L 1 U 1647/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 2126/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1647/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 5. März 2008 wird zurückgewiesen, die Klage gegen den Bescheid vom 6. Juni 2008 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob und in welchem Umfang beim Kläger Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet wegen des Unfalls vom 15. März 2000 bestehen.

Der 1943 geborene Kläger war als Bauhelfer beschäftigt und wurde am 15. März 2000 im Schwenkbereich des Radbaggers (toter Winkel) von der Baggerschaufel am Kopf getroffen. Er erlitt eine 3 cm lange Platzwunde rechts frontal mit Schädelprellung, war nicht bewusstlos, musste nicht erbrechen, hat keine Amnesie erlitten. Auf HNO-Fachgebiet sind bis auf eine vorbestehende unfallunabhängige Innenohrschwerhörigkeit rechts keine Unfallfolgen festgestellt worden (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 17. März 2000; Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. S. vom 16. März 2000; HNO-Arztbericht der Dres. L./S. vom 28. März 2000). Der Kläger, der erst seit Februar 2000 im Unfallbetrieb arbeitete, wurde zum 7. April 2000 noch in der Probezeit wegen nicht ausreichender fachlicher Leistungen gekündigt.

Bei der neurologischen Untersuchung des Klägers am 17. April 2000 durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. teilte dieser auch nach Durchführung eines EEG mit, es bestehe Zustand nach Schädelprellung rechts temporal ohne Notwendigkeit spezieller neurologischer Therapie.

Unter dem 18. April 2000 teilte ein Bevollmächtigter des Klägers der Beklagten mit, der Kläger habe eine Schädelprellung mit Tinnitus erlitten, leide unter Gedächtnisstörungen und unter Gedächtnislücken. Von Seiten der HNO-Ärzte wurde fortlaufend über Tinnitus- und Hörbeschwerden rechts berichtet. Deshalb nahm die Beklagte über die Krankenkasse des Klägers weitere Ermittlungen vor. Diese teilte am 25. August 2000 mit, der Kläger sei am 2. Juli 1998 wegen akutem Hörverlust in HNO-ärztlicher Behandlung gewesen (nach Auskunft der behandelnden Ärzte nach Spülung normales Hörvermögen); die Beklagte zog weiter die Tonaudiogramme bei den behandelnden Ärzten bzw. dem arbeitsmedizinischen Dienst aus dem Jahr 2000 bzw. 1993 bei.

Am 24. Oktober und 5. Dezember 2000 wurde der Kläger in der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde F. untersucht. Als Diagnosen wurden eine Hochtonschwerhörigkeit rechts, Tinnitus rechts in Form von Rauschen und Zustand nach Schädelprellung 3/2000 mitgeteilt.

Gegenüber dem Neurologen und Psychiater Dr. N. schilderte der Kläger am 2. Februar 2001 neben dem Umstand, dass er nach dem Unfall bewusstlos gewesen sei, Koordinations- und Gedächtnisstörungen. Im Rahmen seiner Untersuchung fand Dr. N. Koordinationsstörungen bei der Ausführung des Seiltänzergangs, der nicht möglich gewesen sei. Der Zeigeversuch sei jedoch unauffällig gewesen. Psychopathologisch habe sich ein Psychosyndrom mit Verlangsamung, Auffassungserschwerung und Verwechselungen gefunden. Beim EEG sei ein Normalbefund erhoben worden.

Ab 5. März 2001 war der Kläger wieder arbeitstätig, brach diese Tätigkeit allerdings wegen Arbeitsunfähigkeit ab 19. April 2001 ab.

Vom 10. Mai bis 21. Juni 2001 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in den Kliniken S., G ... Im Befund-, Verlaufs- und Entlassungsbericht vom 3. Juli 2001 wurden als Diagnosen ein Schädelhirntrauma mit Hirnkontusion rechts temporo-basal, ein posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom sowie Tinnitus- und Innenohrschwerhörigkeit rechts mitgeteilt. Der Kläger sei für leichte, an die kognitiven Fähigkeit keine zu hohe Ansprüche stellende Tätigkeit vollschichtig leistungsfähig. Die Weiterführung von Gehirnleistungstraining wurde angeraten. Unter dem 13. August 2001 riet Dr. N., die Behandlung der Depression und nicht der Hirnleistungsstörungen zu bevorzugen.

Im Gutachten vom 29. Oktober 2001 schlugen Dr. B. und Dr. S. von den Kliniken S. unter Fortführung der im Entlassungsbericht aufgeführten Diagnosen eine MdE um 70 v.H. vor. Ergänzend wurde ausgeführt, dass nach Angaben der Ehefrau und des Hausarztes wohl schon vor dem Umfall leichte psychische Verhaltensauffälligkeiten in Form von Unruhe, Nervosität und phobischen Elementen bestanden hätten, die sich aber deutlich verschlechtert hätten.

In einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage führte Prof. Dr. G. Facharzt für Neurologie, unter dem 19. November 2001 aus, die von Dr. B. seiner Beurteilung zugrunde gelegte Hirnkontusion sei mit der Feststellung im D-Arztbericht, wonach keine Bewusstlosigkeit und keine Amnesie vorgelegen habe und lediglich eine Schädelprellung mit Platzwunde festgestellt worden ist, nicht in Einklang zu bringen. Wenn nach Angaben des Klägers eine kurze und von Dr. B. nicht weiter eingegrenzte Erinnerungslücke gegeben gewesen sei, sei dies ebenfalls mit erheblichen organischen psychischen Störungen nicht in Übereinstimmung zu bringen. Darüber hinaus seien eventuelle psychische Störungen von vorbestehenden psychischen Auffälligkeiten abzugrenzen, wobei allerdings auch Dr. F. am 17. April 2000 belangvolle psychopathologische Auffälligkeiten nicht beschrieben habe. Erst Dr. N. erwähne im Februar 2001 ein hirnorganisches Psychosyndrom. Andererseits würden im Kernspintomogramm vom 28. Mai 2001 im rechten Temporallappen ausgedehnte flächige Läsionen mit Substanzverlust beschrieben, die durchaus einer Kontusion nach von rechts frontal kommender Gewalteinwirkung entsprechen könnten. Deshalb werde eine neuroradiologische Zweitbeurteilung der Kernspintomogramme vorgeschlagen. Der daraufhin um Stellungnahme gebetene Radiologe Dr. L. führte unter dem 5. Dezember 2001 zusammenfassend aus, der in der Kernspinaufnahme vom 28. Mai 2001 aufgeführte Befund sei typisch für eine posttraumatische Läsion, auch wenn die CT-Aufnahmen keinen Hinweis auf eine abgelaufene Fraktur ergeben und auch sonstige posttraumatische Veränderungen fehlen würden.

Im HNO-ärztlichen Gutachten der Uniklinik F. vom 26. Februar 2002 (Prof. Dr. Dr. L./PD Dr. M./Dr. L.) führten diese aus, beim Kläger bestehe ein nicht sicher bestimmbares Hörvermögen, da die Angaben des Klägers im Rahmen des Tonaudiogramms äußerst wechselhaft gewesen seien. Lege man die Ergebnisse des Sprachaudiogramms zugrunde (objektive Hörprüfung), ergebe sich in der Gesamtbewertung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 10 v.H.

Im nervenärztlichen Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 28. Februar 2002 (Dr. N./Dr. N.) mit radiologischem Zusatzgutachten von Dr. Esch vom 1. März 2002 wurden als Unfallfolgen eine substantielle Hirnverletzung mit organischer Hirnleistungsstörung in Form einer Beeinträchtigung von Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassung, Umstellungsfähigkeit und Gedächtnisfunktionen, mit Wortfindungsstörungen und mit leichtgradiger Gangstörung zusammengefasst und eine MdE um 50 v.H. vorgeschlagen. Es hätten sich Hinweise für das Vorliegen unfallunabhängiger psychischer Störungen in Form innerer Unruhe und Angstsymptomatik gefunden.

Mit Bescheid vom 12. April 2002 bewilligte die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung ab 12. September 2001 nach einer MdE um 50 v.H.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, da die MdE zu gering bemessen sei. Vorgelegt wurde das HNO-ärztliche Gutachten von Dr. H. vom 15. August 2001 für die private Unfallversicherung, wonach eine Gesamtbehinderung von 1/10 bestehe. Im neurologischen Gutachten für die private Unfallversicherung vom 13. September 2001 (Dr. H.) ist als Diagnose ein Zustand nach Contusio cerebri temporal rechts, vor allem mit ausgeprägtem organischen Psychosyndrom, Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus rechts sowie reaktive Depression und eine Invalidität von 80% angegeben.

Vom 25. Juni bis 6. August 2002 befand sich der Kläger erneut in den S.-Kliniken. Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 4. September 2002 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten vom 30. August 2002 (Dres. S., L., F.) wurden als Diagnosen eine rechts fronto-temporale Contusio cerebri mit nachfolgend einem organischen Psychosyndrom mit kognitiven und emotionalen Anteilen und einer beginnend chronifizierenden ängstlich-depressiven Anpassungsstörung mit Zügen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei insgesamt forcierender Bewältigungshaltung sowie psychischer Überformung einer als posttraumatisches Reizsymptom unter anderem durch Schädigung lokaler Hautnerven zu verstehender Dysästhesie der rechten Schläfe und Kopfschmerzen rechts temporal sowie dem Verdacht auf Commotio labyrinthi rechts und einer Läsion der Hörbahn rechts mit nachfolgendem anhaltendem Tinnitus und Hörminderung mitgeteilt. Da nach dem Unfall keine entsprechende Behandlung stattgefunden habe, dauere die Anpassungsstörung statt wie üblich bis zu zwei Jahre beim Kläger bis zu drei Jahre, so dass noch ein Unfallzusammenhang zu bejahen sei. Sollten die Symptome trotz gezielter Behandlung längerfristig anhalten, sei über eine Verschiebung der Wesensgrundlage nachzudenken. Die MdE belaufe sich derzeit auf 60 v.H.

