Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2977/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4421/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung des Klägers streitig.
Der 1953 geborene Kläger, ein studierter Pädagoge, ist seit 1987 bei der Gemeinde I. als Gästebetreuer Freizeitberater versicherungspflichtig beschäftigt. Hierbei handelt es sich jeweils um vom 01.05. bis 31.10. d. J. befristete Arbeitsverhältnisse. Nur einmal, im Jahr 1994, arbeitete der Kläger bei der Gemeinde hiervon abweichend von Juni bis November. In der übrigen Zeit geht der Kläger keiner Beschäftigung nach. Er bezog überwiegend Alg bzw. Anschlussarbeitslosenhilfe. Zuletzt wurde ihm auf seinen Antrag vom 19.11.2003, in dem er mitgeteilt hatte, dass er vom 01.05.1987 bis 31.10.2003 - jeweils von Mai bis Oktober - bei der Gemeinde I. als Gästebetreuer beschäftigt sei, Alg für die Zeit vom 01.11.2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29.01.2004 bewilligt (Bescheide vom 02.12.2003, 02.01.2004). Auf dem Antragsformular bestätigte der Kläger durch seine Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Mit Schreiben vom 10.02.2004, das den Eingangsstempel der Beklagten vom 11.02.2004 trägt, teilte der Kläger der Beklagten unter seiner Kundennummer mit, dass er bis zur Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfüge stehe.
Vom 01.05.2004 bis 31.10.2004 war der Kläger wie in den Jahren zuvor bei der Gemeinde I. versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 21.10.2004 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Er gab an, er habe sich deshalb nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, weil er seit 1987 als Saisonangestellter bei der Gemeinde I. beschäftigt sei. Er habe sich gewohnheitsmäßig immer im Oktober gemeldet. Ein früherer Meldetermin sei ihm nicht bewusst gewesen.
Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 16.11.2004 mit, dass er seiner Verpflichtung, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, um 80 Tage zu spät nachgekommen sei. Der Leistungsanspruch mindere sich daher um insgesamt 1.050,- EUR (täglich 35,- EUR für längstens 30 Tage). Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Höhe des Abzugs von der täglichen Leistung betrage 11,73 EUR. Mit Bescheid vom 18.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.11.2004 in Höhe von wöchentlich 164,22 EUR mit einer Anspruchsdauer von 90 Tagen. Ausbezahlt wurde dem Kläger unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrags in Höhe von 82,11 EUR ein wöchentlicher Leistungsbetrag in derselben Höhe.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er wies erneut darauf hin, dass er seit 1987 regelmäßig als Saisonangestellter beschäftigt sei und sich gewohnheitsmäßig immer gegen Saisonende gemeldet habe. An seiner Situation hätte sich auch bei einer früheren Meldung nichts geändert. Für den kurzen Zeitraum seiner Arbeitslosigkeit von November 2004 bis Januar 2005 sei keine entsprechende Beschäftigung zu erwarten. Er halte die Kürzung deshalb für unverhältnismäßig. Auch nach dem Merkblatt sei eine Minderung nicht zwingend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Meldepflicht entstehe bei einem Arbeitsverhältnis, wie es beim Kläger vorgelegen habe, spätestens drei Monate vor dem vereinbarten Ende, vorliegend somit am 01.08.2004. Der Kläger habe sich jedoch erst am 21.10.2004 und damit 80 Tage zu spät arbeitssuchend gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Eine Härtefallregelung bezüglich der Minderung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ebenso könne mangels entsprechender Regelung kein Ermessen ausgeübt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 17.01.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens hat er ergänzend vorgetragen, ihm seien Fälle bekannt, in denen Saisonangestellte in der Gastronomie/Hotelerie bei verspäteter Meldung keine Minderung erhalten hätten. Es scheine also doch Ermessensspielräume zu geben. Entsprechendes folge auch aus dem "Merkblatt für Arbeitslose", wonach eine verspätete Meldung in der Regel nur zu einer Minderung führen "könne".
