Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 53 R 36/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 71/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 103/09 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.02.2007 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 verurteilt, der Klägerin Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit von März 1942 bis Oktober 1942 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 4/5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten im Ghetto Krakau.
Die am 00.00.1927, unter dem Geburtsnamen C in Krakau geborene jüdische Klägerin, die früher die polnische Staatsangehörigkeit hatte und jetzt israelische Staatsangehörige ist, hielt sich zwangsweise von März 1941 bis März 1943 im Ghetto Krakau, anschließend im Zwangsarbeitslager (ZAL) Plaszów, in den Monaten Oktober 1944 und November 1944 im Konzentrationslager (KL) Auschwitz-Birkenau und danach bis zu ihrer Befreiung am 08.05.1945 im ZAL Lichtenwerden auf. 1950 wanderte sie von Krakau nach Israel aus. Aufgrund ihres Verfolgungsschicksals ist sie als Verfolgte gemäß § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz v. 16.10.1959). Auch der erlittene Gesundheitsschaden wurde anerkannt (Vergleich vom 27.03.1975). In der israelischen Nationalversicherung hat die Klägerin insgesamt 48 Beitragsmonate zurückgelegt.
Zur Begründung ihres Entschädigungsantrags gab die Klägerin am 12.09.1954, sie sei als Jüdin zusammen mit ihren Eltern Anfang März 1941 in das Ghetto Krakau zwangsumgesiedelt und während ihres bis zur Ghettoliquidierung (13.03.1943) dauernden Zwangsaufenthaltes in der Renkawka, sodann in der Jósefinska und der Krakusastraße untergebracht worden. Sie habe als Jüdin seit ungefähr November bzw. Dezember 1939 die Judenarmbinde mit dem Davidstern tragen müssen und Zwangsarbeit bei Bedienungsarbeiten in den SS-Kasernen und sodann in der sog. Großschneiderei als Schneiderei-Hilfsarbeiterin verrichtet. Aufenthalt und Tätigkeiten wurden von den Zeugen K T, N L und N M bestätigt. In einer weiteren Erklärung vom 20.10.1965 gab die Klägerin an, sie sei während der ganzen Verfolgungszeit schwer misshandelt, oft geschlagen und zu schweren physischen Zwangsarbeiten verwendet worden. Am 28.03.1966 bekundete der Internist Dr. B C, er sei mit der Familie der Klägerin im Krakauer Ghetto und im Lager Plaszów gewesen, wo er einzelne Mitglieder dieser Familie oft ärztlich behandelt habe. Er erinnere sich, dass die Klägerin eine lange Zeit wegen Scharlachs mit nachfolgender Gelenksentzündung sowie wegen eines Bauchtyphus auf der Infektionsabteilung des Lagerspitals in Plaszów hospitalisiert gewesen sei. Am 18.06.1970 erklärte die Klägerin selbst: "Im Ghetto Krakau und ZAL Plaszów, wo ich schwere Zwangsarbeiten leisten musste, wurde ich auch des öfteren geschlagen. Ich stammte aus einem reichen Elternhause, war ein verwöhntes Kind und konnte die verlangten Arbeiten nicht nach Wunsch leisten, was die Wut der Arbeitsaufseher gegen mich hervorgerufen hat." Am 14.09.1972 gab der Psychiater Dr. B ein medizinisches Zeugnis über die Klägerin ab, demzufolge sie bis 1943 als Hausmädchen in den Wohnquartieren der "SS-Luftwaffe" arbeiten musste. Ihre Lebensbedingungen seien ziemlich hart gewesen, da sie viele Stunden am Tag habe arbeiten und zudem versuchen müssen, etwas Essen ins Ghetto zu ihrer Familie zu "bringen".
Einen ersten, am 11.06.1990 gestellten Rentenantrag der Klägerin, mit dem diese die Zeit von Februar 1946 bis Dezember 1948 als Beitragszeit wegen einer Beschäftigung als Arbeiterin in einer Kürschnerwerkstatt geltend machte, lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin zu dem Zeitpunkt, als sich der nationalsozialistische Herrschaftsbereich auf ihr Heimatgebiet erstreckte, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe (Bescheid v. 22.12.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 23.04.1998). Am 09.01.2003 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Regelaltersrente, diesmal gestützt auf Ghettobeitragszeiten. Sie gab an, sie habe in der Zeit von März 1941 bis März 1943 in der "Waffen-SS-Kaserne Gramatyka" an der Gramatykastraße im nördlichen Teil von Krakau gearbeitet. In der Zeit von März bis Oktober 1942 sei die Beschäftigung außerhalb des Ghettos erfolgt, bei allerdings täglicher Rückkehr ins Ghetto. Der Verwalter M habe sie mit dem Wagen zur Arbeit und abends wieder ins Ghetto gebracht. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig zustande gekommen. Sie habe Säuberungsarbeiten in der Kaserne verrichtet und dort auch bedient. Die Arbeitszeit habe 10 bis 12 Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche betragen. Die Entlohnung habe einmal täglich in einer Suppe am Mittag und an jedem Samstag in ein paar Zloty bestanden. Sie wisse nicht mehr, wie viel Zloty sie bekommen habe. Aber sie erinnere sich gut, dass sie für eine tägliche Entlohnung eine gute Portion von Knödeln bei einer polnischen Frau in der Nachbarschaft vom Arbeitsplatz habe bekommen können.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte der Klägerin bei und holte eine Auskunft der Jewish Claims Conference (JCC) - Zwangsarbeiterfonds - ein. Sodann lehnte sie den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht den Erhalt eines wesentlichen Entgelts angegeben. Zudem habe sie im Entschädigungsverfahren erklärt, erst in einer Kaserne und anschließend in einer Schneiderei gearbeitet zu haben. Sie habe unter Hunger und Kälte gelitten und sei öfters während der Arbeit geschlagen worden (Bescheid v. 17.08.2005). Im Widerspruchsverfahren gab die Klägerin am 06.11.2005 in einer weiteren freien Erklärung an, die Knödel und die am Arbeitsplatz erhaltene Suppe hätten einen substantiellen Beitrag zu ihrer Ernährung ausgemacht. Sie habe sich zur Arbeit in der Kaserne gemeldet, um nicht arbeitslos zu sein. Eine Arbeit zu finden, die tatsächlich eine Zwangsarbeit gewesen sei, sei der einzige Weg gewesen, das Todesurteil zu verzögern. In der Schneiderei habe sie im Wesentlichen erst in Plaszów von März 1943 bis Oktober 1944 gearbeitet. Geschlagen worden sei sie in den Lagern Plaszów, Auschwitz und Lichtenwerden. Mit Widerspruchsbescheid v. 07.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid zurück.
Mit der zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, sie habe aus eigenem Willensentschluss insbesondere zur Vermeidung einer Deportation gearbeitet. Zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung hat sie sich darauf berufen, dass sie nach den im Generalgouvernement geltenden Bestimmungen einen Anspruch auf Entgeltzahlung gehabt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG für von ihr während des Aufenthaltes im Ghetto von Krakau zurückgelegte Zeiten einer Beschäftigung von März 1941 bis März 1943 sowie unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 SGB VI ab 01.07.1997 eine Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 02.02.2007). Soweit die Klägerin behauptet habe, für ihre Arbeiten zusätzliche Lebensmittel oder Geld für Lebensmittel erhalten zu haben, handele es sich um freien Unterhalt. Auch soweit ihr Lebensmittel zur Mitnahme nach Hause ausgehändigt worden seien, sei nicht erkennbar, dass sie beliebig hierüber habe verfügen können. Jedenfalls hätten die gewährten Leistungen in keinem angemessenen Verhältnis zur Arbeitsleistung gestanden. Schließlich habe die Klägerin auch nicht freiwillig gearbeitet, sondern angegeben, im Ghetto Misshandlungen ausgesetzt gewesen und oft geschlagen worden zu sein.
Mit der Berufung hat die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und zudem einen Auszug aus der Arbeit "Shorashim" ihres Enkels N P vorgelegt, die sich auf ihr Verfolgungsschicksal bezieht und im März 2007 als Projekt in der 7. Schulklasse eingereicht worden ist. Dort heißt es auszugsweise: "Meiner engsten Familie gelang es bis zur Liquidierung des Ghettos am 14.03.1943 zu überleben, hauptsächlich dank der Tatsache, dass ich und mein Vater gearbeitet haben."
Mit ihrer Antwort auf einen detaillierten Fragebogen des Senats trägt die Klägerin im Einzelnen vor: Sie habe in der Kaserne der Waffen-SS von März 1942 bis Ende Oktober 1942 gearbeitet. In der Großschneiderei habe sie nicht schon im Ghetto, sondern erst im ZAL Plaszów gearbeitet. Im Ghetto habe sie sich lediglich Anfang März 1943 an Arbeiten zur Vorbereitung der Arbeitsaufnahme der Schneiderei in Plaszów beteiligt. Da sie im Dezember 1941 das 14. Lebensjahr vollendet habe, sei sie arbeitspflichtig und im Hinblick auf die Gefahr der Deportation unruhig gewesen, dass sie keinen Arbeitsplatz habe. Im März 1942 habe sie im Ghetto den Verwalter M aus der "SS-Gramatyka Kaserne" gesehen, der Leute zu Bedienungsarbeiten gesucht habe. Sie habe sich an ihn gewandt, ihn um Arbeit gebeten und sei akzeptiert worden. Sie habe in der Kaserne Reinigungsarbeiten (Zimmer und Fenster putzen, Abfälle wegräumen) gemäß den Instruktionen des Verwalters geleistet. Hierzu sei sie nicht gezwungen worden. In der Mittagspause habe sie eine Suppe gegessen und noch Zeit gehabt, bei der polnischen Frau, die neben der Kaserne gewohnt habe, ein Mehlspeise zu kaufen und zu essen oder mitzunehmen. Während der Arbeit in der Kaserne sei sie korrekt behandelt worden, während man sie in der Großschneiderei und des Aufenthalts in Plaszów vielfach geschlagen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.12.2008 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.02.2007 sowie unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung von Ghettobeitragszeiten von März 1942 bis Oktober 1942 sowie unter Berücksichtigung von Verfolgungsersatzzeiten Regelaltersrente ab 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Verwaltungsentscheidungen und das erstinstanzliche Urteil. In der mündlichen Verhandlung trägt der Vertreter der Beklagten vor, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin auch in der Kaserne Zwangsarbeit geleistet habe. So habe sie im Entschädigungsverfahren vorgetragen, dort geschlagen worden zu sein. Zudem spreche der Umstand, dass sie mit einem Wagen (hierbei könne es sich nur um einen Lastkraftwagen gehandelt haben) zur Arbeit gebracht worden sei, dafür, dass sie zu einem Zwangsarbeiterkontingent gehört habe, zu dessen Stellung der Judenrat verpflichtet gewesen sei. Derartige Kontingente seien typischerweise auf Lkws transportiert worden. Zudem habe die Beklagte grundsätzliche Bedenken, den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski zu folgen. Sie habe den Eindruck gewonnen, der Sachverständige versuche, die Kläger zu rechtfertigen.
Der Senat hat eine Auskunft der JCC - Zwangsarbeiterfonds - eingeholt. Danach hat die Klägerin eine Entschädigung aufgrund ihres Verfolgungsschicksals im Arbeitslager Lichtenwerden in den Jahren 1944 und 1945 erhalten. Eine Rente vom Art-2-Fonds und Leistungen aus dem Härtefonds seien nicht beantragt worden. Weiter hat der Senat die von der Klägerin benannten Zeugin T B schriftlich gehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Antwort von Frau B Bezug genommen. Darüber hinaus sind die von Prof. Dr. Golczewski in den Streitsachen L 13 R 50/06 und L 4 (18) R 62/05 erstatteten Sachverständigengutachten beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakte der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem Umfang, in dem die Klägerin sie in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat, begründet. Die Klage, die die Klägerin hinsichtlich der anzuerkennenden Ghettobeitragszeiten in zulässiger Weise (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) auf die Zeit von März bis Oktober 1942 beschränkt hat, ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten für März bis Oktober 1942.
Der Anspruch auf Altersrente folgt aus § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 maßgebenden Fassung (a.F.; vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI) auch dann, wenn er auf Ghettobeitragszeiten gestützt wird. Die Bestimmungen des ZRBG stellen demgegenüber keine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente dar (BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4). Die Vorschriften des SGB VI sind trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 1. Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG, Urteil v. 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG, Urteil v. 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 48 Nr. 17).