Im HNO-ärztlichen Gutachten vom 22. November 2002 kam Dr. B. auf eine MdE um 35 v.H., resultierend aus einer mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts, einer Schädigung der zentralen Hörbahn und des durch diese kombinierte Läsion besonders beeinträchtigenden Tinnitus mit 20 v.H., rezidivierenden Lagerungsschwindelattacken und häufig auftretender Schwankschwindel mit 15 v.H.

Die Kliniken S. schlugen sodann (Schreiben vom 20. Dezember 2002) eine Gesamt-MdE um 75 v.H. vor.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2003 änderte die Beklagte den Bescheid vom 12. April 2002 ab und half dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, wonach bis auf Weiteres nach einer MdE um 75 v.H. Verletztenrente gewährt wurde. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: Hirnleistungsstörung in Form einer Beeinträchtigung von Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassung und ängstlich-depressiver Anpassungsstörung, Schwank- und Lagerungsschwindel, mittelgradige Schwerhörigkeit rechts sowie Tinnitus rechts. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2003 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 24. März 2003 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben (Az.: S 4 U 575/03) und eine Verletztenrente nach einer MdE um 95 v.H. geltend gemacht. Im Termin vom 23. Mai 2003 hat der Kläger die Klage zurückgenommen.

Im November 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht eine Nachuntersuchung im HNO-ärztlichem wie neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beabsichtigt sei. Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet teilte Dr. B. in seinem Gutachten vom 15. Mai 2004 mit, gegenüber der Begutachtung im Jahr 2002 hätten sich Schwank- und Lagerungsschwindel deutlich zurückgebildet, allerdings das dichotische Gehör deutlich verschlechtert. Die MdE belaufe sich bei unveränderten Diagnosen im Übrigen daher auf nur noch 25 v.H. seit Februar 2004. Dr. B. führte im nervenärztlichen Gutachten vom 16. Februar 2004 mit neuropsychologischem und radiologischem Zusatzgutachten zusammenfassend aus, neben den von Dr. B. festgestellten Erkrankungen bestünden als Unfallfolgen ein Schädel-Hirn-Trauma am 15. März 2000 mit Contusio cerebri rechts temporo-basal, posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit mittelgradiger Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, chronifizierte Anpassungsstörung mit reaktiv-depressiver Entwicklung, Tinnitus und Innenohrschwerhörigkeit rechts, Schwank- und Lagerungsschwindel. Auf nervenärztlichem Gebiet sei es zu einer Verschlimmerung gekommen (Einschränkung der längerfristigen Belastbarkeit und Ausdauer bei geistigen Anforderungen deutlich eingeschränkt, Aufmerksamkeitsspanne beim Zahlenmerken verschlechtert). Die MdE belaufe sich insgesamt auf 75 v.H.

Der Beratungsarzt Dr. D. führte in seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2004 aus, es sei fraglich, bei den Ergebnissen der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung eine wesentliche Befundverschlechterung zu konstatieren, da es zu Schwankungen bei verschiedenen Testzeitpunkten kommen könne, ohne dass daraus eine dauerhafte Verschlechterung der Leistungsfähigkeit abgeleitet werden könnte. Auch müsse man davon ausgehen, dass sich kognitive Einschränkungen aufgrund eines Schädelhirntraumas im Laufe der Zeit entweder besserten oder gleich blieben, nicht jedoch sich verschlechterten. Auch durch die von den Gutachtern erwähnte Depression könne es nicht zu einer Verschlechterung gekommen sein, da diese bereits 2002 vorgelegen habe. Eine wesentliche Verschlimmerung lasse sich deshalb aus seiner Sicht nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Die MdE belaufe sich auf nervenärztlichem Gebiet auf 60 v.H., auf HNO-ärztlichem Gebiet auf 25 v.H., so dass die Gesamt-MdE noch immer mit 65 v.H. festzustellen sei.

Nach Anhörung des Klägers setzte die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2004 die Verletztenrente herunter, indem sie die MdE ab 1. September 2004 nur noch mit 65 v.H. feststellte, da sich die dem Bescheid vom 10. Januar 2003 zugrunde liegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Denn der Schwank- und Lagerungsschwindel sei deutlich zurückgegangen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2004 zurückgewiesen wurde.

