Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 136/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist (nur noch) die Vergütung für die Behandlung eigener Patienten im organisierten Notfalldienst.
Bis zum 30.06.2000 enthielt der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (HVM) in § 4 Abs. 1 Satz 4 die Regelung, die für eigene Patienten im organisierten Notfalldienst abgerechneten Leistungen seien mit einer entsprechenden Markierung ... zu versehen, um so entsprechend dem EBM diese Leistungen außerhalb des Budgets abrechnen zu können (Rhein. Ärzteblatt 1/2000, S. 61). Ab dem 01.07.2000 entfiel diese Regelung (Rhein. Ärzteblatt 6/2000, S. 77). Hierzu gab die Beklagte in ihrem Mitteilungsblatt KVNo Aktuell 8/00, S. 16, die Information, ihre Vertreterversammlung habe am 13. Mai 2000 beschlossen, dass die Möglichkeit, für eigene Patienten im organisierten Notfalldienst abgerechnete Leistungen außerhalb des Budgets mit 9 Pf. abrechnen zu können, zum 01. Juli 2000 entfalle. Mehrere Abrechnungsscheine für denselben Patien- ten zu Lasten derselben Kasse gälten deshalb als ein Behandlungsfall und sei- en für die Abrechnung zusammenzuheften. Eine weitere Änderung der Honorarverteilung trat zum 01.01.2003 in Kraft. Bis zum Jahresende 2002 waren gemäß § 6 Abs. 3 lit. h HVM aus dem zur Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Betrag eines Vierteljahres Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct. (9,0 Pf.), vorweg zu berücksichtigen (Rhein. Ärzteblatt 1/2002, S. 75). Seitdem wurde durch § 6 Abs. 2 lit. g HVM der Vorwegabzug von Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct., durch den Zusatz: "außer in den Fällen der Behandlung von Patienten des eingeteilten Arztes oder seines Vertreters" eingeschränkt (Rhein. Ärzteblatt 1/2003, S. 79). Diese Einschränkung galt gemäß § 6 Abs. 3 lit. f des Honorarverteilungsvertrages (HVV) auch in den vorliegend streitbefangenen Quartalen (Rhein. Ärzteblatt 3/2005, S. 93; 1/2006, S. 68).
Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in H-E (P Kreis) niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2006 wandte sie sich u.a. deshalb, weil eine mehr oder weniger große Zahl von Notfallbehandlungen nicht unter der Abrechnung "Notfälle im organisierten Notfalldienst" erfasst, sondern als sog. "Klammerpatienten" gemäß § 21 BMV-Ä i.V.m. § 4 Abs. 1 HVV nur im Rahmen des zugewiesenen Individualbudgets berechnet worden seien, nämlich dann, wenn ihre (eigenen) Patienten im laufenden Quartal auch im organisierten Notfalldienst behandelt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück: Gemäß § 4 Nr. 1 HVV gälten mehrere Abrechnungsscheine während eines Quartals (z.B. Zuweisung, Konsiliarüberweisung, Muster 19) für denselben Patienten zu Lasten derselben Krankenkasse als ein Behandlungsfall und seien für die Abrechnung zusammenzuheften. Ihre Vertreterversammlung habe am 13.05.2000 beschlossen, dass die Möglichkeit, für eigene Patien- ten im organisierten Notfalldienst abgerechnete Leistungen außerhalb des Bud- gets abrechnen zu können, zum 01.07.2000 entfalle. Der HVV sei entsprechend geändert worden.
Hiergegen richtet sich die am 20.09.2007 erhobene Klage.
