S 51 AS 2506/08 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
51
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 2506/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 22.07.2008, Az. S 51 AS 1573/08 ER wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen.

Gründe:
I.

Streitig ist eine Abänderung einer Regelungsanordnung des Sozialgerichts.

Mit Beschluss vom 22.07.2008, Aktenzeichen S 51 AS 1573/08 ER, verpflichtete das Sozialgericht München die Antragstellerin als Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), dem Antragsgegner vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 707,- Euro (davon 356,- Euro Kosten der Unterkunft) zu gewähren, gegebenenfalls gemindert um anrechenbares Einkommen des Antragsgegners. Der Beschluss wurde den Beteiligten Ende Juli 2008 bekannt gegeben. Eine Beschwerde wurde nicht eingelegt.

Mit Bescheid vom 26.09.2008 verfügte die Antragstellerin, dass die nach vorgenanntem Beschluss vom 22.07.2008 gewährten Leistungen ab dem 01.10.2008 in Höhe der Kosten der Unterkunft eingestellt würden.

Am 08.10.2008 beantragte der Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,- Euro gegen die Antragstellerin zu verhängen, da diese die Anordnung aus dem Beschluss hintertreibe. Der Zwangsgeldantrag wurde mit Schreiben vom 23.10.2008 zurück genommen.

Am 10.10.2008 beantragte die Antragstellerin, den Beschluss vom 22.07.2008 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft aufzuheben. Die Leistungen für Oktober 2008 seien inzwischen in voller Höhe (inklusive der Kosten der Unterkunft) zur Auszahlung angewiesen worden. Der Bescheid vom 26.09.2008 werde aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bestehe eine neue Sachlage. Nach einer Meldeauskunft seien in dem Haus, in dem der Antragsgegner im Untergeschoss eine Mietwohnung bewohnt, sieben Personen gemeldet. Im September sei mitgeteilt worden, dass zwei zusätzliche Personen in das Haus eingezogen seien. Bei einem Hausbesuch sei der Zugang zur Wohnung vom Antragsgegner verwehrt worden. Der Antragsgegner habe mitgeteilt, dass für einige Zeit eine Person mit in einem seiner Mieträume gewohnt habe. Nach Auskunft der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners habe eine Frau K. für mehrere Monate in einem Zimmer des Antragsgegners gewohnt. Das Bauamt habe festgestellt, dass die Mieträume des Antragsgegners baurechtlich nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürften. Aufgrund der Einheit der Rechtsordnung sehe sich die Antragstellerin außer Stande, weiterhin die Kosten der Unterkunft zu gewähren. Die Antragstellerin verwies auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.10.2007, L 19 B 1700/07 AS ER.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München S 51 AS 1573/08 ER vom 22.07.2008 bezüglich der Kosten der Unterkunft aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands wegen der Einzelheiten auf die Akte des Gerichts und die Akten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 22.07.2008 ist zulässig, jedoch nicht begründet. Da die Leistungen für Oktober 2008 bereits vollständig ausbezahlt wurden, kann sich der Antrag nur noch auf die Leistung für November und Dezember 2008 beziehen.

Der Antrag auf Änderung der Regelungsanordnung ist analog § 86b Abs. 1 S. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rn. 335). Nach anderer Auffassung findet sich die Rechtsgrundlage für ein derartiges Verfahren in § 86b Abs. 2 S. 4 SGG und § 927 Abs. 1 ZPO (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 86b Rn. 45). Einigkeit besteht, dass eine Aufhebung nur wegen veränderter Umstände in Betracht kommt (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 183,185, Meyer-Ladewig a.a.O.).

Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass das vorhergehende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes rechtskräftig abgeschlossen ist (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 184). Mangels einer rechtzeitigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 22.07.2008 ist das der Fall.

Zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§ 86b Abs. 1 S. 4 SGG bzw. § 927 Abs. 2 ZPO). Eine Hauptsache ist bezüglich des Streitgegenstandes der Regelungsanordnung (Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008) nicht rechtshängig, weil bislang weder ein Bescheid noch ein Widerspruchsbescheid hierzu ergangen ist. Als zuständiges Gericht kommt deshalb nur das Gericht in Frage, das den abzuändernden Beschluss erlassen hat (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 26. Auflage, § 927 Rn. 3).

