Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2720/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1330/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von insgesamt 80.
Bei der 1950 geborenen Klägerin wurde auf deren Erstantrag vom 26.09.2001 wegen einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) mit Bescheid vom 09.10.2001 seit dem 26.09.2001 ein GdB von 30 festgestellt. Mit Abhilfebescheid vom 27.02.2002 stellte der Beklagte den GdB mit 50 seit Antragstellung fest, lehnte jedoch mit Bescheid vom 26.06.2002 die rückwirkende Anerkennung eines GdB von 50 ab 1994 ab. Auf den Verschlimmerungsantrag der Klägerin vom 17.10.2002 stellte der Beklagte unter Berücksichtigung einer Bluterkrankung (Teil-GdB 50) und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule sowie eines chronischen Schmerzsyndroms (Teil-GdB 20) den GdB mit 60 seit dem 17.10.2002 fest (Bescheid vom 10.12.2002).
Über ihren Bevollmächtigten stellte die Klägerin am 30. Juli 2004 erneut einen Antrag auf Erhöhung des GdB sowie auf Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G". Die Beklagte zog hierauf Befundberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G., Sigmaringen, und der medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik T. bei. Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Engelhard, der eine wesentliche Änderung nicht feststellen konnte, lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 26.11.2004 ab. Den hiergegen erhobenen nicht weiter begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.9.2005 zurück.
Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägerin am 23.09.2005 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am Montag, den 24.10.2005, Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ein Grad der Behinderung von 60 ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr angemessen sei. Es bestünde eine regelrechte depressive Erkrankung, die getrennt zu tenorieren und zu bewerten sei. Auch sei zweifelhaft, ob die Einstufung hinsichtlich der Bluterkrankung mit einem Einzel-GdB von 50 noch angemessen sei. Der Befund sei therapieresistent, es komme immer wieder zu Rezidiven und mittlerweile habe auch der Rentenversicherungsträger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer anerkannt. Die Auswirkungen seien außerordentlich, nicht nur während der immer wieder notwendigen Phasen der akuten Behandlung mit Chemotherapie, sondern auch in der jeweiligen Zwischenzeit. Bereits in einem Reha-Entlassungsbericht der Kurklinik B. vom 17.02.2003 werde darüber hinaus eine schwere Lumbalgie bei fortgeschrittener Osteochondrose L5/S1 beschrieben. Hierzu werde auf einen beigefügten Bericht des Universitätsklinikums T. vom 08.08.2002 Bezug genommen. Wegen dieses Befundes müsse die Klägerin zwischenzeitlich ein Korsett tragen. Aufgrund des hiermit verbundenen außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei der diesbezügliche Einzel-GdB auf wenigstens 30 anzuheben.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen beim Hausarzt Dr. F. und dem Neurologen und Psychiater Dr. G ... Dr. F. hat in seinem Bericht vom 18.04.2006 einen GdB von 80 für die CLL bei seit 2002 zunehmenden Gelenkbeschwerden unterschiedlicher Lokalisation und zunehmender Müdigkeit und Leistungsminderung für gerechtfertigt gehalten. Ein der sachverständigen Zeugenaussage beigefügter Bericht des Universitätsklinikums T. vom 13.01.2006 über eine ambulante Verlaufskontrolle der Klägerin am 09.01.2006 berichtet über eine kompensierte Hämolyse und ein stabilisiertes Krankheitsgeschehen bei subjektiv ordentlichem Befinden, immer wiederkehrendem Nachtschweiß ohne Wäschewechsel, ohne Fieber und bei stabilem Gewicht. Dr. G. hat unter dem 07.04.2006 ausgeführt, dass ausgeprägte depressive Störungen und Entwicklungen mit Krankheitswert vorlägen und er den GdB hierfür mit 40 bis 50 einschätze. Bezüglich der Leukämie, die nicht zu seinem Fachgebiet gehöre, liege bereits eine Milzvergrößerung vor. Er halte deshalb einen GdB von 60 bis 70 für angemessen.