Nach § 35 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie (wie die am 25.12.1927 geborene Klägerin seit dem 25.12.1992) das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Die Wartezeit von 5 Jahren kann mit Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI erfüllt werden, wobei Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 SGB VI allerdings nur dann Berücksichtigung finden, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt (BSG, Urteil v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, m.w.N.). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Die Klägerin hat die Wartezeit von 60 Monaten mit 8 Monaten Ghettobeitragszeiten (dazu unter I.), 48 Monaten Beitragszeiten, die nach dem deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) anrechenbar sind, und mindestens 4 Monaten an Ersatzzeiten (dazu unter II.) erfüllt.
I.
Auf die Wartezeit sind Ghettobeitragszeiten von März bis Oktober 1942 nach § 2 Abs. 1 ZRBG anzurechnen. Nach dieser Vorschrift gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Gemäß § 1 ZRBG muss die Klägerin sich als Verfolgte (1.) in einem Ghetto (2.), das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat (3.), zwangsweise aufgehalten (4.) haben. Zudem muss sie eine Arbeit (5.) in diesem Ghetto (6.) ausgeübt haben, die eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss (7.) gegen Entgelt (8.) darstellte und für die die Klägerin nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erhält (9.). Ferner darf die Anerkennung des Anspruchs nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen sein (10.). Beweismaßstab ist die Glaubhaftmachung (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale muss also nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich sein, d. h. es muss mehr für als gegen sie sprechen, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss v. 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4). Die genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
1. Die Klägerin ist Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG. Der Begriff des Verfolgten entspricht demjenigen des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 3). Die Klägerin ist als Verfolgte gemäß § 1 Abs. 1 BEG anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz v. 16.10.1959). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieses Bescheides, sodass seine Bindungswirkung für die Beklagte dahingestellt bleiben kann.
2. In Krakau hat im nunmehr noch geltend gemachten Zeitraum (März bis Oktober 1942) ein Ghetto bestanden. Als Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG ist eine Stadt, ein Stadtteil oder -viertel anzusehen, wo die jüdische Bevölkerung untergebracht wurde, und zwar im Wege der Absonderung, Konzentration und Internierung (vgl. Senat, Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04 [rkr.], sozialgerichtsbarkeit.de). Die Existenz eines diesen Erfordernissen entsprechenden Ghettos im Streitzeitraum ist durch das von Prof. Dr. Golcezwski im Verfahren L 13 R 50/06 erstattete Gutachten belegt. Danach ist von der Schließung des Krakauer Ghettos am 21.03.1941 (S. 2 des Gutachtens) und der Räumung am 13./14.03.1943 (S. 3 des Gutachtens) auszugehen. Die Richtigkeit dieser Feststellungen ist im Übrigen von der Beklagten auch nicht bezweifelt worden.
3. Krakau hat im sog. Generalgouvernement, Distrikt Krakau, und damit einem vom Deutschen Reich im Anspruchszeitraum besetzten und ihm angegliederten Gebiet gelegen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17).
4. Die Klägerin hat sich jedenfalls in der Zeit von März bis Oktober 1942 zwangsweise im Ghetto Krakau aufgehalten. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig, aber durch die zahlreichen Zeugenaussagen in den verschiedenen seitens der Klägerin angestrengten Verfahren zumindest glaubhaft gemacht. Die Klägerin ist als Verfolgte iS des § 1 BEG anerkannt. Der Anerkennungszeitraum umfasst auch den Zeitraum des Aufenthalts im Ghetto Krakau. Damit ist zugleich der Tatbestand des zwangsweisen Aufenthalts dort glaubhaft.
5. Es ist glaubhaft, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts im Ghetto Krakau in der Zeit von März 1942 bis Oktober 1942 in einer Einrichtung der Waffen-SS (sog. Kaserne "Gramatyka" oder Kaserne an der Gramatyka-Straße, im Folgenden: Kaserne) Arbeiten verrichtet hat, die denen einer Haushaltshilfe entsprachen und im Wesentlichen im Reinigen und Bedienen bestanden.
a) Die Klägerin selbst hat durchgängig im Entschädigungs- wie Rentenverfahren angegeben, sie habe zunächst in einer "SS-Kaserne" Arbeiten verrichtet, die sie mal als Säuberungs-, mal als Bedienungsarbeiten beschrieben hat. Im Rentenverfahren hat sie beide Tätigkeiten genannt. In der psychiatrischen Anamnese von Dr. B (1972) ist diese Arbeit mit dem Begriff "handmaiden", also Haushaltshilfe, bezeichnet worden. Im Fragebogen des Senates hat die Klägerin den Inhalt ihrer Arbeit erneut entsprechend beschrieben, wobei sie die Begriffe "Waffen-SS" und "SS" synonym verwandt hat. Den Zeitraum der Beschäftigung, der im Entschädigungsverfahren offen geblieben ist und dort auch offen bleiben konnte, hat die Klägerin selbst im Fragebogen des Senats auf März bis Oktober 1942 konkretisiert.
b) Die Angaben und Erklärungen der Klägerin sind glaubhaft.
aa) Für ihre Richtigkeit spricht zunächst, dass die Klägerin die wesentlichen Umstände der Arbeit über einen Zeitraum von über 50 Jahren konsistent beschrieben hat. Insbesondere im gerichtlichen Verfahren ist dabei deutlich geworden, dass sie sich um möglichst exakte und wahrheitsgemäße Angaben bemüht hat. So hat sie beispielsweise aus freien Stücken den Zeitraum ihrer Beschäftigung auf die Zeit von März bis Oktober 1942 beschränkt. Ebenso hat sie eingeräumt, dass ihre spätere Tätigkeit in der Großschneiderei die Voraussetzungen einer Ghettobeitragszeit nicht erfüllt. Dabei ist ihr Erinnerungsvermögen offenbar unverändert intakt. So hat sie nicht nur Details wiedergegeben, die sich unmittelbar auf Anspruchsvoraussetzungen beziehen, sondern sich auch an anderweitige Einzelheiten (z.B. die Arbeitsplätze ihrer Eltern) erinnert. Andererseits beweisen ihre Angaben auch die Bereitschaft zur Erinnerungskritik (z.B. hinsichtlich der Arbeitszeiten der Eltern oder der Höhe des vom Vater erzielten Verdienstes). In mehreren Bereichen wirken die Erinnerungen der Klägerin erlebnisfundiert. So hat sie eindrucksvoll den Kauf von Knödeln ("Mehlspeise") bei einer Polin außerhalb des Ghettos in der Nähe der Kaserne geschildert, aber auch die Beendigung ihrer Tätigkeit in der Kaserne (Zurückweisung des "Verwalters" M durch das Wachpersonal des Ghettos).
bb) Die Angaben der Klägerin werden zudem im Entschädigungsverfahren durch die Aussagen der Zeug(inn)en T, L und M gestützt, die jedenfalls auch die Tätigkeit in der "SS-Kaserne" bestätigt haben, im Gerichtsverfahren durch die schriftliche Aussage von Frau B, die ebenso durch Präzision und Detailreichtum wie durch ein beachtliches Maß an Erinnerungskritik überzeugt. So hat Frau B an zahlreichen Stellen freimütig eingeräumt, sich an Details nicht mehr erinnern zu können. Sie hat auch deutlich gemacht, wo ihre Angaben auf Erzählungen der Klägerin beruhen. Ebenso hat sie bereits ihrerseits den Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin in der Kaserne auf Frühjahr bis Herbst 1942 beschränkt. Schließlich spricht für die Authentizität der Antworten, dass diese offensichtlich von Frau B selbst in eigener Handschrift gefertigt worden sind.
Es bestehen keine prozessualen Bedenken, die Angaben von Frau B auf dem ihr übersandten Fragebogen des Senats als Erkenntnisquelle zu verwenden. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine förmliche schriftliche Zeugenvernehmung i.S.v. § 118 SGG i.V.m. § 377 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Indessen ist der Senat nicht gehindert, auf der Grundlage von §§ 106 Abs. 3 Nr. 3, 153 Abs. 1, 155 Abs. 1 SGG Auskünfte auch von Privatpersonen einzuholen, wenn dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ein geeignetes Mittel zur Erforschung des Sachverhalts ist (vgl. BSG, Urteil v. 25.10.1956, 6 RKa 2/56, BSGE 4, 60, 62; BSG, Urteil v. 14.02.1962, 11 RV 400/59, BSGE 16, 182, 187; vgl. auch BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17). Das ist bei den hoch betagten Zeitzeug(inn)en in Verfahren nach dem ZRBG, bei denen jederzeit mit dem Ableben oder dem Eintritt der Erinnerungsunfähigkeit gerechnet werden muss, grundsätzlich zu bejahen. Insbesondere würde das zeitaufwändige und für die Zeug(inn)en belastende Verfahren der Vernehmung im Wege der Rechtshilfe zu unzuträglichen Verfahrensverzögerungen führen. Den auf diese Weise etwas geringeren Anforderungen an Strenge und Förmlichkeit der Beweiserhebung kann durch eine angemessene kritische Bewertung der abgegebenen Auskünfte im Wege der freien Beweiswürdigung Rechnung getragen werden. Insofern bestehen hinsichtlich der Verwertung der Angaben von Frau B im vorliegenden Verfahren jedoch keine Bedenken. Auch die Beteiligten sind ihr nicht entgegengetreten.
cc) Die Angaben der Klägerin sind mit den historischen Erkenntnissen zu den Verhältnissen im Ghetto Krakau zu vereinbaren.
(1) Zwar liegen insoweit keine unmittelbaren Informationen zu einer Einrichtung der Waffen-SS (oder SS) in der Gramatykastraße in Krakau vor. Immerhin bestätigt aber das Gutachten von Prof. Dr. Golczewski in L 13 R 50/06 die Existenz von Einrichtungen der SS, insbesondere aber auch der Waffen-SS im Bereich Krakau (vgl. S. 5 f. des Gutachtens), die auch - wie die Klägerin es angibt - außerhalb des Ghettos gelegen haben. Nachdem sich bislang ohne (aufwändige) weitere Recherchen die genaue Lage der betreffenden Einrichtungen nicht hat feststellen lassen, andererseits aber die Arbeit jüdischer Ghettobevölkerung bei solchen Einrichtungen von dem Sachverständigen für plausibel gehalten wird, erscheinen weitere Ermittlungen zur Entscheidung des vorliegenden Falles insoweit nicht erforderlich.
(2) Der Senat hat keine Bedenken, die von Prof. Dr. Golczewski in anderen Streitigkeiten erstatteten Sachverständigengutachten in das vorliegende Verfahren einzuführen und im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten (§ 118 SGG Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415, 416 ZPO; vgl. BSG, Urteil v. 24.06.1980, 1 RJ 84/79, Juris, m.w.N.). Den erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen pauschalen Bedenken der Beklagten gegen den Beweiswert der Gutachten von Prof. Dr. Golczewski schließt sich der Senat nicht an. Der Vertreter der Beklagten ist seitens des Senates ausdrücklich mehrfach vergeblich aufgefordert worden zu erläutern, inwiefern in den beigezogenen Gutachten das angebliche Bemühen des Sachverständigen zu erkennen sei, die Kläger zu "rechtfertigen". Der Senat hat aufgrund der beigezogenen Gutachten keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen. Er gehört überdies als Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte der Universität Hamburg mit dem Forschungsschwerpunkt "Neuere Geschichte Polens, Russlands/der Sowjetunion und der Ukraine" (vgl. http://www.geschichte.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/europaeischegeschichte/europaeische geschichte.html) zum Kreis derjenigen Sachverständigen, die in besonderer Weise geeignet erscheinen, den Sozialgerichten das erforderliche Maß an Sachkunde (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 4; BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3) zur Aufhellung der geschichtlichen Hintergründe zu vermitteln, und auf den sich dementsprechend auch bereits das BSG im Rahmen seiner Rechtsprechung bezogen hat (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 67/06 R, Juris).
6. Die Arbeit der Klägerin hat, wie von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG gefordert "in einem Ghetto" stattgefunden, obwohl sich die Arbeitsstelle, die Kaserne, außerhalb des Ghettos befunden hat.
Arbeiten, die außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos verrichtet wurden, werden vom ZRBG erfasst, wenn sie Ausfluss der Beschäftigung im Ghetto waren (so BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3 im Anschluss an den Redebeitrag der Abgeordneten Schwaetzer, BT-Plenarprotokoll 14/233, S. 23281). Die Arbeit muss dem Verfolgten zwar von einem Unternehmer mit Sitz im Ghetto angeboten oder von einem solchen Unternehmen bzw. der eingesetzten "Ghetto-Autorität", ggf. ähnlich einer Arbeitnehmerüberlassung oder einer "Arbeitsvermittlung", zugewiesen worden sein. Davon ist hier jedoch auszugehen.
