S 159 AS 21256/08 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
159
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 159 AS 21256/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Die Antragsteller, die zusammen leben, standen bis zu ihrem Umzug in ihre derzeitige 101,55 qm große Wohnung mit einer Bruttowarmmiete von 690 Euro im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II bei dem JobCenter Mitte. Die Antragsteller teilten den Umzug dem JobCenter Mitte im Februar mit und begründeten ihn damit, dass der Antragsteller zu 2) am 01. März 2008 eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnahm. Den Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 03. März 2008 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 05. Mai 2008 mangels Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft ab. Bei der Ermittlung des Bedarfes der Antragsteller begrenzte der Antragsgegner die Kosten der Unterkunft auf 444,00 Euro und stellte als anrechenbares Einkommen den Gründungszuschuss, den der Antragsteller zu 2) aufgrund Bescheides vom 27. Februar 2008 bezieht, in die Berechnung mit ein. Den Widerspruch der Antragsteller hiergegen wies der Antragsteller mit Widerspruchsbe¬scheid vom 23. Juni 2008 als unbegründet zurück.

Am 07. Juli 2008 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin eine einstweilige Anordnung beantragt, mit der sie ihr Begehren nach Leistungsgewährung bis zum Beginn des Angestelltenverhältnisses der Antragstellerin zu 1) am 01. Juli 2008 weiterverfolgen. Die Antragsteller meinen, der Gründungszuschuss sei nicht anrechenbar und jedenfalls seien die Ausgaben des Antragstellers zu 2) in Form der gesetzlichen Pflichtbeiträge für die Berufshaftpflicht, Kammer- Kfz-Haftpflicht-, Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge bei der Berechnung zu berücksichtigen. Zudem seien die in Ansatz gebrachten Kosten der Unterkunft fehlerhaft.

Die Antragsteller beantragen, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab 01. März 2008 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte des Antragsgegners, die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlagen, verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass der Regelungsanordnung hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antragsteller muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund).

Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftmachung eines Anordnungs¬grundes, da die Antragsteller die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum 01. März 2008 bis zum 30. Juni 2008 begehren, mithin für die Zeit vor Eingang des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Gericht am 07. Juli 2008. Den Antragstellern ist es in diesem ausschließlich in der Vergangenheit liegenden Zeitraum offensichtlich gelungen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, ihren Bedarf zu sichern. Die Antragsteller gehen selbst davon aus, dass ab 01. Juli 2008 keine Hilfebedürftigkeit aufgrund des Einkommens gegeben ist, dass die Antragstellerin zu 1) aus einem Angestelltenverhältnis bezieht. Das Gericht konnte offen lassen, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden, wie die von den Antragstellern vorgetragene Gefahr der Aufgabe der Kanzlei des Antragsstellers zu 2). Denn die Antragsteller konnten einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen.

Nach §§ 19, 20 Absatz 2 SGB II i.V.m. § 7 Absatz 1 Nr.3 SGB II setzt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II voraus. Hilfebedürftig ist hiernach, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit sowie aus dem berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dabei ist nach § 9 Absatz 2 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Die Antragsteller leben unstreitig in einer Bedarfsgemeinschaft. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft beträgt 1068,- Euro. Dieser Betrag setzt sich aus der Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von jeweils für die Antragstellerin zu 1) und für den Antragsteller zu 2) im streitgegenständlichen Zeitraum von 312 Euro sowie aus Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II i.H.v. 444,-Euro zusammen. Hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung war zu berücksichtigen, dass die Antragsteller in eine von der Fläche (101,55 qm) sowie der Miethöhe (690 Euro) unangemessene Wohnung gezogen sind. Bei einem Umzug in eine unangemessene teure Wohnung sind nur die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Der Antragsgegner hat die angemessenen Unterkunftskosten anhand der ihn bindenden AV-Wohnen für einen 2-Personenhaushalt korrekt an dem Richtwert von 444,-Euro orientiert.

Auf diesen Gesamtbedarf der Bedarfgemeinschaft war nach § 11 SGB II ein Einkommen in Höhe von 695,10 Euro anzurechnen. Der von dem Antragsteller zu 2) bezogene Gründungszuschuss nach § 57 SGB III in Höhe von 725,10 Euro war als Einkommen i.S.d. § 11 Absatz 1 SGB II zu berücksichtigen. Hiervon war der Versicherungspauschalbetrag von 30 Euro abzusetzen.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist der dem Antragsteller zu 2) seit 01. März 2008 zufließende Gründungszuschuss nach § 57 SGB III als Einkommen zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um Einnahmen, die als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und deshalb nach § 11 Absatz 3 Nr.1a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind (ebenso LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 13.02.2008 Az. L 32 B 59/08 AS ER). Aus dem Gesetzeswortlaut des § 57 Absatz 1 SGB III und der zugrunde liegenden Gesetzesbegründung ergibt sich eine Zweckidentität zwischen dem Gründungszuschuss und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II. Der in § 57 SGB III geregelte Gründungszuschuss ersetzt als einheitliches Förderungs¬instrument das Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung und den zum 30.06.2006 ausgelaufenen Existenzgründungszuschuss. Mit der Konzentration auf ein Instrument soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Transparenz und Übersichtlichkeit der Förderung erhöht und zugleich eine Entlastung der Arbeitsveraltung erreicht werden (BT-Drucksache 16 / 1696 S.30). Dabei ergibt sich der Zweck des neu konzipierten Gründungszuschusses unmittelbar aus dem Gesetz. In § 57 Absatz 1 SGB III ist geregelt, dass Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss haben. In der Gesetzesbegründung wird diese Zweckrichtung des Gründungszuschusses näher erläutert, indem darauf hingewiesen wird, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes zum Beginn einer selbstständigen Tätigkeit das größte Problem für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit darstellen würde. Daher solle das wegfallende Arbeitslosengeld durch den Gründungszuschuss kompensiert werden, da die anfänglichen Erträge aus der selbstständigen Tätigkeit dazu in der Regel noch nicht ausreichen würden(BT-Drucksache 16 / 1696 Seite 30 f).

Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller kann eine weitere Absetzung von Aufwendung, die im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt anfallen, nicht nach § 11 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2, 3a) und b) und 5 SGB II erfolgen. Diese Abzüge sind bereits in die Gewinn- und Verlustrechnung der Einnahmen aus der Kanzlei eingestellt und können nicht nochmals als Abzugsposten berücksichtigt werden, indem sie den in Ansatz zu bringenden Gründungszuschuss mindern sollen. Verluste aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt können nicht dem Gründungszuschuss verrechnet werden (ebenso für den Existenzgründungszuschuss LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.03.08, Az. L 20 B 223 /07 ER [juris]). Der Gründungszuschuss ist keine Einnahme im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Er steht zwar im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit, er wird aber nicht durch selbständige Tätigkeit erwirtschaftet. Der Gründungszuschuss ist eine staatliche Sozialleistung und entzieht sich der Einordnung als Einnahme aus selbständiger Tätigkeit.

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgebliche Streitwert von 750 Euro wird überschritten, da die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für vier Monate begehren.
Rechtskraft
Aus
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