Der Beklagte hat hierauf vergleichsweise angeboten, den GdB mit 70 ab dem 30.07.2004 festzustellen. Dr. W. hat in der beigefügten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2006 für die Bluterkrankung weiterhin einen Teil-GdB von 50 für angemessen erachtet. Darüber hinaus sei eine Depression zu berücksichtigen, für die er einen Teil-GdB von 30 im Sinne einer stärker behindernden seelischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtigt hat. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und das chronische Schmerzsyndrom rechtfertigten einen Teil-GdB von 20. Insgesamt sei damit ein GdB von 70 vorzuschlagen.
Das Vergleichsangebot hat die Klägerin abgelehnt. Allein die Einzelgrade der Behinderungen von 50, 30 und 20 rechtfertigten die Anerkennung eines Gesamt-GdB von 80.
Mit Bescheid vom 02.11.2006 hat der Beklagte seinen Bescheid vom 10.12.2002 aufgehoben und den GdB mit 70 seit 30.07.2004 festgestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens nicht ersichtlich, dass sich gegenüber den dem Bescheid vom 10.12.2002 zugrunde liegenden Verhältnissen eine wesentliche Verschlechterung ergeben habe. Dies gelte auch für die lymphatische Leukämie. Es schloss sich der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. hinsichtlich der Bewertung der Depression mit einem Teil-GdB von 30 an und hielt in der Gesamtschau der Behinderungen auch deshalb, weil in dem bisherigen Teil-GdB von 50 für die Bluterkrankung bereits mäßige Auswirkungen auf die Psyche mit berücksichtigt seien, einen GdB von 70 für angemessen.
Gegen den ihr am 13.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.03.2007 Berufung eingelegt.
Unter Verweis auf den bisherigen Vortrag und Vertiefung desselben hält die Klägerin an dem geltend gemachten Anspruch fest. Die von ihr beantragten Begutachtungen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Orthopäden/Rheumatologen Dr. R. und dem Neurologen/Psychiater Dr. I. hat die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen und um eine Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß und sachdienlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 2. November 2006 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 80 seit Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch er hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig aber in der Sache nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als des nunmehr mit Bescheid des Beklagten vom 02.11.2006 festgestellten GdB von 70. Dieser Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klage- und damit auch des Berufungsverfahrens geworden, denn er hat den Bescheid vom 26.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2005 ersetzt. Zu Recht hat der Beklagte mit diesem Bescheid entschieden, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die noch der Entscheidung des Beklagten vom 10.12.2002 zugrunde gelegen haben, nur insoweit eingetreten ist, als der GdB mit 70 seit Eingang des Neufeststellungsantrages zu bewerten ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt dann vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder durch eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand so verschlechtert, dass sich hierdurch der GdB um mehr als 5 senkt oder erhöht.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.). Soweit für die Beurteilung des Beklagten noch die Anhaltspunkte 2004 maßgeblich waren, ist durch die Neufassung der Anhaltspunkte mit Ausgabe 2008 in den hier zu beurteilenden Einschränkungen keine Änderung eingetreten, so dass im folgenden nur noch die AHP 2008 zitiert werden können.
Unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der CLL mit einem Teil-GdB von 50 nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an. Entscheidend ist dabei, dass nach dem vorliegenden Verlaufsbericht vom 13.01.2006 von einer kompensierten Hämolyse bereits seit November 2004 auszugehen ist und dass insoweit von einem unkomplizierten Verlauf berichtet wird. Wenn man deshalb nicht sogar schon von einem im Vergleich zu den Feststellungen aus dem Jahr 2002 verbesserten Zustand ausgehen wollte, ist zumindest keine wesentliche Verschlimmerung der mit der CLL verbundenen Einschränkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nachgewiesen. Ein GdB von 50 und damit am unteren Segment des hierfür in den AHP 26.16 vorgegebenen Rahmens ist mit den dann berücksichtigten mäßigen Auswirkungen, die sich nach der Behandlungsbedürftigkeit richten, nicht zu beanstanden. Den von den behandelnden Ärzten vorgeschlagenen höheren GdB-Bewertungen kann daher nicht gefolgt werden. Soweit Dr. G. über eine Milzvergrößerung berichtet, ist diese wenige Wochen vor seiner letzten Konsultation im Bericht des Universitätsklinikums T. noch als "drei Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar" beschrieben worden, ohne dass die Notwendigkeit gesehen wurde, therapeutische Maßnahmen zu ergreifen. Eine solche Notwendigkeit hat auch Dr. G. nicht angegeben und die Klägerin hat selbst auf etwaig aufgetretene Komplikationen nach Vorlage dieser Berichte nicht hingewiesen. Eine berücksichtigungsfähige weitergehende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ergibt sich hieraus daher nicht.