Wie der Sachverständige Prof. Dr. Golczewski im vom Senat beigezogenen Gutachten in der Streitsache L 4 (18) R 62/05 ausgeführt hat (S. 15 des Gutachtens), ist die Organisation des "Judeneinsatzes" in Krakau ab dem 01.09.1940 durch die deutsche Judeneinsatzstelle erfolgt. Deutsche Interessenten, also auch deutsche Dienststellen, sollten sich bei Interesse an jüdischen Arbeitskräften an dieses "deutsche Arbeitsamt" wenden. Es ist daher glaubhaft im Sinne einer guten Möglichkeit, dass auch die Tätigkeit der Klägerin in der Kaserne über die Judeneinsatzstelle und damit eine "Ghetto-Autorität" vermittelt worden ist (vgl. auch Gutachten von Prof. Dr. Golczewski im Verfahren L 13 50/06, S. 8, zu Truppenwirtschaftslagern der SS).
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Klägerin sich nach eigenem Bekunden unmittelbar an den "Verwalter" M gewandt hat und auf diese Weise an ihre Arbeitsstelle in der Kaserne gekommen ist. Zum einen bestätigen die von Prof. Dr. Golczewski zitierten Berichte, dass der Leiter des deutschen Arbeitsamtes bemüht gewesen ist, "sowohl die Bitten der Leiter der verschiedenen Arbeitsstellen als auch die zu erfüllenden Wünsche der Juden" zu berücksichtigen. Insofern spricht der von der Klägerin sinngemäß dargestellte Ablauf einer "Bewerbung" bei dem von ihr als "Verwalter" bezeichneten M nicht dagegen, dass die Vermittlung auf dem hierfür vorgesehenen Weg, nämlich über die deutsche Arbeitsverwaltung erfolgt ist. Diese Beurteilung wird durch den Wortlaut des Runderlasses des in Krakau ansässigen Amtes des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete Nr. 100/40 vom 05.07.1940 gestützt, dessen Ziff. II zufolge jede eigenmächtige Anforderung von Juden zu unterbinden und die Gestellung einer jüdischen Arbeitskraft nur noch beim zuständigen Arbeitsamt zu beantragen war.
Für die Einschaltung einer "Ghettoautorität" in die Vermittlung der Klägerin spricht schließlich auch, dass das Wachpersonal - wie die Klägerin in dem Fragebogen des Senates am Beispiel der Beendigung ihrer Tätigkeit im Oktober 1942 geschildert hat - offensichtlich Einfluss darauf hatte, ob arbeitende Jüdinnen bzw. Juden das Ghetto zu ihrer auswärtigen Arbeitsstelle verlassen durften.
7. Bei der von der Klägerin in der Kaserne ausgeübten Arbeit hat es sich um eine Beschäftigung gehandelt, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) ZRBG).
a) Mit den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG formulierten Tatbestandsmerkmalen der aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt hat der Gesetzgeber an den Begriff des versicherungspflichtigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses angeknüpft, wie er für Arbeitsverhältnisse unter Ghettobedingungen in der sog. Ghettorechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; v. 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1) konkretisiert worden ist (std. Rechtsprechung des Senates; vgl. nur Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04, sozialgerichtsbarkeit.de m.w.N.).
Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere (aber nicht notwendigerweise) in einem Arbeitsverhältnis. Arbeit in diesem Sinne ist die auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtete, planmäßige Arbeit eines Menschen, gleichviel ob geistige oder körperliche Kräfte eingesetzt werden. Die Arbeit ist nichtselbstständig, wenn sie fremdbestimmt ist, d.h. der Arbeiter dem Weisungs- bzw. Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt und in den organisatorischen Ablauf des Betriebs eingebunden ist. Maßgeblich ist dabei jeweils das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit.
Das Merkmal der "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung" verdeutlicht dabei, dass der Typus des von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG erfassten Beschäftigungsverhältnisses abzugrenzen ist von einer unter Zwang zustande gekommenen oder verrichteten Arbeit. Diese Abgrenzung kann ebenfalls nur im Einzelfall erfolgen. Sie orientiert sich allerdings an der grundsätzlichen Überlegung, dass eine Arbeit sich um so mehr der Zwangsarbeit annähert, als sie von hoheitlichen Eingriffen überlagert ist, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. In diesem Sinne kann für Zwangsarbeit z.B. die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an ein Unternehmen sprechen, auf die der Arbeiter keinen Einfluss hat. Je nach den Umständen des Einzelfalles gilt dasselbe für die Bewachung während der Arbeit oder die Züchtigung auf der Arbeitsstelle. Auch die Art der zu verrichtenden Arbeiten kann einen Hinweis auf Zwangsarbeit liefern, wenn sie von dem konkreten Betroffenen schlechterdings unter der Annahme eines eigenen Willensentschlusses nicht erwartet werden konnte (ausführlich Senat, Urteil v. 12.12.2007, L 8 R 187/07, sozialgerichtsbarkeit.de).
Demgegenüber ist es für den eigenen Willensentschluss des Arbeiters unerheblich, aus welchen weiteren Motiven die Arbeit aufgenommen wurde. Auch existenzielle Not (z.B. die Angst vor dem Verhungern oder der Deportation in ein Zwangsarbeits- oder Vernichtungslager) schließt das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses daher nicht aus. Dass derartige Motive außer Betracht zu bleiben haben, wird zusätzlich durch § 1 Abs. 1 ZRBG belegt, der den zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto mit den damit typischerweise verbundenen Konsequenzen des Hungers und der Bedrohung mit Deportation und Vernichtung sogar als Tatbestandsmerkmal voraussetzt.
b) Auf dieser Grundlage ist es zunächst glaubhaft, dass die Klägerin in der Kaserne eine "Arbeit" in dem dargestellten Sinne verrichtet hat. Reinigungs- wie Bedienungstätigkeiten sind typischerweise planmäßig auf ein wirtschaftliches Ziel ausgerichtet. Ebenso ist es glaubhaft, dass die Klägerin diese Arbeit nichtselbstständig, d.h. im Sinne einer Eingliederung in den Betrieb der Kaserne ausgeübt hat.
c) Es ist auch glaubhaft, dass die Klägerin in der Kaserne aus eigenem Willensentschluss gearbeitet hat.
aa) Hierfür sprechen zunächst ihre eigenen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Die Klägerin hat schon im Widerspruchsverfahren und zuletzt im Fragebogen des Senates erläutert, dass sie sich nach Vollendung des 14. Lebensjahres aus Angst vor Deportation um Arbeit bemüht habe. Daher habe sie sich an den "Verwalter" M gewandt, der entsprechende Kräfte für die Kaserne gesucht habe. Im Ghetto habe die Meinung geherrscht, dass die Waffen-SS ein "guter Arbeitsplatz" sei. Sie sei während der Arbeitsausübung in der Kaserne die ganze Zeit über korrekt behandelt worden. Bereits mit dem Rentenantrag hat die Klägerin angegeben, die in der Kaserne tätigen Arbeitskräfte seien von dem "Verwalter" M mit dem Wagen vom Ghetto abgeholt und abends wieder zurückgebracht worden. Ausgehend von diesen in sich widerspruchsfreien Angaben ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschäftigung der Klägerin in der Kaserne aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist. Die Klägerin hat sich aus eigenem Antrieb um Arbeit bemüht und sich dabei auch gegen die Arbeitsaufnahme entscheiden können. Eine entscheidende hoheitliche Überlagerung durch obrigkeitliche Einflussnahme auf die Beschäftigungsaufnahme oder -ausübung, die zur Annahme von Zwangsarbeit führen würde, ist nicht erkennbar. Die verrichteten Arbeiten (Reinigungsarbeiten bzw. Bedienungstätigkeiten) sind ihrer Art nach im Rahmen eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses vorstellbar. Auch die Behandlung während der Arbeit spricht eher für eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Der Transport durch den Verwalter M ist einer Bewachung, z.B. durch Ghettopolizei oder SS, auf dem Weg zur Arbeit nicht gleichzusetzen. Insofern bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den (die seinerzeitige Entscheidung ohnehin nicht tragenden) Überlegungen des BSG, auch die Bewachung auf dem Weg zur Arbeit könne schon für Zwangsarbeit sprechen (vgl. Urteil v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1; Rdnr. 40). Insbesondere kann unentschieden bleiben, ob eine Bewachung auf dem Weg zur Arbeit außerhalb des Ghettos im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG nicht schon deshalb unbeachtlich bleiben muss, weil sie sich lediglich als "verlängerter Arm" des zwangsweisen Aufenthalts im Ghetto darstellt. Dass die Klägerin die Arbeit schließlich aus Angst vor Deportation aufgenommen hat, ist als außerhalb der Beschäftigung liegendes und in der Sphäre "Lebensbereich" wurzelndes Motiv ebenfalls ohne Bedeutung.
bb) Die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin wird durch ihre Angaben im Entschädigungsverfahren nicht in Zweifel gezogen.
(1) Das gilt zunächst, soweit sie ihre Tätigkeit in der Kaserne u.a. in der Begründung des Entschädigungsantrags vom 12.09.1954 als "Zwangsarbeit" bezeichnet hat. Die Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeit" gibt, wie das BSG bereits ausdrücklich entschieden hat, wegen seiner subjektiven Prägung keinen Aufschluss über die konkreten Arbeitsbedingungen (BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R). Im Gegenteil ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Verfolgte alle während ihres zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto ausgeübten Beschäftigungen auch im Nachhinein als Zwangsarbeit empfunden haben. Es kommt hinzu, dass die hier maßgebliche Differenzierung zwischen "freier" Beschäftigung und "unfreier" Zwangsarbeit auf den Besonderheiten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beruht und weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch im historischen Verständnis zwingend in gleicher Weise nachvollzogen werden muss. Dementsprechend ist in der Literatur noch im Jahr 2001 mit Blick auf das Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) die - im Nachhinein bestätigte - Annahme geäußert worden, die Partnerorganisationen der Stiftung würden im Rahmen der von ihnen festzustellenden Leistungsberechtigung den Begriff der "Zwangsarbeit" nicht in gleicher Weise abgrenzen wie die deutsche Rentenversicherung (vgl. Gerhard, AmtlMittLVARheinprovinz 2001, 36, 38).
(2) Soweit die Klägerin im Entschädigungsverfahren angegeben hat, sie sei "während der ganzen Verfolgungszeit schwer misshandelt, oft geschlagen und zu schweren physischen Zwangsarbeiten" verwendet worden (Erklärung v. 20.10.1965), lässt dies keine Zuordnung zu einem genauen Zeitraum und vor allem zu der Tätigkeit in der Gramatykastraße zu. Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin die Züchtigungen eindeutig ihrer Tätigkeit im ZAL Plaszów zugeordnet. Zwar hat sie demgegenüber am 18.06.1970 erklärt, sie sei auch im Ghetto Krakau des öfteren geschlagen worden, dies jedoch näher mit angeblicher "Schlechtleistung" zur Unzufriedenheit der Arbeitsaufseher begründet. Auch wenn man dies als zutreffend unterstellt, darf man bei der Beurteilung der Frage, ob sich solche Züchtigungen mit der Vorstellung einer "korrekten" Behandlung noch vereinbaren lassen und welche Auswirkungen sie auf die Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses haben, den zeitgeschichtlichen Zusammenhang nicht außer Betracht lassen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Arbeitsaufnahme gerade erst das 14. Lebensjahr vollendet hatte und bei gleichaltrigen Lehrlingen im Reichsgebiet und selbst später im Bundesgebiet bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 127a Gewerbeordnung (GewO) durch Gesetz v. 27.12.1951 (BGBl. I, S. 1007) nach § 127a Abs. 2 GewO in der Fassung des Gesetzes betreffend die Abänderung der GewO v. 26.07.1897 (RGBl I., S. 663) lediglich "übermäßige und unanständige Züchtigungen sowie jede die Gesundheit gefährdende Behandlung" verboten waren, obwohl für Lehrlinge vielfach Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestand. Diese Überlegungen sollen und können Züchtigungen am Arbeitsplatz, gleich warum und gegenüber wem, in keinem Fall rechtlich oder moralisch rechtfertigen. Sie zeigen aber andererseits, dass solche Züchtigungen, wie missbilligenswert sie auch sein mögen, nicht zwingend zur Annahme von Zwangsarbeit und damit zum Verlust des sozialen Schutzes durch die Rentenversicherung führen müssen. Zu den körperlichen Belastungen durch die geleistete Arbeit insgesamt ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der die Klägerin und ihre Familie schon zu Ghettozeiten behandelnde Arzt Dr. C in seiner Erklärung v. 28.03.1966 ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin erst ab ihrem Aufenthalt im ZAL Plaszów beschrieben hat.
