S 14 AS 14/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 14/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 57/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Förderung des letzten Drittels einer Ausbildung der Klägerin zur Podologin nach § 16 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - i.V.m. §§ 77 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung -.

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin erhielt am 17.08.2007 einen Bildungsgutschein zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung. Der Bildungsgutschein wurde ausgestellt für das Bildungsziel "Podologe/Podologin" und war gültig vom 17.08.2007 bis 17.11.2007. Unter Weiterbildungsdauer hieß es: "bis zu 24 Monate ...". Am 29.08.2007 bestätigte der "Internationale Bund, Medizinische Akademie, Staatlich anerkannte Schule für Podologie" aus G. auf einem entsprechenden Formular, dass die Klägerin in eine Maßnahme "Podologe/Podologin" für den Zeitraum 24.09.2007 bis 23.09.2009 aufgenommen werde.

Am 30.08.2007 beantragte die Klägerin bei der Agentur für Arbeit die Förderung ebendieser Ausbildung als Maßnahme der beruflichen Weiterbildung. Die Klägerin nahm sodann ab dem 24.09.2007 an der Maßnahme teil. In einem Gespräch am 02.11.2007 wurde der Klägerin von der zuständigen Beklagten erläutert, dass gemäß § 85 Abs. 2 SGB III die Förderung der Maßnahme auf zwei Drittel der Ausbildungsdauer begrenzt sei. Eine Förderung über den 23.01.2009 hinaus komme nicht in Betracht. Die Klägerin erklärte im Rahmen dieses Gespräches, dass ihr Vater ihr versprochen habe, das letzte Drittel der Ausbildung zu finanzieren. Unter dieser Voraussetzung verfügte die zuständige Sachbearbeiterin am gleichen Tage eine Förderung der Maßnahme bis zum 23.01.2009. Am 09.11.2007 legte die Klägerin eine schriftliche Bestätigung ihres Vaters vor, worin dieser ihr für das letzte Ausbildungsdrittel einen Kredit für Schulgeld und Fahrkosten gewährte.

Mit Bescheid vom 23.11.2007 wurden der Klägerin Leistungen für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme in Form von Lehrgangskosten in Höhe von 6.713,76 EUR und Fahrtkosten von 5.472,00 EUR, zusammen 12.185,76 EUR für den Zeitraum 24.09.2007 bis 23.01.2009 gewährt. Hiergegen legte die Klägerin am 14.12.2007 Widerspruch ein. Ihr sei die Übernahme der Kosten der Teilnahme für den gesamten Ausbildungszeitraum, also auch über den 23.01.2009 hinaus bis zum 23.09.2009, bewilligt worden. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007 zurück. Zwar lägen die persönlichen Voraussetzungen der Förderung der Weiterbildungsmaßnahme vor. Auch sei die Maßnahme für eine Förderung nach § 85 Abs. 1 SGB III zugelassen. Eine Förderung sei jedoch nur für zwei Drittel der Ausbildungsdauer möglich. Die Maßnahme unterfalle § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III. Aufgrund dessen sei bereits die Förderung von zwei Dritteln der Ausbildungsmaßnahme nur deshalb möglich gewesen, weil der Vater der Klägerin eine Finanzierungszusage für das letzte Drittel abgegeben habe.