Der Senat ist mit Dr. W. und dem SG ebenfalls der Auffassung, dass die von Dr. G. in seiner sachverständigen Zeugenaussage beschriebenen Einschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet mit einem GdB 30 angemessen berücksichtigt sind. Mit dieser Einschätzung wird bereits einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (AHP 26.3) Rechnung getragen. Die mit leichteren Gedächtnis- und Erinnerungsstörungen sowie einer deutlicheren Störung von Aufmerksamkeit und Konzentration einhergehende Erschöpfungssymptomatik mit Antriebshemmung und Ein- und Durchschlafstörungen, aber ohne formale Denkstörungen, Sprechstörungen und Sprachunverständlichkeiten, ohne Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen, ohne Wahnerleben, ohne Fremdaggressivität oder Autoaggression und ohne Zwänge und Phobien wird mit dem bereits berücksichtigten Behinderungsgrad den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ausreichendem Maß gerecht.
Auch die Einschränkungen an der Wirbelsäule sind mit dem vom Beklagten berücksichtigten GdB von 20 angemessen bewertet. Eine fachorthopädische Behandlung hat die Klägerin offensichtlich seit August 2002 nicht mehr in Anspruch genommen. Denn eine solche hat sie weder zur Begründung ihres Begehrens noch im Antrag oder in der gegenüber dem Gericht erfolgten Entbindungserklärung angegeben. Auch der Hausarzt Dr. F. hat fachorthopädische Behandlungen nicht erwähnt oder entsprechende Befunde hierüber mitgeteilt. Nachdem die Klägerin selbst, wie sie angegeben hat, aus gesundheitlichen Gründen davon Abstand genommen hat, eine orthopädische Begutachtung durchführen zu lassen und eine Entscheidung nach Aktenlage wünscht, ist der Sachverhalt aufgeklärt. Denn aufgrund der vorliegenden Befunde und fehlender Hinweise auf eine seit 2002 eingetretene Verschlimmerung ist der GdB mit 20 entsprechend mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. AHP 26.18) angemessen bewertet. Im Bericht der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums T. vom 08.08.2002 werden zwar anhaltend heftigste Schmerzen im lumbosakralen Übergang beschrieben. Der klinische Befund ergab neben einem heftigsten Druckschmerz am Dornfortsatz L5 jedoch ein hinkfreies Gangbild, einen Fußbodenabstand von 60 cm, einen bis 90° negativen Lasègue, einen freien Zehenspitzen- und Hackengang und keinen Nachweis von Paresen oder Sensibilitätsstörungen. Eine Kernspintomographie der LWS wird mit einer erosiven Osteochondrose Bandscheibenraum L5/S1 mit Protrusion der Bandscheiben ohne wesentliche Spinalkanaleinengung beschrieben. Dieser Befund rechtfertigt unabhängig davon, dass eine wesentliche Änderung seit 2002 nicht ersichtlich ist, keine höhere Bewertung. Hierfür müssten schwere funktionelle Auswirkungen vorliegen, die den Nachweis einer Verformung, von häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder einer Instabilität schweren Grades oder häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome erforderten. Ein solches Ausmaß ist jedoch weder in der erforderlichen qualitativen noch zeitlichen Ausprägung durch die vorliegenden Befunde belegt. Ein vom Beklagten zusätzlich berücksichtigtes chronisches Schmerzsyndrom (erstmals in einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. S. im Oktober 2002 erwähnt) findet - abgesehen von den zu berücksichtigenden Schmerzen, die von der Wirbelsäule ausgehen - weder in den Berichten des Universitätsklinikums T. noch in den Berichten des Hausarztes Dr. F. Erwähnung. Die im Bericht des Universitätsklinikums T. vom 4.10.2004 beschriebenen wechselnden Schwellungen und Schmerzen an verschiedenen Gelenken werden im Bericht vom 13.01.2006 nicht mehr erwähnt und auch Dr. F. hat ein solches als eigenständig zu bewertendes und zu berücksichtigendes Krankheitsbild nicht beschrieben. Eine höhere Bewertung des GdB ist daher hierdurch nicht gerechtfertigt.