cc) Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände ihrer Arbeitsaufnahme in der Kaserne sowie ihre Darstellung, sie sei dort aus eigenem Willensentschluss tätig gewesen, werden durch die glaubhaften Angaben von Frau B gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Sie finden überdies eine Stütze im beigezogenen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Golczewski aus dem Verfahren L 13 R 50/06, wo ausgeführt wird, gegen eine zwangsweise Rekrutierung von Arbeitskräften für Waffen-SS-Einrichtungen spreche das Interesse der Ghettobewohner an einer regelmäßigen, mit Arbeitsausweis (bzw. Kennkarte) belegten Tätigkeit. Überdies sei bei solchen Arbeitsverhältnissen eine geregelte Entlohnung sichergestellt gewesen (vgl. S 16).
dd) Ohne Erfolg hält die Beklagte dieser Beurteilung entgegen, nach ihrer Einschätzung müsse es sich bei dem "Wagen" des "Verwalters" M um einen Lkw gehandelt haben, was dafür spreche, dass die Klägerin zu einem vom Judenrat zu stellenden Zwangsarbeiterkontingent gezählt habe. Sinngemäß formuliert die Beklagte damit einen entsprechenden Erfahrungssatz, mit dem sie die Glaubhaftigkeit der individuellen Angaben der Klägerin zu erschüttern versucht. Indessen gelten für solche Erfahrungssätze dieselben Maßstäbe, die das BSG allgemein für die Feststellung historischer Umstände im Rahmen von Verfahren nach dem ZRBG aufgestellt hat. Es dürfen nur solche Tatsachen verwertet werden, zu deren Beurteilung die erforderliche Sachkunde besteht und belegt werden kann (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 4). Insofern steht der Annahme, in Einrichtungen der SS bzw. Waffen-SS seien typischerweise Zwangsarbeiterkontingente tätig gewesen, bereits die dargestellte abweichende Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski entgegen, derzufolge solche Arbeitsplätze jedenfalls im Ghetto Krakau begehrt gewesen sind. Woher die Beklagte demgegenüber ihre Sachkunde bezieht, dass Zwangsarbeiterkontingente typischerweise mit Lkws zur Arbeit transportiert worden seien, hat sie trotz Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung nicht erläutern geschweige denn belegen können. Der Senat sieht sich auch nicht gedrängt, dieser Behauptung von Amts wegen nachzugehen. Wie fern liegend sie ist, zeigt eine einfache Kontrollüberlegung: Wenn nämlich der Transport zur Arbeit mit dem Lkw ein Abgrenzungsmerkmal zugunsten von Zwangsarbeit wäre, müsste umgekehrt der Grundsatz gelten, dass freiwillig Beschäftigte typischerweise zu Fuß zu ihrer Arbeitsstelle gegangen sind. Das jedoch wird auch die Beklagte bei nochmaligem Überdenken ihrer Argumentation nicht behaupten wollen.
8. Schließlich ist glaubhaft, dass die Klägerin ihre Beschäftigung in der Kaserne gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) ZRBG) ausgeübt hat.
a) Entgelt in diesem Sinne ist als ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1). Maßgebend sind dabei die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (a.F.). Zum Entgelt gehörten dabei nach § 160 a.F. neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhielt. Jedoch war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, versicherungsfrei (§ 1227 RVO a.F.; vgl. zum Folgenden außerdem BSG, Urteil vom 30.11.1983, 4 RJ 87/92; Mentzel/Schulz/Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte, 1913, § 7 Anm. 3; RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, 1930, § 1227 RVO Anm. 1 ff.). Als freier Unterhalt i.S.v. § 1227 RVO a.F. ist dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist, nicht aber das, was darüber hinausgeht. Zum freien Unterhalt gehören insbesondere Unterkunft, Beköstigung und Kleidung. Die betreffenden Sachbezüge müssen nach Art und Maß zur Bestreitung des freien Unterhalts geeignet und bestimmt sein. Das ist der Fall, wenn sie in geringem Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten gewährt werden. Bei Gewährung von Lebensmitteln ist daher zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden (dann freier Unterhalt) oder aber zur beliebigen Verfügung, wie es z.B. bei Deputaten der Fall ist. Die Grenze des freien Unterhalts ist insbesondere dann überschritten, wenn die gewährte Menge erheblich das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigt. Das ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die gewährten Sachbezüge ausreichen, nicht nur den freien Unterhalt des Beschäftigten selbst, sondern auch eines nicht bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Familienangehörigen sicherzustellen (vgl. VDR, Kommentar zur RVO, 5. Aufl., 1954, § 1228 Rdnr. 5). Werden demgegenüber anstelle des freien Unterhalts auch nur auch geringe Geldbeträge zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts gegeben, so ist dies keine freie Unterhaltsgewährung mehr. Geldleistungen stehen demnach der Gewährung des freien Unterhalts nicht gleich, auch wenn sie den unbedingt zum Lebensunterhalt erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nicht einmal erreichen. Allerdings geht die bisherige Rechtsprechung davon aus, dass das Entgelt eine Mindesthöhe erreichen muss, damit man von einer entgeltlichen versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgehen kann. Bei Barzahlung neben freiem Unterhalt reicht es aus, wenn das Entgelt die Grenze von einem Sechstel bis einem Drittel Ortslohn überschritt.
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze reichen die der Klägerin als Gegenleistung für ihre Arbeit gewährten Bezüge aus, um Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen.
aa) Die Klägerin hat zunächst glaubhaft erklärt, dass sie Sachbezüge in Form von Mittagsverpflegung an ihrer Arbeitsstelle erhalten hat. In seinem Sachverständigengutachten im Verfahren L 4 (18) R 62/05 hat Prof. Dr. Golczewski insoweit ausgeführt, dass die am Arbeitsplatz gewährte Verpflegung in der Regel besser als die von den Ghettoküchen ausgegebene gewesen sei, sodass sie einen wesentlichen Aspekt des Überlebens dargestellt habe. Darüber hinaus ist glaubhaft, dass die Klägerin für ihre Arbeit "ein paar Zloty" erhalten hat, die zum Erwerb einer täglichen Portion von Knödeln bei einer polnischen Frau in der Nachbarschaft der Kaserne ausreichten. Es bestehen keine Bedenken, dieser erlebnisfundierten Darstellung zu folgen. Insbesondere sprechen auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski nicht gegen sie. Danach waren deutsche Einrichtungen grundsätzlich zur Entlohnung jüdischer Arbeitskräfte verpflichtet, wobei Prof. Dr. Golczewski eingeräumt hat, dass die Zahlungen jedenfalls nicht durchgängig stattgefunden haben müssen. Andererseits hat er solche Zahlungen auch nicht für ausgeschlossen gehalten, sondern vielmehr erläutert, dass sie örtlich unterschiedlich entweder an die Arbeitskraft selbst oder an den Judenrat geflossen sein könnten (vgl. im Einzelnen S. 10 f. des Gutachtens im Verfahren L 13 R 50/06). Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung der Klägerin als jedenfalls gut möglich anzusehen.
bb) Die gewährte Gegenleistung überschreitet in der Gesamtschau das Maß freien Unterhalts.
(1) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass das der Klägerin neben dem freien Unterhalt am Arbeitsplatz gezahlte Entgelt der Höhe nach zumindest ein Sechstel des üblichen Ortslohns überschritten hat. Insofern kann freilich nicht auf Angaben der Klägerin zurückgegriffen werden, die sich - was nach einem Zeitablauf von mehr als 60 Jahren ohne weiteres verständlich ist - an die Entgelthöhe nicht mehr erinnern kann. Diese Erinnerungslücke kann jedoch ausreichend durch die Ausführungen von Prof. Dr. Golczewski geschlossen werden (vgl. zum Folgenden: Gutachten im Verfahren L 4 (18) R 62/05, S. 19 ff.). Zur Bestimmung des Ortslohns ist danach davon auszugehen, dass nicht-jüdische Arbeiter 1940/41 zwischen 150 und 300 Zloty im Monat verdienten und diese Verdienstspannen bis 1944 auf etwa 800 bis 1200 Zloty wuchsen, wobei dieser hohe Zuwachs auf eine von den deutschen Machthabern im Generalgouvernement bewusst forcierte Inflation zurückzuführen ist. Geht man auf der Grundlage einer realistischen Schätzung von einem Monatslohn von 300 Zloty für ungelernte Arbeiter im Jahr 1942 aus, so ergibt dies einen Wochenlohn von 75 Zloty, wovon 1/6 12 bis 13 Zloty entspricht. Stellt man dem die Preise gegenüber, die Prof. Dr. Golczewski für Nahrungsmittel angegeben hat (z.B.: 60 Groschen für ein Ei im Jahr 1941, 5,7 Zloty im Jahre 1944), so wird deutlich, dass die Klägerin mindestens in der Größenordnung eines Sechstel Ortslohns verdient haben muss, wenn sie von dem betreffenden Geld in der Lage war, täglich bei einer Verkäuferin in der Nähe ihrer Arbeitsstätte Knödel zu erwerben.
(2) Dass die Klägerin nennenswertes Entgelt erhalten hat, ergibt sich darüber hinaus auch aus dem Umstand, dass sie glaubhaft jedenfalls zum Teil über den eigenen Unterhalt hinaus zum Familienunterhalt beitragen konnte. Zwar hat die Zeugin B angegeben, neben dem Vater der Klägerin habe auch die Mutter im Ghetto gearbeitet. Andererseits hat die Klägerin an zwei Stellen ihre Bedeutung für den Familienunterhalt unterstrichen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang zum vorliegenden Verfahren stehen und daher einen erheblichen Beweiswert haben: Ihr Enkel N P hat in seiner Projektarbeit für die 7. Klasse im März 2007 aus der Erinnerung seiner Großmutter berichtet, das Überleben der Familie - zu der seinerzeit auch noch der dann im Zusammenhang mit der Liquidation des Ghettos im März 1943 im Alter von 12 Jahren ermordete Bruder S gehörte - sei maßgeblich auch dank der Arbeit der Klägerin sichergestellt worden. In dieselbe Richtung weist die anamnestische Darstellung des Psychiaters Dr. B vom 14.09.1972, in der es sinngemäß heißt, die Klägerin habe "versuchen müssen, etwas Essen ins Ghetto zu ihrer Familie zu ‚bringen’".
9. Die Klägerin erhält für ihre Arbeit im Ghetto Krakau keine anderweitigen Leistungen aus einem System sozialer Sicherheit. Da sie sich seit 1950 in Israel aufhält, kommen insoweit nur Leistungen aus einem dortigen Sicherungssystem in Betracht. Insofern ist für den Senat aus einer Vielzahl von Streitverfahren nach dem ZRBG offenkundig (§ 202 SGG i.V.m. § 291 ZPO) und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch unstreitig, dass in den Leistungen der israelischen Nationalversicherung ausschließlich Zeiten ab deren Einrichtung im Jahr 1954 Berücksichtigung finden, nicht jedoch Zeiten nationalsozialistischer Verfolgung.
10. Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert schließlich nicht daran, dass die Klägerin eine Entschädigung nach dem EVZStiftG erhalten hat. Ohnehin wird diese Entschädigung, wie die JCC mitgeteilt hat, nicht aufgrund des im Ghetto Krakau, sondern des im Arbeitslager Lichtenwerden erlittenen Verfolgungsschicksal gewährt. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an. Wie der Senat nämlich bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 S. 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (Senat, Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).
II.
Auf die Wartezeit von 60 Monaten sind neben den acht Monaten Beschäftigungszeiten 48 Beitragsmonate anrechenbar, die die Klägerin in Israel zurückgelegt hat (Art 20 Abs. 1 DISVA).
Die danach noch fehlenden vier Monate ergeben sich aus dem Ersatzzeitentatbestand gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, der jedenfalls von der Deportation ins ZAL Plaszów bis zur Befreiung am 08.05.1945 entsprechend den Feststellungen im Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz nachgewiesen ist, darüber hinaus auch durch die Ghettoaufenthaltszeiten ohne Beschäftigung im Anschluss an die Tätigkeit bei der Waffen-SS (d.h. ab November 1942). Es bedarf daher für die Feststellung des Anspruchs auf Regelaltersrente keiner zusätzlichen Entscheidung, ob aufgrund der Angaben des Internisten Dr. C auch bis zum 31.12.1945 von einer Anschlussersatzzeit im Sinne einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist (§ 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI).
III.
Da die Klägerin ihren Rentenantrag am 09.01.2003 gestellt hat, beginnt die Rente am 01.07.1997 (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ZRBG i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 1 ZRBG).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat keinen Anlass gehabt, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Sämtlich angesprochenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des BSG bereits hinreichend geklärt. Der vorliegende Rechtsstreit wirft ausschließlich Fragen der einzelfallbezogenen Beweiswürdigung auf.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten im Ghetto Krakau.
