L 4 P 76/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 P 803/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 76/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. März 2006 von der Beklagten Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.

Die am 1979 in der Türkei geborene Klägerin war bis zum 28. Februar 2006 bei der Pflegekasse der Novitas Vereinigte BKK bzw. deren Rechtsvorgängerinnen (im Folgenden einheitlich BKK-Pflegekasse) nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB XI pflegeversichert. Seit 01. März 2006 ist sie entsprechend bei der Beklagten pflegeversichert. Sie ist seit 30. August 2001 verheiratet. Bei ihr besteht ein frühkindlicher Hirnschaden mit Entwicklungsverzögerung (geistige Retardierung) sowie ein Zustand nach Netzhautablösung und Operation im Februar 2006. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Seit 01. Juli 2000 ist sie in der Behindertenwerkstatt "L. G. e.V." in H. tätig (zuvor in den Caritas-Werkstätten R.) und verrichtet dort Verpackungsarbeiten und Küchentätigkeiten. Die Klägerin, die bis zu ihrer Heirat in der Wohnung der Eltern lebte, seit ihrer Eheschließung jedoch mit ihrem Ehemann in einer Wohnung in der B.-straße in E. wohnt, wird morgens an den Werktagen jeweils um 7:15 Uhr mit einem Kleinbus abgeholt und in die Behindertenwerkstatt gebracht; von dort wird sie dann jeweils um 15:45 Uhr in die Wohnung zurückgebracht. Ihr Ehemann arbeitet in Wochenwechselschicht jeweils von 7:00 Uhr bis 14:30 Uhr bzw. von 15:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Der Klägerin wird im Haushalt und bei der Pflege im wesentlichen von ihrer Mutter geholfen.

Die BKK-Pflegekasse hatte der Klägerin mit Bescheid vom 09. Oktober 1996 ab 01. Juni 1996 Pflegegeld nach Pflegestufe I bewilligt. Grundlage für diese Bewilligung war das aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 27. September 1996 erstattete Gutachten der Dr. R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N ... Darin war Hilfebedarf bei der Grundpflege im Bereich der Körperpflege (Waschen, Duschen/Baden, Darm-Blasenentleerung), der Ernährung (mundgerechte Zubereitung, Nahrungsaufnahme) sowie bei der Mobilität (An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) von insgesamt 120 Minuten bejaht worden; die Klägerin wirkte danach sehr eingeschüchtert, kontaktarm und hilflos. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I wurden bejaht. Da ein wöchentlicher Pflegeaufwand der Pflegeperson (Mutter) von 14 bis unter 21 Stunden angenommen wurde, wurden für die Mutter für die Pflegetätigkeit auch Beiträge zur Rentenversicherung von der BKK-Pflegekasse gezahlt. Bei einer von der BKK-Pflegekasse am 13. Dezember 2001 durchgeführten Nachbegutachtung (Gutachten des Dr. B. und der Pflegefachkraft H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg [(MDK] in G. vom 19. Dezember 2001) wurde die Pflegebedürftigkeit im Umfang der Pflegestufe I mit einem täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 54 Minuten, und zwar bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Duschen, Zahnpflege, Kämmen, Wasserlassen, Stuhlgang, Richten der Bekleidung, Wechseln kleiner Vorlagen) 41 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) drei Minuten und bei der Mobilität (Aufstehen/Zubettgehen, Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt) zehn Minuten bestätigt, jedoch angenommen, dass der pflegerische Zeitaufwand für die Pflegeperson nun unterhalb von 14 Stunden pro Woche liege. In einem Widerspruchsverfahren wegen der Beendigung der Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Pflegeperson zum 31. Januar 2002 war von der Klägerin ein Pflegetagebuch vom 27. Februar 2002 vorgelegt worden. Daraufhin hatte die BKK-Pflegekasse das weitere Gutachten des Dr. C. vom MDK in G. vom 26. April 2002 eingeholt. Darin wurde für die Grundpflege ein Hilfebedarf von 70 Minuten pro Tag festgestellt, und zwar bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Teilwäsche Hände-Gesicht, Duschen, Zahnpflege, Kämmen, Wasserlassen, Stuhlgang, Richten der Bekleidung, Wechseln kleiner Vorlagen) 51 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) drei Minuten und bei der Mobilität (Aufstehen/Zubettgehen, Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt) 16 Minuten. Dazu wurde ausgeführt, bei der Körperpflege sei eine eingehende Beaufsichtigung mit Anleitung erforderlich. Das Säubern des Umfelds nach dem Toilettengang sei notwendig sowie die Korrektur der Bekleidung. Ergänzende Hilfestellungen seien auch beim Wechsel der Vorlagen notwendig. Erforderlich seien weiter wiederholtes Wecken und Hilfestellungen beim Zubettgehen. Beim An- und Ausziehen müsse entsprechende Bekleidung bereitgelegt werden; es sei auch korrigierendes Eingreifen notwendig. Der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt wurde mit 51 Minuten festgestellt. Da ein wöchentlicher Pflegeaufwand der Pflegeperson von 14 bis unter 21 Stunden angenommen wurde, verblieb es auch bei der Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Pflegeperson.

Die BKK-Pflegekasse veranlasste eine erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Re. vom MDK in G. am 27. Februar 2006. In dem am 03. März 2006 erstatteten Gutachten wurde im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 21 Minuten pro Tag festgestellt, und zwar 15 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Stuhlgang), eine Minute bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) und fünf Minuten bei der Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, Ankleiden gesamt). Es wurde ausgeführt, nach Aufforderung könne die Klägerin die Körperpflege selbstständig durchführen; es sei eine Durchführungskontrolle notwendig. Die Zahnpflegeutensilien müssten vorbereitet werden. Unterstützung sei beim Zähneputzen sowie beim Kämmen notwendig, auch nach dem Stuhlgang sei Hilfe bei der Intimhygiene erforderlich. Bei der Ernährung bedürfe es Hilfe beim Zerkleinern harter Speisen. Im Bereich der Mobilität gehe es um Hilfe beim Aussuchen witterungsgerechter Kleidung, beim Schließen/Öffnen von Knöpfen und Reißverschlüssen sowie beim Binden von Schuhen. Dass die vollständige Übernahme der gesamten Körperpflege erforderlich sei, die Mahlzeiten kleingeschnitten bzw. püriert werden müssten, Hilfe beim Trinken, Teilhilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim Drehen im Bett erfolgen müsse, sei aufgrund der durchgeführten Funktionsprüfungen nicht nachvollziehbar. Es sei eine Abnahme des Hilfebedarfs bei der Grundpflege festzustellen. Hilfebedarf bei Toilettengängen und beim Wechseln der Vorlagen wegen partieller Harninkontinenz bestehe nicht mehr. Auch Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sei nicht mehr notwendig. Es dominiere der Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich, der mit 60 Minuten pro Tag eingeschätzt wurde. Es wurde auf den damaligen Krankenstand wegen Augenoperation rechts hingewiesen.

Auf dieses Gutachten gestützt teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 21. Juni 2006 mit, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erfüllt seien. Die Leistungsbewilligung der bis zum 28. Februar 2006 zuständigen BKK-Pflegekasse gelte nur innerhalb des insoweit bestehenden Versicherungsverhältnisses. Die Leistungsbewilligung durch die BKK-Pflegekasse habe keine Bindungswirkung für sie (die Beklagte) als nachfolgenden Versicherungsträger. Aufgrund der Feststellungen im Gutachten vom 27. Februar 2006, dass keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung vorliege, könnten Leistungen der Pflegeversicherung nicht gewährt werden. Dagegen legte die Klägerin am 16. Juni 2006 Widerspruch ein. Sie machte geltend, die Verneinung der Pflegebedürftigkeit sei nicht gerechtfertigt, denn ihr Gesundheitszustand habe sich nicht geändert. Es bestünden die Gesundheitsprobleme wie vor vier Jahren. Es müsse eine erneute Untersuchung durchgeführt werden. Ein von der Klägerin daraufhin angeforderter Pflegebogen für den grundpflegerischen Hilfebedarf wurde nicht vorgelegt. Die Beklagte veranlasste eine erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung, die am 23. Oktober 2006 durch die Pflegefachkraft L. vom MDK durchgeführt wurde. Im daraufhin erstatteten Gutachten vom 25. Oktober 2006 wurde für die Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf von 14 Minuten angenommen, und zwar 13 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Stuhlgang) und eine Minute bei der Mobilität (Ankleiden gesamt). In dem Gutachten wurde ausgeführt, die Angehörigen der Klägerin (Eltern) hätten beschrieben, dass die Klägerin einen Haushalt nicht überblicken und organisieren könne. Sie sei zwar in der Lage, bei einfachen Tätigkeiten mitzuhelfen, benötige hierbei jedoch Anleitung. In der Behindertenwerkstatt könne sie einfache Verrichtungen (Verpackungsarbeiten, Küchentätigkeiten) selbstständig durchführen. Nach dem Gutachten besteht eine partielle Blaseninkontinenz nicht mehr. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 31. Januar 2007 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Sowohl die Erst- als auch die Zweitbegutachtung durch den MDK habe zu dem Ergebnis geführt, dass erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes nicht vorliege. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Mai 2004 (B 3 P 3/03 R = SozR 4-3300 § 37 Nr. 2) gebe es bei einem Wechsel von einer privaten Pflegeversicherung zu einer gesetzlichen Pflegekasse wegen Fehlens einer dem Artikel 45 des Pflegeversicherungsgesetzes vergleichbaren Regelung keinen Bestands- oder Vertrauensschutz. Dies gelte auch bei einem Wechsel von einer gesetzlichen Pflegekasse zur anderen. Die Bindungswirkung einer Bewilligungsentscheidung gemäß den § 36 ff. SGB XI gelte grundsätzlich nur innerhalb eines Sozialversicherungsverhältnisses, nicht aber darüber hinaus. Mithin sei aufgrund des durchgeführten Kassenwechsels eine Neubegutachtung erforderlich gewesen.

Am 28. Februar 2007 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie reichte einen Pflegebogen für den grundpflegerischen Hilfebedarf vom 03. September 2007 ein. Danach sei der Aufwand allein bei der Ganzkörperwäsche und der Teilwäsche mit Unterleib sowie beim Duschen ein- bis zweimal in der Woche täglich mit mindestens 18 Minuten in Ansatz zu bringen, für die Teilwäsche der Hände des Gesichts täglich drei Minuten sowie ferner für die Zahnpflege und das Kämmen täglich fünf Minuten, für das Säubern des Intimbereichs nach dem Wasserlassen und dem Stuhlgang täglich zehn Minuten, für das Richten der Bekleidung täglich mindestens sieben Minuten und für das Wechseln der Kleidung täglich mindestens vier Minuten erforderlich. Insgesamt ergebe sich mit dem Bereich Ernährung und Mobilität ein täglicher Hilfebedarf von mehr als 50 Minuten. Auch der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft übersteige weit mehr als eine Stunde pro Tag. Insoweit müsse ein Sachverständigengutachten erhoben werden, denn ihr Gesundheitszustand mit den krankheitsbedingten Störungen habe sich seit 1996 nicht geändert. Sie müsse ständig beaufsichtigt werden, und zwar bei allen Tätigkeiten und auch in der Freizeit. Die Beaufsichtigung übernehme ihr Ehemann, wenn er nicht arbeite. Während dessen Arbeitszeiten werde die Aufsicht durch ihre Eltern bzw. zwei Schwägerinnen durchgeführt. Es bestehe die Notwendigkeit von Hilfe vom Aufstehen an. Ihr müsse beim Waschen, Kämmen und Zähneputzen geholfen werden. Das Essen müsse für sie vorbereitet, insbesondere zerkleinert werden, da sie feinmotorisch nicht in der Lage sei, dies durchzuführen. Sie sei nicht in der Lage, irgendwelche Nahrungsmittel zu zerschneiden bzw. zu zerkleinern. Auch beim An- und Ausziehen müsse ihr geholfen werden. Sie sei nicht in der Lage, links und rechts zu unterscheiden und könne mithin den linken Arm nicht in den linken Ärmel stecken. Auch beim Einstieg in die Badewanne und beim Waschen sei Hilfe notwendig. Inkontinenz sei nach wie vorhanden. Windelwechsel und Intimwäsche müssten vorgenommen werden. Sie sei nicht in der Lage, mit Toilettenpapier umzugehen. Ihre Angehörigen hätten in dem vorgelegten Pflegebogen beim Säubern des Intimbereichs nach dem Stuhlgang und beim Windelwechsel überhaupt nichts angekreuzt und somit auch diese Frage nicht verneint, da sie diese wohl nicht gesehen oder nicht verstanden hätten. Bei der Begutachtung im Jahre 2000 sei von einer Mitarbeiterin der Beklagten gesagt worden, sie sei verheiratet und brauche keine Pflegestufe mehr. Dazu müssten ihre Eltern sowie ihre Schwägerinnen gehört werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte das Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 11. September 2007 vor. Ein wesentlich höherer Pflegebedarf als bei der letzten Untersuchung sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 13. November 2007, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 07. Dezember 2007 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe zutreffend unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 13. Mai 2004 ausgeführt, dass durch die Bewilligung des Pflegegeldes durch die BKK-Pflegekasse für sie (die Beklagte) keine bindende Wirkung bestehe sowie sie auch nicht verpflichtet sei, die Voraussetzungen einer nachträglichen Änderung bzw. die Voraussetzungen des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu prüfen. Die Klägerin habe trotz der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz keinen Hilfebedarf, der eine Leistungsgewährung aus der Pflegeversicherung auslösen würde. Die Verrichtungen, bei denen die Klägerin Hilfe brauche, seien von der Beklagten gestützt auf zwei Gutachten des MDK vollständig wiedergegeben. Die vorgelegten Pflegebogen sprächen für die Richtigkeit der Beurteilung durch die Beklagte. Der krankheitsbedingte, mithin pflegerechtlich relevante Hilfebedarf, den die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, sei nachvollziehbar und treffe übereinstimmend mit den Angaben der Klägerin, die im Bereich der Behindertenpflege mit Verpackungsaufgaben einerseits und Küchenhilfe andererseits tätig sei, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zusammen. Die Hilfe erfolge in Form einer Anleitung, im Übrigen sei die Klägerin als durchaus in der Lage beschrieben, die mit der Sauberkeit verbundenen Bewegungen selbstständig durchzuführen. Der Selbstauskunftsbogen vom 03. September 2007 mache im Übrigen deutlich, dass die Klägerin nach eigenen Angaben im Wesentlichen einen Teilhilfebedarf angebe. Aus einem solchen ergebe sich in der Gesamtschau der mit der Klage verfolgte Anspruch nicht.

Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin am 07. Januar 2008 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, das Urteil des SG gehe von falschen Voraussetzungen aus, indem es sich auf den eingereichten Pflegebogen, der von ihren Eltern ausgefüllt worden sei, berufe. Ihre Eltern seien der deutschen Sprache nicht mächtig. Wie sich aus dem Pflegebogen ergebe, hätten sie beispielsweise das Säubern des Intimbereichs nach dem Stuhlgang und das Richten der Bekleidung überhaupt nicht ausgefüllt, obwohl in diesem Bereich bei ihr Tätigwerden durch andere Personen nötig sei. Sie sei entgegen der Ansicht des SG beim Duschen nicht in der Lage, sich selbst zu waschen und die Haare mit Shampoo einzureiben. Bei ihrer Inkontinenz komme es eben vor, dass sie so verschmutzt sei, dass neben der "Ganztageswäsche" auch noch geduscht werden müsse. Sie müsse täglich auch nicht nur einmal gekämmt werden, sondern mindestens zwei- bis dreimal, so dass ein Zeitaufwand von fünf Minuten gerechtfertigt sei. Die Inkontinenz bestehe ebenfalls noch. Dazu müssten ihre Eltern und ihre Schwägerinnen gehört werden. Es müsse auch ein Sachverständigengutachten erhoben werden. Ihre Mutter komme täglich zu ihr in die Wohnung. Sie koche für sie und mache den Haushalt; sie helfe auch beim Duschen, Anziehen usw. Falls sie die Pflege nicht ausführen könne, würden ihre Schwägerinnen helfen. Sie habe auch schon in der Zeit, in der sie noch in Pflegestufe I eingestuft gewesen sei, in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet. Die Klägerin hat noch verschiedene Unterlagen eingereicht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. November 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juni 2006 in der Ge¬stalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 zu verurteilen, ihr ab 01. März 2006 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die durchgeführten Begutachtungen hätten den geltend gemachten Hilfebedarf berücksichtigt und insoweit einen pflegeversicherungsrelevanten Hilfebedarf von 14 bzw. 21 Minuten festgestellt. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Veränderung des Gesundheitszustands der Klägerin lägen nicht vor. Das Säubern des Intimbereichs nach dem Stuhlgang sei in den MDK-Gutachten berücksichtigt worden. Selbst wenn ein Teilhilfebedarf für eine tägliche Dusche und ein höherer Hilfebedarf beim Kämmen zusätzlich berücksichtigungsfähig wäre, läge der Gesamthilfebedarf unter 46 Minuten.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2007 über die Ablehnung der Zahlung von Pflegegeld ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht weder ab 01. März 2006 noch ab einem späteren Zeitpunkt Pflegegeld nach Pflegestufe I zu.