Nach Ansicht der Klägerin verstößt die Abrechnungsmethode der Beklagten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Ihre Praxis befinde sich in unmittelbarer Nähe des am Krankenhaus H angesiedelten zentralen ärztlichen Notfalldienstes. Aufgrund dieser örtlichen Nähe und ihres starken Engagements im zentralen organisierten Notfalldienst müsse sie zwangsläufig eine sehr viel größere Zahl ihrer eigenen Praxispatienten auch im organisierten ärztlichen Notfalldienst behandeln als andere Kollegen an der Peripherie des Oberbergischen Kreises. Sie habe aber keinerlei Einfluss darauf, welcher Patient in den organisierten ärztlichen Notfalldienst komme. Die Kollegen erhielten somit ihre Leistungen für Notfälle im organisierten ärztlichen Notfalldienst extrabudgetär in voller Höhe vergütet, während ihr diese Leistungen für die sog. "Klammerpatienten" nur im Rahmen des zugeordneten Individualbudgets berechnet würden. Da dieses fast immer überschritten worden sei, würden ihre Leistungen im Rahmen des organisierten ärztlichen Notfalldienstes im Ergebnis mit 0,00 EUR vergütet. Diese Ungleichbehandlung könne bei verfassungskonformer Einzelfallentscheidung nur dadurch beseitigt werden, dass ihr alle Leistungen im organisierten ärztlichen Notfalldienst extrabudgetär vergütet würden, und zwar unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um sog. "Klammerpatienten" gehandelt habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Abrechnungsbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2007 die Beklagte zu verurteilen, den anerkannten Leistungsbedarf für "Klammerpatienten", die im organisierten ärztlichen Notfalldienst behandelt worden sind, jeweils extrabudgetär mit 4,6 ct. zu vergüten und im Quartal 2/2005 um insgesamt 5.415 Punkte, im Quartal 3/2005 um insgesamt 17.925 Punkte, im Quartal 4/2005 um insgesamt 18.005 Punkte, im Quartal 1/2006 um insgesamt 16.835 Punkte, im Quartal 2/2006 um insgesamt 16.000 Punkte, im Quartal 3/2006 um insgesamt 0 Punkte und im Quartal 4/2006 um insgesamt 15.590 Punkte zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und verweist darauf, dass die früheren Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B 1.1 EBM, nach der die von Ärzten im organisierten Notdienst erbrachten Leistungen nicht der Budgetierung unterlegen hätten, mit Aufhebung der Praxis- und Zusatzbudgets in Wegfall geraten seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.
Gemäß § 6 Abs. 3 lit. f HVV in den hier maßgeblichen Fassungen werden Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct., außer in den Fällen der Behandlung von Patienten des eingeteilten Arztes oder seines Vertreters, extrabudgetär vergütet. Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut dieser Bestimmung hat die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung im organisierten Notfalldienst erbrachter Leistungen bei der Behandlung eigener Patienten mit einem Punktwert von 4,6016 ct. außerhalb ihres Individualbudgets.
Diese Regelung verstößt nicht gegen vorrangige bundesmantelvertragliche Vorschriften (zum Vorrang des BMV-Ä/EKV-Ä vor regionalen Gesamtverträgen und Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 7/99 R -). Zwar unterlagen Leistungen, die der Vertragsarzt im organisierten ärztlichen Notfalldienst erbringt, nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B 1.1 EBM bis zum 30.06.2003 nicht den Budgetierungsregelungen des EBM. Dies galt sowohl für "fremde" als auch für "eigene" Patienten (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Urteil vom 09.04.2008 - L 11 KA 49/06 - ). Mit Wirkung zum 01.07.2003 hat der Erweiterte Bewertungsausschuss jedoch die Streichung der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM und damit die Aufhebung der Praxis- und Zusatzbudgets beschlossen (Dt. Ärzteblatt vom 24.01.2003, A-218). Bundesrechtliche Vorschriften mit der Anordnung einer extrabudgetären Vergütung von Leistungen, die im organisierten ärztlichen Notfalldienst erbracht werden, bestehen seitdem nicht mehr.