Dagegen hat der Kläger am 31. August 2004 Klage zum SG erhoben. Im Auftrag des SG hat am 30. August 2005 Prof. Dr. Dr. W. ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten erstellt. Darin führt er aus, es sei höchst zweifelhaft, ob die kernspintomographisch ersichtliche Läsion durch das Unfallereignis vom 15. März 2000 verursacht sei. Unklar sei schon nach den vorhandenen Unterlagen, wo genau das Trauma entstanden sei, nämlich nach dem DAB im Bereich der rechten Schläfe/rechte Stirn, später werde von einer temporalen Läsion gesprochen. Insoweit sollte anhand der Unterlagen des erstbehandelnden Krankenhauses die genaue Stelle der Platzwunde festgestellt werden. Denn das von den S.-Kliniken beschriebene Frontalhirnsyndrom sei aufgrund einer temporalen Schädigung nicht nachvollziehbar. Auch sei unklar, ob die bestehende Symptomatik überhaupt - eine unfallbedingte Hirnschädigung insoweit unterstellt - darauf zurückgeführt werden könne. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat er ausgeführt, wenn er unterstellen solle, dass alle Erkrankungen des Klägers unfallbedingt seien, wäre die Gesamt-MdE nach seiner Einschätzung mit maximal 40 bis 50 v.H. (bei einer MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von maximal 20 bis 30) festzustellen. Weitere Sachermittlungen seien daher angezeigt.

Nach Durchführung eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage hat das SG weitere Gutachten in Auftrag gegeben. Der HNO-Arzt Prof. Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 18. April 2007 festgestellt, das Hörvermögen rechts entspreche einer Normakusis und sei eine Verbesserung der im Vorgutachten beschriebenen mittelgradigen Schwerhörigkeit rechts. Eine Schwindelsymptomatik, die auf eine Störung des peripheren Gleichgewichtsorgans hinweise, bestehe nicht mehr. Die Gleichgewichtsprüfung im Rahmen der Cranio-Corpo-Graphie seien sowohl im Steh- wie im Trettest bei Wiederholung nicht reproduzierbar gewesen, so dass sie nicht verwertbar seien. Eine eindeutige Drehtendenz oder eine eindeutige pathologische Lateralschwankung habe sich nicht gezeigt. Die sonstigen Gleichgewichtsprüfungen wurden als unauffällig beschrieben. Die Gesamt-MdE belaufe sich auf seinem Fachgebiet auf 10 v.H. Die Gesamt-MdE bewerte er allerdings nach wie vor mit 70 v.H. (bei einer MdE um 60 v.H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ohne Überschneidung mit dem HNO-ärztlichen Fachgebiet; ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Z. vom 20. Juli 2007).

Die Beklagte hat während des Verfahrens die Stellungnahme nach Aktenlage des Facharztes für Neurologie Dr. D. vom 13. März 2006 sowie das Anhörungsschreiben an den Kläger über die beabsichtigte Herabsetzung der MdE auf 50 v.H. übersandt.

Der um eine Einschätzung der Gesamt-MdE - bei unterstellter MdE um 60 v.H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet - gebetene Prof. Dr. Dr. W. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Oktober 2007 ausgeführt, die MdE belaufe sich insgesamt auf 60 v.H., da die Befindlichkeitsstörungen durch das Ohrgeräusch Bestandteil der komplexen psychischen Symptomatik darstellten.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege die MdE, wie von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, noch bei maximal 65 v.H. Dabei hat sich das SG auf das Gutachten von Prof. Dr. Z. sowie von Prof. Dr. Dr. W. sowie dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme gestützt.