Die Beklagte hat sich dahingehend geäußert, dass unbestritten sei, dass der Kläger seit vielen Jahren regelmäßig in den Monaten November eines Jahres bis April des Folgejahres ohne Beschäftigung sei und Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit erhalte. Seit dem 01.07.2003 gebe es jedoch die Neuregelungen zur frühzeitigen Meldung in den §§ 37b und 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Auf sie sei in den Medien hingewiesen worden. Der Kläger hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die gesetzlichen Regelungen für den alljährlichen Bezug von Alg/Arbeitslosenhilfe unverändert fortgelten würden und insbesondere die ihm günstige Rechtslage unverändert bleibe. Ergänzend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit der Erschöpfung des Anspruchs auf Alg im Januar 2004 am 27.01.2004 (u.a. als Nachweis für das Finanzamt und den Rentenversicherungsträger) ein/e "Leistungsnachweis/Entgeltbescheinigung" zugesandt worden sei. Diese habe folgenden - als wichtig gekennzeichneten - Hinweis enthalten: "Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z.B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruchs führen kann." Aufgrund dieses Hinweises habe der Kläger die Regelung zur unverzüglichen Meldung als Arbeitssuchender gekannt bzw. hätte sie kennen müssen. Der Kläger hat den Erhalt des Leistungsnachweises und dessen Inhalt bestätigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2007 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.11.2004 i. V. m. dem Bescheid vom 18.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2004 verurteilt, dem Klägers höheres, ungemindertes Alg zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg nach §§ 37b, 140 SGB III in der vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung hätten hier nicht vorgelegen. Der Kläger könne sich zwar nicht darauf berufen, dass der Zeitpunkt seiner Meldung in der Vergangenheit niemals beanstandet worden sei, und er sei auch nicht in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit, sich drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten arbeitssuchend zu melden, gewesen. Es fehle hier jedoch an einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung. Die an eine solche Belehrung zu stellenden Voraussetzungen erfülle der Hinweis im "Leistungsnachweis" vom 27.01.2004 nicht. Denn der Hinweis, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs führen "könne", sei unrichtig. Nach dem Wortlaut des § 140 Satz 1 SGB III mindere sich das Alg im Falle einer verspäteten Meldung zwingend. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin des Klägers ihrer Informationspflicht nachgekommen sei, würden fehlen. Dem Kläger könne deshalb die Nichterfüllung der Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung nicht mit der Konsequenz vorgeworfen werden, dass sich das Alg mindere.
Dagegen hat die Beklagte am 10.09.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dem Kläger sei eine zutreffende Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden. Der Umstand, dass der Hinweis die Formulierung "kann" beinhalte, führe nicht dazu, dass die Obliegenheitsverletzung für den Kläger nicht vorwerfbar sei und somit die Rechtsfolge der Minderung der Höhe des Leistungsanspruchs nicht eintrete. Der Hinweis sei in Form der "Kann"-Vorschrift inhaltlich richtig. Eine absolut gehaltene Formulierung in Gestalt einer "Muss"-Vorschrift verbiete sich wegen der zu berücksichtigenden subjektiven Komponente. Dem Kläger müsse subjektiv vorgeworfen werden, gegen seine Pflicht zur frühzeitigen Meldung verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf ergebe sich gerade daraus, dass er bereits einige Jahre jeweils in den Wintermonaten arbeitslos geworden sei und regelmäßig Leistungen der Beklagten in Anspruch nehme. Er müsse deshalb wissen, dass es zu Rechtsänderungen kommen und er als Arbeitsloser bzw. als von Arbeitslosigkeit unmittelbar Bedrohter verpflichtet sei, sich entsprechend über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Hierzu gehöre auch, Merkblätter und Hinweise in Bescheiden und Leistungsnachweisen zur Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten den gestellten Anforderungen anzupassen. Falls dem Kläger nicht klar gewesen sein sollte, wie der Hinweis zu verstehen sei und welches Verhalten von ihm konkret verlangt werde, hätte er sich erkundigen müssen. Da er dies nicht getan habe, müsse er die Konsequenzen seines Verhaltens tragen.