Die im HVV gewollte höhere Vergütung der im organisierten Notfalldienst erbrachten Notfallbehandlungen "fremder" Patienten bzw. der Ausschluss von dieser Privilegierung bei der Behandlung "eigener" Patienten verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gestattet dem Normgeber Differenzierungen aus sachlich tragfähigen Gründen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 06.09.2006 - B 6 KA 15/05 R - m.w.N. aus der st. Rspr. des BVerfG). Solche liegen hier darin, möglichen Anreizen zu einer Verlagerung der Behandlung eigener Patienten aus der eigenen Praxis in die Notfallpraxis mit ihren unerwünschten Folgen auf die Honorarverteilung entgegenzuwirken. Denn auch für Vorwegzahlungen außerhalb des Individualbudgets steht nur ein bestimmter Anteil der Gesamtvergütung zur Verteilung an die Vertragsärzte zur Verfügung. Um für diese Vorwegzahlungen einen angemessenen Punktwert zu erreichen, ist es notwendig, die zur Abrechnung kommenden Punktzahlen zu begrenzen. Der Regelung liegt damit der Zweck zugrunde, eine Mengenausweitung zu verhindern. Wäre eine solche Begrenzung nicht vorhanden, bestünde die Gefahr, dass Vertragsärzte durch eine Ausweitung der Leistungen im organisierten Notfalldienst höhere Punktzahlen zur Abrechnung bringen und damit den festen Punktwert von 4,6016 ct. destabilisieren.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Ausnahmeregelung gemäß § 7 Abs. 9 HVV. Ergibt sich aus der Umsetzung des HVV die Notwendigkeit weiterer (Ausnahme-)Regelungen, sind diese vom Vorstand im Einzelfall zu beschließen. Eine solche Notwendigkeit besteht hier nicht. Zwar mag davon auszugehen sein, dass die ärztlichen Kollegen der Klägerin mit Praxissitz an der Peripherie des Oberbergischen Kreises im ärztlichen Notfalldienst in geringerem Maße von ihren eigenen Patienten aufgesucht werden als die Kläge- rin, wenn die Patienten nicht die zentrale Notdienstpraxis in H, sondern die näher gelegenen Notdienstpraxen etwa in Wuppertal, Remscheid, Overath oder Rösrath aufsuchen. Indes trifft diese Situation auch auf andere flächenmäßig große Kreise wie z.B. den Kreis Wesel oder den Kreis Euskirchen zu und wird in ihren Folgen durch geeignete Organisation des Notfalldienstes strukturell abgemildert. Denn nach § 4 Abs. 1, 3 und 5 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Beklagten und der Ärztekammer Nordrhein sollen Notfallpraxen vornehmlich an hierfür insbesondere aufgrund ihrer Lage, Verkehrsanbindung und zur Verfügung stehender Ausstattung geeigneten Krankenhäusern eingerichtet werden. Bei der Festlegung der Notfalldienstbezirke und ggf. bei der Einrichtung fachgebietsbezogener Notfalldienste sind die regionalen Besonderheiten, insbesondere die Zahl der teilnehmenden Ärzte, die Bevölkerungszahl, die topographischen Verhältnisse und Verkehrsanbindungen angemessen zu berücksichtigen. Soweit eine Notwendigkeit besteht, können im Benehmen mit den betroffenen Kreisstellen mehrere Kreise zu einem Notfalldienstbezirk zusammengeschlossen oder kreisübergreifende Notfalldienstbezirke gebildet werden.
Vor allem trifft das Verständnis der Klägerin nicht zu, dass der ihr Individualbudget übersteigende Leistungsbedarf im Rahmen des organisierten Notfalldienstes im Ergebnis mit 0,00 EUR vergütet werde. Durch die Quotierung wird lediglich nominell die Punktzahl verringert, damit für die so verminderte Punktzahl dann ein Punktwert von 5,11 ct. gewährt werden kann. Für das sich letztlich ergebende Honorarvolumen bleibt es gleich, ob einer größeren Punktzahl ein entsprechend verminderter Punktwert oder - nach einer Quotierung - einer geringeren Punktzahl ein entsprechend erhöhter Punktwert zugeordnet wird. Die Einführung von Honorarobergrenzen bedeutet dabei nicht, dass für einzelne Leistungen oder Teile von ihnen keine Vergütung gewährt werde; vielmehr wird lediglich das Ausmaß der Vergütungen insgesamt der Höhe nach begrenzt, sodass das auf die einzelne Leistung entfallende Honorar entsprechend der größeren Anzahl erbrachter Leistungen sinkt. Daran ändert die Terminologie des § 7 Abs. 2 HVV ("Leistungen, die eine vertragsärztliche Praxis über das jeweils zugeordnete maximal abrechenbare Punktzahlvolumen hinaus abrechnet, unterliegen einer Kürzung auf dieses Punktzahlvolumen.") nichts (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R - zum HVM der Beklagten m.w.N.).
