L 28 B 1876/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 25104/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1876/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm die Übernahme der Kosten für eine Unterkunft auf einem Campingplatz zuzusichern, sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.

Der im März 1945 geborene, seit Jahren Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) beziehende Antragsteller lebt seit November 2006 in Wohnheimen, nachdem seine Wohnung in der I Straße in B zwangsgeräumt wurde. Seit Sommer 2007 ist er in einem Wohnheim in der K Straße in B untergebracht. Den Tagessatz in Höhe von 17,90 EUR trägt der Antragsgegner. Daneben gewährte dieser dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 9. Juli 2008 für den Zeitraum vom 1. August 2008 bis zum 31. Januar 2009 monatlich 328,89 EUR.

Anfang Juli 2008 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die Unterbringung auf einem Campingplatz und gab an zu beabsichtigen, einen Wohnwagen anzumieten und die letzten zwei Jahre bis zum Eintritt in das Rentenalter auf einem Campingplatz zu verbringen. Die monatlichen Kosten beliefen sich auf 385,00 EUR (Wohnwagenmiete 220,00 EUR, Heizkosten 30,00 EUR sowie Standplatzmiete 135,00 EUR). Daneben fielen Umzugskosten in Höhe von 150,00 EUR sowie als Kaution 1.065,00 EUR an.

Mit Bescheid vom 18. August 2008 lehnte der Antragsgegner die Erteilung der begehrten Zusicherung mit der Begründung ab, dass die monatlichen Aufwendungen für die Bruttowarmmiete den geltenden Richtwert für angemessenen Wohnraum in Höhe von 360,00 EUR für einen Ein-Personen-Haushalt überstiegen. Weiter bestehe die Pflicht zur polizeilichen Meldung für den tatsächlichen Aufenthaltsort. Die Zusicherung könnte daher nur für Wohnraum erteilt werden, bei dem eine polizeiliche Anmeldung möglich sei. Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 25. August 2008 Widerspruch ein.

Bereits am 13. August 2008 hatte er beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten für das Wohnen auf dem Campingplatz in der Nstraße in B-L (Warmmiete 385,00 EUR) zu erteilen. Zur Begründung hatte er angegeben, dass er keine eigene Wohnung anmieten wolle, da er in etwa zwei Jahren nach T auswandern werde. Für ihn sei daher das Wohnen in einem möblierten Wohnwagen günstiger. Das Eilbedürfnis folge daraus, dass der Antragsgegner aktuell für ihn monatlich etwa 600,00 EUR zu zahlen habe.

Mit Beschluss vom 21. August 2008 hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Die Aufwendungen für die neue Unterkunft seien nicht angemessen. Unter Anwendung der vom Bundessozialgericht als maßgeblich erachteten so genannten Produkttheorie sei für den Antragsteller eine Wohnung von bis zu 50 m² Größe mit einem einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad angemessen, für die sich die Kosten auf höchstens 357,00 EUR [50 m² x (4,54 EUR/m² Nettokaltmiete zzgl. 2,60 EUR/m² Heizkosten)] belaufen dürften. Die Kosten für das Wohnen im Campingwagen überstiegen diesen Betrag. Da auf dem entspannten B Wohnungsmarkt auch Wohnungen zur Verfügung stünden, die den Angemessenheitskriterien entsprächen, habe der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II.

Gegen diesen ihm am 27. August 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10. September 2008 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zugleich beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Zur Begründung macht er geltend, dass ein Bedürfnis an einer Entscheidung im Eilrechtsschutz bestehe, da er aktuell im Wohnheim im Wesentlichen unter Alkoholikern und Fixern lebe. Auch bestehe ein Anspruch auf die Zusicherung. Seine aktuellen Unterkunftskosten beliefen sich auf 554,90 EUR (17,90 EUR x 31 Tage). Vor diesem Hintergrund seien die anstehenden Unterkunftskosten in Höhe von 385,00 EUR günstig.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Zusicherung für die Übernahme der Aufwendungen für das Wohnen auf einem Campingplatz zu erteilen.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).

Vorliegend fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Dem Antragsteller steht kein Anspruch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf die begehrte Zusicherung zu.