Die am 00.00.1927, unter dem Geburtsnamen C in Krakau geborene jüdische Klägerin, die früher die polnische Staatsangehörigkeit hatte und jetzt israelische Staatsangehörige ist, hielt sich zwangsweise von März 1941 bis März 1943 im Ghetto Krakau, anschließend im Zwangsarbeitslager (ZAL) Plaszów, in den Monaten Oktober 1944 und November 1944 im Konzentrationslager (KL) Auschwitz-Birkenau und danach bis zu ihrer Befreiung am 08.05.1945 im ZAL Lichtenwerden auf. 1950 wanderte sie von Krakau nach Israel aus. Aufgrund ihres Verfolgungsschicksals ist sie als Verfolgte gemäß § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz v. 16.10.1959). Auch der erlittene Gesundheitsschaden wurde anerkannt (Vergleich vom 27.03.1975). In der israelischen Nationalversicherung hat die Klägerin insgesamt 48 Beitragsmonate zurückgelegt.
Zur Begründung ihres Entschädigungsantrags gab die Klägerin am 12.09.1954, sie sei als Jüdin zusammen mit ihren Eltern Anfang März 1941 in das Ghetto Krakau zwangsumgesiedelt und während ihres bis zur Ghettoliquidierung (13.03.1943) dauernden Zwangsaufenthaltes in der Renkawka, sodann in der Jósefinska und der Krakusastraße untergebracht worden. Sie habe als Jüdin seit ungefähr November bzw. Dezember 1939 die Judenarmbinde mit dem Davidstern tragen müssen und Zwangsarbeit bei Bedienungsarbeiten in den SS-Kasernen und sodann in der sog. Großschneiderei als Schneiderei-Hilfsarbeiterin verrichtet. Aufenthalt und Tätigkeiten wurden von den Zeugen K T, N L und N M bestätigt. In einer weiteren Erklärung vom 20.10.1965 gab die Klägerin an, sie sei während der ganzen Verfolgungszeit schwer misshandelt, oft geschlagen und zu schweren physischen Zwangsarbeiten verwendet worden. Am 28.03.1966 bekundete der Internist Dr. B C, er sei mit der Familie der Klägerin im Krakauer Ghetto und im Lager Plaszów gewesen, wo er einzelne Mitglieder dieser Familie oft ärztlich behandelt habe. Er erinnere sich, dass die Klägerin eine lange Zeit wegen Scharlachs mit nachfolgender Gelenksentzündung sowie wegen eines Bauchtyphus auf der Infektionsabteilung des Lagerspitals in Plaszów hospitalisiert gewesen sei. Am 18.06.1970 erklärte die Klägerin selbst: "Im Ghetto Krakau und ZAL Plaszów, wo ich schwere Zwangsarbeiten leisten musste, wurde ich auch des öfteren geschlagen. Ich stammte aus einem reichen Elternhause, war ein verwöhntes Kind und konnte die verlangten Arbeiten nicht nach Wunsch leisten, was die Wut der Arbeitsaufseher gegen mich hervorgerufen hat." Am 14.09.1972 gab der Psychiater Dr. B ein medizinisches Zeugnis über die Klägerin ab, demzufolge sie bis 1943 als Hausmädchen in den Wohnquartieren der "SS-Luftwaffe" arbeiten musste. Ihre Lebensbedingungen seien ziemlich hart gewesen, da sie viele Stunden am Tag habe arbeiten und zudem versuchen müssen, etwas Essen ins Ghetto zu ihrer Familie zu "bringen".
Einen ersten, am 11.06.1990 gestellten Rentenantrag der Klägerin, mit dem diese die Zeit von Februar 1946 bis Dezember 1948 als Beitragszeit wegen einer Beschäftigung als Arbeiterin in einer Kürschnerwerkstatt geltend machte, lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin zu dem Zeitpunkt, als sich der nationalsozialistische Herrschaftsbereich auf ihr Heimatgebiet erstreckte, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe (Bescheid v. 22.12.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 23.04.1998). Am 09.01.2003 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Regelaltersrente, diesmal gestützt auf Ghettobeitragszeiten. Sie gab an, sie habe in der Zeit von März 1941 bis März 1943 in der "Waffen-SS-Kaserne Gramatyka" an der Gramatykastraße im nördlichen Teil von Krakau gearbeitet. In der Zeit von März bis Oktober 1942 sei die Beschäftigung außerhalb des Ghettos erfolgt, bei allerdings täglicher Rückkehr ins Ghetto. Der Verwalter M habe sie mit dem Wagen zur Arbeit und abends wieder ins Ghetto gebracht. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig zustande gekommen. Sie habe Säuberungsarbeiten in der Kaserne verrichtet und dort auch bedient. Die Arbeitszeit habe 10 bis 12 Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche betragen. Die Entlohnung habe einmal täglich in einer Suppe am Mittag und an jedem Samstag in ein paar Zloty bestanden. Sie wisse nicht mehr, wie viel Zloty sie bekommen habe. Aber sie erinnere sich gut, dass sie für eine tägliche Entlohnung eine gute Portion von Knödeln bei einer polnischen Frau in der Nachbarschaft vom Arbeitsplatz habe bekommen können.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte der Klägerin bei und holte eine Auskunft der Jewish Claims Conference (JCC) - Zwangsarbeiterfonds - ein. Sodann lehnte sie den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht den Erhalt eines wesentlichen Entgelts angegeben. Zudem habe sie im Entschädigungsverfahren erklärt, erst in einer Kaserne und anschließend in einer Schneiderei gearbeitet zu haben. Sie habe unter Hunger und Kälte gelitten und sei öfters während der Arbeit geschlagen worden (Bescheid v. 17.08.2005). Im Widerspruchsverfahren gab die Klägerin am 06.11.2005 in einer weiteren freien Erklärung an, die Knödel und die am Arbeitsplatz erhaltene Suppe hätten einen substantiellen Beitrag zu ihrer Ernährung ausgemacht. Sie habe sich zur Arbeit in der Kaserne gemeldet, um nicht arbeitslos zu sein. Eine Arbeit zu finden, die tatsächlich eine Zwangsarbeit gewesen sei, sei der einzige Weg gewesen, das Todesurteil zu verzögern. In der Schneiderei habe sie im Wesentlichen erst in Plaszów von März 1943 bis Oktober 1944 gearbeitet. Geschlagen worden sei sie in den Lagern Plaszów, Auschwitz und Lichtenwerden. Mit Widerspruchsbescheid v. 07.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid zurück.
Mit der zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, sie habe aus eigenem Willensentschluss insbesondere zur Vermeidung einer Deportation gearbeitet. Zur Entgeltlichkeit der Beschäftigung hat sie sich darauf berufen, dass sie nach den im Generalgouvernement geltenden Bestimmungen einen Anspruch auf Entgeltzahlung gehabt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG für von ihr während des Aufenthaltes im Ghetto von Krakau zurückgelegte Zeiten einer Beschäftigung von März 1941 bis März 1943 sowie unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 SGB VI ab 01.07.1997 eine Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 02.02.2007). Soweit die Klägerin behauptet habe, für ihre Arbeiten zusätzliche Lebensmittel oder Geld für Lebensmittel erhalten zu haben, handele es sich um freien Unterhalt. Auch soweit ihr Lebensmittel zur Mitnahme nach Hause ausgehändigt worden seien, sei nicht erkennbar, dass sie beliebig hierüber habe verfügen können. Jedenfalls hätten die gewährten Leistungen in keinem angemessenen Verhältnis zur Arbeitsleistung gestanden. Schließlich habe die Klägerin auch nicht freiwillig gearbeitet, sondern angegeben, im Ghetto Misshandlungen ausgesetzt gewesen und oft geschlagen worden zu sein.
Mit der Berufung hat die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und zudem einen Auszug aus der Arbeit "Shorashim" ihres Enkels N P vorgelegt, die sich auf ihr Verfolgungsschicksal bezieht und im März 2007 als Projekt in der 7. Schulklasse eingereicht worden ist. Dort heißt es auszugsweise: "Meiner engsten Familie gelang es bis zur Liquidierung des Ghettos am 14.03.1943 zu überleben, hauptsächlich dank der Tatsache, dass ich und mein Vater gearbeitet haben."
Mit ihrer Antwort auf einen detaillierten Fragebogen des Senats trägt die Klägerin im Einzelnen vor: Sie habe in der Kaserne der Waffen-SS von März 1942 bis Ende Oktober 1942 gearbeitet. In der Großschneiderei habe sie nicht schon im Ghetto, sondern erst im ZAL Plaszów gearbeitet. Im Ghetto habe sie sich lediglich Anfang März 1943 an Arbeiten zur Vorbereitung der Arbeitsaufnahme der Schneiderei in Plaszów beteiligt. Da sie im Dezember 1941 das 14. Lebensjahr vollendet habe, sei sie arbeitspflichtig und im Hinblick auf die Gefahr der Deportation unruhig gewesen, dass sie keinen Arbeitsplatz habe. Im März 1942 habe sie im Ghetto den Verwalter M aus der "SS-Gramatyka Kaserne" gesehen, der Leute zu Bedienungsarbeiten gesucht habe. Sie habe sich an ihn gewandt, ihn um Arbeit gebeten und sei akzeptiert worden. Sie habe in der Kaserne Reinigungsarbeiten (Zimmer und Fenster putzen, Abfälle wegräumen) gemäß den Instruktionen des Verwalters geleistet. Hierzu sei sie nicht gezwungen worden. In der Mittagspause habe sie eine Suppe gegessen und noch Zeit gehabt, bei der polnischen Frau, die neben der Kaserne gewohnt habe, ein Mehlspeise zu kaufen und zu essen oder mitzunehmen. Während der Arbeit in der Kaserne sei sie korrekt behandelt worden, während man sie in der Großschneiderei und des Aufenthalts in Plaszów vielfach geschlagen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.12.2008 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.02.2007 sowie unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung von Ghettobeitragszeiten von März 1942 bis Oktober 1942 sowie unter Berücksichtigung von Verfolgungsersatzzeiten Regelaltersrente ab 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Verwaltungsentscheidungen und das erstinstanzliche Urteil. In der mündlichen Verhandlung trägt der Vertreter der Beklagten vor, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin auch in der Kaserne Zwangsarbeit geleistet habe. So habe sie im Entschädigungsverfahren vorgetragen, dort geschlagen worden zu sein. Zudem spreche der Umstand, dass sie mit einem Wagen (hierbei könne es sich nur um einen Lastkraftwagen gehandelt haben) zur Arbeit gebracht worden sei, dafür, dass sie zu einem Zwangsarbeiterkontingent gehört habe, zu dessen Stellung der Judenrat verpflichtet gewesen sei. Derartige Kontingente seien typischerweise auf Lkws transportiert worden. Zudem habe die Beklagte grundsätzliche Bedenken, den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski zu folgen. Sie habe den Eindruck gewonnen, der Sachverständige versuche, die Kläger zu rechtfertigen.
Der Senat hat eine Auskunft der JCC - Zwangsarbeiterfonds - eingeholt. Danach hat die Klägerin eine Entschädigung aufgrund ihres Verfolgungsschicksals im Arbeitslager Lichtenwerden in den Jahren 1944 und 1945 erhalten. Eine Rente vom Art-2-Fonds und Leistungen aus dem Härtefonds seien nicht beantragt worden. Weiter hat der Senat die von der Klägerin benannten Zeugin T B schriftlich gehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Antwort von Frau B Bezug genommen. Darüber hinaus sind die von Prof. Dr. Golczewski in den Streitsachen L 13 R 50/06 und L 4 (18) R 62/05 erstatteten Sachverständigengutachten beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakte der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem Umfang, in dem die Klägerin sie in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat, begründet. Die Klage, die die Klägerin hinsichtlich der anzuerkennenden Ghettobeitragszeiten in zulässiger Weise (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) auf die Zeit von März bis Oktober 1942 beschränkt hat, ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten für März bis Oktober 1942.
Der Anspruch auf Altersrente folgt aus § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 maßgebenden Fassung (a.F.; vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI) auch dann, wenn er auf Ghettobeitragszeiten gestützt wird. Die Bestimmungen des ZRBG stellen demgegenüber keine eigenständige Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente dar (BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4). Die Vorschriften des SGB VI sind trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin (vgl. § 30 Abs. 1 1. Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG, Urteil v. 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG, Urteil v. 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 48 Nr. 17).
Nach § 35 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie (wie die am 25.12.1927 geborene Klägerin seit dem 25.12.1992) das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt haben. Die Wartezeit von 5 Jahren kann mit Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI erfüllt werden, wobei Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 SGB VI allerdings nur dann Berücksichtigung finden, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt (BSG, Urteil v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, m.w.N.). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Die Klägerin hat die Wartezeit von 60 Monaten mit 8 Monaten Ghettobeitragszeiten (dazu unter I.), 48 Monaten Beitragszeiten, die nach dem deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) anrechenbar sind, und mindestens 4 Monaten an Ersatzzeiten (dazu unter II.) erfüllt.