In dem von der Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger erklärt, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, ob er das Schreiben vom 10.02.2004, mit dem er mitgeteilt hat, dass er bis zur Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, persönlich abgegeben oder per Post übersandt habe.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, dass das Schreiben des Klägers vom 10.02.2004, nachdem er darin keinen konkreten Endzeitpunkt seiner befristeten Tätigkeit mitgeteilt habe, nicht ausreiche, um seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Meldung nachzukommen. Unbeachtlich sei, dass der Kläger in den letzten Jahren immer für den gleichen Zeitraum beschäftigt gewesen sei. Diese Kenntnis könne sie - die Beklagte - erst durch Studium der Leistungsakte bzw. der Beratungsvermerke erlangen. Dem Sinn und Zweck des § 37b SGB III werde es nicht gerecht, wenn sie den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers erst ermitteln müsse.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht eine Minderung des Anspruchs auf Alg wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung festgesetzt.
Gegenstand des Verfahrens ist - wie das SG zutreffend erkannt hat - neben dem Bewilligungsbescheid vom 18.11.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 20.12.2004 auch das Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 16.11.2004, da der Bewilligungsbescheid mit dem Schreiben zusammen eine rechtliche Einheit über die (verringerte) Bewilligung von Alg enthält. Streitig ist im vorliegenden Verfahren lediglich die Minderung des Alg, da die Klage hierauf beschränkt war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2007 - L 7 AL 2996/06 -, jeweils in www.juris.de).
Anspruch auf Alg haben nach § 117 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen waren im Falle des Klägers in der streitbefangenen Zeit gegeben. Er hatte ab 01.11.2004 Anspruch auf Alg.
Die Beklagte war nicht berechtigt, diesen Anspruch um den hier streitigen Gesamtminderungsbetrag von 1050,- EUR in der Form der Anrechnung auf das halbe Alg pro Tag zu kürzen. Der Kläger hatte vielmehr Anspruch auf ungemindertes Alg. Die Voraussetzungen für eine Minderung nach § 140 SGB III a.F. wegen verspäteter Meldung lagen nicht vor.
Nach § 37b SGB III in der vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich nach § 140 SGB III in der ebenfalls vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt
1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 60,- EUR 7,- EUR 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 100,- EUR 35,- EUR 3. bei einem Bemessungsentgelt über 100,- EUR 50,- EUR
für jeden Tag der verspäteten Meldung.
Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Alg angerechnet wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ist § 37b Satz 2 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung in sich nicht so widersprüchlich und unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann. Satz 2 der Vorschrift ist als unselbständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III a. F. anzusehen. Das bedeutet, dass eigentlich auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn der Beendigungszeitpunkt bereits vorher bekannt ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - in SozR 4-4300 § 37b Nr. 2).
Dem Kläger war die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung auch bekannt. Zum einen war er durch den Hinweis im Leistungsnachweis der Beklagten vom 27.01.2004 und zum anderen durch das ihm mit dem im Vorjahr gestellten Antrag am 18.11.2003 ausgehändigten Merkblatt 1 der Beklagten inhaltlich richtig informiert. Die Hinweise der Beklagten in der Mitteilung und im Merkblatt sind klar und unmissverständlich. Der Wortlaut der Belehrung ("Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden") lässt keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen. Entgegen den Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG vom 13.08.2007 ist das Merkblatt auch in Bezug auf die drohende Rechtsfolge (Minderung des Anspruchs) unmissverständlich. Die Formulierung, die verspätete Meldung führe "in der Regel" zu einer Minderung des ALG, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt auch für die Ausführungen im Leistungsnachweis/Entgeltbescheinigung, wonach eine verspätete Meldung zu einer Verringerung des Leistungsanspruchs führen "kann". Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil § 140 SGB III zwingend die Rechtsfolge der Minderung anordnet. In der einschränkenden Wortwahl ("in der Regel" und "kann") wird in der Sache berücksichtigt, dass eine Minderung nicht nur objektiv von der verspäteten Arbeitssuchendmeldung, sondern auch subjektiv von einem Verschulden abhängig ist. Mehr kann von einer gesetzlich für die Rechtmäßigkeit der Minderung des Alg nicht vorgesehenen Belehrung nicht verlangt werden (BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - in SozR 4-4300 § 37b Nr. 5).