Insgesamt betrachtet liegt ein höherer Gesamt-GdB als der bereits berücksichtigte GdB von 70 nicht vor. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Eine Addition der einzelnen Grade sowie eine andere Rechenmethode zur Bildung des Gesamt-GdB sind dabei unzulässig. Grundsätzlich ist von der schwersten Funktionsbeeinträchtigung auszugehen und unter Beachtung der weiteren Beeinträchtigungen eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, in aller Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (vgl. AHP Nr. 19 (4) S. 26). Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Ausgehend von der Funktionsbeeinträchtigung, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, hier also der CLL mit einem GdB 50, sind sowohl die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule als auch die Depression erhöhend in oben genannten Sinn zu werten. Eine höhere Bewertung ist in Übereinstimmung des Senats mit den Ausführungen des SG bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil im Rahmen des GdB für die CLL Auswirkungen auf die Psyche mit berücksichtigt sind und sich die berücksichtigte Depression und die Auswirkungen der CLL insoweit zumindest teilweise überschneiden. Dies gilt im Übrigen gerade auch für die beschriebenen somatoformen Störungen. Daher ist mit der Anhebung des Gesamt-GdB (nur) auf 70 durch das Hinzutreten der Depression mit einem Teil-GdB von 30 mit Bescheid vom 2.11.2006 rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung wird auch bestätigt, wenn zum Vergleich Einschränkungen herangezogen werden, für die die AHP für sich allein genommen einen GdB von 80 vorsehen. Dies setzt beispielsweise bei Krankheiten des Herzens nicht nur eine Leistungsbeeinträchtigung bei alltäglicher leichter Belastung (und eine Bewertung im oberen Bereich des vorgegebenen Rahmens von 50-70) voraus, sondern auch gelegentlich auftretende vorübergehende schwere Dekompensationserscheinungen. Hiermit vergleichbare Einschränkungen sind für den Senat jedoch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von insgesamt 80.
Bei der 1950 geborenen Klägerin wurde auf deren Erstantrag vom 26.09.2001 wegen einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) mit Bescheid vom 09.10.2001 seit dem 26.09.2001 ein GdB von 30 festgestellt. Mit Abhilfebescheid vom 27.02.2002 stellte der Beklagte den GdB mit 50 seit Antragstellung fest, lehnte jedoch mit Bescheid vom 26.06.2002 die rückwirkende Anerkennung eines GdB von 50 ab 1994 ab. Auf den Verschlimmerungsantrag der Klägerin vom 17.10.2002 stellte der Beklagte unter Berücksichtigung einer Bluterkrankung (Teil-GdB 50) und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule sowie eines chronischen Schmerzsyndroms (Teil-GdB 20) den GdB mit 60 seit dem 17.10.2002 fest (Bescheid vom 10.12.2002).
Über ihren Bevollmächtigten stellte die Klägerin am 30. Juli 2004 erneut einen Antrag auf Erhöhung des GdB sowie auf Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G". Die Beklagte zog hierauf Befundberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G., Sigmaringen, und der medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik T. bei. Unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Engelhard, der eine wesentliche Änderung nicht feststellen konnte, lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 26.11.2004 ab. Den hiergegen erhobenen nicht weiter begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.9.2005 zurück.
Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägerin am 23.09.2005 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am Montag, den 24.10.2005, Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ein Grad der Behinderung von 60 ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr angemessen sei. Es bestünde eine regelrechte depressive Erkrankung, die getrennt zu tenorieren und zu bewerten sei. Auch sei zweifelhaft, ob die Einstufung hinsichtlich der Bluterkrankung mit einem Einzel-GdB von 50 noch angemessen sei. Der Befund sei therapieresistent, es komme immer wieder zu Rezidiven und mittlerweile habe auch der Rentenversicherungsträger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer anerkannt. Die Auswirkungen seien außerordentlich, nicht nur während der immer wieder notwendigen Phasen der akuten Behandlung mit Chemotherapie, sondern auch in der jeweiligen Zwischenzeit. Bereits in einem Reha-Entlassungsbericht der Kurklinik B. vom 17.02.2003 werde darüber hinaus eine schwere Lumbalgie bei fortgeschrittener Osteochondrose L5/S1 beschrieben. Hierzu werde auf einen beigefügten Bericht des Universitätsklinikums T. vom 08.08.2002 Bezug genommen. Wegen dieses Befundes müsse die Klägerin zwischenzeitlich ein Korsett tragen. Aufgrund des hiermit verbundenen außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei der diesbezügliche Einzel-GdB auf wenigstens 30 anzuheben.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen beim Hausarzt Dr. F. und dem Neurologen und Psychiater Dr. G ... Dr. F. hat in seinem Bericht vom 18.04.2006 einen GdB von 80 für die CLL bei seit 2002 zunehmenden Gelenkbeschwerden unterschiedlicher Lokalisation und zunehmender Müdigkeit und Leistungsminderung für gerechtfertigt gehalten. Ein der sachverständigen Zeugenaussage beigefügter Bericht des Universitätsklinikums T. vom 13.01.2006 über eine ambulante Verlaufskontrolle der Klägerin am 09.01.2006 berichtet über eine kompensierte Hämolyse und ein stabilisiertes Krankheitsgeschehen bei subjektiv ordentlichem Befinden, immer wiederkehrendem Nachtschweiß ohne Wäschewechsel, ohne Fieber und bei stabilem Gewicht. Dr. G. hat unter dem 07.04.2006 ausgeführt, dass ausgeprägte depressive Störungen und Entwicklungen mit Krankheitswert vorlägen und er den GdB hierfür mit 40 bis 50 einschätze. Bezüglich der Leukämie, die nicht zu seinem Fachgebiet gehöre, liege bereits eine Milzvergrößerung vor. Er halte deshalb einen GdB von 60 bis 70 für angemessen.
Der Beklagte hat hierauf vergleichsweise angeboten, den GdB mit 70 ab dem 30.07.2004 festzustellen. Dr. W. hat in der beigefügten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2006 für die Bluterkrankung weiterhin einen Teil-GdB von 50 für angemessen erachtet. Darüber hinaus sei eine Depression zu berücksichtigen, für die er einen Teil-GdB von 30 im Sinne einer stärker behindernden seelischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtigt hat. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und das chronische Schmerzsyndrom rechtfertigten einen Teil-GdB von 20. Insgesamt sei damit ein GdB von 70 vorzuschlagen.
Das Vergleichsangebot hat die Klägerin abgelehnt. Allein die Einzelgrade der Behinderungen von 50, 30 und 20 rechtfertigten die Anerkennung eines Gesamt-GdB von 80.
Mit Bescheid vom 02.11.2006 hat der Beklagte seinen Bescheid vom 10.12.2002 aufgehoben und den GdB mit 70 seit 30.07.2004 festgestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens nicht ersichtlich, dass sich gegenüber den dem Bescheid vom 10.12.2002 zugrunde liegenden Verhältnissen eine wesentliche Verschlechterung ergeben habe. Dies gelte auch für die lymphatische Leukämie. Es schloss sich der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. hinsichtlich der Bewertung der Depression mit einem Teil-GdB von 30 an und hielt in der Gesamtschau der Behinderungen auch deshalb, weil in dem bisherigen Teil-GdB von 50 für die Bluterkrankung bereits mäßige Auswirkungen auf die Psyche mit berücksichtigt seien, einen GdB von 70 für angemessen.
Gegen den ihr am 13.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.03.2007 Berufung eingelegt.
Unter Verweis auf den bisherigen Vortrag und Vertiefung desselben hält die Klägerin an dem geltend gemachten Anspruch fest. Die von ihr beantragten Begutachtungen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Orthopäden/Rheumatologen Dr. R. und dem Neurologen/Psychiater Dr. I. hat die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen und um eine Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß und sachdienlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 2. November 2006 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 80 seit Antragstellung festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch er hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig aber in der Sache nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als des nunmehr mit Bescheid des Beklagten vom 02.11.2006 festgestellten GdB von 70. Dieser Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klage- und damit auch des Berufungsverfahrens geworden, denn er hat den Bescheid vom 26.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2005 ersetzt. Zu Recht hat der Beklagte mit diesem Bescheid entschieden, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die noch der Entscheidung des Beklagten vom 10.12.2002 zugrunde gelegen haben, nur insoweit eingetreten ist, als der GdB mit 70 seit Eingang des Neufeststellungsantrages zu bewerten ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt dann vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder durch eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand so verschlechtert, dass sich hierdurch der GdB um mehr als 5 senkt oder erhöht.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.). Soweit für die Beurteilung des Beklagten noch die Anhaltspunkte 2004 maßgeblich waren, ist durch die Neufassung der Anhaltspunkte mit Ausgabe 2008 in den hier zu beurteilenden Einschränkungen keine Änderung eingetreten, so dass im folgenden nur noch die AHP 2008 zitiert werden können.
Unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze schließt sich der Senat den Ausführungen des SG zur Bewertung der CLL mit einem Teil-GdB von 50 nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang an. Entscheidend ist dabei, dass nach dem vorliegenden Verlaufsbericht vom 13.01.2006 von einer kompensierten Hämolyse bereits seit November 2004 auszugehen ist und dass insoweit von einem unkomplizierten Verlauf berichtet wird. Wenn man deshalb nicht sogar schon von einem im Vergleich zu den Feststellungen aus dem Jahr 2002 verbesserten Zustand ausgehen wollte, ist zumindest keine wesentliche Verschlimmerung der mit der CLL verbundenen Einschränkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nachgewiesen. Ein GdB von 50 und damit am unteren Segment des hierfür in den AHP 26.16 vorgegebenen Rahmens ist mit den dann berücksichtigten mäßigen Auswirkungen, die sich nach der Behandlungsbedürftigkeit richten, nicht zu beanstanden. Den von den behandelnden Ärzten vorgeschlagenen höheren GdB-Bewertungen kann daher nicht gefolgt werden. Soweit Dr. G. über eine Milzvergrößerung berichtet, ist diese wenige Wochen vor seiner letzten Konsultation im Bericht des Universitätsklinikums T. noch als "drei Querfinger unter dem Rippenbogen tastbar" beschrieben worden, ohne dass die Notwendigkeit gesehen wurde, therapeutische Maßnahmen zu ergreifen. Eine solche Notwendigkeit hat auch Dr. G. nicht angegeben und die Klägerin hat selbst auf etwaig aufgetretene Komplikationen nach Vorlage dieser Berichte nicht hingewiesen. Eine berücksichtigungsfähige weitergehende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ergibt sich hieraus daher nicht.
Der Senat ist mit Dr. W. und dem SG ebenfalls der Auffassung, dass die von Dr. G. in seiner sachverständigen Zeugenaussage beschriebenen Einschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet mit einem GdB 30 angemessen berücksichtigt sind. Mit dieser Einschätzung wird bereits einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (AHP 26.3) Rechnung getragen. Die mit leichteren Gedächtnis- und Erinnerungsstörungen sowie einer deutlicheren Störung von Aufmerksamkeit und Konzentration einhergehende Erschöpfungssymptomatik mit Antriebshemmung und Ein- und Durchschlafstörungen, aber ohne formale Denkstörungen, Sprechstörungen und Sprachunverständlichkeiten, ohne Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen, ohne Wahnerleben, ohne Fremdaggressivität oder Autoaggression und ohne Zwänge und Phobien wird mit dem bereits berücksichtigten Behinderungsgrad den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ausreichendem Maß gerecht.
