L 9 SO 48/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 SO 168/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 48/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mit Abschluss eines Bausparvertrages (Einmalzahlung 35.000 €), geplanter dreijähriger Sparphase, der vertraglich verpflichtenden Zusage der Eltern hinsichtlich weitergehender Finanzierungsmittel und einem tragfähigen Finanzierungskonzept für die Zeit nach dem Kauf tritt der Schutz dieses Vermögens gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12 ein.

Bei der Prüfung, ob vorhandenes Kapital nachweislich zur baldigen Beschaffung einer angemessenen Eigentumswohnung des Hilfebedürftigen dient, handelt es sich neben der Frage, ob der Hilfebedürftige subjektiv das streitbefangene Vermögen zum Kauf einer angemessenen und von ihm dann zu nutzenden Eigentumswohnung verwenden will (und nicht nur dem Zugriff des Hilfeträgers entziehen will) um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Prognoseentscheidung.

Gestützt wird die Richtigkeit der Prognose durch den drei Jahre später erfolgreich durchgeführten Erwerb einer angemessenen Eigentumswohnung und die dauerhafte Finanzierbarkeit der aufgenommenen Kredite in Aufteilung zwischen dem Kläger und seinen Eltern (vgl. BSG 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 R).
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2007 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2005 aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Aufhebung der Bewilligung von Eingliederungshilfe mit Wirkung ab 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 und dabei um die Frage, ob vorhandenes Vermögen gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB 12) geschützt ist, weil es nachweislich zur baldigen Beschaffung einer Eigentumswohnung für den Kläger bestimmt war.