Zweifelsohne hat der Kläger mit der persönlichen Arbeitslosmeldung am 21.10.2004 auch die Frist zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung nicht eingehalten. Nachdem das Arbeitsverhältnis von vornherein vom 01.05. bis 31.10.2004 befristet war, hätte er sich spätestens am 01.08.2004 arbeitssuchend melden müssen.
Der Kläger ist seiner Pflicht zur Meldung jedoch bereits durch sein Schreiben vom 10.02.2004, das den Eingangsstempel der Beklagten vom 11.02.2004 trägt, nachgekommen. Mit diesem Schreiben hat sich der Kläger unter Angabe seiner bereits seit mindestens 1986 geltenden Stammnummer aus dem Leistungsbezug abgemeldet und die Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 angezeigt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger - wie auch die Beklagte selbst vorträgt - seit 1987 jedes Jahr ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Gemeinde I. hatte und dieses befristete Arbeitsverhältnis außer im Jahr 1994 jeweils vom 01.05. bis 31.10. der übrigen Jahre dauerte, hat der Kläger damit die Beklagte rechtzeitig darüber informiert, dass er - wie schon seit 1987 - seine von 01.05. bis 31.10. d.J. befristete Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. wieder aufnimmt. Er hat in diesem Schreiben zwar nicht auf den konkreten Endzeitpunkt am 31.10.2004 hingewiesen. Das Ende der Befristung erschloss sich für die Beklagte jedoch auf Grund der jahrelangen Übung aus der Tatsache, dass es sich um den gleichen Arbeitgeber und die gleiche Tätigkeit wie schon in den Vorjahren handelte, der Beginn wie in den Vorjahren am 01.05. war und der Kläger auch auf eine, nämlich "seine", Saisontätigkeit hinwies, ohne weiteres. Mit Hilfe der Stammnummer konnte der Kläger auch sofort zugeordnet werden. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, weshalb im Jahr 2004 von der wie schon in den vielen Jahren zuvor erfolgten Befristung vom 01.05. bis 31.10. abgewichen werden sollte. In einem solchen Fall, in dem die Beklagte den Beendigungszeitpunkt eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund der vorherigen Abmeldung des Arbeitslosen aus dem Leistungsbezug kennt, wäre eine Pflicht zur nochmaligen zusätzlichen Arbeitssuchendmeldung gemäß § 37b SGB III, mit der der Versicherte erneut das Datum der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses anzeigen müsste, eine bloße Förmelei und unter dem Gesichtspunkt des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedenklich (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - in SozR 4-4300 § 140 Nr. 4; BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - a.a.O.). Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger sich mit dem Schreiben in die vor Aufnahme seiner Saisontätigkeit davor liegende Zeit ohne Leistungsbezug abmeldete, denn gleichzeitig hat er sich auch bereits in seine befristete Beschäftigung abgemeldet. Die Beklagte hat den Kläger nach Erhalt des Schreibens vom 10.02.2004 auch nicht zusätzlich auf die Obliegenheit des § 37b SGB III hingewiesen und diese eingefordert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Meldung in diesem Fall über acht Monate vor dem Ende der Beschäftigung erfolgte, denn die gesetzliche Regelung verbietet keine Arbeitssuchendmeldung (lange) vor dem spätestmöglichen Zeitpunkt von drei Monaten vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - a.a.O.). Die Meldung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der Kläger sich nicht persönlich, sondern schriftlich gemeldet hat. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 28.08.2007 zwar die Auffassung vertreten, dass die rein telefonische oder schriftliche Meldung nicht ausreichend sei (BSG, Urteil vom 28.08.2007, a.a.O.). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 37b SGB III, wonach man sich persönlich arbeitssuchend zu melden hat. Eine derartige Unterscheidung erscheint indessen nicht gerechtfertigt. Die Beklagte erhält Kenntnis von dem Sachverhalt bei einer persönlichen Vorsprache oder der schriftlichen Meldung. Sie kann in beiden Fällen hierauf reagieren, so dass eine schriftliche Meldung der persönlichen Meldung gleich zu stellen ist (so auch die Andeutung in BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R a.a.O.).
Die Berufung der Beklagten war somit mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und wegen einer möglichen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) zugelassen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung des Klägers streitig.