Zwar vermag der Senat der Auffassung des Antragsgegners, dass der Erteilung der begehrten Zusicherung melderechtliche Bestimmungen entgegenstünden, nicht uneingeschränkt zu folgen. Denn nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes über das Meldewesen in Berlin (MeldeG) besteht die allgemeine Meldepflicht bei Bezug einer Wohnung. Unter Wohnung ist nach der Legaldefinition des § 16 Satz 1 MeldeG jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen und Schlafen benutzt wird, zu verstehen. Weiter ergibt sich aus Satz 3 der letztgenannten Vorschrift, dass auch ein Wohnwagen als Wohnung anzusehen ist, vorausgesetzt, dass er nicht oder nur gelegentlich fortbewegt wird. Letztlich bedarf es hier jedoch keiner abschließenden Klärung, ob für das Wohnen auf einem Campingplatz die Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung grundsätzlich in Betracht kommt. Denn auch wenn der Senat durchaus nachzuvollziehen vermag, dass dem Antragsteller das Vorgehen des Antragsgegners unwirtschaftlich erscheint, ihm einerseits seit nunmehr über einem Jahr die Unterkunft in einem Wohnheim zu einem Tagessatz in Höhe von 17,90 EUR zu finanzieren, ihm andererseits aber unter Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten keine Zusicherung für die Übernahme monatlicher Unterkunftskosten in Höhe von 385,00 EUR zu erteilen, ändert dies nichts daran, dass die Ablehnung letztlich rechtmäßig ist. Der Senat hat vorliegend nicht zu entscheiden, ob der Antragsgegner tatsächlich verpflichtet ist, die Kosten für die Unterkunft im Wohnheim in der genannten Höhe und über die aufgezeigte Dauer hinweg zu tragen. Entscheidend ist für das vorliegende Verfahren vielmehr allein, ob der Antragsgegner zur Erteilung der begehrten Zusicherung verpflichtet ist. Dies aber ist nicht der Fall. Denn eine entsprechende Verpflichtung besteht nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur dann, wenn unter anderem die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Dies aber ist hier aus den bereits vom Sozialgericht aufgezeigten Gründen zu verneinen. Dabei kann dahinstehen, ob die Grenze der als angemessen erachteten Kosten tatsächlich genau bei den vom Sozialgericht errechneten 357,00 EUR liegt oder leicht abweichend anzusetzen ist. So ist nämlich zum einen bereits zu fragen, ob nach den vom Bundessozialgericht zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten aufgestellten Grundsätzen (vgl. Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – zitiert nach juris, Rn. 17 ff.) für einen Ein-Personen-Haushalt tatsächlich eine Wohnung mit einer Größe von bis 50 m² angemessen ist [vgl. die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) i.V.m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 (Mitteilung Nr. 8/2004) – dort Ziffer 8 Abs. 1 zu Hinweis a)-] oder dieser Wert nicht auf 45 m² zu begrenzen wäre [vgl. die im Land Berlin maßgeblichen Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 –WFB 1990 -) vom 16. Juli 1990 (Amtsblatt 1990, 1379 ff.) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 (Amtsblatt 1993, 98 f.) – dort Ziffer 13 -]. Zum anderen erscheint vorliegend allerdings auch erwägenswert, statt der der Berechnung zugrunde liegenden Nettokaltmiete in Höhe von 4,54 EUR/m² eine solche mit 4,82 EUR/m² anzusetzen [Mittelwert der unter 40 m² und der 40 bis unter 60 m² großen Wohnungen in einfachen Wohnlagen unter Außerachtlassung zum einen der nur mit Sammelheizung oder Bad ausgestatteten und zum anderen der erst nach 1972 bezugsfertig gewordenen bzw. im Ostteil der Stadt nach 1990 erbauten, das nähere Wohnumfeld des Antragstellers weder in W (letzte eigene Wohnung) noch in K (aktuelle Unterkunft im Wohnheim) prägenden Mietwohnungen] oder nach dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin herausgegebenen Wohnungsmarktbericht 2006 auf eine durchschnittliche Nettokaltmiete der Sozialwohnungen – allerdings unabhängig von der Qualität der Wohnlage – von 4,90 EUR/m² abzustellen. Bzgl. der Betriebskosten samt Heizkosten kommt auch der Ansatz von nur 2,26 EUR/m² (so Berliner Betriebskostenübersicht 2005 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) oder auf der Grundlage des vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegels 2007 (www.mieterbund.de/presse/2007) eines leicht abweichenden Wertes in Betracht. Denn insoweit hat das Sozialgericht von dem dort zugrunde gelegten Wert in Höhe von 2,82 EUR zutreffend 0,22 EUR für die bereits in der Regelleistung enthaltene Warmwasseraufbereitung abgezogen. Darüber hinaus ist aber durchaus an einen weiteren Abzug von 0,16 EUR Aufzugskosten zu denken, da ein Aufzug in dem genannten Wohnumfeld nicht unbedingt typisch sein muss. Selbst unter Ansatz der jeweils für den Antragsteller günstigsten Werte errechnet sich damit aber eine Angemessenheitsgrenze für die Bruttowarmmiete von höchstens 375,00 EUR [50 m² x (4,90 EUR + 2,60 EUR)], die im Falle der von ihm favorisierten Wohnform jedoch überschritten wird.

Auch erscheint ein Abweichen von dem aufgezeigten Höchstwert nicht im Hinblick auf den örtlichen Wohnungsmarkt erforderlich. Der Senat hat keine Zweifel, dass es in dem fraglichen Segment ausreichend Wohnraum gibt. Eine Internet-Abfrage bei Immobilienscout am 6. November 2008 führt bei Eingabe der Suchkriterien "Wohnung, Miete, Berlin-W, 1-1,5 Zimmer, 40-50 m², Kaltmiete bis 245,00 EUR (= 50 m² x 4,90 EUR)" zu 53 Treffern, bei Eingrenzung auf eine Größe von bis zu 45 m² und eine Kaltmiete von 220,00 EUR (= 45 m² x 4,90 EUR, abzgl. 0,50 EUR) sogar zu 68 Treffern. Auch in Berlin-Kreuzberg stehen bei Eingabe der entsprechenden Daten jeweils Wohnungen zur Verfügung. Angesichts dieses Wohnraumangebots im fraglichen Segment liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es dem Antragsteller nicht in kurzer Zeit möglich sein sollte, sich Wohnraum zu suchen, der innerhalb der Angemessenheitsgrenzen liegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Da die Beschwerde aus den aufgezeigten Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte, kam schließlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 73 a SGG i.V.m. 114 ff. ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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