L 5 KR 1768/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2124/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1768/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Behandlung der Klägerin mit Botulinumtoxin (Handelsname unter anderem Botox) beim Vorliegen eines chronischen Schmerzsyndroms im Nacken-Arm-Bereich im sog. Off-Label-Use zu übernehmen.

Die 1935 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet seit längerer Zeit unter chronischen Schmerzen im Nacken-Arm-Bereich. Sie wurde in den Jahren 1990 bzw. 1991 im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) an den Bandscheiben operiert. Sie ist auf Grund ihrer Schmerzen bei dem Facharzt für Anästhesiologie und Schmerztherapie P. in Behandlung.

Seit dem 21. Februar 2000 erhält die Klägerin vom Arzt P. u. a. auch opiathaltige Schmerzmittel, die jedoch nach ihren Angaben ihre Schmerzen nicht hätten beseitigen können.

Mit Schreiben vom 27. November 2002 (Eingang bei der Beklagten 4. Dezember 2002) beantragte der Facharzt für Anästhesiologie P. für die Klägerin erstmals die Übernahme der Kosten bei der Beklagten für die Behandlung mit Botox. Der medizinische Wirkstoff wird mittels einer Kanüle in den Muskel gespritzt. Der Wirkstoff Botulinumtoxin (Handelsnamen: Botox, Vistabel Dysport und Xeomin) ist für folgende Indikationen zugelassen: Krampf der Augenlider, Krämpfe nach Gesichtslähmung, muskuläre Fehlsteuerung, Schiefhals, Ganzkörper-Spastik, Spastizität infolge eines Schlaganfalles und übermäßige Schweißneigung unter den Achseln.

Für die Beschwerden der Klägerin in Gestalt eine chronischen Schmerzsyndroms ist Botulinumtoxin nicht zugelassen.

Die Beklagte holte im Folgenden das sozialmedizinische Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Dr. B. vom 13. März 2003 ein. Dr. B. kam darin zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme im sog. Off-Label-Use nicht in Betracht komme, da für den Wirkstoff im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin kein Zulassungsantrag gestellt worden sei und auch keine publizierten Phase-III-Studien vorlägen. Die Beklagte teilte der Klägerin und ihrem behandelnden Arzt P. mehrfach mit, dass sie die Kosten für die Behandlung daher nicht übernehmen würde (Schreiben vom 19. März 2003, nach nochmaligen Antrag mit Schreiben vom 13. August 2003 und weitere Information an den behandelnden Arzt P. vom 16. September 2003 mit MDK-Gutachten von Dr. B. vom 12. September 2003).

Die Klägerin wandte sich im Folgenden an das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, das den Vorgang an das Bundesversicherungsamt abgab, sowie an den damaligen Bundestagsabgeordneten H. M. B ... Die Klägerin erhielt im Oktober 2004 im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie mehrere Injektionen mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin. Auf betreiben des Büros des damaligen Bundestagsabgeordneten H. M. B. erklärte sich die Beklagte im Oktober 2004 zur Übernahme der Kosten für diese einmalige Behandlung bereit.