Das bedeutet hier z.B., dass im Quartal 3/2006, als keine Überschreitung des Individualbudgets vorlag, sämtliche Leistungen - und damit auch die im organisierten Notfalldienst an "eigenen" Patienten erbrachten - mit einem Punktwert von 5,11 ct. x Fachgruppenquote 77,9594 % = 3,98 ct. vergütet wurden. Im Quartal 1/2006 mit der höchsten Überschreitung des Individualbudgets wurden diese Leistungen nicht mit einem Punktwert von 5,11 ct. x Fachgruppenquote 80,9424 = 4,14 ct. vergütet, sondern mit einem Punktwert von 5,11 ct. x praxisindividueller Quote 57,1839 % = 2,92 ct ... Bei einer Punktwertdifferenz von 1,68 ct. zu dem festen extrabudgetären Punktwert für Leistungen im organisierten Notfalldienst von 4,6016 ct. und einer Punktzahl von 16.835 Punkten ergibt sich eine Mindervergütung von 282,83 EUR für dieses Quartal. Gemessen an dem über die Beklagte abgerechneten Gesamthonorar von 47.868,24 EUR entspricht dies einem Anteil von knapp 6 ‰. Hiermit ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Grundrechtsverletzung nicht gegeben (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.04.2004 - L 11 KA 87/03 -). Angesichts dessen begegnet die Ablehnung einer Ausnahmeregelung insgesamt keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig ist (nur noch) die Vergütung für die Behandlung eigener Patienten im organisierten Notfalldienst.
Bis zum 30.06.2000 enthielt der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (HVM) in § 4 Abs. 1 Satz 4 die Regelung, die für eigene Patienten im organisierten Notfalldienst abgerechneten Leistungen seien mit einer entsprechenden Markierung ... zu versehen, um so entsprechend dem EBM diese Leistungen außerhalb des Budgets abrechnen zu können (Rhein. Ärzteblatt 1/2000, S. 61). Ab dem 01.07.2000 entfiel diese Regelung (Rhein. Ärzteblatt 6/2000, S. 77). Hierzu gab die Beklagte in ihrem Mitteilungsblatt KVNo Aktuell 8/00, S. 16, die Information, ihre Vertreterversammlung habe am 13. Mai 2000 beschlossen, dass die Möglichkeit, für eigene Patienten im organisierten Notfalldienst abgerechnete Leistungen außerhalb des Budgets mit 9 Pf. abrechnen zu können, zum 01. Juli 2000 entfalle. Mehrere Abrechnungsscheine für denselben Patien- ten zu Lasten derselben Kasse gälten deshalb als ein Behandlungsfall und sei- en für die Abrechnung zusammenzuheften. Eine weitere Änderung der Honorarverteilung trat zum 01.01.2003 in Kraft. Bis zum Jahresende 2002 waren gemäß § 6 Abs. 3 lit. h HVM aus dem zur Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Betrag eines Vierteljahres Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct. (9,0 Pf.), vorweg zu berücksichtigen (Rhein. Ärzteblatt 1/2002, S. 75). Seitdem wurde durch § 6 Abs. 2 lit. g HVM der Vorwegabzug von Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct., durch den Zusatz: "außer in den Fällen der Behandlung von Patienten des eingeteilten Arztes oder seines Vertreters" eingeschränkt (Rhein. Ärzteblatt 1/2003, S. 79). Diese Einschränkung galt gemäß § 6 Abs. 3 lit. f des Honorarverteilungsvertrages (HVV) auch in den vorliegend streitbefangenen Quartalen (Rhein. Ärzteblatt 3/2005, S. 93; 1/2006, S. 68).
Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in H-E (P Kreis) niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2006 wandte sie sich u.a. deshalb, weil eine mehr oder weniger große Zahl von Notfallbehandlungen nicht unter der Abrechnung "Notfälle im organisierten Notfalldienst" erfasst, sondern als sog. "Klammerpatienten" gemäß § 21 BMV-Ä i.V.m. § 4 Abs. 1 HVV nur im Rahmen des zugewiesenen Individualbudgets berechnet worden seien, nämlich dann, wenn ihre (eigenen) Patienten im laufenden Quartal auch im organisierten Notfalldienst behandelt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück: Gemäß § 4 Nr. 1 HVV gälten mehrere Abrechnungsscheine während eines Quartals (z.B. Zuweisung, Konsiliarüberweisung, Muster 19) für denselben Patienten zu Lasten derselben Krankenkasse als ein Behandlungsfall und seien für die Abrechnung zusammenzuheften. Ihre Vertreterversammlung habe am 13.05.2000 beschlossen, dass die Möglichkeit, für eigene Patien- ten im organisierten Notfalldienst abgerechnete Leistungen außerhalb des Bud- gets abrechnen zu können, zum 01.07.2000 entfalle. Der HVV sei entsprechend geändert worden.
Hiergegen richtet sich die am 20.09.2007 erhobene Klage.
Nach Ansicht der Klägerin verstößt die Abrechnungsmethode der Beklagten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Ihre Praxis befinde sich in unmittelbarer Nähe des am Krankenhaus H angesiedelten zentralen ärztlichen Notfalldienstes. Aufgrund dieser örtlichen Nähe und ihres starken Engagements im zentralen organisierten Notfalldienst müsse sie zwangsläufig eine sehr viel größere Zahl ihrer eigenen Praxispatienten auch im organisierten ärztlichen Notfalldienst behandeln als andere Kollegen an der Peripherie des Oberbergischen Kreises. Sie habe aber keinerlei Einfluss darauf, welcher Patient in den organisierten ärztlichen Notfalldienst komme. Die Kollegen erhielten somit ihre Leistungen für Notfälle im organisierten ärztlichen Notfalldienst extrabudgetär in voller Höhe vergütet, während ihr diese Leistungen für die sog. "Klammerpatienten" nur im Rahmen des zugeordneten Individualbudgets berechnet würden. Da dieses fast immer überschritten worden sei, würden ihre Leistungen im Rahmen des organisierten ärztlichen Notfalldienstes im Ergebnis mit 0,00 EUR vergütet. Diese Ungleichbehandlung könne bei verfassungskonformer Einzelfallentscheidung nur dadurch beseitigt werden, dass ihr alle Leistungen im organisierten ärztlichen Notfalldienst extrabudgetär vergütet würden, und zwar unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um sog. "Klammerpatienten" gehandelt habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Abrechnungsbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2007 die Beklagte zu verurteilen, den anerkannten Leistungsbedarf für "Klammerpatienten", die im organisierten ärztlichen Notfalldienst behandelt worden sind, jeweils extrabudgetär mit 4,6 ct. zu vergüten und im Quartal 2/2005 um insgesamt 5.415 Punkte, im Quartal 3/2005 um insgesamt 17.925 Punkte, im Quartal 4/2005 um insgesamt 18.005 Punkte, im Quartal 1/2006 um insgesamt 16.835 Punkte, im Quartal 2/2006 um insgesamt 16.000 Punkte, im Quartal 3/2006 um insgesamt 0 Punkte und im Quartal 4/2006 um insgesamt 15.590 Punkte zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und verweist darauf, dass die früheren Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B 1.1 EBM, nach der die von Ärzten im organisierten Notdienst erbrachten Leistungen nicht der Budgetierung unterlegen hätten, mit Aufhebung der Praxis- und Zusatzbudgets in Wegfall geraten seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.