Auch die Einschränkungen an der Wirbelsäule sind mit dem vom Beklagten berücksichtigten GdB von 20 angemessen bewertet. Eine fachorthopädische Behandlung hat die Klägerin offensichtlich seit August 2002 nicht mehr in Anspruch genommen. Denn eine solche hat sie weder zur Begründung ihres Begehrens noch im Antrag oder in der gegenüber dem Gericht erfolgten Entbindungserklärung angegeben. Auch der Hausarzt Dr. F. hat fachorthopädische Behandlungen nicht erwähnt oder entsprechende Befunde hierüber mitgeteilt. Nachdem die Klägerin selbst, wie sie angegeben hat, aus gesundheitlichen Gründen davon Abstand genommen hat, eine orthopädische Begutachtung durchführen zu lassen und eine Entscheidung nach Aktenlage wünscht, ist der Sachverhalt aufgeklärt. Denn aufgrund der vorliegenden Befunde und fehlender Hinweise auf eine seit 2002 eingetretene Verschlimmerung ist der GdB mit 20 entsprechend mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. AHP 26.18) angemessen bewertet. Im Bericht der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums T. vom 08.08.2002 werden zwar anhaltend heftigste Schmerzen im lumbosakralen Übergang beschrieben. Der klinische Befund ergab neben einem heftigsten Druckschmerz am Dornfortsatz L5 jedoch ein hinkfreies Gangbild, einen Fußbodenabstand von 60 cm, einen bis 90° negativen Lasègue, einen freien Zehenspitzen- und Hackengang und keinen Nachweis von Paresen oder Sensibilitätsstörungen. Eine Kernspintomographie der LWS wird mit einer erosiven Osteochondrose Bandscheibenraum L5/S1 mit Protrusion der Bandscheiben ohne wesentliche Spinalkanaleinengung beschrieben. Dieser Befund rechtfertigt unabhängig davon, dass eine wesentliche Änderung seit 2002 nicht ersichtlich ist, keine höhere Bewertung. Hierfür müssten schwere funktionelle Auswirkungen vorliegen, die den Nachweis einer Verformung, von häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder einer Instabilität schweren Grades oder häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome erforderten. Ein solches Ausmaß ist jedoch weder in der erforderlichen qualitativen noch zeitlichen Ausprägung durch die vorliegenden Befunde belegt. Ein vom Beklagten zusätzlich berücksichtigtes chronisches Schmerzsyndrom (erstmals in einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. S. im Oktober 2002 erwähnt) findet - abgesehen von den zu berücksichtigenden Schmerzen, die von der Wirbelsäule ausgehen - weder in den Berichten des Universitätsklinikums T. noch in den Berichten des Hausarztes Dr. F. Erwähnung. Die im Bericht des Universitätsklinikums T. vom 4.10.2004 beschriebenen wechselnden Schwellungen und Schmerzen an verschiedenen Gelenken werden im Bericht vom 13.01.2006 nicht mehr erwähnt und auch Dr. F. hat ein solches als eigenständig zu bewertendes und zu berücksichtigendes Krankheitsbild nicht beschrieben. Eine höhere Bewertung des GdB ist daher hierdurch nicht gerechtfertigt.
Insgesamt betrachtet liegt ein höherer Gesamt-GdB als der bereits berücksichtigte GdB von 70 nicht vor. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Eine Addition der einzelnen Grade sowie eine andere Rechenmethode zur Bildung des Gesamt-GdB sind dabei unzulässig. Grundsätzlich ist von der schwersten Funktionsbeeinträchtigung auszugehen und unter Beachtung der weiteren Beeinträchtigungen eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, in aller Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (vgl. AHP Nr. 19 (4) S. 26). Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Ausgehend von der Funktionsbeeinträchtigung, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, hier also der CLL mit einem GdB 50, sind sowohl die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule als auch die Depression erhöhend in oben genannten Sinn zu werten. Eine höhere Bewertung ist in Übereinstimmung des Senats mit den Ausführungen des SG bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil im Rahmen des GdB für die CLL Auswirkungen auf die Psyche mit berücksichtigt sind und sich die berücksichtigte Depression und die Auswirkungen der CLL insoweit zumindest teilweise überschneiden. Dies gilt im Übrigen gerade auch für die beschriebenen somatoformen Störungen. Daher ist mit der Anhebung des Gesamt-GdB (nur) auf 70 durch das Hinzutreten der Depression mit einem Teil-GdB von 30 mit Bescheid vom 2.11.2006 rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung wird auch bestätigt, wenn zum Vergleich Einschränkungen herangezogen werden, für die die AHP für sich allein genommen einen GdB von 80 vorsehen. Dies setzt beispielsweise bei Krankheiten des Herzens nicht nur eine Leistungsbeeinträchtigung bei alltäglicher leichter Belastung (und eine Bewertung im oberen Bereich des vorgegebenen Rahmens von 50-70) voraus, sondern auch gelegentlich auftretende vorübergehende schwere Dekompensationserscheinungen. Hiermit vergleichbare Einschränkungen sind für den Senat jedoch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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