Die Klägerin hat in dem Zusammenhang auch geltend gemacht, während dieser Behandlung mit Botulinumtoxin in einem Zeitraum von 3 Monaten schmerzfrei gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2005 lehnte die Beklagte erneut die Kostenübernahme unter Hinweis darauf ab, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 ein Off - Label- Use nur dann in Betracht komme, wenn auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen sei. Eine solche begründete Aussicht bestehe aber nur dann, wenn zu erwarten sei, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Hiervon könne dann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt sei und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht worden seien und eine klinisch relevante Wirksamkeit bei vertretbaren Risiken zu belegen sei.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2005 zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat ihre Bevollmächtigte im Wesentlichen geltend gemacht, die Klägerin sei unter Anwendung des streitigen Wirkstoffes für 3 Monate schmerzfrei gewesen, während dies bei Durchführung der herkömmlichen Therapie nie gelungen sei. Hier würden auch die von der Beklagten im Bescheid vom 9. Mai 2005 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2005 genannten Kriterien für einen Off-Label-Use vorliegen. Durch die Schmerzen sei die Klägerin in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt, andere Therapien seien ausgeschöpft bzw. nicht erfolgreich gewesen und durch die dreimonatige Schmerzfreiheit könne davon ausgegangen werden, dass die Therapie mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin den gewünschten Behandlungserfolg erbracht habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Facharztes für Anästhesiologie P. vom 19. August 2006 (Bl. 25 ff. SG-Akte). Der behandelnde Arzt P. hat darauf hingewiesen, dass zwar Botox im Falle der Klägerin nicht direkt zugelassen sei, aber auf Grund der Tatsache, dass es sich hier sowohl bei den chronischen Schmerzzuständen der Klägerin als auch bei nahezu allen zugelassen Indikationen um Fehlsteuerungen des Zusammenspiels der einzelnen Muskelgruppen handele sowie der positiven Erfahrungen von Kollegen und auch von ihm selbst und auch der immer öfter publizierten positiven Studien habe er zunächst im Rahmen von ihm veranstalteten Fortbildungen Botox mit gutem Erfolg bei der Klägerin und anderen Patienten eingesetzt.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht streitig sei, da die bereits durchgeführten Behandlungen der Klägerin mit Botox mehrfach kostenfrei im Rahmen einer medizinischen Studie durchgeführt und einmalig durch die Beklagte im Rahmen der Kostenerstattung auch übernommen worden seien. Im vorliegenden Fall sei damit vielmehr streitig, ob die Beklagte im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V die Behandlung mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin zu übernehmen habe. Einen solchen Anspruch habe die Klägerin jedoch nicht. So beschränke sich der Leistungsanspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V lediglich auf eine Behandlung mit Arzneimitteln, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V unterlägen. Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V müssten Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V sehe insoweit folgerichtig vor, dass Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, vom Versicherten nicht beansprucht werden könnten, vom Leistungserbringer nicht bewirkt und von der Krankenkasse nicht bewilligt werden dürften. Ein Arzneimittel, dem die arzneimittelrechtliche Zulassung fehle, sei daher nicht vom Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V umfasst (mit Hinweis auf Urteil des BSG vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R -). Zwar sei das hier streitige Arzneimittel Botox im arzneimittelrechtlichen Sinne für bestimmte Einsatzgebiete zugelassen, für die von der Klägerin angegebenen Beschwerden von chronischen Schmerzen im Nacken-Schulter-Armbereich liege jedoch keine arzneimittelrechtliche Zulassung des Wirkstoffes vor, was von der Klägerin im Übrigen auch nicht bestritten werde. Ein sogenannter Off-Label-Use der Arzneimittelanwendung außerhalb der zugelassenen Indikation sei nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur unter engen Voraussetzungen möglich, die im Falle der Klägerin jedoch nicht vollständig erfüllt seien. Nach dem Urteil des BSG vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) komme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht, nämlich wenn eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung vorliege, keine andere Therapie verfügbar sei und auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen sei. Nach Überzeugung des SG würden bei der Klägerin weder die zweite noch die dritte Voraussetzung der nach dem BSG notwendigen Kriterien vorliegen. Einerseits bestehe im Falle der Klägerin eine andere Therapiemöglichkeit, so könne sie noch immer mit Schmerzmitteln auf opiathaltiger Basis, wie von ihr derzeit durchgeführt, therapiert werden und ggfls. auch eine Intensivierung einer krankengymnastischen Behandlung durchgeführt werden. Es fehle aber auch an der dritten Voraussetzung. Auf Grund der Datenlage bestehe keine begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des 1. Senats des BSG könne von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen würden, die erwarten lassen würden, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Dies könne angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden sei und Ergebnisse einer kontrollierten Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden seien und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen würde, (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden seien, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels im neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen und auf Grund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen im vorgenannten Sinne bestehe (mit Hinweis auf BSG-Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R -). Im Hinblick auf die Zulassung des Wirkstoffes Botulinumtoxin in dem hier streitigen Anwendungsbereich fehle es an einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III, auch liege im vorliegenden Fall in den einschlägigen Fachkreisen kein Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen im genannten Anwendungsgebiet vor, wie sich u. a. auch aus dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 13. März 2003 ergebe.

Die Klägerin hat gegen den ihrer Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 5. März 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. April 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht die Bevollmächtigte geltend, eine erneute Rücksprache mit dem behandelnden Arzt P. habe ergeben, dass entgegen der sozialgerichtlichen Annahmen eine Indikation vorliege. Es handele sich hier um die Indikation einer muskulösen Fehlsteuerung. Dies ergebe sich bereits aus der ärztlichen Auskunft des Arztes P. vom 19. August 2006 im SG-Verfahren. Dort habe der Arzt darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin u. a. ein myofasciales Schmerzsyndrom vorliege, sowie eine muskuläre Dysbalance. Ferner habe der Facharzt für Anästhesiologie P. auch darauf hingewiesen, dass es sich bei den chronischen Schmerzzuständen der Klägerin um eine Fehlsteuerung des Zusammenspiels der einzelnen Muskelgruppen handele. Dies habe das SG nicht ausreichend bzw. zutreffend gewürdigt. Es sei daher zu überprüfen, ob überhaupt - wie vom SG angenommen -, die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use zu prüfen seien. Dies sei nur dann erforderlich, wenn das streitige Arzneimittel für das in Frage kommende Einsatzgebiet nicht zugelassen sei. Von Klägerseite sei man jedoch der Auffassung, dass ein Einsatzgebiet, nämlich das der muskulären Fehlsteuerung gegeben sei. Im Übrigen werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin unter der Behandlung von Botox äußerst erfreuliche Behandlungserfolge zu verzeichnen gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Botox-Behandlung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass sich eine Indikation für die Behandlung mit Botox aus der Stellungnahme des Arztes P. vom 19. August 2006 nicht ableiten lasse. Vielmehr habe der Arzt P. unter Punkt 6 ausgeführt, dass Botox im Falle der Klägerin nicht direkt zur Behandlung zugelassen sei.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 28. März 2008 bzw. 2. April 2008 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gem. den §§ 153 Abs. 1 , 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Die Klägerin begehrt die dauerhafte Übernahme der Behandlung mit Botulinumtoxin im Rahmen der Krankenbehandlung.

III.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Versorgung der Klägerin im Rahmen der Krankenbehandlung mit dem Medikament Botox bzw. dem Wirkstoff Botulinumtoxin nicht vorliegen.

Die Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten sind in § 27 Abs. 1 SGB V grundlegend umschrieben. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dies notwendig ist, um (u.a.) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 SGB V). Allerdings haben die Krankenkassen nicht für jegliche Art von Behandlung aufzukommen. Ihre Leistungspflicht unterliegt vielmehr den in § 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V - vgl. zum Vorstehenden Urteil des Senats vom 30. August 2006 - L 5 KR 281/06).

Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG vom 27. März 2007 - B 1 KR 30/06 R).

Das Krankenversicherungsrecht verzichtet bei der Arzneimittelversorgung, anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung (siehe dazu §§ 135 bis 139 SGB V), weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft in so weit an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes abhängig macht (§ 21 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG). Da dies dieselben Kriterien sind, an denen die Leistungen der Krankenversicherung gemessen werden, rechtfertigt dies die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die arzneimittelrechtliche Zulassung lässt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes aber nur so weit zu, wie ihre rechtliche Bedeutung reicht. Nur so weit reicht auch der dem Hersteller abverlangte Wirksamkeitsnachweis des Arzneimittels. Umgekehrt sagt wegen der Beschränkung auf die vom Hersteller genannten Anwendungsgebiete die Zulassung nichts darüber aus, ob das betreffende Arzneimittel auch bei anderen Indikationen verträglich und angemessen wirksam ist. Für das Krankenversicherungsrecht bedeutet dies, dass ein Arzneimittel nur so weit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden kann, wie seine Zulassung reicht (BSG v. 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R).