Gemäß § 6 Abs. 3 lit. f HVV in den hier maßgeblichen Fassungen werden Leistungen im organisierten Notfalldienst, bewertet mit einem Punktwert von 4,6016 ct., außer in den Fällen der Behandlung von Patienten des eingeteilten Arztes oder seines Vertreters, extrabudgetär vergütet. Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut dieser Bestimmung hat die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung im organisierten Notfalldienst erbrachter Leistungen bei der Behandlung eigener Patienten mit einem Punktwert von 4,6016 ct. außerhalb ihres Individualbudgets.
Diese Regelung verstößt nicht gegen vorrangige bundesmantelvertragliche Vorschriften (zum Vorrang des BMV-Ä/EKV-Ä vor regionalen Gesamtverträgen und Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.03.2000 - B 6 KA 7/99 R -). Zwar unterlagen Leistungen, die der Vertragsarzt im organisierten ärztlichen Notfalldienst erbringt, nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B 1.1 EBM bis zum 30.06.2003 nicht den Budgetierungsregelungen des EBM. Dies galt sowohl für "fremde" als auch für "eigene" Patienten (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Urteil vom 09.04.2008 - L 11 KA 49/06 - ). Mit Wirkung zum 01.07.2003 hat der Erweiterte Bewertungsausschuss jedoch die Streichung der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM und damit die Aufhebung der Praxis- und Zusatzbudgets beschlossen (Dt. Ärzteblatt vom 24.01.2003, A-218). Bundesrechtliche Vorschriften mit der Anordnung einer extrabudgetären Vergütung von Leistungen, die im organisierten ärztlichen Notfalldienst erbracht werden, bestehen seitdem nicht mehr.
Die im HVV gewollte höhere Vergütung der im organisierten Notfalldienst erbrachten Notfallbehandlungen "fremder" Patienten bzw. der Ausschluss von dieser Privilegierung bei der Behandlung "eigener" Patienten verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gestattet dem Normgeber Differenzierungen aus sachlich tragfähigen Gründen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 06.09.2006 - B 6 KA 15/05 R - m.w.N. aus der st. Rspr. des BVerfG). Solche liegen hier darin, möglichen Anreizen zu einer Verlagerung der Behandlung eigener Patienten aus der eigenen Praxis in die Notfallpraxis mit ihren unerwünschten Folgen auf die Honorarverteilung entgegenzuwirken. Denn auch für Vorwegzahlungen außerhalb des Individualbudgets steht nur ein bestimmter Anteil der Gesamtvergütung zur Verteilung an die Vertragsärzte zur Verfügung. Um für diese Vorwegzahlungen einen angemessenen Punktwert zu erreichen, ist es notwendig, die zur Abrechnung kommenden Punktzahlen zu begrenzen. Der Regelung liegt damit der Zweck zugrunde, eine Mengenausweitung zu verhindern. Wäre eine solche Begrenzung nicht vorhanden, bestünde die Gefahr, dass Vertragsärzte durch eine Ausweitung der Leistungen im organisierten Notfalldienst höhere Punktzahlen zur Abrechnung bringen und damit den festen Punktwert von 4,6016 ct. destabilisieren.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Ausnahmeregelung gemäß § 7 Abs. 9 HVV. Ergibt sich aus der Umsetzung des HVV die Notwendigkeit weiterer (Ausnahme-)Regelungen, sind diese vom Vorstand im Einzelfall zu beschließen. Eine solche Notwendigkeit besteht hier nicht. Zwar mag davon auszugehen sein, dass die ärztlichen Kollegen der Klägerin mit Praxissitz an der Peripherie des Oberbergischen Kreises im ärztlichen Notfalldienst in geringerem Maße von ihren eigenen Patienten aufgesucht werden als die Kläge- rin, wenn die Patienten nicht die zentrale Notdienstpraxis in H, sondern die näher gelegenen Notdienstpraxen etwa in Wuppertal, Remscheid, Overath oder Rösrath aufsuchen. Indes trifft diese Situation auch auf andere flächenmäßig große Kreise wie z.B. den Kreis Wesel oder den Kreis Euskirchen zu und wird in ihren Folgen durch geeignete Organisation des Notfalldienstes strukturell abgemildert. Denn nach § 4 Abs. 1, 3 und 5 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Beklagten und der Ärztekammer Nordrhein sollen Notfallpraxen vornehmlich an hierfür insbesondere aufgrund ihrer Lage, Verkehrsanbindung und zur Verfügung stehender Ausstattung geeigneten Krankenhäusern eingerichtet werden. Bei der Festlegung der Notfalldienstbezirke und ggf. bei der Einrichtung fachgebietsbezogener Notfalldienste sind die regionalen Besonderheiten, insbesondere die Zahl der teilnehmenden Ärzte, die Bevölkerungszahl, die topographischen Verhältnisse und Verkehrsanbindungen angemessen zu berücksichtigen. Soweit eine Notwendigkeit besteht, können im Benehmen mit den betroffenen Kreisstellen mehrere Kreise zu einem Notfalldienstbezirk zusammengeschlossen oder kreisübergreifende Notfalldienstbezirke gebildet werden.
