L 14 R 278/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 491/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 278/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 168/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Altersrente zu gewähren hat.

Der Kläger ist im Jahr 1936 geboren und hat seinen Wohnsitz in Marokko. Vom 21.04.1966 bis zum 22.01.1970 ging er in Deutschland einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

Mit Bescheid vom 06.03.1982 erstattete die damals zuständige LVA Rheinprovinz dem Kläger auf seinen Antrag hin die Arbeitnehmeranteile der zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge in Höhe von 1745,60 DM.

Einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersrente vom 19.10.1998 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung mit bestandskräftigem Bescheid vom 27.01.1999 ab. Einen erneuten Rentenantrag des Klägers vom 23.04.2001, vom marokkanischen Sozialversicherungsträger an die Beklagte mit Schreiben vom 08.05.2001 übermittelt, wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.06.2001 zurück. Durch die Beitragserstattung sei ein Leistungsanspruch des Klägers erloschen. Durch den Antrag vom 23.04.2001 ergebe sich keine Änderung des Bescheides vom 27.01.1999, so dass es bei diesem Bescheid verbleibe. Eine weitere Anfrage des Klägers zum Sachstand beantwortete die Beklagte mit dem Hinweis auf ihr Schreiben vom "16.06.2001" (es handelt sich bei dem Datum um ein offensichtliches Schreibversehen; ohne jeden Zweifel ist gemeint das Schreiben vom 15.06.2001); die Angelegenheit sei für sie erledigt (Schreiben vom 26.06.2002). Nach weiteren Schreiben des Klägers, zuletzt einen mit Schreiben vom 01.08.2005 formlos gestellten Rentenantrag, informierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29.08.2005 nochmals über die erfolgte Beitragserstattung und die sich daraus ergebenden Folgen, insbesondere die Tatsache, dass ein Leistungsanspruch gegenüber der deutschen Rentenversicherung nicht mehr bestehe.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 25.11.2005 und vom 25.04.2006 erneut auf den am 08.05.2001 übermittelten Rentenantrag hingewiesen hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16.06.2006 mit, dass bereits mit Bescheid vom 27.01.1999 die Gewährung von Altersrente abgelehnt worden sei. Durch den am 08.05.2001 in Marokko gestellten Rentenantrag ergebe sich keine Änderung des Bescheides vom 27.01.1999. Es verbleibe somit beim Bescheid vom 27.01.1999. Zudem wurde der Kläger gebeten, von weiteren Anfragen abzusehen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war diesem Schreiben nicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 11.09.2006 äußerte sich der Kläger zum Schreiben der Beklagten vom 16.06.2006 und gab zu erkennen, dass er eine Rente benötige; er bitte um eine erneute Prüfung der Angelegenheit. Zudem erhob er mit Schreiben vom 01.10.2006 Widerspruch und teilte mit, dass er mit der Entscheidung der Beklagten vom 16.06.2006 nicht einverstanden sei.

Mit Schreiben vom 01.12.2006 erläuterte die Beklagte, dass das angefochtene Schreiben vom 16.06.2006 nicht zu beanstanden sei. Die vom Kläger abgeleisteten Beitragszeiten in Deutschland seien mit Bescheid vom 06.03.1982 erstattet worden. Die Zeiten könnten daher nicht mehr für einen Rentenanspruch berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Es wurde angefragt, ob der Kläger den Widerspruch zurücknehme.

Dazu äußerte sich der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2007 dahingehend, dass er mit dem Bescheid nicht einverstanden sei und eine Rente verlange.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen das Schreiben vom 16.06.2006 als unzulässig zurück, da der Widerspruch sich nicht gegen einen Bescheid richte. Das Schreiben der Beklagten vom 16.06.2006 treffe keine Regelung eines Einzelfalls, sondern teile dem Kläger lediglich mit, dass sich keine neuen Gesichtspunkte zum bisherigen Sachverhalt ergeben hätten. Nachdem die Fachabteilung schon wiederholt über den Antrag auf Altersrente entschieden habe, habe sie erkennbar nicht wieder eine Entscheidung treffen wollen, sondern den Kläger aufgefordert, von weiteren Anfragen abzusehen. Zudem wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beitragserstattung auf seinen Antrag hin geschehen sei. Der Kläger habe damals gewusst, was er wolle, zumindest diesen Eindruck erweckt. Dieses Handeln müsse er sich zurechnen lassen. Ein Anspruch auf Altersrente sei ein für alle mal ausgeschlossen; weitere Überprüfungs- oder Leistungsanträge seien aussichtslos. Der Widerspruchsbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger per Einschreiben mit Rückschein am 14.03.2007 in Marokko zugestellt.