Der Antrag ist unbegründet, weil keine veränderten Umstände vorliegen. Weder der Verstoß gegen öffentliches Baurecht, noch die Hinweise auf weitere Bewohner des Hauses sind geeignet, eine Änderung des vorherigen Beschlusses zu rechtfertigen.

Es ist unerheblich, ob die Wohnung des Antragstellers nach öffentlichem Baurecht als Wohnraum genutzt werden darf. Existenzsichernde Leistungen dürfen nicht zur Durchsetzung des öffentlichen Baurechts zurückgehalten werden (Münder LPK-SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 13 und Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 15c). Das öffentliche Baurecht verfügt selbst über Rechtsgrundlagen zu seiner Durchsetzung (z.B. Art. 76 S. 2, Art 79 Bayerische Bauordnung – BayBO).

Der Hinweis der Antragstellerin auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.10.2007, L 19 B 1700/07 AS ER überzeugt nicht. In der dortigen Entscheidung ging es um die Mietkosten für einen Wohnwagen, der auf öffentlichen Straßen an ständig wechselnden Orten zu Wohnzwecken genutzt wurde. Diese Wohnform wurde als ordnungswidrig eingestuft (ungenehmigte Sondernutzung der Straße) und als Verstoß gegen Regelungen der öffentliche Sicherheit und Ordnung, die auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen. Deshalb sei die Miete des Wohnwagens nicht zu übernehmen.

Es wäre ausgeschlossen, unmittelbar Ordnungswidrigkeiten des Hilfebedürftigen als Kosten der Unterkunft nach SGB II zu finanzieren (z.B. Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten). Einen derartigen Wertungswiderspruch müsste die Rechtsordnung vermeiden. Ansonsten dürfen existenzsichernde Leistungen aber grundsätzlich nicht vorenthalten werden, um über die dadurch ausgelöste Notlage dem öffentlichen Recht zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Existenzsicherung hat Vorrang. Deshalb ist die vorgenannte Ablehnung der Übernahme der Wohnwagenmiete zweifelhaft. Hinzu kommt, dass selbst eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 S. 2 BayBO im Ermessen der Baubehörde steht. Es ist also keineswegs sicher, ob und ab wann die Nutzung von der zuständigen Behörde untersagt wird. Die Miete ist deshalb trotz des Widerspruchs zu öffentlichem Baurecht weiter als Kosten der Unterkunft zu übernehmen.

Zu den weiteren Bewohnern des Hauses wurde kein Sachverhalt vorgetragen, der eine Änderung des Beschlusses für November und Dezember 2008 rechtfertigen könnte. Es ist unerheblich, wie viele Personen im gesamten Haus wohnen oder wohnten. Relevant ist allenfalls, wie viele Personen im November und Dezember in den Mieträumen des Antragsgegners wohnen. Selbst die geschiedene Ehefrau berichtete nur, dass eine Frau K. in der Vergangenheit bei dem Antragsgegner gewohnt habe. Abgesehen davon, dass ungeklärt ist, welchen Wahrheitsgehalt diese Mitteilung hat, ist die Vergangenheit nicht von Bedeutung. Selbst wenn im hier strittigen Zeitraum eine weitere Person beim Antragsgegner wohnen würde, wofür keine Anhaltspunkte vorliegen, wäre allenfalls eine anteilige Verringerung der Kosten der Unterkunft denkbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Grundsätzlich wäre der vorliegende Beschluss einer Beschwerde zugänglich (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 185 a.E.) Im vorliegenden Fall ist aber keine Beschwerde möglich. Anwendbar ist das Sozialgerichtsgesetz in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Leistung für die Kosten der Unterkunft für die Monate November und Dezember 2008. Im Beschluss vom 22.07.2008 wurden monatliche Unterkunftskosten von 356,- Euro zugesprochen. Damit wäre in einer Hauptsacheklage die Berufungssumme von 750,- Euro nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGG nicht überschritten. Deshalb ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG eine Beschwerde gegen den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes also endgültig.
Rechtskraft
Aus
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