I.
Auf die Wartezeit sind Ghettobeitragszeiten von März bis Oktober 1942 nach § 2 Abs. 1 ZRBG anzurechnen. Nach dieser Vorschrift gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Gemäß § 1 ZRBG muss die Klägerin sich als Verfolgte (1.) in einem Ghetto (2.), das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat (3.), zwangsweise aufgehalten (4.) haben. Zudem muss sie eine Arbeit (5.) in diesem Ghetto (6.) ausgeübt haben, die eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss (7.) gegen Entgelt (8.) darstellte und für die die Klägerin nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erhält (9.). Ferner darf die Anerkennung des Anspruchs nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen sein (10.). Beweismaßstab ist die Glaubhaftmachung (§ 1 Abs. 2 ZRBG i. V. m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale muss also nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich sein, d. h. es muss mehr für als gegen sie sprechen, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss v. 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900, § 15 Nr. 4). Die genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
1. Die Klägerin ist Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG. Der Begriff des Verfolgten entspricht demjenigen des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 3). Die Klägerin ist als Verfolgte gemäß § 1 Abs. 1 BEG anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz v. 16.10.1959). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieses Bescheides, sodass seine Bindungswirkung für die Beklagte dahingestellt bleiben kann.
2. In Krakau hat im nunmehr noch geltend gemachten Zeitraum (März bis Oktober 1942) ein Ghetto bestanden. Als Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG ist eine Stadt, ein Stadtteil oder -viertel anzusehen, wo die jüdische Bevölkerung untergebracht wurde, und zwar im Wege der Absonderung, Konzentration und Internierung (vgl. Senat, Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04 [rkr.], sozialgerichtsbarkeit.de). Die Existenz eines diesen Erfordernissen entsprechenden Ghettos im Streitzeitraum ist durch das von Prof. Dr. Golcezwski im Verfahren L 13 R 50/06 erstattete Gutachten belegt. Danach ist von der Schließung des Krakauer Ghettos am 21.03.1941 (S. 2 des Gutachtens) und der Räumung am 13./14.03.1943 (S. 3 des Gutachtens) auszugehen. Die Richtigkeit dieser Feststellungen ist im Übrigen von der Beklagten auch nicht bezweifelt worden.
3. Krakau hat im sog. Generalgouvernement, Distrikt Krakau, und damit einem vom Deutschen Reich im Anspruchszeitraum besetzten und ihm angegliederten Gebiet gelegen (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17).
4. Die Klägerin hat sich jedenfalls in der Zeit von März bis Oktober 1942 zwangsweise im Ghetto Krakau aufgehalten. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig, aber durch die zahlreichen Zeugenaussagen in den verschiedenen seitens der Klägerin angestrengten Verfahren zumindest glaubhaft gemacht. Die Klägerin ist als Verfolgte iS des § 1 BEG anerkannt. Der Anerkennungszeitraum umfasst auch den Zeitraum des Aufenthalts im Ghetto Krakau. Damit ist zugleich der Tatbestand des zwangsweisen Aufenthalts dort glaubhaft.
5. Es ist glaubhaft, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts im Ghetto Krakau in der Zeit von März 1942 bis Oktober 1942 in einer Einrichtung der Waffen-SS (sog. Kaserne "Gramatyka" oder Kaserne an der Gramatyka-Straße, im Folgenden: Kaserne) Arbeiten verrichtet hat, die denen einer Haushaltshilfe entsprachen und im Wesentlichen im Reinigen und Bedienen bestanden.
a) Die Klägerin selbst hat durchgängig im Entschädigungs- wie Rentenverfahren angegeben, sie habe zunächst in einer "SS-Kaserne" Arbeiten verrichtet, die sie mal als Säuberungs-, mal als Bedienungsarbeiten beschrieben hat. Im Rentenverfahren hat sie beide Tätigkeiten genannt. In der psychiatrischen Anamnese von Dr. B (1972) ist diese Arbeit mit dem Begriff "handmaiden", also Haushaltshilfe, bezeichnet worden. Im Fragebogen des Senates hat die Klägerin den Inhalt ihrer Arbeit erneut entsprechend beschrieben, wobei sie die Begriffe "Waffen-SS" und "SS" synonym verwandt hat. Den Zeitraum der Beschäftigung, der im Entschädigungsverfahren offen geblieben ist und dort auch offen bleiben konnte, hat die Klägerin selbst im Fragebogen des Senats auf März bis Oktober 1942 konkretisiert.
b) Die Angaben und Erklärungen der Klägerin sind glaubhaft.
aa) Für ihre Richtigkeit spricht zunächst, dass die Klägerin die wesentlichen Umstände der Arbeit über einen Zeitraum von über 50 Jahren konsistent beschrieben hat. Insbesondere im gerichtlichen Verfahren ist dabei deutlich geworden, dass sie sich um möglichst exakte und wahrheitsgemäße Angaben bemüht hat. So hat sie beispielsweise aus freien Stücken den Zeitraum ihrer Beschäftigung auf die Zeit von März bis Oktober 1942 beschränkt. Ebenso hat sie eingeräumt, dass ihre spätere Tätigkeit in der Großschneiderei die Voraussetzungen einer Ghettobeitragszeit nicht erfüllt. Dabei ist ihr Erinnerungsvermögen offenbar unverändert intakt. So hat sie nicht nur Details wiedergegeben, die sich unmittelbar auf Anspruchsvoraussetzungen beziehen, sondern sich auch an anderweitige Einzelheiten (z.B. die Arbeitsplätze ihrer Eltern) erinnert. Andererseits beweisen ihre Angaben auch die Bereitschaft zur Erinnerungskritik (z.B. hinsichtlich der Arbeitszeiten der Eltern oder der Höhe des vom Vater erzielten Verdienstes). In mehreren Bereichen wirken die Erinnerungen der Klägerin erlebnisfundiert. So hat sie eindrucksvoll den Kauf von Knödeln ("Mehlspeise") bei einer Polin außerhalb des Ghettos in der Nähe der Kaserne geschildert, aber auch die Beendigung ihrer Tätigkeit in der Kaserne (Zurückweisung des "Verwalters" M durch das Wachpersonal des Ghettos).
bb) Die Angaben der Klägerin werden zudem im Entschädigungsverfahren durch die Aussagen der Zeug(inn)en T, L und M gestützt, die jedenfalls auch die Tätigkeit in der "SS-Kaserne" bestätigt haben, im Gerichtsverfahren durch die schriftliche Aussage von Frau B, die ebenso durch Präzision und Detailreichtum wie durch ein beachtliches Maß an Erinnerungskritik überzeugt. So hat Frau B an zahlreichen Stellen freimütig eingeräumt, sich an Details nicht mehr erinnern zu können. Sie hat auch deutlich gemacht, wo ihre Angaben auf Erzählungen der Klägerin beruhen. Ebenso hat sie bereits ihrerseits den Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin in der Kaserne auf Frühjahr bis Herbst 1942 beschränkt. Schließlich spricht für die Authentizität der Antworten, dass diese offensichtlich von Frau B selbst in eigener Handschrift gefertigt worden sind.
Es bestehen keine prozessualen Bedenken, die Angaben von Frau B auf dem ihr übersandten Fragebogen des Senats als Erkenntnisquelle zu verwenden. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine förmliche schriftliche Zeugenvernehmung i.S.v. § 118 SGG i.V.m. § 377 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Indessen ist der Senat nicht gehindert, auf der Grundlage von §§ 106 Abs. 3 Nr. 3, 153 Abs. 1, 155 Abs. 1 SGG Auskünfte auch von Privatpersonen einzuholen, wenn dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ein geeignetes Mittel zur Erforschung des Sachverhalts ist (vgl. BSG, Urteil v. 25.10.1956, 6 RKa 2/56, BSGE 4, 60, 62; BSG, Urteil v. 14.02.1962, 11 RV 400/59, BSGE 16, 182, 187; vgl. auch BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17). Das ist bei den hoch betagten Zeitzeug(inn)en in Verfahren nach dem ZRBG, bei denen jederzeit mit dem Ableben oder dem Eintritt der Erinnerungsunfähigkeit gerechnet werden muss, grundsätzlich zu bejahen. Insbesondere würde das zeitaufwändige und für die Zeug(inn)en belastende Verfahren der Vernehmung im Wege der Rechtshilfe zu unzuträglichen Verfahrensverzögerungen führen. Den auf diese Weise etwas geringeren Anforderungen an Strenge und Förmlichkeit der Beweiserhebung kann durch eine angemessene kritische Bewertung der abgegebenen Auskünfte im Wege der freien Beweiswürdigung Rechnung getragen werden. Insofern bestehen hinsichtlich der Verwertung der Angaben von Frau B im vorliegenden Verfahren jedoch keine Bedenken. Auch die Beteiligten sind ihr nicht entgegengetreten.
cc) Die Angaben der Klägerin sind mit den historischen Erkenntnissen zu den Verhältnissen im Ghetto Krakau zu vereinbaren.
(1) Zwar liegen insoweit keine unmittelbaren Informationen zu einer Einrichtung der Waffen-SS (oder SS) in der Gramatykastraße in Krakau vor. Immerhin bestätigt aber das Gutachten von Prof. Dr. Golczewski in L 13 R 50/06 die Existenz von Einrichtungen der SS, insbesondere aber auch der Waffen-SS im Bereich Krakau (vgl. S. 5 f. des Gutachtens), die auch - wie die Klägerin es angibt - außerhalb des Ghettos gelegen haben. Nachdem sich bislang ohne (aufwändige) weitere Recherchen die genaue Lage der betreffenden Einrichtungen nicht hat feststellen lassen, andererseits aber die Arbeit jüdischer Ghettobevölkerung bei solchen Einrichtungen von dem Sachverständigen für plausibel gehalten wird, erscheinen weitere Ermittlungen zur Entscheidung des vorliegenden Falles insoweit nicht erforderlich.
(2) Der Senat hat keine Bedenken, die von Prof. Dr. Golczewski in anderen Streitigkeiten erstatteten Sachverständigengutachten in das vorliegende Verfahren einzuführen und im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten (§ 118 SGG Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415, 416 ZPO; vgl. BSG, Urteil v. 24.06.1980, 1 RJ 84/79, Juris, m.w.N.). Den erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen pauschalen Bedenken der Beklagten gegen den Beweiswert der Gutachten von Prof. Dr. Golczewski schließt sich der Senat nicht an. Der Vertreter der Beklagten ist seitens des Senates ausdrücklich mehrfach vergeblich aufgefordert worden zu erläutern, inwiefern in den beigezogenen Gutachten das angebliche Bemühen des Sachverständigen zu erkennen sei, die Kläger zu "rechtfertigen". Der Senat hat aufgrund der beigezogenen Gutachten keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen. Er gehört überdies als Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte der Universität Hamburg mit dem Forschungsschwerpunkt "Neuere Geschichte Polens, Russlands/der Sowjetunion und der Ukraine" (vgl. http://www.geschichte.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/europaeischegeschichte/europaeische geschichte.html) zum Kreis derjenigen Sachverständigen, die in besonderer Weise geeignet erscheinen, den Sozialgerichten das erforderliche Maß an Sachkunde (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 4; BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3) zur Aufhellung der geschichtlichen Hintergründe zu vermitteln, und auf den sich dementsprechend auch bereits das BSG im Rahmen seiner Rechtsprechung bezogen hat (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 67/06 R, Juris).
6. Die Arbeit der Klägerin hat, wie von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG gefordert "in einem Ghetto" stattgefunden, obwohl sich die Arbeitsstelle, die Kaserne, außerhalb des Ghettos befunden hat.
Arbeiten, die außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos verrichtet wurden, werden vom ZRBG erfasst, wenn sie Ausfluss der Beschäftigung im Ghetto waren (so BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3 im Anschluss an den Redebeitrag der Abgeordneten Schwaetzer, BT-Plenarprotokoll 14/233, S. 23281). Die Arbeit muss dem Verfolgten zwar von einem Unternehmer mit Sitz im Ghetto angeboten oder von einem solchen Unternehmen bzw. der eingesetzten "Ghetto-Autorität", ggf. ähnlich einer Arbeitnehmerüberlassung oder einer "Arbeitsvermittlung", zugewiesen worden sein. Davon ist hier jedoch auszugehen.
