher gilt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zu einer Neuregelung wieder die Gesetzesfassung des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzblatt I S. 2477). Der Gesetzgeber hat im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 ab dem 1. April 2007 die seit 1989 geltende Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wieder aufgenommen und damit die alte Rechtslage wieder hergestellt.

Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger die gesetzlich erforderlichen Vorversicherungszeiten im zweiten Beschäftigungsabschnitt nicht in Höhe von neun Zehntel erreicht. Dies gilt unabhängig davon, ob bei der Berechnung als Endtermin der Zeitpunkt der Rentenantragstellung (dazu im Folgenden 1.) oder der Zeitpunkt des tatsächlichen Rentenbeginns am 1. Mai 1999 berücksichtigt werden würde (dazu im Folgenden 2.). Der Kläger kann entgegen der Vorinstanz die begehrte Pflichtversicherung in der KVdR auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erlangen (dazu im Folgenden 3.). Die gesetzliche Regelung unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu im Folgenden 4.).

1. Geht man beim Kläger von einer Beschäftigungszeit vom 1. August 1948 bis 9. Dezember 1998 aus, ist nach der zutreffenden Berechnung der Beklagten die zweite Hälfte dieser Zeit auf den 6. Oktober 1973 festzulegen. Dies ergibt bis zum 9. Dezember 1998 (Tag des Rentenantrages) einen Zeitraum von 25 Jahren, zwei Monaten und fünf Tagen, was einem hundertprozentigen Anteil entsprechen würde. Der vom Gesetz geforderte Mindestanteil von 9/10 entspricht daher 22 Jahren, acht Monaten und zwei Tagen. Nach den zu berücksichtigenden Versicherungszeiten erreicht der Kläger nur 22 Jahre, sieben Monate und sieben Tage, so dass ihm 24 Tage fehlen. Die NVA-Zeiten, die nach den Angaben des Klägers vor dem Jahr 1973 liegen, können hierbei nicht beachtet werden, da sie zeitlich in die erste Hälfte seiner Beschäftigungszeit fallen. Der Kläger erreicht damit nicht die vom Gesetz geforderte Vorversicherungszeit. Dies schließt seine Aufnahme in die KVdR aus.

2. Selbst wenn es, was in der Rechtsprechung teilweise entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vertreten wird, nicht auf den Zeitpunkt der Rentenantragsstellung, sondern erst auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Rentenbeginns ankommt (so z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 4. April 2006 - L 5 KR 52/05; anderer Ansicht Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2002 - L 5 KR 81/02, jeweils zitiert nach juris) erreicht der Kläger nicht die erforderlichen Vorversicherungszeiten der KVdR. Nach der zutreffenden und auch unbeanstandet gebliebenen Berechnung der Beklagten vom 22. Dezember 2004 erreicht der Kläger die Rahmenfrist der Vorversicherungszeiten erst bei einem Beschäftigungszeitraum vom 1. August 1948 bis zum 8. Mai 2000, um die erforderliche Grenze von 9/10 zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich jedoch wegen der Überschreitung der Altersgrenze bereits seit über einem Jahr in Altersrente. Zwischen dem 1. Mai 1999 und dem 8. Mai 2000 hat er auch keine weiteren versicherungspflichtigen Tätigkeiten ausgeübt, die ggf. hätten berücksichtigt werden können. Der Vorinstanz ist daher ein schlichter Rechenfehler unterlaufen, durch Addition des Zeitrahmens zwischen dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung (9. Dezember 1998) und dem Beginn des Renteneintritts (1. Mai 1999) die fehlenden Versicherungszeiten von 24 Tagen überbrücken zu wollen. Vielmehr hätte - wie es die Beklagte im Berufungsverfahren nachvollziehbar dargelegt hat - eine völlig neue Berechnung vorgenommen werden müssen.

3.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liegen auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vor.

Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelt worden. Dieser Anspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dabei nicht dem jeweiligen Gesetzeszweck widersprechen (BSG Urteil vom 27. Januar 2005 - B 7a/7 AL 20/04 R, zitiert nach juris.)

(a) Der Senat hat bereits Zweifel, ob der Beklagten oder der Beigeladenen überhaupt ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln durch Verletzung der in §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I normierten Beratungs- und Auskunftspflichten gegenüber dem Kläger vorgeworfen werden kann.

Eine umfassendere Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 17. August 2000 - B 13 RJ 87/98 R, zitiert nach juris). Ausnahmsweise besteht eine weitere Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre. Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zutage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 7 a AL 22/06 R, zitiert nach juris).