Die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung liegt für das Medikament Botox bzw. dem Wirkstoff Botulinumtoxin bezüglich der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung/Indikation nicht vor. Dies hat letztlich auch der behandelnde Facharzt für Anästhesiologie in seiner Auskunft vor dem SG vom 19. August 2006 bestätigt. Zuvor hatte hierauf auch schon Dr. B. in den MDK-Gutachten vom 13. März 2003 bzw. 12. September 2003 hingewiesen.

Eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Botulinumtoxin, das nur über eine Zulassung für die Behandlung anderer Krankheiten als diejenige verfügt, an welcher die Klägerin leidet, muss ebenfalls ausscheiden. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu BSG Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/07 R) kommt ein "Off-Label-Use" nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.

Die erste dieser Voraussetzungen dürfte auch nach Überzeugung des Senates die Klägerin mit der bestehenden Schmerzerkrankung erfüllen, da es sich ausweislich der vorliegenden Angaben der Klägerin und der Auskünfte des behandelnden Facharztes für Anästhesiologie hier um eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Krankheit handeln dürfte. Ob es vorliegend zumutbare Behandlungsalternativen (etwa durch die Gabe von morphinhaltigen Schmerzmitteln) gibt oder ob solche Behandlungsalternativen in Wirklichkeit nicht bestehen, kann letztlich offen bleiben. Denn die für den erlaubten Off-Label-Use auf Kosten der GKV erforderlichen Aussichten auf einen Behandlungserfolg sind hier nicht gegeben. Wie das BSG mehrfach (siehe Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 1 / 06 R - Rdnr. 19) dargelegt hat, kann von in diesem Sinne hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Letzteres kann nur angenommen werden, wenn die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb des Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund derer in einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen im vorgenannten Sinne besteht. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Zunächst liegt eine Phase-III-Studie mit positiven Ergebnissen bei Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom im Nacken-Arm-Bereich nicht vor. Es ist auch kein entsprechender Antrag auf Erweiterung der Zulassung bislang gestellt worden.

Auch die weitere Voraussetzung, nämlich des Konsenses in den einschlägigen Fachkreisen im Sinne eines voraussichtlichen Nutzens, liegt, wie den sozialmedizinischen Gutachten von Dr. B. vom MDK zu entnehmen ist, nicht vor.

Im Übrigen führt auch der Umstand, dass die Klägerin geltend macht, dass ihr konkret der Wirkstoff Botulinumtoxin bzw. das Medikament Botox zu Schmerzfreiheit verhelfen würde und dies auch von ihrem behandelnden Arzt P. bestätigt worden ist, zu keinem günstigerem Ergebnis. Denn das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27. März 2007, wo es sich mit der Anwendung von Polyglobien 10 % bei Patienten mit progredient-sekundärer MS auseinandergesetzt hat, wörtlich formuliert: "Der von der Klägerin speziell für ihren Einzelfall geltend gemachte Behandlungserfolg ist unerheblich, weil die streitige Therapie wissenschaftlich anerkannt wirksam sein muss, um den sich für den Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen genügen zu können; der Anspruch umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem Versicherten nach seiner eigenen Ansicht oder derjenigen seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll und ggf herkömmlichen Arzneimitteln vorzuziehen ist ( vgl zB BSGE 76, 194, 198 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11 - Remedacen ). Zu Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels muss es vielmehr grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist ( vgl zB BSGE 93, 1, 2 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, jeweils RdNr 7 mwN - Immucothel; zuletzt BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E ). Auch bei einer erfolgten Arzneimittelanwendung sind Spontanheilungen und wirkstoffunabhängige Effekte mit in Rechnung zu stellen ( vgl BSG, Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 7/05 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 4 RdNr 42 mwN - Tomudex (auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) )."

Auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 vermag der Klägerin nicht weiter zu helfen. Das BSG hat hierzu im Einzelnen ausgeführt:

"Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 ( 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie ) die verfassungskonforme Auslegung derjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen ( vgl dazu BSG, Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 7/05 R, SozR aaO RdNr 23 - Tomudex ). Diese Auslegung hat zur Folge, dass im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen von § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise bejaht werden müssen, obwohl ein Mittel bzw eine Behandlungsmethode an sich von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende ( vgl BSG, ebenda RdNr 21 und 30 mwN ) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt ( vgl BSG, Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 12/04 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 7 RdNr 31 f - D-Ribose ). Daran fehlt es. Der Senat hat insoweit zuletzt in seinem Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R ( Idebenone, RdNr 17 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen ) ausgeführt, dass mit den genannten Krankheits-Kriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung umschrieben wird, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist. Denn hieran knüpfen weitergehende Folgen an. Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten anzusehen ( vgl auch BSG, Urteil vom 26.9.2006 - B 1 KR 3/06 R - RdNr 34 - Neuropsychologische Therapie ). Bereits die Anforderungen an das Bestehen einer "schwerwiegenden" Erkrankung für einen Off-Label-Use sind erheblich. Nicht jede Art von Erkrankung kann den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Auch ein Off-Label-Use bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt ( so zum Ganzen BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R - RdNr 18 mwN - Idebenone) Der institutionelle Schutz, den das für Deutschland erforderliche Arzneimittelzulassungsverfahren bietet, fehlt auch bei einem systematisch betriebenen Off-Label-Use, weil in derartigen Fällen die gebotene indikationsbezogene Arzneimittelzulassungsprüfung nicht stattgefunden hat. Damit aber drohen den Versicherten auch hier Gesundheitsgefahren, vor denen sie das Zulassungsverfahren gerade schützen will. Soll trotzdem - noch hinausgehend über die dargestellten einschränkenden Voraussetzungen der Sandoglobulin-Rechtsprechung für einen Off-Label-Use - unter Berufung auf den verfassungsrechtlich gebotenen Gesundheitsschutz ein Anspruch auf die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels zu Lasten der GKV begründet werden, ist auch darauf abzustellen, ob sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer oder erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu konkretisieren droht. Verbleibt durch einen langen, verzögerten Krankheitsverlauf jahrzehntelang Zeit zur Therapie, ist in Rechnung zu stellen, dass die im Zeitablauf typischerweise voranschreitenden medizinischen und pharmakologischen Erkenntnisse in Zukunft Therapiemöglichkeiten eröffnen und (positive wie negative) Ergebnisse zu Tage fördern können, welche aktuell noch nicht verfügbar sind. Dann aber ist es auch verfassungsrechtlich hinnehmbar, den von einer schweren Krankheit betroffenen Patienten bei fehlender Akut-Problematik trotz der damit verbundenen Belastungen und Unzuträglichkeiten in der Regel abzuverlangen, vor der Inanspruchnahme der GKV für unkonventionelle Pharmakotherapien zunächst das Vorliegen einer auf solchen Forschungsergebnissen gestützten Zulassung der beanspruchten Fertigarzneimittel abzuwarten. Dementsprechend hat das BSG die qualifizierten Erfordernisse einer lebensbedrohlichen Krankheit iS des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 ( aaO ) verneint zB bei einem Prostata-Karzinom im Anfangsstadium ( Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 36 - Interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds ), bei einer in 20 bis 30 Jahren drohenden Erblindung ( Beschluss vom 26.9.2006 - B 1 KR 16/06 B ) sowie bei einer langsam progredient verlaufenden Friedreich schen Ataxie mit über Jahre hinweg möglichen stabilen Symptomen ( Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R - Idebenone ). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Solches ist bei einer bestehenden MS in sekundär-progredienter Verlaufsform trotz der unbestreitbaren Schwere dieser Krankheit nicht anzunehmen. Wie die MDK-Ärzte Dres. Hanisch und Hoffmann in ihrem in den Beklagtenakten enthaltenen, der Klägerseite zur Kenntnis gegebenen Gutachten "Einsatz von Immunglobulinen bei MS" (Stand Dezember 2005, Seite 9/10) - gestützt auf umfangreiche medizinische Fachliteratur-Recherchen - ausgeführt haben, benötigen ca 50 % der MS-Patienten nach 15 Jahren Hilfe beim Laufen und beträgt die durchschnittliche Dauer vom Beginn der Krankheit bis zur Rollstuhlabhängigkeit 29,9 Jahre. Die durchschnittliche Zeit von Krankheitsbeginn bis zum Tod beträgt in der Regel mindestens 30-40 Jahre, ohne dass die MS dann selbst idR unmittelbare Todesursache ist; die durchschnittliche Überlebenswahrscheinlichkeit von MS-Patienten ist zehn Jahre nach Krankheitsbeginn im Vergleich mit der Normalbevölkerung noch um etwa zehn Jahre reduziert. Ausgehend von diesen auch von der Revision nicht beanstandeten Erkenntnissen handelt es sich bei der sekundär-progredienten MS nicht um eine Krankheit, die von ihrem akuten Behandlungsbedarf her derjenigen gleichsteht, welche dem vom BVerfG am 6.12.2005 entschiedenen Fall der Duchenneschen Muskeldystrophie zugrunde lag. Während die von diesem Leiden betroffenen Patienten zumeist das 20. Lebensjahr nicht erleben ( vgl BSGE 81, 54, 55 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 ), besteht für Patienten mit sekundär-progredienter MS eine deutlich andere Situation. Die letztgenannte Krankheit wird charakterisiert durch eine chronische, zT schubartig verlaufende Progredienz. Eine gezielt kausale Therapie gibt es insoweit nicht, vielmehr kann - auch mit den von der Klägerin begehrten, im Übrigen nicht nebenwirkungsfreien Immunglobulinen - nur versucht werden, die Schubrate bzw die Schwere der Schübe zu vermindern bzw die Progression der Behinderung zu hemmen (vgl MDK-Gutachten S 11, 14, 15 f). Die Klägerin ist im Falle auftretender Krankheitsschübe zudem nicht gänzlich unversorgt, sondern wird dann zur Linderung mit Cortison behandelt. Eine zulassungsüberschreitende Anwendung von "Polyglobin 10 %" unter Lockerung der zum Schutz der Patienten und der Versicherten der GKV geschaffenen speziellen gesetzlichen Regelungen über die Arzneimittelversorgung muss vor diesem Hintergrund ausscheiden. Mit Hilfe des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 lässt sich auch nicht die rechtliche Schranke überwinden, dass für einen auf Kosten der GKV zulässigen Off-Label-Use bereits zum Zeitpunkt der Behandlung die oben dargestellten anspruchsauslösenden Erkenntnisse vorliegen müssen ( vgl dazu bereits BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 4 RdNr 31; zuvor außerhalb der Fälle grundrechtsorientierter Auslegung: stRspr, vgl BSGE 81, 54, 58 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f; SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 56 f (für Festlegungen in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen); BSGE 93, 236, 243 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 RdNr 19; BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN (für Pharmakotherapien) ). Diese allgemeine Voraussetzung des Leistungsrechts der GKV gilt unabhängig davon, ob die zu behandelnde Krankheit eine besondere Schwere und Lebensbedrohung aufweist. Das Verfassungsrecht gebietet es nicht, eine Krankenkasse für leistungspflichtig zu erklären und zur Kostenerstattung zu verurteilen, wenn sich eine zum Behandlungszeitpunkt aufgestellte, den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Prognose über die Erfolgsaussichten einer bestimmten Behandlung aufgrund zwischenzeitlich gewonnener neuer Erkenntnisse ex post als (möglicherweise) "medizinisch überholt" erweist.

Unter Berücksichtigung dessen ist letztlich die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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