Der 1983 geborene Kläger gehört zum Kreis der geistig behinderten Menschen und erhielt u. a. seit Dezember 2003 Eingliederungshilfe gemäß § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zur Ermöglichung des betreuten Wohnens (zunächst innerhalb der Familie). Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligte der Beklagte zunächst für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2005 weiterhin Leistungen für das Betreute Wohnen gemäß § 54 SGB 12 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB 9) im Umfang von 198 Fachleistungsstunden pro Jahr. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass es durch das SGB 12 notwendig geworden sei, Einkommen und Vermögen des Berechtigten zu überprüfen, da dieses zur Minderung der Sozialhilfeaufwendungen vorrangig einzusetzen sei. Insofern ergehe die Kostenzusage gemäß §§ 19, 92 Abs. 1 SGB 12. Eine evtl. Inanspruchnahme werde dann ab 1. Februar 2005 erfolgen. Die beigefügten Formulare seien bis zum 28. Februar 2005 ausgefüllt zurückzusenden. Dagegen hat der Kläger am 24. Februar 2005 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Schreiben vom 27. Mai 2005 als erledigt ansah, da der Zeitpunkt zur Heranziehung zum Kostenbeitrag auf den 1. Juli 2005 verlegt worden sei. Mit am 7. Juni 2005 bei der Beklagten zugegangener Erklärung über die Vermögensverhältnisse gab der Kläger an, dass er auf dem laufenden Konto über einen Betrag in Höhe von 1.528,65 EUR und auf einem Bausparvertrag über einen Betrag in Höhe von 35.000 EUR verfüge. Sein monatliches Nettoeinkommen betrage 1.174,05 EUR. Der vorgelegte Bausparvertrag vom 30. Mai 2005 (Bausparsumme 82.000 EUR) wies eine einmalige Sonderzahlung von 35.000 EUR im Juni 2005 aus sowie eine Einzugsermächtigung für monatliche Sparleistungen in Höhe von 150 EUR. Nachdem ein vorheriger Bescheid vom 17. Juni 2005 nicht zugestellt werden konnte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2005 einen Bescheid vom 24. Januar 2005 mit Wirkung vom 1. Juli 2005 unter Hinweis auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB 10) mit der Begründung auf, dass der Kläger die Vermögensfreigrenze nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB 12 in Höhe von 2.600 EUR um 33.928,65 EUR (nicht geschütztes Vermögen) überschritten habe und diese Mittel vorrangig zur Deckung des Bedarfs einzusetzen seien. Deshalb könne ab 1. Juli 2005 keine Sozialhilfe mehr gewährt werden. Das Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand des aufgehobenen Bescheides sei nicht schutzwürdig, da der Kläger keine Vermögensdisposition getroffen habe. Der Kläger habe sich durch die vorhergehende Information auf den Einsatz von Einkommen und Vermögen einstellen können. Nach Ausübung von Ermessen sei nicht von einer Rücknahme abzusehen. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass hessenweit die Kostenübernahmen einheitlich im Betreuten Wohnen behandelt würden und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend die Einkommens- und Vermögensanrechnungen vorgenommen würden. Hiergegen hat der Kläger am 1. August 2005 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er beabsichtige, mit Hilfe des Bausparvertrages eine Eigentumswohnung zu erwerben, in der er leben werde. Er werde monatlich 150 EUR auf den Vertrag einzahlen. Seine Eltern hätten ihm gegenüber eine (in Kopie beigefügte) Verpflichtungserklärung abgegeben, bei Fälligkeit des Vertrages im Jahre 2008 für den beabsichtigten Erwerb einer Eigentumswohnung zum Preis von 80.000 EUR bis 100.000 EUR die Zins- und Tilgungszahlungen desjenigen Darlehens zu übernehmen, das über das Eigenkapital hinaus erforderlich sei. Damit sei sein Vermögen zum baldigen Einsatz entsprechend den gesetzlichen Vorgaben bestimmt. Der Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2005 (zugestellt am 26. Oktober 2005) zurückgewiesen. Im Tatbestand des Widerspruchsbescheides berichtigte der Beklagte das Datum des mit Wirkung vom 1. Juli 2005 zurückgenommenen Bescheides auf den 11. Februar 2005. In der Begründung wird ausgeführt, dass Bausparverträge als sonstiges Vermögen nur geschützt seien, soweit sie für eine baldige Beschaffung eines angemessenen Hausgrundstücks benötigt würden, wobei aber keine erhebliche Fremdfinanzierung, wie bei dem Kläger vorgesehen, erwartet werden dürfe. Hier liege ferner das Tatbestandsmerkmal "baldig" nicht vor, da drei Jahre bis zur Fälligkeit der Bausparsumme zuzüglich der Zeit für das Finden eines passenden Objektes zu berücksichtigen seien. Bei der vorgelegten Bescheinigung der Eltern handele es sich um eine Gefälligkeitsbescheinigung, die das angesparte Vermögen schutzwürdig werden lassen sollte. Auch sei der Bausparvertrag erst abgeschlossen worden, nachdem die Information erfolgt sei, dass eine Heranziehung von Vermögen erfolgen werde. Es müssten jedoch bei Eintritt der Bedürftigkeit bereits objektbezogene Dispositionen getroffen worden sein. Hiergegen hat der Kläger am 25. November 2005 Klage erhoben und seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, dass seine Eltern die erforderlichen Zins- und Tilgungsleistungen unentgeltlich zur Verfügung stellen würden, so dass es sich dabei de facto um Eigenkapital handele. Das Merkmal "baldig" sei unter Berücksichtigung der vorgesehenen Laufzeit und seines Alters durchaus erfüllt. Auch werde er schon vor Fälligkeit nach der passenden Wohnung suchen. Er habe mittlerweile einen Makler eingeschaltet. Es handele sich bei der Erklärung seiner Eltern auch um eine ernsthafte und einklagbare Verpflichtungserklärung, die zuvor schon bestanden habe und jetzt erst schriftlich niedergelegt worden sei. Mit Urteil vom 20. Februar 2007 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, der für die Gewährung von Eingliederungshilfe zuständige Beklagte (wird näher ausgeführt) habe die mit Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligten Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2005 gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB 10 widerrufen können. Der Beklagte habe sich im Ausgangsbescheid den Widerruf nach Vermögensprüfung vorbehalten, und zwar zunächst für die Zeit ab 1. Februar 2005, danach für die Zeit ab 1. Juli 2005. Der Widerrufsvorbehalt sei auch rechtmäßig entsprechend § 32 Abs. 1 SGB 10 unter Hinweis auf die noch erforderliche Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Von der Alternative, eine Leistungsgewährung erst nach erfolgter Prüfung von Einkommen und Vermögen vorzunehmen, habe der Beklagte offensichtlich um der Kontinuität der Leistungsgewährung willen abgesehen. Bei dem erst nach dem Hinweis auf die beabsichtigte Anrechnung in dem Bausparvertrag angelegten Vermögen handele es sich nicht um im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12 geschütztes Vermögen. Der Kläger könne aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einschließlich des monatlichen Ansparbetrages in Höhe von 150 EUR monatlich den beabsichtigten Kauf einer Eigentumswohnung im Wert von 80.000 bis 100.000 EUR nicht alsbald realisieren. Hinsichtlich fehlender Beträge könne er auch nicht auf die Kreditzusage des Bausparunternehmens und die Unterstützung durch seine Eltern verweisen, weil damit ein Vermögen in beliebiger Höhe bis zum Wert einer angemessenen Immobilie generell der Vermögensanrechnung entzogen wäre. Es liege auch keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB 12 vor.