Gegen den ihm am 7. März 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. April 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Prof. Dr. Dr. W. sei der Einzige, der Zweifel an dem Zusammenhang der nachgewiesenen Hirnläsion mit dem Unfallereignis geschildert habe. Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 5. März 2008 sowie den Bescheid vom 6. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2004 sowie den Bescheid vom 6. Juni 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 6. Juni 2008 hat die Beklagte nach § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Verletztenrente von künftigen Leistungserhöhungen ausgespart, da die zugrundeliegenden Bescheide hinsichtlich der festgestellten MdE-Höhe rechtswidrig seien. Vielmehr liege nach den Gutachten von Prof. Dr. Z. und Prof. Dr. Dr. W. die MdE nur noch bei 40 v.H.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. das Gutachten vom 20. Oktober 2008 erstellt. Als Diagnosen hat er aufgeführt ein mögliches chronisch-organisches Psychosyndrom vom Ausmaß einer Wesensänderung und depressiv gefärbte Anpassungsstörung nach Arbeitsunfall. Die MdE sei auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit 30 v.H. zu veranschlagen. Bei der körperlichen Untersuchung habe sich an objektivierbaren Gesundheitsstörungen lediglich eine Abschwächung des Patellarsehnenreflexes beidseits bei ausgefallenem Achillessehnenreflex beidseits gefunden, der Hirnnervenstatus sei unauffällig gewesen, es sei kein Nystagmus nachweisbar, es hätten sich keine Muskelatrophien oder Auffälligkeiten des Muskeltonus gefunden. Ausgesprochen auffällig sei die Untersuchung der Koordination gewesen. Die im Finger-Nase-Versuch gezeigten Bewegungen seien mit neurologischen Störungen nicht vereinbar; bei Untersuchungen der Steh- und Gehfähigkeit seien ebenfalls Auffälligkeiten demonstriert worden, während sich der Kläger im Einbeinstand die Socken ausziehen konnte. In psychischer Sicht sei der Kläger im Gespräch mit dem Gutachter ebenfalls ohne wesentliche Auffälligkeiten gewesen, habe in der testpsychologischen Untersuchung jedoch schwerste kognitive Defizite demonstriert, die ihm eigentlich unmöglich machen müssten, irgendwelche Tätigkeiten des Alltags selbstständig zu verrichten. Angesichts dessen seien sämtliche Untersuchungsergebnisse, die auf einer Mitarbeit des Klägers basierten, nicht zu verwerten. Betrachte man das Verhalten des Klägers während der Untersuchung und die fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau, die gegenüber den Schmieder-Kliniken von einer verstärkten Reizbarkeit berichtet habe, sei allenfalls ein mildes hirnorganisches Psychosyndrom als Folge einer unfallbedingten Temporallappenschädigung vorstellbar, das mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten sei, falls man nicht die gesamten psychischen Auffälligkeiten auf eine Fehlverarbeitung der Kündigung des Arbeitgebers zurückführen wolle. Denn an sich sei zu erwarten, dass ein Psychosyndrom unmittelbar nach dem Unfall am stärksten ausgeprägt gewesen wäre und entweder in der Folgezeit stabil bleibe oder sich abschwäche. Dem widerspreche allerdings das Ergebnis der neurologischen Untersuchung 4 Wochen nach dem Unfall, in der keine psychischen Auffälligkeiten beschrieben worden seien. Den Schlussfolgerungen der Kliniken S. sei nicht zu folgen, da sie fast ausschließlich auf Befunde stützten, die auf Angaben des Klägers und seiner Mitarbeit beruhten. Auch werde nicht zur zeitlichen Latenz zwischen Unfall und Auftreten von psychischen Auffälligkeiten sowie zur Problematik der Progredienz Stellung genommen.

Der Kläger hat sich nachhaltig gegen das Gutachten gewandt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Eine MdE von mehr als 40 v.H. ist nicht feststellbar.

Gegenstand des Verfahrens ist nach § 96 SGG auch der Abschmelzungsbescheid vom 6. Juni 2008 geworden, da er die angefochtenen Bescheide vom 6. und 26. August 2004 bezüglich der Höhe der MdE ersetzt hat.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Die Beklagte war berechtigt, mit Bescheid vom 6. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2004 die Bescheide vom 12 April 2002 und 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2003 teilweise aufzuheben und die MdE neu festzusetzen. Denn die tatsächlichen Verhältnisse hatten sich, verglichen mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung der Verletztenrente, dahingehend geändert, als eine Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten war.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht für den Senat insbesondere aufgrund des schlüssigen Gutachtens von Dr. W. aber auch der Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. sowie des Gutachters Prof. Dr. Z. fest, dass die MdE des Klägers nicht höher als mit 40 v.H. festzustellen ist, wie im Abschmelzungsbescheid vom 6. Juni 2008 geschehen ist und daher auch durch die angefochtenen Bescheide die ursprüngliche MdE-Festsetzung mit 60 v.H. aufgehoben werden konnte.

Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 10. Januar 2003 als Unfallfolgen anerkannt eine Hirnleistungsstörung in Form einer Beeinträchtigung von Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassung sowie ängstlich-depressive Anpassungsstörung, Schwank- und Lagerungsschwindel, mittelgradige Schwerhörigkeit rechts sowie Tinnitus rechts. Mit Bescheid vom 6. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2004 hat die Beklagte neben der Herabsetzung der MdE bei der Feststellung der Unfallfolgen keine Veränderungen vorgenommen und zur Begründung der Herabsetzung ausgeführt, der Schwank- und Lagerungsschwindel habe sich gebessert. Da die festgestellten Unfallfolgen weder vom Kläger angegriffen noch von der Beklagten abgeändert worden sind, hatte der Senat im vorliegenden Fall nicht darüber zu entscheiden, ob diese Unfallfolgen noch bestehen. Streitig ist deshalb allein die Höhe der MdE, nach der sich die Verletztenrente bemisst.

Prof. Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 18. April 2007 festgestellt, dass von einem Schwank- oder Lagerungsschwindel des Klägers nicht mehr auszugehen ist. Die einzigen auffälligen Werte, die im Rahmen der Gleichgewichtsprüfung festgestellt werden konnten, konnten bei Kontrollprüfungen nicht reproduziert werden. Die Ergebnisabweichungen haben Prof. Dr. Z. deshalb zutreffend veranlasst, die im Rahmen dieser Untersuchungen erhobenen Befunde nicht weiter zu verwerten, da sie verhaltensbedingt keine validen Daten lieferten. Letztlich hatte auch bei der Untersuchung des Klägers im Universitätsklinikum Freiburg (HNO-Gutachten vom 26. Februar 2002) das Hörvermögen wegen sich teilweise widersprechender Untersuchungsergebnisse nicht zweifelsfrei bestimmt werden können. Es wurde der Verdacht einer nichtorganischen Komponente der Hörstörung rechts geäußert. Da die übrigen Prüfungen des Gleichgewichts allerdings unauffällige Ergebnisse erbrachten, hat Prof. Dr. Z. den überzeugenden Schluss gezogen, die jedenfalls erstmals gegenüber Dr. N. am 2. Februar 2001 geäußerten Schwindelbeschwerden sind mittlerweile abgeklungen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. Z. im Rahmen seiner Untersuchungen auch eine deutliche Verbesserung der Hörfähigkeit rechts konstatiert, da er auch für rechts ein normales Hörvermögen ermittelt hatte und somit die zuvor beschriebene mittelgradige Schwerhörigkeit rechts ebenfalls abgeklungen ist. Daher hat Prof. Dr. Z. für die auf seinem Fachgebiet objektivierbaren Gesundheitsstörungen auch zu Recht eine MdE von nur noch 10 v.H. vorgeschlagen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 442).

Soweit Prof. Dr. Dr. W. in seiner gutachterlichen Stellungnahme gegenüber dem SG, in der er weitere Ermittlungen angeregt hat, angezweifelt hat, ob angesichts des Umstands, dass der Kläger rechts frontal eine Platzwunde erlitten hat der bei ihm bestehende Frontalhirnschaden tatsächlich darauf zurückgeführt werden könne und auch Dr. W. Zweifel dahingehend geäußert hat, dass tatsächlich die Veränderungen des Gehirns als Unfallfolgeschaden im Vollbeweis gesichert werden können, lässt der Senat offen, ob das Geschehen am 15. März 2000 tatsächlich zu einer Hirnkontusion geführt hat. Denn selbst wenn ein solcher unfallbedingter Schaden unterstellt wird, kann unter Berücksichtigung einer daraus abzuleitenden MdE zwischen 20 und 30 v.H. und einer MdE auf HNO-ärztlichem Fachgebiet um 10 v.H. eine Gesamt- MdE um mehr als 40 v.H. nicht abgeleitet werden.

Auf neurologischem Fachgebiet hat Dr. W. bei seiner Untersuchung keine objektivierbaren Krankheitserscheinungen feststellen können. Soweit beim Finger-Nase-Zeigeversuch der Kläger konstant an der Nasenspitze vorbei gezeigt hat, kann dieses Verhalten einer neurologischen Störung nicht zugeordnet werden. Soweit der Kläger bei der Gangprüfung ein unsicheres und breitbasiges Gangbild produzierte, was beim Gang auf der Praxisebene nicht reproduzierbar war, spricht auch dies für mitarbeitsbedingte Auffälligkeiten. Anders könnte sich auch der Senat nicht vorstellen, wie es dem Kläger bei dem von ihm demonstrierten Gangbild gelingen sollte, mehrfach täglich längere Zeit den Hund auszuführen oder sich gar auf Anraten von Dr. B. zu überlegen, einen größeren Hund anzuschaffen (den zu halten schon einige Kraftanstrengung, jedenfalls Gang- und Standsicherheit erfordert). Vergleichbar auffällig war auch der Seiltänzergang. Der demonstrierte Seiltänzergang war nur mit erheblicher Fallneigung möglich, im Romberg- und Unterbergerversuch hatte sich ebenfalls eine erheblich ungerichtete Sturzneigung ergeben. Der Kläger war jedoch jederzeit wieder in der Lage, diese Sturzneigung mit Ausfallschritten zu kompensieren. Im Kontrast dazu war er jedoch beim An- und Auskleiden in der Lage, sogar auf einem Bein stehend Verrichtungen vorzunehmen bzw. sich noch mit dem Untersucher zu unterhalten.

Die als objektivierbare Gesundheitsstörung lediglich feststellbare Abschwächung des Patellarsehenreflexes beidseits bei ausgefallenem Achillessehnenreflex beidseits begründet keine rentenberechtigende MdE. Des Weiteren ist im Kernspintomogramm vom Februar 2004 eine deutliche Vergröberung der Hirnfurchenzeichnung im Bereich des rechten Temporallappens mit flächiger Hyperintensität in T2 bzw. Hypointensität in T1 erkennbar.