Im vorliegenden Fall sind keine Hinweise für ein Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie der Beigeladenen erkennbar. Auch finden sich keine Anhaltspunkte, die einen konkreten Beratungsanlass hätten begründen können, den Kläger auf die möglichen Vorteile eines späteren Rentenantrags mit Blick auf die KVdR hinzuweisen. Das spätere Interesse des Klägers, seine Vorversicherungszeiten wegen der KVdR möglichst zu verlängern, ist zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung damit für die Beklagte und die Beigeladene nicht erkennbar gewesen. Dies gilt auch deswegen, weil der Kläger nach dem Eintrag auf dem vorliegenden Mitteilungsbogen das Merkblatt für die KVdR erhalten hat und damit grundsätzlich den Zusammenhang zwischen Rentenantragsstellung und Berechnung der Vorversicherungszeiten hätte kennen müssen. Er hat auch die allgemeine Belehrung im Merkblatt nicht zum Anlass genommen, sein Interesse an einer Aufnahme in die KVdR deutlich zu machen. Seine Behauptung, den Inhalt des Merkblattes nicht zu kennen, ist rechtlich unerheblich. Er hat den Erhalt des Merkblattes ausdrücklich schriftlich bestätigt. Dies spricht dafür, dass ihm dieses Schriftstück auch übergeben worden ist, sodass er vom Inhalt auch Kenntnis erlangen konnte. Sein gegenteiliger Vortrag zeigt nur, dass er die gebotene Sorgfalt beim Umgang mit dem Merkblatt offenbar nicht beachtet und seinen Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hat.

(b) Doch auch dann, wenn von einem Beratungsfehler der Beklagten oder Beigeladenen auszugehen wäre, fehlt es für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Nachteil. Hätte der Kläger - nach unterstellter richtiger Beratung - seinen Rentenantrag zum spätest möglichen Zeitpunkt am 30. April 1999 gestellt, würde die danach zu verlängernde Vorversicherungszeit immer noch nicht ausreichen, um die erforderlichen Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V zu erfüllen.

(c) Der Kläger kann über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn er nach Erreichen der Altersgrenze am 30. April 1999 noch einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen wäre. Eine derartige Möglichkeit für weitere versicherungspflichtige Beschäftigung hat er nicht vorgetragen. Im Übrigen kann der sozialrechtliche Herstellungsanspruch keine Tatsachen fingieren, die unabhängig von einer möglichen Falschberatung der Verwaltung nur vom Kläger allein beeinflusst werden können. Dies wäre bei der Fiktion einer versicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers zwischen dem 1. Mai 1999 und dem 8. Mai 2000 der Fall und könnte deshalb nicht durch eine Amtshandlung der Beklagten ersetzt oder fingiert werden.

4. Gegen das Erfordernis einer Vorversicherungszeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i.d.F. durch das GRG bzw. seit dem 1. April 2007 nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 bestehen nach Auffassung des Senats auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. So hat das Bundesverfassungsgericht in dem bereits zitierten Beschluss vom 15. März 2000 (a.a.O.) die ursprüngliche 9/10 Regelung ohne Einschränkung auf Pflichtversicherungszeiten verfassungsrechtlich nicht beanstandet.

Die gesetzliche Regelung beruht auch auf sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen. Durch die Zugangsverschärfung in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i.d.F. nach dem GRG wollte der Gesetzgeber den Gedanken der Solidarität stärker als bisher betonen und vermeiden, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten für Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (BT-Drucksache 11/2237). Das Kriterium der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft ist dabei eines der wichtigsten Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Einrichtung einer Pflichtversicherung leiten und kann ein Anhaltspunkt für die Sachgerechtigkeit einer Grenzziehung mit der Folge unterschiedlicher Beitragslast sein. Bei der Verschärfung des Zugangs zur KVdR zur Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber grundsätzlich mehrere Regelungsmöglichkeiten. Er hätte für den Zugang zu der Pflichtversicherung auch auf die (absolute) Anzahl der Beiträge bzw. die Dauer der Versicherungszeit abstellen können. Tatsächlich hat er bei der Ausgestaltung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiographie abgestellt und zudem den Schwerpunkt auf die zweite Hälfte des individuellen Erwerbslebens gelegt. Nur diejenigen sind als schutzbedürftig einbezogen worden, die nach ihrer individuellen Erwerbsbiographie längere Zeit in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens der Solidargemeinschaft angehört haben. Letzteres erscheint sachgerecht, weil die zweite Hälfte des Erwerbslebens zeitlich näher an den jeweiligen Leistungsfall heranreicht als die erste Hälfte des Erwerbslebens (so zutreffend Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Oktober 2004 - L 1 KR 737/03, zitiert nach Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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