Gegen das am 21. März 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. April 2007 Berufung eingelegt. Der Kläger wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor, die gesetzliche Formulierung "baldig", die an die Stelle der früheren Formulierung "alsbaldig" getreten sei, mache deutlich, dass ausreichend Zeit gewährt werden müsse, die angesparten Eigenmittel noch zu ergänzen, um das Bauvorhaben weiterzuführen. Der am 30. Mai 2005 abgeschlossene Bausparvertrag werde unter Berücksichtigung des eingezahlten Kapitals und der monatlichen Sparleistung in Höhe von 150 EUR im Mai 2008 zuteilungsreif sein. Ein früherer Wohnungskauf sei durch einen Zwischenkredit in Höhe von 82.000 EUR möglich. Zusätzlich durch die ergänzende Erklärung der Eltern sei sichergestellt, dass er in einem überschaubaren und angesichts der Dimension des Vorhabens auch angemessenen Zeitraum das Bauvorhaben realisieren werde. Es sei somit eine realistische und konkrete Erwerbssituation entstanden. Sein Entschluss, Wohnungseigentum zu erwerben, und der Entschluss seiner Eltern, ihn dabei zu unterstützen, habe auch schon lange vorher festgestanden. Der Kläger hat ferner vorgetragen, ausweislich der Bescheinigung der Bausparkasse vom 13. März 2008 sei der Bausparvertrag zwischenzeitlich zuteilungsreif geworden. Mit Notarvertrag vom 27. August 2008 habe er nun eine Eigentumswohnung gekauft, die ausweislich des Kosten- und Finanzierungsplans wie folgt finanziert werde:
Kaufpreis: 130.000 EUR
Eigenkapital aus Bausparvertrag Kläger 41.300 EUR
Einzahlung Mutter 15.000 EUR
Darlehen Kläger (monatlich Belastung – 492 EUR) 40.667 EUR Darlehen Vater (monatliche Belastung – 358 EUR) 33.000 EUR
Das monatliche Wohngeld in Höhe von 260 EUR werde zur Hälfte von ihm und zur Hälfte von seinem Vater bezahlt. Für seine Mietwohnung habe er bisher insgesamt 510 EUR bezahlt. Damit sei nun endgültig geklärt, dass der zu schützende Bausparvertrag für den Erwerb einer Wohnung bestimmt gewesen und auch dafür verwendet worden sei. Die von ihm erworbene Wohnung werde von ihm zwischenzeitlich bewohnt.

Der Kläger hat die Mitteilung der Bausparkasse vom 13. März 2008 über die Zuteilungsreife vorgelegt (Bausparsumme 82.000 EUR, Guthaben 40.089,98 EUR), ferner den notariellen Kaufvertrag vom 27. August 2008 über die vom Kläger seit 1. Dezember 2008 bewohnte Eigentumswohnung zum Preis von 130.000 EUR (darin enthalten eine mitverkaufte Einbauküche zum Kaufpreis von 5.000 EUR), die Meldebestätigung über den zum 1. Dezember 2008 erfolgten Einzug in die erworbene Eigentumswohnung, einen Kosten- und Finanzierungsplan, die von der Bausparkasse festgesetzten Zins- und Tilgungsbeiträge des Klägers und seines Vaters, sowie den Nachweis der Übernahme der Kosten für Makler, Grunderwerbsteuer, Grundbuchamt und Notar durch den Vater des Klägers.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.