Wie der Sachverständige Prof. Dr. Golczewski im vom Senat beigezogenen Gutachten in der Streitsache L 4 (18) R 62/05 ausgeführt hat (S. 15 des Gutachtens), ist die Organisation des "Judeneinsatzes" in Krakau ab dem 01.09.1940 durch die deutsche Judeneinsatzstelle erfolgt. Deutsche Interessenten, also auch deutsche Dienststellen, sollten sich bei Interesse an jüdischen Arbeitskräften an dieses "deutsche Arbeitsamt" wenden. Es ist daher glaubhaft im Sinne einer guten Möglichkeit, dass auch die Tätigkeit der Klägerin in der Kaserne über die Judeneinsatzstelle und damit eine "Ghetto-Autorität" vermittelt worden ist (vgl. auch Gutachten von Prof. Dr. Golczewski im Verfahren L 13 50/06, S. 8, zu Truppenwirtschaftslagern der SS).
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Klägerin sich nach eigenem Bekunden unmittelbar an den "Verwalter" M gewandt hat und auf diese Weise an ihre Arbeitsstelle in der Kaserne gekommen ist. Zum einen bestätigen die von Prof. Dr. Golczewski zitierten Berichte, dass der Leiter des deutschen Arbeitsamtes bemüht gewesen ist, "sowohl die Bitten der Leiter der verschiedenen Arbeitsstellen als auch die zu erfüllenden Wünsche der Juden" zu berücksichtigen. Insofern spricht der von der Klägerin sinngemäß dargestellte Ablauf einer "Bewerbung" bei dem von ihr als "Verwalter" bezeichneten M nicht dagegen, dass die Vermittlung auf dem hierfür vorgesehenen Weg, nämlich über die deutsche Arbeitsverwaltung erfolgt ist. Diese Beurteilung wird durch den Wortlaut des Runderlasses des in Krakau ansässigen Amtes des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete Nr. 100/40 vom 05.07.1940 gestützt, dessen Ziff. II zufolge jede eigenmächtige Anforderung von Juden zu unterbinden und die Gestellung einer jüdischen Arbeitskraft nur noch beim zuständigen Arbeitsamt zu beantragen war.
Für die Einschaltung einer "Ghettoautorität" in die Vermittlung der Klägerin spricht schließlich auch, dass das Wachpersonal - wie die Klägerin in dem Fragebogen des Senates am Beispiel der Beendigung ihrer Tätigkeit im Oktober 1942 geschildert hat - offensichtlich Einfluss darauf hatte, ob arbeitende Jüdinnen bzw. Juden das Ghetto zu ihrer auswärtigen Arbeitsstelle verlassen durften.
7. Bei der von der Klägerin in der Kaserne ausgeübten Arbeit hat es sich um eine Beschäftigung gehandelt, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) ZRBG).
a) Mit den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG formulierten Tatbestandsmerkmalen der aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt hat der Gesetzgeber an den Begriff des versicherungspflichtigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses angeknüpft, wie er für Arbeitsverhältnisse unter Ghettobedingungen in der sog. Ghettorechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15; vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; v. 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1) konkretisiert worden ist (std. Rechtsprechung des Senates; vgl. nur Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04, sozialgerichtsbarkeit.de m.w.N.).
Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere (aber nicht notwendigerweise) in einem Arbeitsverhältnis. Arbeit in diesem Sinne ist die auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtete, planmäßige Arbeit eines Menschen, gleichviel ob geistige oder körperliche Kräfte eingesetzt werden. Die Arbeit ist nichtselbstständig, wenn sie fremdbestimmt ist, d.h. der Arbeiter dem Weisungs- bzw. Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt und in den organisatorischen Ablauf des Betriebs eingebunden ist. Maßgeblich ist dabei jeweils das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit.
Das Merkmal der "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung" verdeutlicht dabei, dass der Typus des von § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG erfassten Beschäftigungsverhältnisses abzugrenzen ist von einer unter Zwang zustande gekommenen oder verrichteten Arbeit. Diese Abgrenzung kann ebenfalls nur im Einzelfall erfolgen. Sie orientiert sich allerdings an der grundsätzlichen Überlegung, dass eine Arbeit sich um so mehr der Zwangsarbeit annähert, als sie von hoheitlichen Eingriffen überlagert ist, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. In diesem Sinne kann für Zwangsarbeit z.B. die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an ein Unternehmen sprechen, auf die der Arbeiter keinen Einfluss hat. Je nach den Umständen des Einzelfalles gilt dasselbe für die Bewachung während der Arbeit oder die Züchtigung auf der Arbeitsstelle. Auch die Art der zu verrichtenden Arbeiten kann einen Hinweis auf Zwangsarbeit liefern, wenn sie von dem konkreten Betroffenen schlechterdings unter der Annahme eines eigenen Willensentschlusses nicht erwartet werden konnte (ausführlich Senat, Urteil v. 12.12.2007, L 8 R 187/07, sozialgerichtsbarkeit.de).
Demgegenüber ist es für den eigenen Willensentschluss des Arbeiters unerheblich, aus welchen weiteren Motiven die Arbeit aufgenommen wurde. Auch existenzielle Not (z.B. die Angst vor dem Verhungern oder der Deportation in ein Zwangsarbeits- oder Vernichtungslager) schließt das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses daher nicht aus. Dass derartige Motive außer Betracht zu bleiben haben, wird zusätzlich durch § 1 Abs. 1 ZRBG belegt, der den zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto mit den damit typischerweise verbundenen Konsequenzen des Hungers und der Bedrohung mit Deportation und Vernichtung sogar als Tatbestandsmerkmal voraussetzt.
b) Auf dieser Grundlage ist es zunächst glaubhaft, dass die Klägerin in der Kaserne eine "Arbeit" in dem dargestellten Sinne verrichtet hat. Reinigungs- wie Bedienungstätigkeiten sind typischerweise planmäßig auf ein wirtschaftliches Ziel ausgerichtet. Ebenso ist es glaubhaft, dass die Klägerin diese Arbeit nichtselbstständig, d.h. im Sinne einer Eingliederung in den Betrieb der Kaserne ausgeübt hat.
c) Es ist auch glaubhaft, dass die Klägerin in der Kaserne aus eigenem Willensentschluss gearbeitet hat.
aa) Hierfür sprechen zunächst ihre eigenen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Die Klägerin hat schon im Widerspruchsverfahren und zuletzt im Fragebogen des Senates erläutert, dass sie sich nach Vollendung des 14. Lebensjahres aus Angst vor Deportation um Arbeit bemüht habe. Daher habe sie sich an den "Verwalter" M gewandt, der entsprechende Kräfte für die Kaserne gesucht habe. Im Ghetto habe die Meinung geherrscht, dass die Waffen-SS ein "guter Arbeitsplatz" sei. Sie sei während der Arbeitsausübung in der Kaserne die ganze Zeit über korrekt behandelt worden. Bereits mit dem Rentenantrag hat die Klägerin angegeben, die in der Kaserne tätigen Arbeitskräfte seien von dem "Verwalter" M mit dem Wagen vom Ghetto abgeholt und abends wieder zurückgebracht worden. Ausgehend von diesen in sich widerspruchsfreien Angaben ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschäftigung der Klägerin in der Kaserne aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist. Die Klägerin hat sich aus eigenem Antrieb um Arbeit bemüht und sich dabei auch gegen die Arbeitsaufnahme entscheiden können. Eine entscheidende hoheitliche Überlagerung durch obrigkeitliche Einflussnahme auf die Beschäftigungsaufnahme oder -ausübung, die zur Annahme von Zwangsarbeit führen würde, ist nicht erkennbar. Die verrichteten Arbeiten (Reinigungsarbeiten bzw. Bedienungstätigkeiten) sind ihrer Art nach im Rahmen eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses vorstellbar. Auch die Behandlung während der Arbeit spricht eher für eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Der Transport durch den Verwalter M ist einer Bewachung, z.B. durch Ghettopolizei oder SS, auf dem Weg zur Arbeit nicht gleichzusetzen. Insofern bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den (die seinerzeitige Entscheidung ohnehin nicht tragenden) Überlegungen des BSG, auch die Bewachung auf dem Weg zur Arbeit könne schon für Zwangsarbeit sprechen (vgl. Urteil v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1; Rdnr. 40). Insbesondere kann unentschieden bleiben, ob eine Bewachung auf dem Weg zur Arbeit außerhalb des Ghettos im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG nicht schon deshalb unbeachtlich bleiben muss, weil sie sich lediglich als "verlängerter Arm" des zwangsweisen Aufenthalts im Ghetto darstellt. Dass die Klägerin die Arbeit schließlich aus Angst vor Deportation aufgenommen hat, ist als außerhalb der Beschäftigung liegendes und in der Sphäre "Lebensbereich" wurzelndes Motiv ebenfalls ohne Bedeutung.
bb) Die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin wird durch ihre Angaben im Entschädigungsverfahren nicht in Zweifel gezogen.
(1) Das gilt zunächst, soweit sie ihre Tätigkeit in der Kaserne u.a. in der Begründung des Entschädigungsantrags vom 12.09.1954 als "Zwangsarbeit" bezeichnet hat. Die Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeit" gibt, wie das BSG bereits ausdrücklich entschieden hat, wegen seiner subjektiven Prägung keinen Aufschluss über die konkreten Arbeitsbedingungen (BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R). Im Gegenteil ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Verfolgte alle während ihres zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto ausgeübten Beschäftigungen auch im Nachhinein als Zwangsarbeit empfunden haben. Es kommt hinzu, dass die hier maßgebliche Differenzierung zwischen "freier" Beschäftigung und "unfreier" Zwangsarbeit auf den Besonderheiten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beruht und weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch im historischen Verständnis zwingend in gleicher Weise nachvollzogen werden muss. Dementsprechend ist in der Literatur noch im Jahr 2001 mit Blick auf das Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) die - im Nachhinein bestätigte - Annahme geäußert worden, die Partnerorganisationen der Stiftung würden im Rahmen der von ihnen festzustellenden Leistungsberechtigung den Begriff der "Zwangsarbeit" nicht in gleicher Weise abgrenzen wie die deutsche Rentenversicherung (vgl. Gerhard, AmtlMittLVARheinprovinz 2001, 36, 38).
(2) Soweit die Klägerin im Entschädigungsverfahren angegeben hat, sie sei "während der ganzen Verfolgungszeit schwer misshandelt, oft geschlagen und zu schweren physischen Zwangsarbeiten" verwendet worden (Erklärung v. 20.10.1965), lässt dies keine Zuordnung zu einem genauen Zeitraum und vor allem zu der Tätigkeit in der Gramatykastraße zu. Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin die Züchtigungen eindeutig ihrer Tätigkeit im ZAL Plaszów zugeordnet. Zwar hat sie demgegenüber am 18.06.1970 erklärt, sie sei auch im Ghetto Krakau des öfteren geschlagen worden, dies jedoch näher mit angeblicher "Schlechtleistung" zur Unzufriedenheit der Arbeitsaufseher begründet. Auch wenn man dies als zutreffend unterstellt, darf man bei der Beurteilung der Frage, ob sich solche Züchtigungen mit der Vorstellung einer "korrekten" Behandlung noch vereinbaren lassen und welche Auswirkungen sie auf die Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses haben, den zeitgeschichtlichen Zusammenhang nicht außer Betracht lassen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Arbeitsaufnahme gerade erst das 14. Lebensjahr vollendet hatte und bei gleichaltrigen Lehrlingen im Reichsgebiet und selbst später im Bundesgebiet bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 127a Gewerbeordnung (GewO) durch Gesetz v. 27.12.1951 (BGBl. I, S. 1007) nach § 127a Abs. 2 GewO in der Fassung des Gesetzes betreffend die Abänderung der GewO v. 26.07.1897 (RGBl I., S. 663) lediglich "übermäßige und unanständige Züchtigungen sowie jede die Gesundheit gefährdende Behandlung" verboten waren, obwohl für Lehrlinge vielfach Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestand. Diese Überlegungen sollen und können Züchtigungen am Arbeitsplatz, gleich warum und gegenüber wem, in keinem Fall rechtlich oder moralisch rechtfertigen. Sie zeigen aber andererseits, dass solche Züchtigungen, wie missbilligenswert sie auch sein mögen, nicht zwingend zur Annahme von Zwangsarbeit und damit zum Verlust des sozialen Schutzes durch die Rentenversicherung führen müssen. Zu den körperlichen Belastungen durch die geleistete Arbeit insgesamt ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der die Klägerin und ihre Familie schon zu Ghettozeiten behandelnde Arzt Dr. C in seiner Erklärung v. 28.03.1966 ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin erst ab ihrem Aufenthalt im ZAL Plaszów beschrieben hat.