Der 1953 geborene Kläger, ein studierter Pädagoge, ist seit 1987 bei der Gemeinde I. als Gästebetreuer Freizeitberater versicherungspflichtig beschäftigt. Hierbei handelt es sich jeweils um vom 01.05. bis 31.10. d. J. befristete Arbeitsverhältnisse. Nur einmal, im Jahr 1994, arbeitete der Kläger bei der Gemeinde hiervon abweichend von Juni bis November. In der übrigen Zeit geht der Kläger keiner Beschäftigung nach. Er bezog überwiegend Alg bzw. Anschlussarbeitslosenhilfe. Zuletzt wurde ihm auf seinen Antrag vom 19.11.2003, in dem er mitgeteilt hatte, dass er vom 01.05.1987 bis 31.10.2003 - jeweils von Mai bis Oktober - bei der Gemeinde I. als Gästebetreuer beschäftigt sei, Alg für die Zeit vom 01.11.2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29.01.2004 bewilligt (Bescheide vom 02.12.2003, 02.01.2004). Auf dem Antragsformular bestätigte der Kläger durch seine Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Mit Schreiben vom 10.02.2004, das den Eingangsstempel der Beklagten vom 11.02.2004 trägt, teilte der Kläger der Beklagten unter seiner Kundennummer mit, dass er bis zur Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfüge stehe.
Vom 01.05.2004 bis 31.10.2004 war der Kläger wie in den Jahren zuvor bei der Gemeinde I. versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 21.10.2004 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Er gab an, er habe sich deshalb nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, weil er seit 1987 als Saisonangestellter bei der Gemeinde I. beschäftigt sei. Er habe sich gewohnheitsmäßig immer im Oktober gemeldet. Ein früherer Meldetermin sei ihm nicht bewusst gewesen.
Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 16.11.2004 mit, dass er seiner Verpflichtung, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, um 80 Tage zu spät nachgekommen sei. Der Leistungsanspruch mindere sich daher um insgesamt 1.050,- EUR (täglich 35,- EUR für längstens 30 Tage). Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Höhe des Abzugs von der täglichen Leistung betrage 11,73 EUR. Mit Bescheid vom 18.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.11.2004 in Höhe von wöchentlich 164,22 EUR mit einer Anspruchsdauer von 90 Tagen. Ausbezahlt wurde dem Kläger unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrags in Höhe von 82,11 EUR ein wöchentlicher Leistungsbetrag in derselben Höhe.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er wies erneut darauf hin, dass er seit 1987 regelmäßig als Saisonangestellter beschäftigt sei und sich gewohnheitsmäßig immer gegen Saisonende gemeldet habe. An seiner Situation hätte sich auch bei einer früheren Meldung nichts geändert. Für den kurzen Zeitraum seiner Arbeitslosigkeit von November 2004 bis Januar 2005 sei keine entsprechende Beschäftigung zu erwarten. Er halte die Kürzung deshalb für unverhältnismäßig. Auch nach dem Merkblatt sei eine Minderung nicht zwingend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Meldepflicht entstehe bei einem Arbeitsverhältnis, wie es beim Kläger vorgelegen habe, spätestens drei Monate vor dem vereinbarten Ende, vorliegend somit am 01.08.2004. Der Kläger habe sich jedoch erst am 21.10.2004 und damit 80 Tage zu spät arbeitssuchend gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Eine Härtefallregelung bezüglich der Minderung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ebenso könne mangels entsprechender Regelung kein Ermessen ausgeübt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 17.01.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens hat er ergänzend vorgetragen, ihm seien Fälle bekannt, in denen Saisonangestellte in der Gastronomie/Hotelerie bei verspäteter Meldung keine Minderung erhalten hätten. Es scheine also doch Ermessensspielräume zu geben. Entsprechendes folge auch aus dem "Merkblatt für Arbeitslose", wonach eine verspätete Meldung in der Regel nur zu einer Minderung führen "könne".