Hiergegen richtet sich die am 28.01.2008 erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, andere Teilnehmer hätten eine Förderung der kompletten Ausbildungsdauer erhalten. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sei daher auch in ihrem Fall eine Förderung der gesamten Ausbildungsdauer erforderlich. In dem Bildungsgutschein sei eine Förderung von bis zu 24 Monaten ausdrücklich erwähnt. Sie habe daher mit einer entsprechend langen Förderung rechnen dürfen. Ihr sei erstmalig am 23.11.2007 mitgeteilt worden, dass keine Förderung der gesamten Dauer erfolgen solle.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 zu verurteilen, die Weiterbildungsmaßnahme zur Podologin beim Internationalen Bund in G. auch vom 24.01.2009 bis 23.09.2009 zu fördern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Bundesagentur für Arbeit C. hat auf Anfrage des Gerichtes mitgeteilt, dass sie selbst den Internationalen Bund G. darüber informiert habe, dass die Weiterbildungsmaßnahme "Podologe/Podologin" unter § 85 Abs. 2 SGB III falle. § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III sei im Übrigen nicht mit der Intention gefasst worden, dass die Finanzierung des letzten Drittels durch Private erfolgen solle. Vielmehr sei geplant gewesen, dass Bund und Länder die Finanzierung des letzten Drittels sicherstellen würden. Gemäß § 6 Abs. 2 des Podologengesetzes könne eine abgeschlossene Ausbildung auf Antrag auf die Dauer der Ausbildung angerechnet werden. Diese Anrechnungsmöglichkeit sei jedoch teilnehmer- und nicht maßnahmebezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Entscheidungen nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Förderung auch des letzten Drittels der Weiterbildungsmaßnahme "Podologe/Podologin" des Internationalen Bundes G. aus § 16 SGB II i.V.m. § 77 ff. SGB III.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 kann die Agentur für Arbeit u.a. die im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des Dritten Buches geregelten Leistungen erbringen. Gemäß § 16 Abs. 1a SGB II gelten für die Leistungen nach Abs. 1 die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Dritten Buches. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 können über die in Absatz 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind; die weiteren Leistungen dürfen die Leistungen nach Abs. 1 aber nicht aufstocken. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1) die Weiterbildung notwendig ist ..., 2) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und 3) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 setzt die Zulassung einer Maßnahme zur Förderung voraus, dass eine fachkundige Stelle u.a. festgestellt hat, dass die Maßnahme nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt wird, insbesondere die Kosten und die Dauer angemessen sind (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III). Gemäß § 85 Abs. 2 SGB III ist die Dauer der Maßnahme angemessen, wenn sie sich auf den für das Erreichen des Bildungsziels erforderlichen Umfang beschränkt. Die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemein anerkannten Ausbildungsberuf führt, ist angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit verkürzt ist. Ist eine Verkürzung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen, so ist die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zu zwei Dritteln der Maßnahme nicht ausgeschlossen, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist.

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Förderung des letzten Drittels der Weiterbildungsmaßnahme "Podologe/Podologin" des Internationalen Bundes G ...

Zwar sind die persönlichen Fördervoraussetzungen insbesondere nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III erfüllt. Auch sind sowohl der Maßnahmeträger als auch die Maßnahme grundsätzlich für die Förderung im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. § 85 Abs. 1 SGB III zugelassen. Die Zulassung erfolgte aber von Anfang an nur mit der Maßgabe, dass eine Förderung nach § 85 Abs. 2 SGB III auf einen Maßnahmeteil von zwei Dritteln der Ausbildungsdauer begrenzt ist. Dies ergibt sich sowohl aus dem entsprechenden Maßnahmebogen der Bundesagentur als auch aus dem entsprechenden Schriftwechsel der Agentur für Arbeit C. mit dem Internationalen Bund G ... Diese nur begrenzte Zulassung ist zutreffend. Denn die Dauer einer Maßnahme ist nur angemessen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III, wenn sie sich gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 SGB III auf den für das Erreichen des Bildungsziels erforderlichen Umfang beschränkt. Dies ist gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB III bei einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemein anerkannten Ausbildungsberuf führt, nur dann der Fall, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit verkürzt ist. Diese (Regel-) Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn die Dauer der hier streitigen Vollzeitmaßnahme beim Internationalen Bund G. entspricht genau der Dauer, die eine entsprechende Berufsausbildung hätte, nämlich zwei Jahre, vgl. § 4 Satz 1 Podologengesetz. Demnach ist die Förderung der Weiterbildungsmaßnahme beim Internationalen Bund grundsätzlich ausgeschlossen. Möglich ist die Förderung nur im Rahmen der Ausnahme des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III. Danach kommt aber überhaupt nur eine Förderung von zwei Dritteln der Maßnahmedauer in Betracht.