cc) Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände ihrer Arbeitsaufnahme in der Kaserne sowie ihre Darstellung, sie sei dort aus eigenem Willensentschluss tätig gewesen, werden durch die glaubhaften Angaben von Frau B gegenüber dem Senat ausdrücklich bestätigt. Sie finden überdies eine Stütze im beigezogenen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Golczewski aus dem Verfahren L 13 R 50/06, wo ausgeführt wird, gegen eine zwangsweise Rekrutierung von Arbeitskräften für Waffen-SS-Einrichtungen spreche das Interesse der Ghettobewohner an einer regelmäßigen, mit Arbeitsausweis (bzw. Kennkarte) belegten Tätigkeit. Überdies sei bei solchen Arbeitsverhältnissen eine geregelte Entlohnung sichergestellt gewesen (vgl. S 16).
dd) Ohne Erfolg hält die Beklagte dieser Beurteilung entgegen, nach ihrer Einschätzung müsse es sich bei dem "Wagen" des "Verwalters" M um einen Lkw gehandelt haben, was dafür spreche, dass die Klägerin zu einem vom Judenrat zu stellenden Zwangsarbeiterkontingent gezählt habe. Sinngemäß formuliert die Beklagte damit einen entsprechenden Erfahrungssatz, mit dem sie die Glaubhaftigkeit der individuellen Angaben der Klägerin zu erschüttern versucht. Indessen gelten für solche Erfahrungssätze dieselben Maßstäbe, die das BSG allgemein für die Feststellung historischer Umstände im Rahmen von Verfahren nach dem ZRBG aufgestellt hat. Es dürfen nur solche Tatsachen verwertet werden, zu deren Beurteilung die erforderliche Sachkunde besteht und belegt werden kann (vgl. BSG, Urteil v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 4). Insofern steht der Annahme, in Einrichtungen der SS bzw. Waffen-SS seien typischerweise Zwangsarbeiterkontingente tätig gewesen, bereits die dargestellte abweichende Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski entgegen, derzufolge solche Arbeitsplätze jedenfalls im Ghetto Krakau begehrt gewesen sind. Woher die Beklagte demgegenüber ihre Sachkunde bezieht, dass Zwangsarbeiterkontingente typischerweise mit Lkws zur Arbeit transportiert worden seien, hat sie trotz Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung nicht erläutern geschweige denn belegen können. Der Senat sieht sich auch nicht gedrängt, dieser Behauptung von Amts wegen nachzugehen. Wie fern liegend sie ist, zeigt eine einfache Kontrollüberlegung: Wenn nämlich der Transport zur Arbeit mit dem Lkw ein Abgrenzungsmerkmal zugunsten von Zwangsarbeit wäre, müsste umgekehrt der Grundsatz gelten, dass freiwillig Beschäftigte typischerweise zu Fuß zu ihrer Arbeitsstelle gegangen sind. Das jedoch wird auch die Beklagte bei nochmaligem Überdenken ihrer Argumentation nicht behaupten wollen.
8. Schließlich ist glaubhaft, dass die Klägerin ihre Beschäftigung in der Kaserne gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) ZRBG) ausgeübt hat.
a) Entgelt in diesem Sinne ist als ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1). Maßgebend sind dabei die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (a.F.). Zum Entgelt gehörten dabei nach § 160 a.F. neben Gehalt oder Lohn auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhielt. Jedoch war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, versicherungsfrei (§ 1227 RVO a.F.; vgl. zum Folgenden außerdem BSG, Urteil vom 30.11.1983, 4 RJ 87/92; Mentzel/Schulz/Sitzler, Kommentar zum Versicherungsgesetz für Angestellte, 1913, § 7 Anm. 3; RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, 1930, § 1227 RVO Anm. 1 ff.). Als freier Unterhalt i.S.v. § 1227 RVO a.F. ist dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich ist, nicht aber das, was darüber hinausgeht. Zum freien Unterhalt gehören insbesondere Unterkunft, Beköstigung und Kleidung. Die betreffenden Sachbezüge müssen nach Art und Maß zur Bestreitung des freien Unterhalts geeignet und bestimmt sein. Das ist der Fall, wenn sie in geringem Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten gewährt werden. Bei Gewährung von Lebensmitteln ist daher zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden (dann freier Unterhalt) oder aber zur beliebigen Verfügung, wie es z.B. bei Deputaten der Fall ist. Die Grenze des freien Unterhalts ist insbesondere dann überschritten, wenn die gewährte Menge erheblich das Maß des persönlichen Bedarfs übersteigt. Das ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die gewährten Sachbezüge ausreichen, nicht nur den freien Unterhalt des Beschäftigten selbst, sondern auch eines nicht bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Familienangehörigen sicherzustellen (vgl. VDR, Kommentar zur RVO, 5. Aufl., 1954, § 1228 Rdnr. 5). Werden demgegenüber anstelle des freien Unterhalts auch nur auch geringe Geldbeträge zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts gegeben, so ist dies keine freie Unterhaltsgewährung mehr. Geldleistungen stehen demnach der Gewährung des freien Unterhalts nicht gleich, auch wenn sie den unbedingt zum Lebensunterhalt erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nicht einmal erreichen. Allerdings geht die bisherige Rechtsprechung davon aus, dass das Entgelt eine Mindesthöhe erreichen muss, damit man von einer entgeltlichen versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgehen kann. Bei Barzahlung neben freiem Unterhalt reicht es aus, wenn das Entgelt die Grenze von einem Sechstel bis einem Drittel Ortslohn überschritt.
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze reichen die der Klägerin als Gegenleistung für ihre Arbeit gewährten Bezüge aus, um Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen.
aa) Die Klägerin hat zunächst glaubhaft erklärt, dass sie Sachbezüge in Form von Mittagsverpflegung an ihrer Arbeitsstelle erhalten hat. In seinem Sachverständigengutachten im Verfahren L 4 (18) R 62/05 hat Prof. Dr. Golczewski insoweit ausgeführt, dass die am Arbeitsplatz gewährte Verpflegung in der Regel besser als die von den Ghettoküchen ausgegebene gewesen sei, sodass sie einen wesentlichen Aspekt des Überlebens dargestellt habe. Darüber hinaus ist glaubhaft, dass die Klägerin für ihre Arbeit "ein paar Zloty" erhalten hat, die zum Erwerb einer täglichen Portion von Knödeln bei einer polnischen Frau in der Nachbarschaft der Kaserne ausreichten. Es bestehen keine Bedenken, dieser erlebnisfundierten Darstellung zu folgen. Insbesondere sprechen auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Golczewski nicht gegen sie. Danach waren deutsche Einrichtungen grundsätzlich zur Entlohnung jüdischer Arbeitskräfte verpflichtet, wobei Prof. Dr. Golczewski eingeräumt hat, dass die Zahlungen jedenfalls nicht durchgängig stattgefunden haben müssen. Andererseits hat er solche Zahlungen auch nicht für ausgeschlossen gehalten, sondern vielmehr erläutert, dass sie örtlich unterschiedlich entweder an die Arbeitskraft selbst oder an den Judenrat geflossen sein könnten (vgl. im Einzelnen S. 10 f. des Gutachtens im Verfahren L 13 R 50/06). Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung der Klägerin als jedenfalls gut möglich anzusehen.
bb) Die gewährte Gegenleistung überschreitet in der Gesamtschau das Maß freien Unterhalts.
(1) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass das der Klägerin neben dem freien Unterhalt am Arbeitsplatz gezahlte Entgelt der Höhe nach zumindest ein Sechstel des üblichen Ortslohns überschritten hat. Insofern kann freilich nicht auf Angaben der Klägerin zurückgegriffen werden, die sich - was nach einem Zeitablauf von mehr als 60 Jahren ohne weiteres verständlich ist - an die Entgelthöhe nicht mehr erinnern kann. Diese Erinnerungslücke kann jedoch ausreichend durch die Ausführungen von Prof. Dr. Golczewski geschlossen werden (vgl. zum Folgenden: Gutachten im Verfahren L 4 (18) R 62/05, S. 19 ff.). Zur Bestimmung des Ortslohns ist danach davon auszugehen, dass nicht-jüdische Arbeiter 1940/41 zwischen 150 und 300 Zloty im Monat verdienten und diese Verdienstspannen bis 1944 auf etwa 800 bis 1200 Zloty wuchsen, wobei dieser hohe Zuwachs auf eine von den deutschen Machthabern im Generalgouvernement bewusst forcierte Inflation zurückzuführen ist. Geht man auf der Grundlage einer realistischen Schätzung von einem Monatslohn von 300 Zloty für ungelernte Arbeiter im Jahr 1942 aus, so ergibt dies einen Wochenlohn von 75 Zloty, wovon 1/6 12 bis 13 Zloty entspricht. Stellt man dem die Preise gegenüber, die Prof. Dr. Golczewski für Nahrungsmittel angegeben hat (z.B.: 60 Groschen für ein Ei im Jahr 1941, 5,7 Zloty im Jahre 1944), so wird deutlich, dass die Klägerin mindestens in der Größenordnung eines Sechstel Ortslohns verdient haben muss, wenn sie von dem betreffenden Geld in der Lage war, täglich bei einer Verkäuferin in der Nähe ihrer Arbeitsstätte Knödel zu erwerben.
(2) Dass die Klägerin nennenswertes Entgelt erhalten hat, ergibt sich darüber hinaus auch aus dem Umstand, dass sie glaubhaft jedenfalls zum Teil über den eigenen Unterhalt hinaus zum Familienunterhalt beitragen konnte. Zwar hat die Zeugin B angegeben, neben dem Vater der Klägerin habe auch die Mutter im Ghetto gearbeitet. Andererseits hat die Klägerin an zwei Stellen ihre Bedeutung für den Familienunterhalt unterstrichen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang zum vorliegenden Verfahren stehen und daher einen erheblichen Beweiswert haben: Ihr Enkel N P hat in seiner Projektarbeit für die 7. Klasse im März 2007 aus der Erinnerung seiner Großmutter berichtet, das Überleben der Familie - zu der seinerzeit auch noch der dann im Zusammenhang mit der Liquidation des Ghettos im März 1943 im Alter von 12 Jahren ermordete Bruder S gehörte - sei maßgeblich auch dank der Arbeit der Klägerin sichergestellt worden. In dieselbe Richtung weist die anamnestische Darstellung des Psychiaters Dr. B vom 14.09.1972, in der es sinngemäß heißt, die Klägerin habe "versuchen müssen, etwas Essen ins Ghetto zu ihrer Familie zu ‚bringen’".
9. Die Klägerin erhält für ihre Arbeit im Ghetto Krakau keine anderweitigen Leistungen aus einem System sozialer Sicherheit. Da sie sich seit 1950 in Israel aufhält, kommen insoweit nur Leistungen aus einem dortigen Sicherungssystem in Betracht. Insofern ist für den Senat aus einer Vielzahl von Streitverfahren nach dem ZRBG offenkundig (§ 202 SGG i.V.m. § 291 ZPO) und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch unstreitig, dass in den Leistungen der israelischen Nationalversicherung ausschließlich Zeiten ab deren Einrichtung im Jahr 1954 Berücksichtigung finden, nicht jedoch Zeiten nationalsozialistischer Verfolgung.
10. Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert schließlich nicht daran, dass die Klägerin eine Entschädigung nach dem EVZStiftG erhalten hat. Ohnehin wird diese Entschädigung, wie die JCC mitgeteilt hat, nicht aufgrund des im Ghetto Krakau, sondern des im Arbeitslager Lichtenwerden erlittenen Verfolgungsschicksal gewährt. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an. Wie der Senat nämlich bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 S. 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (Senat, Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).
II.
Auf die Wartezeit von 60 Monaten sind neben den acht Monaten Beschäftigungszeiten 48 Beitragsmonate anrechenbar, die die Klägerin in Israel zurückgelegt hat (Art 20 Abs. 1 DISVA).
Die danach noch fehlenden vier Monate ergeben sich aus dem Ersatzzeitentatbestand gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, der jedenfalls von der Deportation ins ZAL Plaszów bis zur Befreiung am 08.05.1945 entsprechend den Feststellungen im Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz nachgewiesen ist, darüber hinaus auch durch die Ghettoaufenthaltszeiten ohne Beschäftigung im Anschluss an die Tätigkeit bei der Waffen-SS (d.h. ab November 1942). Es bedarf daher für die Feststellung des Anspruchs auf Regelaltersrente keiner zusätzlichen Entscheidung, ob aufgrund der Angaben des Internisten Dr. C auch bis zum 31.12.1945 von einer Anschlussersatzzeit im Sinne einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist (§ 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI).
III.
Da die Klägerin ihren Rentenantrag am 09.01.2003 gestellt hat, beginnt die Rente am 01.07.1997 (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ZRBG i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 1 ZRBG).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat keinen Anlass gehabt, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Sämtlich angesprochenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des BSG bereits hinreichend geklärt. Der vorliegende Rechtsstreit wirft ausschließlich Fragen der einzelfallbezogenen Beweiswürdigung auf.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved