Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RJ 212/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 6/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Geschiedenenwitwenrente
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am 1949 geborene Klägerin hatte am 8. Juli 1967 die Ehe mit dem am 1940 geborenen und am 1995 verstorbenen F. –S. Sch. (im Folgenden: Versicherter) geschlossen. Die Ehe wurde durch Urteil des Kreisgerichts Naumburg vom 24. April 1984 geschieden. Das Erziehungsrecht für die beiden gemeinsamen Kinder wurde der Klägerin übertragen. Der Versicherte wurde verurteilt, den beiden Kindern einen monatlichen Unterhaltsbetrag von jeweils 110 Mark bis zu ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu Händen der Klägerin zu zahlen. Zum Zeitpunkt der Scheidung waren die Klägerin als stellvertretende Bürgermeisterin für Handel und Versorgung und der Versicherte als Elektriker tätig gewesen. Die Klägerin heiratete nicht wieder und behielt ihren Wohnsitz im Beitragsgebiet.
Bis zum 31. Oktober 2003 bezog die Klägerin von der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Erziehungsrente für ihr am 1985 geborenes drittes Kind. Seit dem 1. November 2003 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin beantragte am 30. Dezember 2003 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente an den geschiedenen Ehegatten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Februar 2004 ab. Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente gemäß den §§ 243, 243 a SGB VI sei nicht für nach dem 30. Juni 1977 geschiedene Ehegatten vorgesehen. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-Vorpommern vom 22. August 2001 (L 4 RA 89/00) verstoße die Regelung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, grundsätzlich sei der Ehegatte für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich gewesen. Es würden die Frauen bestraft, die neben Kindererziehung oder Studium berufstätig gewesen seien. Wenn ihr geschiedener Ehemann noch lebte, würde sie Unterhalt beantragen, da die Hauptlast des gemeinsamen und auch des Lebens danach auf ihr gelegen habe. Ebenso mache sie Besitzstandswahrung für die während der Ehe gezahlten Beiträge geltend. Die Ablehnung der Rentengewährung verstoße gegen das Grundgesetz.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2004 als unbegründet zurück und führte nochmals aus, ein Anspruch auf Witwenrente an nach dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten bestehe weder im alten Bundesgebiet noch in den neuen Bundesländern. Die Vorschriften des Versorgungsausgleichs seien in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1977 in Kraft getreten; im Beitrittsgebiet sei der Versorgungsausgleich erst bei Ehescheidungen ab dem 1. Januar 1992 möglich. Das bis dahin geltende Recht der DDR habe einen Versorgungsausgleich nicht vorgesehen. Die Beklagte sei an die geltenden Gesetze gebunden und teile auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der §§ 243 und 243 a SGB VI. Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Absendevermerks in der Verwaltungsakte der Beklagten am Donnerstag, den 8. April 2004 (dem Tag vor Karfreitag), mit einfachem Schreiben zur Post aufgegeben.
Dagegen hat die Klägerin am 12. Mai 2004, dem Mittwoch nach Ostermontag, Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Der Widerspruchsbescheid sei ihr am 14. April 2004 zugegangen. Sie hat ergänzend eine Verletzung des Diskriminierungsverbots von Frauen in den neuen Bundesländern gerügt und auf Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2005 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 243 SGB VI, weil dieser gemäß § 243 a Satz 1 SGB VI ausgeschlossen sei. Das Familienrecht der DDR habe zum Zeitpunkt der Ehescheidung der Klägerin einen Unterhaltsanspruch für einen Ehegatten nicht vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Insbesondere verstoße die Regelung des § 243 a Absatz 1 SGB VI nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es handele sich bei der Regelung nur um die Ausprägung des im gesamten Bundesgebiet geltenden Grundsatzes, wonach Witwenrenten in Fällen einer Scheidung ohne Versorgungsausgleich im Hinblick auf ihre Unterhaltsersatzfunktion von einem vorher bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig seien. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 20. Dezember 1995 (L 1 An 114/95) und vom 7. März 1996 (L 1 An 109/95) sowie den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Juni 2003 (1 BvR 789/96) bezogen. Die zeitliche Begrenzung der Rentenansprüche in § 243 SGB VI auf vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehen knüpfe an das Inkrafttreten des 1. Ehereformgesetzes (EheRG) zu diesem Datum an. Im Rahmen von Artikel 3 Abs. 1 GG habe es dem Gesetzgeber grundsätzlich freigestanden, wie er die im Scheidungsfolgen- und Rentenrecht zwischen der DDR und der Bundesrepublik bestehenden Unterschiede bei der Aus-gestaltung der Hinterbliebenenrente an den früheren Ehegatten berücksichtige. Die Wahl einer Angleichung für alle in der DDR geschiedenen Ehen an das seit dem 1. Juli 1977 in der Bundesrepublik geltende Recht sei nicht erkennbar sachwidrig. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Juni 1995 (5 RJ 60/94) bezogen. Eine Einzelfallentscheidung entgegen der gesetzlichen Regelung sei angesichts der Bindung der Gerichte an das Gesetz nicht zulässig.
Gegen das ihr am 26. November 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2005 beim Sozialgericht Halle Berufung eingelegt. Sie hat die Verletzung ihrer Rechte gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gerügt, weil niemand aufgrund seiner nationalen Herkunft ungleich behandelt werden dürfe. Das Urteil verstoße auch gegen das Diskriminierungsverbot der Frauen und das Grundgesetz sowie die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Bis auf den Umstand, dass sie nicht Bürgerin der alten Bundesländer gewesen sei, seien alle Voraussetzungen für die Geschiedenenwitwenrente erfüllt. Trotz der Mehrfachbelastung durch Kinder und Berufstätigkeit hätten geschiedene Ehefrauen keinen Anspruch auf ein neues Leben, speziell nicht in den neuen Bundesländern. Die Verweigerungshaltung der Beklagten führe zu finanziellen Nachteilen, einer Zerstörung der familiären Strukturen und einem Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Ferner hat die Klägerin eine Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags vom 21. September 2006 vorgelegt. Das Sozialgericht hat die Berufung an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2004 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Januar 2004 eine Geschiedenenwitwenrente in gesetzlicher Höhe zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klage sei fristgerecht erhoben worden.
Die Klägerin und die Beklagte haben sich in der Nichtöffentlichen Sitzung vom 29. August 2007 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Senat durfte nach § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
1. Die am 12. Mai 2004 beim Sozialgericht Halle erhobene Klage ist zulässig, weil die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides gewahrt ist.
Zwar gilt nach der Vermutungsregel des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausgehend von dem in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Absendevermerk vom 8. April 2004 gilt die Vermutung der Bekanntgabe des Bescheides am 11. April 2004; die Monatsfrist zur Klageerhebung wäre somit gemäß § 64 Abs. 2 SGG am 11. Mai 2004, dem Dienstag nach Ostermontag, abgelaufen. Dann wäre die am 12. Mai 2004 beim Sozialgericht Halle eingegangene Klage nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden.
Allerdings findet gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Zugangsfiktion dann keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Klägerin hat sowohl in ihrer Klageschrift als auch nochmals auf Aufforderung des Sozialgerichts Halle mitgeteilt, den Widerspruchsbescheid am 14. April 2004 erhalten zu haben. Sie hat auch im Rahmen des vor dem Senat durchgeführten Erörterungstermins am 29. August 2007 angegeben, zum damaligen Zeitpunkt habe es wiederholt Probleme mit der Postzustellung gegeben. Insoweit hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, den Widerspruchsbescheid zeitlich nach der Zugangsfiktion am 11. April 2004 erhalten zu haben. Weil zudem die Osterfeiertage zwischen der Aufgabe des Widerspruchsbescheides zur Post und dem Zugang bei der Klägerin lagen, bestehen berechtigte Zweifel an der Bekanntgabe innerhalb der Zugangsfiktion (von Wulffen, SGB X, 5. Auflage § 37 Rdnr. 13). Da die Beklagte den Widerspruchsbescheid mit einfachem Brief zur Post aufgegeben hat, kann sie den Zugangstag nicht nachweisen. Damit ist als Tag des Zugangs der 14. April 2004 zu Grunde zu legen, weshalb die am 12. Mai 2004 erhobene Klage rechtzeitig erfolgt ist. Zu Recht hat damit das Sozialgericht die Klage als zulässig angesehen.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil vom 24. Oktober 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2004 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs. 2 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung.
a. Nach § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI haben u.a. Anspruch auf Witwenrente geschiedene Ehegatten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Gemäß § 243 a SGB VI, eingeführt durch das Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl. I Seite 1606), ist § 243 SGB VI dann nicht anzuwenden, wenn sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht bestimmt, das im Beitrittsgebiet gegolten hat.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten bestimmte sich nach dem Recht, das im Beritrittsgebiet gegolten hat. Die Scheidung erfolgte nach dem ab dem 1. April 1966 im Gebiet der DDR geltenden Familiengesetzbuch. Danach waren sich die geschiedenen Ehegatten grundsätzlich nicht gegenseitig unterhaltspflichtig. Wie sich aus dem Urteil des Kreisgerichts Naumburg vom 24. April 1984 ergibt, wurde ein nachehelicher Unterhalt lediglich für die beiden Kinder der Eheleute, nicht jedoch für die Klägerin festgesetzt. Daher findet § 243 SGB VI auf die Klägerin keine Anwendung.
b. Dessen ungeachtet käme aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - ein Anspruch auf Rentengewährung gemäß § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI auch dann nicht in Betracht, wenn sie in den alten Bundesländern geschieden worden wäre. Voraussetzung für eine solche Witwenrente ist nämlich u.a., dass die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, die Witwe nicht wieder geheiratet hat und im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten hat oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatte.
Weder ist die Klägerin vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden, noch hatte sie von dem Versicherten im letzten Jahr vor dessen Tod Unterhalt bezogen oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand davor einen Anspruch hierauf. Eine "Ungleichbehandlung" gegenüber einer Witwe in den alten Bundesländern, deren Ehe ebenfalls nach dem 30. Juni 1977 geschieden wurde, liegt daher nicht vor.
c. Die Vorschrift des § 243 a SGB VI sowie die in § 243 SGB VI enthaltene Stichtagsregelung zum 1. Juli 1977 verstoßen zur Überzeugung des Senats nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der dort normierte allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Der Senat vermag keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin mit der Personengruppe der vor dem 1. Juli 1977 in den alten Bundesländern geschiedenen Witwen zu erkennen, welche unter bestimmten Voraussetzungen die begehrte Geschiedenenwitwenrente erhalten können.
aa. Die Stichtagsregelung zum 1. Juli 1977 gemäß § 243 SGB VI für die alten Bundesländer ist nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13. Mai 1986, 1 BvL 55/83, SozR 2200 § 1265 Nr. 78) mit dem Grundgesetz vereinbar, und zwar auch in den Fällen, in denen kein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Die Regelung ist auch nicht willkürlich, weil sie auf den zum 1. Juli 1977 im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland eingeführten Regelungen über den Versorgungsausgleich bei Scheidungen beruht. Ab diesem Zeitpunkt erwarben geschiedene Ehegatten durch die Aufteilung der Rentenanwartschaften der beiden Eheleute einen eigenständigen Rentenanspruch im Falle der Scheidung. Einer unterhaltssichernden Sozialleistung aus der Rente des verstorbenen geschiedenen Ehegatten bedurften sie nicht mehr.
bb. Die Regelung des § 243 a SGB VI verstößt zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Insoweit schließt sich der Senat, wie schon das Vorgericht, der ständigen Rechtsprechung des BSG an (Urteil vom 21. Juni 1995, 5 RJ 60/94, SozR 3-2600 § 243 a Nr. 1; Urteil vom 29. August 1996, 4 RA 73/95, Reg. Nr. 22719; Urteil vom 11. Juni 2003, B 5 RJ 22/02 R, Reg. Nr. 26304, alle recherchiert über Juris). Der Gesetzgeber hatte anlässlich der Überleitung der rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften der ehemaligen DDR in das geltende Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland einen weiten Gestaltungsspielraum (so auch Urteil des BVerfG vom 23. April 1991, BVerfGE 84, 90, 130). Sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Geschiedenen im Gebiet der ehemaligen DDR und den vor dem 1. Juli 1977 Geschiedenen in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland ist das unterschiedliche Scheidungsfolgen- und Rentenrecht in beiden Staaten. Da alle in der ehemaligen DDR gefällten Scheidungsurteile auch nach der Wiedervereinigung grundsätzlich wirksam bleiben, entstand zu Lebzeiten des geschiedenen Versicherten kein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber diesem nach den gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). An die Fortgeltung des Unterhaltsrechts der ehemaligen DDR ist auch hinsichtlich eines Anspruchs auf Geschiedenenwitwenrente anzuknüpfen. Anderenfalls entstünden bei Anwendung des Unterhaltsrechts der Bundesrepublik Deutschland nach dem bis zum 30. Juni 1977 geltenden Recht beim Tod des geschiedenen Ehegatten neue Ungleichheiten. Der Gesetzgeber durfte daher bei der Ausgestaltung der Geschiedenenwitwenrenten an das seit dem 1. Juli 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anknüpfen. Denn wegen des dann eingeführten Versorgungsausgleichs hatten auch die Geschiedenen in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zum Ausgleich eines Unterhaltsausfalls beim Tod des geschiedenen Ehegatten. Hätte der Gesetzgeber hingegen die im Beitrittsgebiet Geschiedenen in die Regelung des § 243 SGB VI einbezogen, wären diese - ohne sachlichen Grund - gegenüber allen anderen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem 1. Juli 1977 Geschiedenen bevorzugt worden, obwohl sie aufgrund einer eigenen Alterssicherung weniger schutzbedürftig sind (Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 2. Juni 2003, 1 BvR 789/96, SozR 4-2600 § 243 a Nr. 1).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe I. Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht Kassel, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer, die kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte bestimmter juristischer Personen handeln, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der genannten Vereinigungen stehen und die ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung nach deren Satzung durchführen. Dazu ist die Haftung der Vereinigung für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten Voraussetzung.
b) Rechtsanwälte.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt
oder
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der das Urteil abweicht,
oder
ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
gez. Dr. Fechner gez. Schäfer gez. Müller-Rivinius
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am 1949 geborene Klägerin hatte am 8. Juli 1967 die Ehe mit dem am 1940 geborenen und am 1995 verstorbenen F. –S. Sch. (im Folgenden: Versicherter) geschlossen. Die Ehe wurde durch Urteil des Kreisgerichts Naumburg vom 24. April 1984 geschieden. Das Erziehungsrecht für die beiden gemeinsamen Kinder wurde der Klägerin übertragen. Der Versicherte wurde verurteilt, den beiden Kindern einen monatlichen Unterhaltsbetrag von jeweils 110 Mark bis zu ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu Händen der Klägerin zu zahlen. Zum Zeitpunkt der Scheidung waren die Klägerin als stellvertretende Bürgermeisterin für Handel und Versorgung und der Versicherte als Elektriker tätig gewesen. Die Klägerin heiratete nicht wieder und behielt ihren Wohnsitz im Beitragsgebiet.
Bis zum 31. Oktober 2003 bezog die Klägerin von der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Erziehungsrente für ihr am 1985 geborenes drittes Kind. Seit dem 1. November 2003 erhält sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin beantragte am 30. Dezember 2003 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente an den geschiedenen Ehegatten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Februar 2004 ab. Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente gemäß den §§ 243, 243 a SGB VI sei nicht für nach dem 30. Juni 1977 geschiedene Ehegatten vorgesehen. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-Vorpommern vom 22. August 2001 (L 4 RA 89/00) verstoße die Regelung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, grundsätzlich sei der Ehegatte für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich gewesen. Es würden die Frauen bestraft, die neben Kindererziehung oder Studium berufstätig gewesen seien. Wenn ihr geschiedener Ehemann noch lebte, würde sie Unterhalt beantragen, da die Hauptlast des gemeinsamen und auch des Lebens danach auf ihr gelegen habe. Ebenso mache sie Besitzstandswahrung für die während der Ehe gezahlten Beiträge geltend. Die Ablehnung der Rentengewährung verstoße gegen das Grundgesetz.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2004 als unbegründet zurück und führte nochmals aus, ein Anspruch auf Witwenrente an nach dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten bestehe weder im alten Bundesgebiet noch in den neuen Bundesländern. Die Vorschriften des Versorgungsausgleichs seien in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1977 in Kraft getreten; im Beitrittsgebiet sei der Versorgungsausgleich erst bei Ehescheidungen ab dem 1. Januar 1992 möglich. Das bis dahin geltende Recht der DDR habe einen Versorgungsausgleich nicht vorgesehen. Die Beklagte sei an die geltenden Gesetze gebunden und teile auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der §§ 243 und 243 a SGB VI. Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Absendevermerks in der Verwaltungsakte der Beklagten am Donnerstag, den 8. April 2004 (dem Tag vor Karfreitag), mit einfachem Schreiben zur Post aufgegeben.
Dagegen hat die Klägerin am 12. Mai 2004, dem Mittwoch nach Ostermontag, Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Der Widerspruchsbescheid sei ihr am 14. April 2004 zugegangen. Sie hat ergänzend eine Verletzung des Diskriminierungsverbots von Frauen in den neuen Bundesländern gerügt und auf Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2005 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 243 SGB VI, weil dieser gemäß § 243 a Satz 1 SGB VI ausgeschlossen sei. Das Familienrecht der DDR habe zum Zeitpunkt der Ehescheidung der Klägerin einen Unterhaltsanspruch für einen Ehegatten nicht vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Insbesondere verstoße die Regelung des § 243 a Absatz 1 SGB VI nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es handele sich bei der Regelung nur um die Ausprägung des im gesamten Bundesgebiet geltenden Grundsatzes, wonach Witwenrenten in Fällen einer Scheidung ohne Versorgungsausgleich im Hinblick auf ihre Unterhaltsersatzfunktion von einem vorher bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig seien. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 20. Dezember 1995 (L 1 An 114/95) und vom 7. März 1996 (L 1 An 109/95) sowie den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Juni 2003 (1 BvR 789/96) bezogen. Die zeitliche Begrenzung der Rentenansprüche in § 243 SGB VI auf vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehen knüpfe an das Inkrafttreten des 1. Ehereformgesetzes (EheRG) zu diesem Datum an. Im Rahmen von Artikel 3 Abs. 1 GG habe es dem Gesetzgeber grundsätzlich freigestanden, wie er die im Scheidungsfolgen- und Rentenrecht zwischen der DDR und der Bundesrepublik bestehenden Unterschiede bei der Aus-gestaltung der Hinterbliebenenrente an den früheren Ehegatten berücksichtige. Die Wahl einer Angleichung für alle in der DDR geschiedenen Ehen an das seit dem 1. Juli 1977 in der Bundesrepublik geltende Recht sei nicht erkennbar sachwidrig. Insoweit hat sich das Sozialgericht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Juni 1995 (5 RJ 60/94) bezogen. Eine Einzelfallentscheidung entgegen der gesetzlichen Regelung sei angesichts der Bindung der Gerichte an das Gesetz nicht zulässig.
Gegen das ihr am 26. November 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2005 beim Sozialgericht Halle Berufung eingelegt. Sie hat die Verletzung ihrer Rechte gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gerügt, weil niemand aufgrund seiner nationalen Herkunft ungleich behandelt werden dürfe. Das Urteil verstoße auch gegen das Diskriminierungsverbot der Frauen und das Grundgesetz sowie die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Bis auf den Umstand, dass sie nicht Bürgerin der alten Bundesländer gewesen sei, seien alle Voraussetzungen für die Geschiedenenwitwenrente erfüllt. Trotz der Mehrfachbelastung durch Kinder und Berufstätigkeit hätten geschiedene Ehefrauen keinen Anspruch auf ein neues Leben, speziell nicht in den neuen Bundesländern. Die Verweigerungshaltung der Beklagten führe zu finanziellen Nachteilen, einer Zerstörung der familiären Strukturen und einem Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Ferner hat die Klägerin eine Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags vom 21. September 2006 vorgelegt. Das Sozialgericht hat die Berufung an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2004 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Januar 2004 eine Geschiedenenwitwenrente in gesetzlicher Höhe zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klage sei fristgerecht erhoben worden.
Die Klägerin und die Beklagte haben sich in der Nichtöffentlichen Sitzung vom 29. August 2007 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Senat durfte nach § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
1. Die am 12. Mai 2004 beim Sozialgericht Halle erhobene Klage ist zulässig, weil die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides gewahrt ist.
Zwar gilt nach der Vermutungsregel des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausgehend von dem in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Absendevermerk vom 8. April 2004 gilt die Vermutung der Bekanntgabe des Bescheides am 11. April 2004; die Monatsfrist zur Klageerhebung wäre somit gemäß § 64 Abs. 2 SGG am 11. Mai 2004, dem Dienstag nach Ostermontag, abgelaufen. Dann wäre die am 12. Mai 2004 beim Sozialgericht Halle eingegangene Klage nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden.
Allerdings findet gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Zugangsfiktion dann keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Klägerin hat sowohl in ihrer Klageschrift als auch nochmals auf Aufforderung des Sozialgerichts Halle mitgeteilt, den Widerspruchsbescheid am 14. April 2004 erhalten zu haben. Sie hat auch im Rahmen des vor dem Senat durchgeführten Erörterungstermins am 29. August 2007 angegeben, zum damaligen Zeitpunkt habe es wiederholt Probleme mit der Postzustellung gegeben. Insoweit hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, den Widerspruchsbescheid zeitlich nach der Zugangsfiktion am 11. April 2004 erhalten zu haben. Weil zudem die Osterfeiertage zwischen der Aufgabe des Widerspruchsbescheides zur Post und dem Zugang bei der Klägerin lagen, bestehen berechtigte Zweifel an der Bekanntgabe innerhalb der Zugangsfiktion (von Wulffen, SGB X, 5. Auflage § 37 Rdnr. 13). Da die Beklagte den Widerspruchsbescheid mit einfachem Brief zur Post aufgegeben hat, kann sie den Zugangstag nicht nachweisen. Damit ist als Tag des Zugangs der 14. April 2004 zu Grunde zu legen, weshalb die am 12. Mai 2004 erhobene Klage rechtzeitig erfolgt ist. Zu Recht hat damit das Sozialgericht die Klage als zulässig angesehen.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil vom 24. Oktober 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2004 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs. 2 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung.
a. Nach § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI haben u.a. Anspruch auf Witwenrente geschiedene Ehegatten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Gemäß § 243 a SGB VI, eingeführt durch das Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl. I Seite 1606), ist § 243 SGB VI dann nicht anzuwenden, wenn sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht bestimmt, das im Beitrittsgebiet gegolten hat.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten bestimmte sich nach dem Recht, das im Beritrittsgebiet gegolten hat. Die Scheidung erfolgte nach dem ab dem 1. April 1966 im Gebiet der DDR geltenden Familiengesetzbuch. Danach waren sich die geschiedenen Ehegatten grundsätzlich nicht gegenseitig unterhaltspflichtig. Wie sich aus dem Urteil des Kreisgerichts Naumburg vom 24. April 1984 ergibt, wurde ein nachehelicher Unterhalt lediglich für die beiden Kinder der Eheleute, nicht jedoch für die Klägerin festgesetzt. Daher findet § 243 SGB VI auf die Klägerin keine Anwendung.
b. Dessen ungeachtet käme aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - ein Anspruch auf Rentengewährung gemäß § 243 Abs. 1 bis 3 SGB VI auch dann nicht in Betracht, wenn sie in den alten Bundesländern geschieden worden wäre. Voraussetzung für eine solche Witwenrente ist nämlich u.a., dass die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, die Witwe nicht wieder geheiratet hat und im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten hat oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatte.
Weder ist die Klägerin vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden, noch hatte sie von dem Versicherten im letzten Jahr vor dessen Tod Unterhalt bezogen oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand davor einen Anspruch hierauf. Eine "Ungleichbehandlung" gegenüber einer Witwe in den alten Bundesländern, deren Ehe ebenfalls nach dem 30. Juni 1977 geschieden wurde, liegt daher nicht vor.
c. Die Vorschrift des § 243 a SGB VI sowie die in § 243 SGB VI enthaltene Stichtagsregelung zum 1. Juli 1977 verstoßen zur Überzeugung des Senats nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der dort normierte allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Der Senat vermag keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin mit der Personengruppe der vor dem 1. Juli 1977 in den alten Bundesländern geschiedenen Witwen zu erkennen, welche unter bestimmten Voraussetzungen die begehrte Geschiedenenwitwenrente erhalten können.
aa. Die Stichtagsregelung zum 1. Juli 1977 gemäß § 243 SGB VI für die alten Bundesländer ist nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13. Mai 1986, 1 BvL 55/83, SozR 2200 § 1265 Nr. 78) mit dem Grundgesetz vereinbar, und zwar auch in den Fällen, in denen kein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Die Regelung ist auch nicht willkürlich, weil sie auf den zum 1. Juli 1977 im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland eingeführten Regelungen über den Versorgungsausgleich bei Scheidungen beruht. Ab diesem Zeitpunkt erwarben geschiedene Ehegatten durch die Aufteilung der Rentenanwartschaften der beiden Eheleute einen eigenständigen Rentenanspruch im Falle der Scheidung. Einer unterhaltssichernden Sozialleistung aus der Rente des verstorbenen geschiedenen Ehegatten bedurften sie nicht mehr.
bb. Die Regelung des § 243 a SGB VI verstößt zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Insoweit schließt sich der Senat, wie schon das Vorgericht, der ständigen Rechtsprechung des BSG an (Urteil vom 21. Juni 1995, 5 RJ 60/94, SozR 3-2600 § 243 a Nr. 1; Urteil vom 29. August 1996, 4 RA 73/95, Reg. Nr. 22719; Urteil vom 11. Juni 2003, B 5 RJ 22/02 R, Reg. Nr. 26304, alle recherchiert über Juris). Der Gesetzgeber hatte anlässlich der Überleitung der rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften der ehemaligen DDR in das geltende Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland einen weiten Gestaltungsspielraum (so auch Urteil des BVerfG vom 23. April 1991, BVerfGE 84, 90, 130). Sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Geschiedenen im Gebiet der ehemaligen DDR und den vor dem 1. Juli 1977 Geschiedenen in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland ist das unterschiedliche Scheidungsfolgen- und Rentenrecht in beiden Staaten. Da alle in der ehemaligen DDR gefällten Scheidungsurteile auch nach der Wiedervereinigung grundsätzlich wirksam bleiben, entstand zu Lebzeiten des geschiedenen Versicherten kein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber diesem nach den gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). An die Fortgeltung des Unterhaltsrechts der ehemaligen DDR ist auch hinsichtlich eines Anspruchs auf Geschiedenenwitwenrente anzuknüpfen. Anderenfalls entstünden bei Anwendung des Unterhaltsrechts der Bundesrepublik Deutschland nach dem bis zum 30. Juni 1977 geltenden Recht beim Tod des geschiedenen Ehegatten neue Ungleichheiten. Der Gesetzgeber durfte daher bei der Ausgestaltung der Geschiedenenwitwenrenten an das seit dem 1. Juli 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anknüpfen. Denn wegen des dann eingeführten Versorgungsausgleichs hatten auch die Geschiedenen in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zum Ausgleich eines Unterhaltsausfalls beim Tod des geschiedenen Ehegatten. Hätte der Gesetzgeber hingegen die im Beitrittsgebiet Geschiedenen in die Regelung des § 243 SGB VI einbezogen, wären diese - ohne sachlichen Grund - gegenüber allen anderen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem 1. Juli 1977 Geschiedenen bevorzugt worden, obwohl sie aufgrund einer eigenen Alterssicherung weniger schutzbedürftig sind (Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 2. Juni 2003, 1 BvR 789/96, SozR 4-2600 § 243 a Nr. 1).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe I. Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht Kassel, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer, die kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte bestimmter juristischer Personen handeln, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der genannten Vereinigungen stehen und die ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung nach deren Satzung durchführen. Dazu ist die Haftung der Vereinigung für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten Voraussetzung.
b) Rechtsanwälte.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt
oder
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der das Urteil abweicht,
oder
ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
gez. Dr. Fechner gez. Schäfer gez. Müller-Rivinius
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Rechtskraft
Aus
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