Die Beklagte hat sich dahingehend geäußert, dass unbestritten sei, dass der Kläger seit vielen Jahren regelmäßig in den Monaten November eines Jahres bis April des Folgejahres ohne Beschäftigung sei und Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit erhalte. Seit dem 01.07.2003 gebe es jedoch die Neuregelungen zur frühzeitigen Meldung in den §§ 37b und 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Auf sie sei in den Medien hingewiesen worden. Der Kläger hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die gesetzlichen Regelungen für den alljährlichen Bezug von Alg/Arbeitslosenhilfe unverändert fortgelten würden und insbesondere die ihm günstige Rechtslage unverändert bleibe. Ergänzend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit der Erschöpfung des Anspruchs auf Alg im Januar 2004 am 27.01.2004 (u.a. als Nachweis für das Finanzamt und den Rentenversicherungsträger) ein/e "Leistungsnachweis/Entgeltbescheinigung" zugesandt worden sei. Diese habe folgenden - als wichtig gekennzeichneten - Hinweis enthalten: "Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z.B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruchs führen kann." Aufgrund dieses Hinweises habe der Kläger die Regelung zur unverzüglichen Meldung als Arbeitssuchender gekannt bzw. hätte sie kennen müssen. Der Kläger hat den Erhalt des Leistungsnachweises und dessen Inhalt bestätigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2007 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.11.2004 i. V. m. dem Bescheid vom 18.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2004 verurteilt, dem Klägers höheres, ungemindertes Alg zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg nach §§ 37b, 140 SGB III in der vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung hätten hier nicht vorgelegen. Der Kläger könne sich zwar nicht darauf berufen, dass der Zeitpunkt seiner Meldung in der Vergangenheit niemals beanstandet worden sei, und er sei auch nicht in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit, sich drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten arbeitssuchend zu melden, gewesen. Es fehle hier jedoch an einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung. Die an eine solche Belehrung zu stellenden Voraussetzungen erfülle der Hinweis im "Leistungsnachweis" vom 27.01.2004 nicht. Denn der Hinweis, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs führen "könne", sei unrichtig. Nach dem Wortlaut des § 140 Satz 1 SGB III mindere sich das Alg im Falle einer verspäteten Meldung zwingend. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin des Klägers ihrer Informationspflicht nachgekommen sei, würden fehlen. Dem Kläger könne deshalb die Nichterfüllung der Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung nicht mit der Konsequenz vorgeworfen werden, dass sich das Alg mindere.
Dagegen hat die Beklagte am 10.09.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dem Kläger sei eine zutreffende Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden. Der Umstand, dass der Hinweis die Formulierung "kann" beinhalte, führe nicht dazu, dass die Obliegenheitsverletzung für den Kläger nicht vorwerfbar sei und somit die Rechtsfolge der Minderung der Höhe des Leistungsanspruchs nicht eintrete. Der Hinweis sei in Form der "Kann"-Vorschrift inhaltlich richtig. Eine absolut gehaltene Formulierung in Gestalt einer "Muss"-Vorschrift verbiete sich wegen der zu berücksichtigenden subjektiven Komponente. Dem Kläger müsse subjektiv vorgeworfen werden, gegen seine Pflicht zur frühzeitigen Meldung verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf ergebe sich gerade daraus, dass er bereits einige Jahre jeweils in den Wintermonaten arbeitslos geworden sei und regelmäßig Leistungen der Beklagten in Anspruch nehme. Er müsse deshalb wissen, dass es zu Rechtsänderungen kommen und er als Arbeitsloser bzw. als von Arbeitslosigkeit unmittelbar Bedrohter verpflichtet sei, sich entsprechend über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Hierzu gehöre auch, Merkblätter und Hinweise in Bescheiden und Leistungsnachweisen zur Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten den gestellten Anforderungen anzupassen. Falls dem Kläger nicht klar gewesen sein sollte, wie der Hinweis zu verstehen sei und welches Verhalten von ihm konkret verlangt werde, hätte er sich erkundigen müssen. Da er dies nicht getan habe, müsse er die Konsequenzen seines Verhaltens tragen.
