L 3 U 273/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 U 744/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 273/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.02.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aufgrund des Unfalls vom 30.10.2002 die Gewährung von Verletztenrente.

Die 1949 geborene Klägerin, von Beruf Empfangssekretärin, erlitt am 30.10.2002 einen Arbeitsunfall, als sie auf nassem Boden ausrutschte und auf den Kopf gefallen ist.

Prof.Dr.B. , Chirurg, Unfallchirurg, Krankenhaus M. diagnostizierte am 30.10.2002 eine Prellung des Rückens und eine Schädelprellung. Es erfolgte eine stationäre Aufnahme bis zum 09.11.2002 mit Verlegung in die neurologische Abteilung.

Dr.S. , Chirurg und Unfallchirurg, stellte am 14.11.2002 ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I, das Vorliegen von monokulären Doppelbildern sowie eine subjektive Sprachstörung fest.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen Röntgen- und Kernspinaufnahmen, ein Vorerkrankungsverzeichnis der Barmer Ersatzkasse, einen Bericht des Prof.Dr. B./Dr.S. vom 13.01.2003 und des Dr.G. , Krankenhaus B. , vom 23.11.2002 hinsichtlich der stationären Behandlung vom 01.11.2002 bis 09.11.2002, Befundberichte des Dr.H. , Internist, P. vom 04.12.2002, des Dr.S. vom 27.01.2003 und 21.02.2003 mit Fremdbefunden (P. Prof. Dr. F. vom 02.12.2003), des PD Dr.E. , Neurologe, eingegangen am 13.02.2003, des Dr.J. , Neurochirurg, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. , vom 25.03.2003 und 13.05.2003 und des Dr.K. , Chirurg, Unfallchirurg, vom 14.05.2003 und vom 21.05.2003 bei.

Mit Bescheid vom 06.06.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die durch den Unfall eingetretene Schädelprellung und Prellung des Rückens folgenlos ausgeheilt seien. Die am 10.01.2003 durchgeführte Kontroll-Computertomographie habe keine Unfallfolgen gezeigt. Die bei der Klägerin weiterhin vorliegenden Gesundheitsstörungen wie das Bestehen von Doppelbildern, Wortfindungsstörungen, eine Nasen-Nebenhöhlenentzündung und psychosomatische Störungen seien nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest des S. R. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 20.08.2003 vor, wonach bei der Klägerin eine organische affektive Störung als Folge des Schädel-Hirn-Traumas bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2003 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalles vom 30.10.2002 ab 11.01.2003 eine Verletztenrente nach einer MdE von 80 v.H. auf unbestimmte Zeit zu gewähren.

Das SG hat einen Befundbericht des S. R. vom 17.12.2003 mit einem Befund des Prof. Dr. F. , Neurologe, vom 02.12.2003 sowie die Akten des Versorgungsamtes beigezogen und Gutachten der Dr.P. , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 05.08.2005 und auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Dr.S. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 18.04.2006 eingeholt.

Dr.P. hat ausgeführt, dass es bei dem Unfall zu einem Schädel-Hirn-Trauma Grad I im Rahmen einer Schädelprellung gekommen sei, das folgenlos ausgeheilt sei. Zeichen einer Hirnbeteiligung hätten sich nicht gezeigt. Die bei der Klägerin vorliegende ängstlich-depressive Anpassungsstörung mit diskreten unspezifischen kognitiven Einschränkungen sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die kognitiven Einschränkungen ließen sich in ihrem Ausmaß der ängstlich-depressiven Leistungsverunsicherung zuordnen. Ein Teil der ängstlich-depressiven Verstimmung sei auch auf die schwierige soziale Lage durch den Arbeitsplatzverlust zurückzuführen.

Dr.S. hat dargelegt, die vorliegenden MRT-Bilder seien als postkontusionelle Blutung zu werten. Als Folge des Unfalles bestehe ein cranio-cervikales Syndrom, neuropsychologische Defizite sowie eine Angst- und depressive Störung gemischt als Ausdruck einer posttraumatischen Belastungsstörung. Andere Erkrankungen mit Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem mit Ausnahme eines medikamentös gut eingestellten erhöhten Blutdrucks könnten weder anamnestisch noch im Verlaufe des gesamten diagnostischen Prozesses festgestellt werden. Bei der Klägerin hätten vor dem Unfall keinerlei neuropsychologische Ausfallserscheinungen bestanden. Im Gegenteil, sie sei als Synchrondolmetscherin in der Lage gewesen, in drei Fremdsprachen zu übersetzen. Diese Fähigkeit sei nach dem Unfall nicht mehr vorhanden gewesen. Als einziges schädigendes Moment lasse sich das Unfallereignis festmachen. Das Gleiche gelte eingeschränkt für die psychiatrischen Störungen. Als Folge des cranio-cervikalen Syndroms seien chronische Kopfschmerzen gegeben, die eine MdE von 30 v.H. bedingten. Die neuropsychologischen Defizite begründeten eine MdE von 50 v.H., die posttraumatische Belastungsstörung eine MdE von 30 v.H ... Die Gesamt-MdE betrage 80 v.H ...

Mit Urteil vom 01.02.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten der Dr.P. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung des Dr.R., Internist, vom 31.10.2007 vor.

Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Dr.P. vom 02.01.2008 eingeholt.

Dr.P. hat darauf hingewiesen, dass der MRT-Befund vom 15.04.2003 entgegen der Auffassung des Dr.S. nicht als postkontusionelle Blutung gedeutet werden könne. Es sei vielmehr eine kleine vaskuläre Läsion beschrieben entsprechend einer älteren vaskulären Genese. Auch das in der Klinik B. angefertigte MRT am 07.11.2002 habe keinerlei Hinweise auf eine traumatische Hirnsubstanzschädigung ergeben. Als Ursache der kognitiven Störungen kämen auch die bestehende Hypertonie und der langjährige Nikotinmißbrauch in Betracht mit der Gefahr cerebro-vaskulärer Schäden. Entsprechende vaskuläre Läsionen seien auch im MRT gefunden worden. Eine weitere Erklärung für die kognitiven und affektiven Defizite sei in der Diagnose der ängstlich-depressiven Auffälligkeiten zu finden. Hier ergäben sich wieder Überschneidungen zum Krankheitsbild der Neurasthenie, wie es bei der Klägerin schon im Jahr 2001 beschrieben worden sei. Der Unfall sei nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentliche Ursache für diese Auffälligkeiten. Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich zu keinem Zeitpunkt gefunden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.02.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund des Unfalls vom 30.10.2002 Verletztenrente nach einer MdE von 80 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.02.2007 als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten und der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 15.04.2008.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.02.2007 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente hat. Der Bescheid der Beklagten vom 06.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2003 ist rechtmäßig.

Nach § 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindesten 20 vom Hundert (v. H.) gemindert ist.

Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. BSGE 38, 127, 129).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. BSGE 19, 52; BSG Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d. h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlung ist der Senat der Überzeugung, dass der Unfall vom 30.10.2002 keine Gesundheitsstörungen hinterlassen hat, die einen Anspruch auf Verletztenrente begründen.

Die Klägerin hat bei dem Unfall vom 30.10.2002 ein Schädel-Hirn-Trauma I im Rahmen einer Schädelprellung erlitten, das folgenlos ausgeheilt ist. Die bei der Klägerin nunmehr vorhandenen Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten der Dr.P ... Das Gutachten des Dr.S. kann demgegenüber nicht überzeugen.

Bleibende Unfallfolgen sind nicht gegeben. Die bei der Klägerin jetzt vorliegende ängstlich-depressive Anpassungsstörung mit diskreten unspezifischen kognitiven Einschränkungen ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 30.10.2002 zurückzuführen. Das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist nicht nachgewiesen.

Die bei der Klägerin vorliegenden kognitiven Störungen sind nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall verursacht. Eine traumatische Hirnsubstanzschädigung war nicht festzustellen. Anzeichen wie längere Bewusstlosigkeit als eine Stunde, Amnesie über acht Stunden, Verwirrtheit über 24 Stunden waren nicht gegeben. Auch entsprechende neurologische Ausfälle, eine bildgebende Darstellung von Substanzschäden oder EEG-Veränderungen lagen nicht vor. Soweit Dr.S. eine postkontusionelle Blutung aufgrund des MRT des Schädels vom 15.04.2003 annimmt, kann dies nicht überzeugen. Dr.M. als behandelnder Radiologe hat eine kleine vaskuläre Läsion im linken Marklager entsprechend einer älteren vaskulären Genese beschrieben. Auch das MRT vom 07.11.2002 zeigte nur unspezifische Läsionen als Hinweise von Mikrodurchblutungsstörungen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer traumatischen Hirnsubstanzschädigung fanden sich zu keinem Zeitpunkt.

Dr.P. hat zudem darauf hingewiesen, dass sich andere bei der Klägerin gesicherte Krankheitskomplexe als Erklärung für die bestehenden Auffälligkeiten im kognitiven Bereich finden lassen. Die bei der Klägerin bestehende Hypertonie und der langjährige Nikotinmissbrauch birgt die sehr hohe Gefahr cerebro-vaskulärer Schäden. Dementsprechend wurden bei der Klägerin auch im MRT vaskuläre Läsionen gefunden. Dr.P. hat darauf hingewiesen, dass hier das Anfangsbild einer beginnenden subkortikalen vaskulären Demenz gegeben sein könnte. Eine weitere Erklärung für die kognitiven und affektiven Defizite findet sich in der bei der Klägerin vorliegenden ängstlich-depressiven Anpassungsstörung. Hierzu gehören auch Defizite bei komplexen Verarbeitungsprozessen akustischer Informationen, wie dies etwa beim Simultandolmetschen erforderlich ist, eine eingeschränkte Aufnahmefähigkeit, reduzierte Leistungen in anstrengenden Aufgaben und assoziierte geringere Gedächtnisleistungen. Es ergeben sich zudem Überschneidungen zum Krankheitsbild der Neurasthenie, wie es bei der Klägerin ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses schon im Jahr 2001 festgestellt wurde.

Auch die bei der Klägerin jetzt vorliegende Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet in Form einer ängstlich-depressiven Anpassungsstörung ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 30.10.2002 zurückzuführen.

Die Grundsätze der unfallrechtlichen Kausalitätslehre gelten auch bei der schwierigen Zusammenhangsbeurteilung psychischer Reaktionen auf Arbeitsunfälle (vgl. dazu BSGE 18, 173, 177; 19, 275, 278; BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Akute abnorme Reaktionen kommen danach als Unfallfolge dann ohne weiteres in Betracht, wenn sich die Symptome unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis entwickelt haben, das mit einer so schweren seelischen Belastung verbunden war, dass auch mit gewöhnlicher seelischer Reaktionsweise eine ausgeprägte Reaktion zu erwarten gewesen wäre. In der Regel klingen die psychischen Folgen in wenigen Monaten, selten im Lauf von einem bis zwei Jahren ab (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 7. Auflage, S.224). Bleiben sie bestehen oder verstärken sich sogar oder treten sie bei geringfügigen Traumen auf, deutet dies auf eine besondere Disposition des Verletzten zu neurotischen Störungen hin, so dass sich die Frage der Wesentlichkeit der Anlage im Vergleich zum Trauma stellt.

Dabei ist u.a. zu prüfen, ob das Unfallereignis und seine organischen Auswirkungen ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h. z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar sind, oder ob eine entsprechende psychische Anlage so leicht "ansprechbar" war, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist.

Die Klägerin leidet vorliegend an einer Anpassungsstörung mit diskreten kognitiven Einschränkungen. Bei einer Anpassungsstörung handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen. Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle (vgl. ICD 10 F43.2).

Dr.P. hat darauf hingewiesen, dass zwar aufgrund des Fehlens objektiver Fremdbefunde und den sehr wagen Angaben der Klägerin ihre Primärpersönlichkeit vor dem Unfall unklar bleibt. Hinweise für eine bereits vor dem Unfall bestehende innere Anspannung ergeben die Diagnosen Tinnitus 1997 und die von der Klägerin als Überarbeitung gedeutete Neurasthenie im Jahr 2001. Eine erneute Verunsicherung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und beruflichen Situation ergab sich, als im Oktober 2002 das Insolvenzverfahren hinsichtlich des Arbeitgebers der Klägerin durchgeführt wurde. Die schwierige soziale Lage der Klägerin auch durch den Arbeitsplatzverlust kann nach den Ausführungen der Dr.P. Bedeutung gewonnen haben. Ausreichende Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang im Sinne der oben genannten Grundsätze mit dem Unfall bestehen nicht.

Das Gutachten des Dr.S. kann ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Hinsichtlich der kognitiven Defizite lässt er die bei der Klägerin bestehenden anderen Krankheitsbilder außer Acht. Er begründet den Unfallzusammenhang mit dem Unfallereignis allein damit, dass dieses das einzige schädigende Moment gewesen sei. Dies ist weder zutreffend noch kann es als Begründung für das Vorliegen eines Unfallzusammenhangs ausreichen.

Soweit Dr.S. darüber hinaus eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge feststellt, kann dies nicht überzeugen. Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (vgl. ICD 10 F43.1). Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen wurde von keinem der behandelnden Ärzte festgestellt. Es ergeben sich nach den Feststellungen der Dr.P. auch keinerlei Hinweise, die diese Diagnose stützen könnten. Demgegenüber hat Dr.S. das Vorliegen dieser Gesundheitsstörung ohne weitere Begründung angenommen. Soweit Dr.R. als Internist und Dipl.-Psychologe diese Diagnose in seinem Bericht vom 30.10.2007 aufführt, ergibt sich dies aufgrund seiner Bezugnahme auf das Gutachten des Dr.S ...

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.02.2007 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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