Da die Beklagte eine solche Förderung vorgenommen hat, kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall tatsächlich diejenige Voraussetzung für diesen Ausnahmefall erfüllt ist, dass eine Verkürzung um mindestens ein Drittel aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist. Gegen das Vorliegen dieser Voraussetzung könnte sprechen, dass gemäß § 6 Abs. 2 Podologengesetz auf Antrag eine abgeschlossene Ausbildung unter gewissen Umständen auf die Ausbildungsdauer angerechnet werden kann (entsprechende Zweifel äußerte das Landessozialgericht - LSG - Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2006, L 6 B 388/06 AL ER, juris, Rdnr. 23 in dem ähnlich gelagerten Fall einer Ausbildung zum Ergotherapeuten). Für das Vorliegen dieser Voraussetzung spricht allerdings - wie von der Agentur für Arbeit C. in ihrer schriftlichen Stellungnahme angeführt -, dass diese Verkürzungsmöglichkeit teilnehmer- und nicht maßnahmebezogen ist. Weiter kann aufgrund der erfolgten Förderung dahinstehen, ob die weitere Voraussetzung der Sicherung der Finanzierung der gesamten Maßnahmedauer erfüllt ist. Zweifel könnten hieran insofern bestehen, als nach der schriftlichen Stellungnahme der Agentur für Arbeit C. der Gesetzgeber nicht eine Finanzierung durch Private wie hier, sondern durch Bund und Länder im Auge hatte (skeptisch auch insofern LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; offen gelassen von LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2007, L 7 AS 689/07, juris, Rdnr. 22; für ein Ausreichen der Förderung durch Dritte Sozialgericht - SG - Bremen, Beschluss vom 28.09.2006, S 13 AL 183/06 ER, juris, LS 2 und Rdnr. 28 ff., 31). Schließlich kann dahinstehen, ob die Finanzierungszusage sich allein auf die Maßnahmekosten oder auch auf den Lebensunterhalt beziehen muss (für eine Erstreckung auch auf den Lebensunterhalt LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; auch dies offen gelassen von LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).

Die Klägerin kann keinen Anspruch auf die Förderung der gesamten Maßnahmedauer aus dem Bildungsgutschein herleiten. Zwar heißt es in diesem unter dem Stichwort Weiterbildungsdauer: "bis zu 24 Monate". Ein Bildungsgutschein beinhaltet jedoch bereits seiner Natur nach keine Entscheidung über eine konkrete Förderungsdauer. Mit einem Bildungsgutschein wird vielmehr allein festgestellt, dass die persönlichen Voraussetzungen einer Maßnahmeförderung gegeben sind (vgl. Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 16 Rdnr. 82; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr. 18; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 24). Dies war für die Klägerin auch insofern erkennbar, als ihr mit Schreiben der Beklagten vom 17.08.2007 der Bildungsgutschein überreicht und sie zugleich darauf hingewiesen wurde, dass sie sich vor Beginn der Teilnahme beim Bildungsträger über die Zulassung der Weiterbildung informieren solle.

Die Klägerin kann auch keinen Anspruch aus Art. 3 Grundgesetz ableiten. Selbst wenn bei anderen Teilnehmern die volle Maßnahmedauer gefördert worden sein sollte - was hier schon allein deshalb nicht festgestellt werden kann, da die von der Klägerin vorgelegten entsprechenden Unterlagen an den entscheidenden Stellen geschwärzt wurden -, so folgt aus Art. 3 Grundgesetz jedenfalls keine "Gleichheit im Unrecht" (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 25).

Bei der grundsätzlich im Ermessen stehenden Leistungsgewährung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat die Beklagte nicht ermessensfehlerhaft im Sinne eines Ermessensnichtgebrauchs gehandelt, als sie den Antrag der Klägerin mit dem Argument ablehnte, sie sei an die nur begrenzte Zulassung gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II setzt voraus, dass die Fördervoraussetzungen der dort jeweils in Bezug genommenen Bestimmungen des SGB III gegeben sind (vgl. § 16 Abs. 1a). Da dies schon nicht der Fall war, war kein Raum mehr für eine Ermessensausübung.

Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf (Ermessens-) Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II, da die danach mögliche Gewährung von Leistungen über die in Abs. 1 genannten hinaus voraussetzt, dass diese weiteren Leistungen diejenigen nach Abs. 1 nicht aufstocken. Diese Einschränkung ist nach der Gesetzessystematik erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II auch nicht an die Stelle der in Abs. 1 genannten Leistungen treten dürfen, wenn die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Andernfalls wäre die Inbezugnahme konkreter Anspruchsvorausetzungen in § 16 Abs. 1 und Abs. 1a SGB II obsolet (vgl. hierzu Eicher, a.a.O., Rdnr. 177).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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