Der Beklagte trägt vor, der Nachweis eines Bausparvertrages allein reiche in der Regel nicht aus zum Vermögensschutz. Es könne ein Vermögen zur baldigen Beschaffung eines selbst genutzten Hauses oder einer selbst genutzten Wohnung nur dann bestimmt sein, wenn bereits der wesentliche Teil des Vermögens vorhanden sei, weil nur dann eine baldige Beschaffung realisiert werden könne. Bei zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 35.000 EUR und erforderlichem Kapitaleinsatz von 80.000 bis 100.000 EUR und einem monatlichen Ansparbetrag von 150 EUR könne das erforderliche Kapital nicht alsbald im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12 angespart werden. Nicht berücksichtigt werden könnten Finanzierungszusagen Dritter, weil sonst Vermögen in beliebiger Höhe generell der Vermögensanrechnung entzogen wäre. Dies führe zu einer Aushebelung des gesetzlich verankerten Nachranggrundsatzes. Durch den nunmehr vom Kläger genannten Kaufpreis habe sich die Differenz zu dem angesparten Eigenkapital weiter vergrößert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte Berufung (§ 143 Sozialgesetzbuch - SGG) ist unter Beachtung des Wertes des Beschwerdegegenstandes von über 750 EUR (für 99 Fachleistungsstunden im streitbefangenen Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005) nicht beschränkt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung) und auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG), eingelegt.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Februar 2007 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2005 waren aufzuheben. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Beklagten für die streitbefangene Leistung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (analog § 153 Abs. 2 SGG). Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 11. Februar 2005 - betreffend die streitbefangene Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 - gemäß § 45 SGB 10 (nach Meinung des Beklagten) bzw. nach § 47 SGB 10 (nach Auffassung des Sozialgerichts) sind nicht erfüllt. Denn die ursprüngliche Bewilligung der Eingliederungsleistungen in Form von 198 Fachleistungsstunden im Rahmen des betreuten Wohnens war auch für die hier streitbefangene Zeit (zweites Halbjahr 2005) rechtmäßig und konnte deshalb von dem Beklagten trotz des Vorbehaltes auch nicht für die Zeit ab 1. Juli 2005 aufgehoben werden. Dem Kläger war nicht zuzumuten, die Kosten der Eingliederungshilfe aus eigenem Einkommen oder Vermögen aufzubringen gemäß § 19 Abs. 3 SGB 12 in Verbindung mit § 82 ff SGB 12. Eine auch nur teilweise Anrechnung des Einkommens des Klägers (erzielt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) in Höhe von monatlich 1.174,05 EUR netto kommt nicht in Betracht unter Berücksichtigung des Regelbedarfs des Klägers gemäß § 28 SGB 12, eines Mehrbedarfs in Höhe von 35 % für behinderte Personen, denen Eingliederungsleistungen nach § 54 SGB 12 geleistet wird (gemäß §§ 28, 30 Abs. 4 SGB 12), der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 510 EUR, einer Krankenhauszusatzversicherung in Höhe von 37,12 EUR monatlich, sowie eines Freibetrages in Höhe von 30 % vom Einkommen gemäß § 82 Abs. 3 SGB 12. Es kommt aber auch keine Berücksichtigung von Vermögen gemäß § 90 Abs. 1 SGB 12 in Betracht. Das mit 1.528,65 EUR angegebene Guthaben auf dem laufenden Konto liegt unterhalb der Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB 12 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Februar 1988, zuletzt geändert 27.12.2003 (BGBl. I 3022, 3060), die bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB 12 mit 2.600 EUR festgelegt ist.

Das zum Zeitpunkt des streitbefangenen Aufhebungsbescheides mit 35.000 EUR angegebene Bausparvermögen ist gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 8 SGB 12 ebenfalls vor einer Verwertung geschützt, denn es diente nachweislich zur baldigen Beschaffung eines angemessenen Hausgrundstücks bzw. Eigentumswohnung, und sollte zu Wohnzwecken des Klägers dienen, der ein behinderter Mensch im Sinne dieser Vorschrift ist.