Streitgegenstand ist, ob die Klägerin ab 01. März 2006 von der Beklagten Pflegegeld nach Pflegestufe I beanspruchen kann. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass die Beklagte, bei der die Klägerin ab 01. März 2006 versichert ist, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Pflegegeld ab 01. März 2006 originär, ohne eine im Hinblick auf § 48 SGB X zu beachtende Bindungswirkung an einen früheren Bewilligungsbescheid der BKK-Pflegekasse (und dessen Aufhebung), bei der die Klägerin bis zum 28. Februar 2006 versichert war, zu prüfen hatte. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren. Es war insbesondere hier kein von der Beklagten zu führender Nachweis hinsichtlich der Verminderung des Hilfebedarfs im Vergleich zu einem früher festgestellten Hilfebedarf erforderlich. Mithin kam hier als Klageform auch nur die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage in Betracht.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe (§ 36 SGB XI) ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (BRi) zu berücksichtigen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass bei diesen Zeitorientierungswerten von einer vollständigen Übernahme der Verrichtungen der Grundpflege jeweils ausgegangen wird. Mithin ist jeweils die Form der erforderlichen Hilfe festzustellen, ob es um die Unterstützung, die teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtung oder um die Beaufsichtigung und Anleitung dabei/dazu geht.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass bei der Klägerin ab 01. März 2006 kein Hilfebedarf bei der Grundpflege von täglich mehr als 45 Minuten besteht. Auch der Senat vermag im Hinblick auf die urkundenbeweislich zu verwertenden MDK-Gutachten vom 03. März 2006 (Pflegefachkraft Re.) und vom 25. Oktober 2006 (Pflegefachkraft L.), in denen der grundpflegerische Hilfebedarf mit täglich 21 bzw. 14 Minuten eingeschätzt wurde, nicht festzustellen, dass der aktuelle Hilfebedarf bei der Klägerin im Bereich der Grundpflege einen Zeitbedarf von 45 Minuten pro Tag übersteigt. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die Klägerin, bei der ein frühkindlicher Hirnschaden mit Entwicklungsretardierung besteht, die grundpflegerischen Verrichtungen im Wesentlichen erlernt hat. Im Übrigen besteht jedoch keine Einschränkung des Stütz- und Bewegungsapparats, lediglich eine geringgradige Einschränkung der Feinmotorik. Mithin besteht, wie auch bereits im MDK-Gutachten vom 29. Dezember 2001 (Dr. B. und Pflegefachkraft H.) festgestellt, bei der Klägerin Hilfebedarf lediglich in Form der Anleitung bzw. der teilweisen Übernahme. Insbesondere ist die Notwendigkeit der vollständigen Übernahme der gesamten Körperpflege nicht nachgewiesen. Daher kann der von der Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05. September 2007 geltend gemachte tägliche Hilfebedarf von mindestens 21 Minuten für das Waschen (Ganzkörperwäsche, Teilwäsche mit Unterleib, Teilwäsche Hände und Gesicht sowie Duschen bzw. Baden), womit ein grundpflegerischer Hilfebedarf von täglich mehr als 50 Minuten begründet wird, nicht angerechnet werden. Das Säubern des Intimbereichs nach Stuhlgang ist in den genannten Gutachten berücksichtigt worden. Auch bei Annahme einer weiterhin bestehenden teilweisen Blasenschwäche, wie sie von der Klägerin im Pflegebogen für den grundpflegerischen Hilfebedarf vom 13. September 2007 angegeben wurde, ergäbe sich kein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von mehr als 45 Minuten. Soweit die Klägerin geltend macht, in Folge von Inkontinenz komme es vor, dass sie so verschmutzt sei, dass neben einer Ganzkörperwäsche auch noch geduscht bzw. gebadet werden müsse, ergibt sich schon nicht, dass eine solche Verschmutzung regelmäßig täglich vorliegt. Darauf, dass die Klägerin bei der Begutachtung im Dezember 2001, als der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 54 Minuten bewertet wurde, bzw. im April 2002, als insoweit 70 Minuten angenommen wurden, bereits werktags die Behindertenwerkstatt besuchte, kommt es nicht an, zumal es auch des Nachweises der Verminderung des Hilfebedarfs im Vergleich zu dem Zustand im Dezember 2001 bzw. April 2002 nicht bedurfte. Darauf, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, den ehelichen Haushalt zu führen, weshalb insoweit für die hauswirtschaftliche Versorgung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI ein täglicher Hilfebedarf von mehr als 60 Minuten bestehen könnte, vermag die Klägerin ihren Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I nicht zu stützen. Schließlich kann sich ein höherer Hilfebedarf auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin ergeben, sie bedürfe ständiger Aufsicht (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 25. Oktober 2007, Blatt 22 der SG-Akte). Ein solcher Aufwand der Beaufsichtigung zur Selbst- oder Fremdgefährdung ist bei der Bemessung des Pflegebedarfs nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 9).

Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war danach nicht geboten.

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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