Mit Schreiben vom 27.07.2007, eingegangen beim Sozialgericht Augsburg am 13.08.2007, hat der Kläger Klage erhoben.

Mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2008 ist die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen worden. Zum einen handele es sich bei dem mit Widerspruch angegriffenen Schreiben der Beklagten vom 16.06.2006 nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da die Beklagte im Schreiben vom 16.06.2006 keine Regelung getroffen habe, sondern den Kläger lediglich auf die bereits eingetretene Bindungswirkung des Bescheides vom "17.01.1999" (offensichtlicher Schreibfehler: richtiges Datum ist der 27.01.1999) hingewiesen habe. Zum anderen sei mit der Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter aufgelöst worden, so dass der Kläger daraus keinen Rentenanspruch mehr ableiten könne.

Mit Schreiben vom 10.03.2008, eingegangen beim Sozialgericht Augsburg am 19.03.2008, hat der Kläger Berufung eingelegt. Er sei invalide und stehe unter ärztlicher Behandlung. Er wisse nicht, wie er seine Familie ernähren solle und bitte daher um einen positiven Beschluss.

Zur mündlichen Verhandlung am 20.11.2008 ist der ordnungsgemäß geladene Kläger nicht erschienen. Er hat sinngemäß beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2008 und das Schreiben der Beklagten vom 16.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2007 aufzuheben und ihm Altersrente zuzusprechen.

Die Vertreterin der Beklagte hat beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Dem Gericht haben die Prozessakten beider Rechtszüge und die Akten der Beklagten vorgelegen. Zur Ergänzung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Prozessbeteiligten, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden (Beschluss vom 29.09.2008).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Klage ist aber nicht nur unbegründet - diesbezüglich sieht das Berufungsgericht gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab -, vielmehr ist sie auch unzulässig gewesen. Denn die Klage zum Sozialgericht Augsburg ist nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden.

Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG ist die Klage bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides im Ausland binnen dreier Monate nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben.

Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese - wie beim Widerspruchsbescheid (§ 85 Abs. 3 Satz 1 SGG) - nicht vorgeschrieben und auch nicht die Form der Zustellung gewählt worden ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eröffnung bedeutet hier jede Art der bewussten und gewollten Mitteilung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 64, Rn. 3).

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist (§ 85 Abs. 3 Satz 2 SGG i.V.m. § 8 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG).

Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Klagefrist nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über das mögliche Rechtsmittel, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, seinen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist.

Die Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, das oder der den Lauf der Frist gemäß § 64 Abs. 1 SGG in Gang gesetzt hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat (§ 64 Abs. 2 Satz 2 SGG). Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides per Einschreiben mit Rückschein an den Kläger an dessen Wohnsitz in Marokko eine nach Art. 31 Abs. 1 Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über Soziale Sicherheit vom 25.03.1981 zulässige Form der Zustellung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG) gewählt.

Zugestellt worden ist der Widerspruchsbescheid ausweislich des vorliegenden Rückscheins dem Kläger persönlich am 14.03.2007. Die dem Widerspruchsbescheid vom 19.02.2007 angefügte Rechtsbehelfsbelehrung entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Damit hat die dreimonatige Klagefrist am 15.03.2007 zu laufen begonnen und am 14.06.2007 (Donnerstag) geendet.

Die zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage ist dort erst am 13.08.2007 und damit nach Ablauf der Klagefrist eingegangen.

Ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 67 SGG hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist ist vom Kläger weder vorgetragen worden noch sonst wie offenkundig oder erkennbar, so dass Wiedereinsetzung weder auf Antrag (§ 67 Abs. 1 SGG) noch von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) zu gewähren war (vgl. Keller, a.a.O., § 67, Rn. 10). Die verfristete Klagerhebung ist nicht durch eine übermäßige lange Postlaufzeit bedingt; ausweislich des Datums des Klageschriftsatzes (27.07.2007) hat der Kläger diesen Schriftsatz erst über einen Monat nach Ablauf der Klagefrist verfasst.

Die Klage ist daher, da sie nach Ablauf der Klagefrist eingelegt worden ist und kein Wiedereinsetzungsgrund besteht, wegen Verfristung unzulässig gewesen.

Ohne dass es für die Entscheidung von Bedeutung wäre, wird darauf hingewiesen, dass die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid zum materiellen Anspruch (Altersrente) zutreffend sind. Mit einer Beitragserstattung, wie sie im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 06.03.1982 erfolgt ist, ist das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst (§ 210 Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - bzw. zuvor
§ 1303 Abs. 7 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen keine Ansprüche auf Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr (§ 210 Abs. 6 Satz 3 SGB VI). Weitere Beitragszeiten hat der Kläger in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht zurückgelegt.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18.02.2008 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Berufung ist daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SG) beruht darauf, dass die Berufung des Klägers erfolglos geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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