Vor allem trifft das Verständnis der Klägerin nicht zu, dass der ihr Individualbudget übersteigende Leistungsbedarf im Rahmen des organisierten Notfalldienstes im Ergebnis mit 0,00 EUR vergütet werde. Durch die Quotierung wird lediglich nominell die Punktzahl verringert, damit für die so verminderte Punktzahl dann ein Punktwert von 5,11 ct. gewährt werden kann. Für das sich letztlich ergebende Honorarvolumen bleibt es gleich, ob einer größeren Punktzahl ein entsprechend verminderter Punktwert oder - nach einer Quotierung - einer geringeren Punktzahl ein entsprechend erhöhter Punktwert zugeordnet wird. Die Einführung von Honorarobergrenzen bedeutet dabei nicht, dass für einzelne Leistungen oder Teile von ihnen keine Vergütung gewährt werde; vielmehr wird lediglich das Ausmaß der Vergütungen insgesamt der Höhe nach begrenzt, sodass das auf die einzelne Leistung entfallende Honorar entsprechend der größeren Anzahl erbrachter Leistungen sinkt. Daran ändert die Terminologie des § 7 Abs. 2 HVV ("Leistungen, die eine vertragsärztliche Praxis über das jeweils zugeordnete maximal abrechenbare Punktzahlvolumen hinaus abrechnet, unterliegen einer Kürzung auf dieses Punktzahlvolumen.") nichts (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R - zum HVM der Beklagten m.w.N.).
Das bedeutet hier z.B., dass im Quartal 3/2006, als keine Überschreitung des Individualbudgets vorlag, sämtliche Leistungen - und damit auch die im organisierten Notfalldienst an "eigenen" Patienten erbrachten - mit einem Punktwert von 5,11 ct. x Fachgruppenquote 77,9594 % = 3,98 ct. vergütet wurden. Im Quartal 1/2006 mit der höchsten Überschreitung des Individualbudgets wurden diese Leistungen nicht mit einem Punktwert von 5,11 ct. x Fachgruppenquote 80,9424 = 4,14 ct. vergütet, sondern mit einem Punktwert von 5,11 ct. x praxisindividueller Quote 57,1839 % = 2,92 ct ... Bei einer Punktwertdifferenz von 1,68 ct. zu dem festen extrabudgetären Punktwert für Leistungen im organisierten Notfalldienst von 4,6016 ct. und einer Punktzahl von 16.835 Punkten ergibt sich eine Mindervergütung von 282,83 EUR für dieses Quartal. Gemessen an dem über die Beklagte abgerechneten Gesamthonorar von 47.868,24 EUR entspricht dies einem Anteil von knapp 6 ‰. Hiermit ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Grundrechtsverletzung nicht gegeben (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.04.2004 - L 11 KA 87/03 -). Angesichts dessen begegnet die Ablehnung einer Ausnahmeregelung insgesamt keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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