In dem von der Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger erklärt, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, ob er das Schreiben vom 10.02.2004, mit dem er mitgeteilt hat, dass er bis zur Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, persönlich abgegeben oder per Post übersandt habe.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, dass das Schreiben des Klägers vom 10.02.2004, nachdem er darin keinen konkreten Endzeitpunkt seiner befristeten Tätigkeit mitgeteilt habe, nicht ausreiche, um seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Meldung nachzukommen. Unbeachtlich sei, dass der Kläger in den letzten Jahren immer für den gleichen Zeitraum beschäftigt gewesen sei. Diese Kenntnis könne sie - die Beklagte - erst durch Studium der Leistungsakte bzw. der Beratungsvermerke erlangen. Dem Sinn und Zweck des § 37b SGB III werde es nicht gerecht, wenn sie den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers erst ermitteln müsse.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht eine Minderung des Anspruchs auf Alg wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung festgesetzt.
Gegenstand des Verfahrens ist - wie das SG zutreffend erkannt hat - neben dem Bewilligungsbescheid vom 18.11.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 20.12.2004 auch das Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 16.11.2004, da der Bewilligungsbescheid mit dem Schreiben zusammen eine rechtliche Einheit über die (verringerte) Bewilligung von Alg enthält. Streitig ist im vorliegenden Verfahren lediglich die Minderung des Alg, da die Klage hierauf beschränkt war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2007 - L 7 AL 2996/06 -, jeweils in www.juris.de).
Anspruch auf Alg haben nach § 117 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen waren im Falle des Klägers in der streitbefangenen Zeit gegeben. Er hatte ab 01.11.2004 Anspruch auf Alg.
Die Beklagte war nicht berechtigt, diesen Anspruch um den hier streitigen Gesamtminderungsbetrag von 1050,- EUR in der Form der Anrechnung auf das halbe Alg pro Tag zu kürzen. Der Kläger hatte vielmehr Anspruch auf ungemindertes Alg. Die Voraussetzungen für eine Minderung nach § 140 SGB III a.F. wegen verspäteter Meldung lagen nicht vor.
Nach § 37b SGB III in der vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich nach § 140 SGB III in der ebenfalls vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt
1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 60,- EUR 7,- EUR 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 100,- EUR 35,- EUR 3. bei einem Bemessungsentgelt über 100,- EUR 50,- EUR
für jeden Tag der verspäteten Meldung.
Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Alg angerechnet wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ist § 37b Satz 2 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung in sich nicht so widersprüchlich und unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann. Satz 2 der Vorschrift ist als unselbständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III a. F. anzusehen. Das bedeutet, dass eigentlich auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn der Beendigungszeitpunkt bereits vorher bekannt ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - in SozR 4-4300 § 37b Nr. 2).
Dem Kläger war die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung auch bekannt. Zum einen war er durch den Hinweis im Leistungsnachweis der Beklagten vom 27.01.2004 und zum anderen durch das ihm mit dem im Vorjahr gestellten Antrag am 18.11.2003 ausgehändigten Merkblatt 1 der Beklagten inhaltlich richtig informiert. Die Hinweise der Beklagten in der Mitteilung und im Merkblatt sind klar und unmissverständlich. Der Wortlaut der Belehrung ("Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden") lässt keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen. Entgegen den Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG vom 13.08.2007 ist das Merkblatt auch in Bezug auf die drohende Rechtsfolge (Minderung des Anspruchs) unmissverständlich. Die Formulierung, die verspätete Meldung führe "in der Regel" zu einer Minderung des ALG, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt auch für die Ausführungen im Leistungsnachweis/Entgeltbescheinigung, wonach eine verspätete Meldung zu einer Verringerung des Leistungsanspruchs führen "kann". Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil § 140 SGB III zwingend die Rechtsfolge der Minderung anordnet. In der einschränkenden Wortwahl ("in der Regel" und "kann") wird in der Sache berücksichtigt, dass eine Minderung nicht nur objektiv von der verspäteten Arbeitssuchendmeldung, sondern auch subjektiv von einem Verschulden abhängig ist. Mehr kann von einer gesetzlich für die Rechtmäßigkeit der Minderung des Alg nicht vorgesehenen Belehrung nicht verlangt werden (BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - in SozR 4-4300 § 37b Nr. 5).