In psychischer Hinsicht war der Kläger während der Untersuchung formalgedanklich geordnet, aufmerksam, korrigierte falsche Angaben sofort und ergänzte korrekt. Er war auch in der Lage, einen Gesprächsfaden nach einer Unterbrechung wieder aufzunehmen. Andererseits waren auch insoweit deutliche Inkonsistenten erkennbar, da er zwar einerseits angab, sich an den Hochzeitstag nicht mehr zu erinnern, andererseits aber detailliert über eine Fernsehsendung berichtete, die er drei Tage zuvor gesehen hatte bzw. angebliche Gesprächsinhalte bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. W. drei Jahre zuvor. In der testpsychologischen Untersuchung bestätigten sich diese Inkonsistenzen. Der Kläger demonstrierte schwerste kognitive Defizite, die es ihm eigentlich unmöglich machen müssten, alltägliche Verrichtungen selbst zu erledigen, also eigentlich nur bei schwer dementen oder minderbegabten Menschen möglich sind. Auch im Benton-Test wurden schwerste mnestischen Defizite demonstriert, im Mehrfachwahl-Wortschatz-Test einfachste Worte nicht erkannt, andererseits komplexe Worte korrekt zugeordnet.

Berücksichtigt man diese erheblichen Unsicherheiten und unterstellt man insoweit zugunsten des Klägers die fremdanamnestisch geschilderte erhöhte Reizbarkeit und Vergesslichkeit seit dem Unfall, so kommt eine MdE um mehr als 40 v.H. keinesfalls in Betracht.

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach den in der unfallversicherungsrechtlichen Wissenschaft anerkannten Bewertungsgrundsätzen werden abnorme Persönlichkeitsentwicklungen, akute Belastungsreaktionen, Anpassungsbeeinträchtigungen, psychoreaktive Störungen mit finaler Ausrichtung, sog. leichtere neurotische Störungen mit einer MdE zwischen 0 und 10 v.H. bewertet. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (manche Phobien, pathologische Entwicklungsstörungen) bemessen sich nach einer MdE zwischen 20 und 40 und erst schwere Störungen mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (nach schwerer Zwangskrankheit) mit einer MdE zwischen 50 und 100 (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 246). Unterstellt man einen Ursachenzusammenhang zwischen der organischen Veränderung im Temporallappen und dem angeschuldigten Unfall, geht also von einer substanziellen Hirnschädigung aus, sind Hirnschädigungen mit geringer Leistungsbeeinträchtigung mit einer MdE zwischen 10 und 20 v.H. und bei mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung mit einer MdE zwischen 40 und 50 zu bemessen. Bemisst man die MdE bei isoliertem Vorkommen von organisch-psychischen Störungen (Hirnleistungsschwäche und organische Wesensänderung) ist die leichte Ausprägung mit einer MdE zwischen 20 und 40 und die mittelgradige mit einer MdE zwischen 40 und 50 zu bemessen (vgl. auch insoweit Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 274 f.).

Die Einwände des Klägers bzw. seiner Ehefrau, die gegenüber Dr. W. schriftlich vorgebracht, vom klägerischen Bevollmächtigten allerdings auch dem Gericht zur Kenntnis gegeben worden sind, vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

Soweit die Ehefrau vorgetragen hat, der Kläger könne das Entstehen von Gedächtnisstörungen selbst gar nicht mehr genau angeben, so dass seine Angabe gegenüber Dr. W., die Gedächtnisstörungen hätten etwa 2 bis 3 Monate nach dem Unfall angefangen, nicht zutreffen würden, ist aktenkundig erstmals in einem Schreiben des damaligen klägerischen Bevollmächtigten vom 18. April 2000, also rund ein Monat nach dem Unfall, die Klage über Gedächtnisstörungen. Ärztlicherseits wurde erstmals durch Dr. N. im Februar 2001 die Klage über Gedächtnisstörungen dokumentiert. Unmittelbar nach dem Unfall sind entsprechende Äußerungen des Klägers daher nicht belegt.

Insofern sie sich gegen die Unterstellung wendet, dass der Kläger simuliert habe, lassen die auffälligen Testergebnisse, die letztlich, wenn vielleicht auch für die Beteiligten nicht sofort auf Anhieb erkennbar, auch schon im Gutachten von Prof. Dr. Z. anklingen, eine andere Interpretation als eine bewußtseinsnahe Ausgestaltung (sei es Aggravation, sei es Simulation) nicht zu. Dabei unterstellt der Senat nicht, dass nach dem Unfall das Wesen des Klägers keine Veränderung erfahren hat, letztlich zieht auch Dr. W. die von der Ehefrau des Klägers geschilderten Veränderungen heran, um eine MdE um wenigstens noch 30 v.H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu begründen. Veränderungen, kognitive Defizite und neurologische Ausfälle, wie sie noch in den Schmieder-Kliniken mitgeteilt worden sind oder auch vom Kläger versucht worden sind, gegenüber Prof. Dr. Dr. W., Prof. Dr. Z. oder Dr. W. zu verdeutlichen, sind aber nicht zu objektivieren.

Wenn die Qualität der Untersuchung in den S.- Kliniken in den Ausführungen betont wird, weist der Senat darauf hin, dass auch im Gutachten der Kliniken vom 4. September 2002 - unabhängig von der hier streitigen Höhe der MdE - betont wird, dass zwei Jahre nach dem Unfall keine wesentliche Änderung organischer bedingter kognitiver und emotionaler Störungen mehr zu erwarten sei, allenfalls ein Besserungsspielraum durch einen verbesserten Umgang mit den Störungen entstehen könne. Auch wird darauf hingewiesen, dass mit Blick auf die Anpassungsstörung, sollte diese fortbestehen, an das Verschieben der Wesensgrundlage gedacht werden müsse, was bedeutet, dass andere Motivationen als durch den Unfall bedingte Anpassungsprobleme für die Aufrechterhaltung der Störung wesentlich sind. Dies hat auch Dr. W. in seinem Gutachten vergleichbar bewertet und als möglichen Anhaltspunkt die in der Probezeit erfolgte Kündigung, verbunden mit möglichen Kompensationserwartungen gegenüber dem Arbeitgeber, der Beklagten oder privaten Versicherungen aufgeführt, was nach Lage der Akten auch für den Senat nachvollziehbar erscheint.

Die Kritik daran, dass Dr. W. in der Familienanamnese die Angaben des Klägers, er habe eine Schwester und zwei Töchter, niedergelegt hat und die Ehefrau des Klägers dies bestreitet (keine Schwester, nur eine Tochter) sind diese Angaben in allen Gutachten, die im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erstellt worden sind, enthalten (vgl. beispielsweise Entlassungsbericht S.-Kliniken vom 3. Juli 2001 S. 4 eine Schwester, zwei -Töchter, 22 und 18 Jahre alt; neurologisches Gutachten S.-Kliniken vom 29. Oktober 2001 S. 5; Gutachten Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau vom 28. Februar 2002 S. 12 und 13 etc.), ohne dass bisher diesbezügliche Einwände erfolgten oder gar entsprechende familiäre Verhältnisse bestritten worden sind.

Soweit der Abschmelzungsbescheid vom 8. Juni 2008 nach § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, war die Klage gegen diesen Bescheid abzuweisen, auch wenn die Beklagte nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht berechtigt war, von einer unrichtigen Festsetzung der MdE schon von Rentenbeginn an auszugehen, sondern erst ab 1. September 2004. Allerdings wird der Kläger durch die im Abschmelzungsbescheid vorgenommene Aufhebung der Bescheide vom 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2003 nicht beschwert.

Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X darf, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann, und eine Änderung nach § 48 Abs. 1 und 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eintritt, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt.

Die Verwaltungsakte vom 6. August 2004 und 26. August 2004 konnten nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden. Sie waren allerdings von Anfang an rechtswidrig, da nach den Feststellungen von Dr. W., Prof. Dr. Z. und Prof. Dr. Dr. W. jedenfalls ab 1. September 2004 die Gesamt-MdE nur noch mit 40 v.H. hätte festgesetzt werden dürfen. Für die Zeit vor dem 1. September 2004 fehlen jedoch ärztliche Stellungnahmen, die es erlauben könnten, auch für diesen Zeitraum von einer MdE unter 65 v.H. auszugehen. Dr. W. hat in seinem Gutachten - entsprechend der an ihn gerichteten Beweisfragen - lediglich Ausführungen für die Zeit ab 1. September 2004 gemacht, also den Zeitraum, der durch die angefochtenen Bescheide vom 6. August und 26. August 2004 im gerichtlichen Verfahren einer Überprüfung unterzogen wird. Auch Prof. Dr. Dr. W. hat in seinen Ausführungen vom 30. August 2005 lediglich den Zeitraum ab 1. September 2004 beurteilt. Entsprechendes gilt für Prof. Dr. Z., der - verglichen mit dem Gutachten von Dr. Blessing - sogar nur vom Zeitpunkt seiner Untersuchung im März 2007 ausgehend - eine Besserung festgestellt hat. Angesichts der gutachterlichen Stellungnahmen, die sich alle nur mit dem Zeitraum ab 1. September 2004 befassen, lässt sich auch für den Senat die Rechtswidrigkeit der Bescheide, mit denen erstmals die Verletztenrente als Dauerrente mit einer MdE in Höhe von 75 v.H. festgestellt worden ist (Bescheid vom 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2003) nicht zweifelsfrei feststellen. Sicher feststellen lässt sich nach dem Oben Ausgeführten deshalb nur, dass die Herabsetzung ab 1. September 2004 fehlerhaft nur auf 65 v.H. und nicht auf 40 v.H. erfolgte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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