Zweifelsohne hat der Kläger mit der persönlichen Arbeitslosmeldung am 21.10.2004 auch die Frist zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung nicht eingehalten. Nachdem das Arbeitsverhältnis von vornherein vom 01.05. bis 31.10.2004 befristet war, hätte er sich spätestens am 01.08.2004 arbeitssuchend melden müssen.
Der Kläger ist seiner Pflicht zur Meldung jedoch bereits durch sein Schreiben vom 10.02.2004, das den Eingangsstempel der Beklagten vom 11.02.2004 trägt, nachgekommen. Mit diesem Schreiben hat sich der Kläger unter Angabe seiner bereits seit mindestens 1986 geltenden Stammnummer aus dem Leistungsbezug abgemeldet und die Aufnahme seiner Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. ab 01.05.2004 angezeigt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger - wie auch die Beklagte selbst vorträgt - seit 1987 jedes Jahr ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Gemeinde I. hatte und dieses befristete Arbeitsverhältnis außer im Jahr 1994 jeweils vom 01.05. bis 31.10. der übrigen Jahre dauerte, hat der Kläger damit die Beklagte rechtzeitig darüber informiert, dass er - wie schon seit 1987 - seine von 01.05. bis 31.10. d.J. befristete Saisontätigkeit bei der Gemeinde I. wieder aufnimmt. Er hat in diesem Schreiben zwar nicht auf den konkreten Endzeitpunkt am 31.10.2004 hingewiesen. Das Ende der Befristung erschloss sich für die Beklagte jedoch auf Grund der jahrelangen Übung aus der Tatsache, dass es sich um den gleichen Arbeitgeber und die gleiche Tätigkeit wie schon in den Vorjahren handelte, der Beginn wie in den Vorjahren am 01.05. war und der Kläger auch auf eine, nämlich "seine", Saisontätigkeit hinwies, ohne weiteres. Mit Hilfe der Stammnummer konnte der Kläger auch sofort zugeordnet werden. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, weshalb im Jahr 2004 von der wie schon in den vielen Jahren zuvor erfolgten Befristung vom 01.05. bis 31.10. abgewichen werden sollte. In einem solchen Fall, in dem die Beklagte den Beendigungszeitpunkt eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund der vorherigen Abmeldung des Arbeitslosen aus dem Leistungsbezug kennt, wäre eine Pflicht zur nochmaligen zusätzlichen Arbeitssuchendmeldung gemäß § 37b SGB III, mit der der Versicherte erneut das Datum der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses anzeigen müsste, eine bloße Förmelei und unter dem Gesichtspunkt des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedenklich (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - in SozR 4-4300 § 140 Nr. 4; BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - a.a.O.). Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger sich mit dem Schreiben in die vor Aufnahme seiner Saisontätigkeit davor liegende Zeit ohne Leistungsbezug abmeldete, denn gleichzeitig hat er sich auch bereits in seine befristete Beschäftigung abgemeldet. Die Beklagte hat den Kläger nach Erhalt des Schreibens vom 10.02.2004 auch nicht zusätzlich auf die Obliegenheit des § 37b SGB III hingewiesen und diese eingefordert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Meldung in diesem Fall über acht Monate vor dem Ende der Beschäftigung erfolgte, denn die gesetzliche Regelung verbietet keine Arbeitssuchendmeldung (lange) vor dem spätestmöglichen Zeitpunkt von drei Monaten vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - a.a.O.). Die Meldung ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der Kläger sich nicht persönlich, sondern schriftlich gemeldet hat. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 28.08.2007 zwar die Auffassung vertreten, dass die rein telefonische oder schriftliche Meldung nicht ausreichend sei (BSG, Urteil vom 28.08.2007, a.a.O.). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 37b SGB III, wonach man sich persönlich arbeitssuchend zu melden hat. Eine derartige Unterscheidung erscheint indessen nicht gerechtfertigt. Die Beklagte erhält Kenntnis von dem Sachverhalt bei einer persönlichen Vorsprache oder der schriftlichen Meldung. Sie kann in beiden Fällen hierauf reagieren, so dass eine schriftliche Meldung der persönlichen Meldung gleich zu stellen ist (so auch die Andeutung in BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R a.a.O.).
Die Berufung der Beklagten war somit mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und wegen einer möglichen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
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