Bei der Prüfung, ob vorhandenes Kapital nachweislich zur baldigen Beschaffung einer angemessenen Eigentumswohnung des Hilfebedürftigen dient, handelt es sich neben der Frage, ob der Hilfebedürftige subjektiv das streitbefangene Vermögen zum Kauf einer angemessenen und von ihm dann zu nutzenden Eigentumswohnung verwenden will (und nicht nur dem Zugriff des Hilfeträgers entziehen will) um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Prognoseentscheidung des Beklagten (vgl. BSG 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 R). Unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles hat die erforderliche Prognoseentscheidung eine Aussage darüber zu treffen, ob der Hilfebedürftige mit dem vorhandenen Vermögen, der Art der Anlage und gegebenenfalls mit dem ergänzenden Sparplan voraussichtlich in der Lage sein wird, das angestrebte Objekt baldig zu beschaffen. Dazu gehört auch, dass die späteren laufenden Kosten der angestrebten Wohnung für den Hilfebedürftigen voraussichtlich bezahlbar sind und bei zusätzlich erforderlicher Finanzierung mit vorgesehenen Krediten deren Bedienung möglich erscheint. Der baldige Erwerb und die dauerhafte Finanzierung einer Eigentumswohnung darf also nicht nur ein unrealistischer Wunschtraum oder, wie das OLG HU. in seinem Beschluss vom 7. Juli 2005 (15 W 481/04) ausführt, ein Gedankenspiel sein. Dabei ist unschädlich, dass der Kläger das bei ihm vorhandene Vermögen nach Beginn der Vermögensüberprüfung durch den Beklagten vertragsgemäß in dem Bausparvertrag gebunden und damit seine Absicht, sich eine von ihm selbst zu bewohnende Eigentumswohnung zu kaufen, konkretisiert und nachvollziehbar dokumentiert hat. Denn dies geschah noch vor Beginn des streitbefangenen Zeitraums. Dabei brauchte im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, ob es nicht sogar zu den Beratungspflichten eines Leistungsträgers gehört, den Hilfesuchenden in entsprechenden Fällen – z. B. bei Absichtsäußerungen des Kaufs einer Eigentumswohnung - auf die nahe liegende Möglichkeit hinzuweisen, das Vermögen so anzulegen und eine vorhandene Kaufabsicht so zu konkretisieren und zu dokumentieren, dass damit der beabsichtigte Schutz des Vermögens erreicht wird (vgl. BSG vom 4. September 1979 – 7 RAr 115/78). Jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der bewilligten Leistungen – und damit im streitbefangenen Zeitraum - war das Bausparvermögen des Klägers gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12 geschützt. Die im August 2008 gekaufte Wohnung ist mit 64 qm für den Kläger als Einzelperson angemessen. Da der Kläger ursprünglich den Kauf einer preisgünstigeren Wohnung (80.000 bis 100.000 EUR) angestrebt hat, ist davon auszugehen, dass sich weder die ursprüngliche Planung noch die spätere Ausführung auf eine unangemessene Wohnung bezogen haben (vgl. Urteil des BSG vom 7. November 2006 – B 7b AS 2/05 R).

Mit dem Abschluss des Bausparvertrages, der Einzahlung seines Vermögens in Höhe von 35.000 EUR, der Erteilung der Einzugsermächtigung gegenüber der Bausparkasse (150 EUR monatliche Sparleistung), der vertraglich verpflichtenden Zusage der Eltern (Brief vom 21. Juni 2005 und Erklärung vom 21. Juni 2005) hinsichtlich weitergehender Finanzierungsmittel, der absehbaren Zuteilungsreife des Bausparvertrages innerhalb von drei Jahren (tatsächliche Zuteilungsreife nach 2 Jahren und 9 ½ Monaten) und der späteren Umsetzung dieser Planung durch Kauf der Wohnung im August 2008, vollständige Finanzierung durch Eigenkapital des Klägers und seiner Eltern, sowie durch Darlehensaufnahmen des Klägers und seines Vaters, eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes unter Beteiligung des Klägers (abgestellt auf dessen finanzielle Möglichkeiten) und seines Vaters, ist der erkennende Senat davon ausgegangen, dass es sich bereits ursprünglich um eine realistische Planung zur baldigen Beschaffung einer Eigentumswohnung handelte, die zum Schutz des bis dahin angesparten Vermögens gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12 geführt hat. Eine seinerzeit vor Beginn des streitbefangenen Zeitraums zu treffende Prognoseentscheidung konnte richtigerweise nach Überzeugung des erkennenden Senates nur positiv ausfallen. Gestützt wird die Richtigkeit der Prognose durch den im Jahr 2008 erfolgreich durchgeführten Erwerb einer angemessenen Eigentumswohnung und die dauerhafte Finanzierbarkeit der aufgenommenen Kredite in Aufteilung zwischen dem Kläger und seinen Eltern (vgl. BSG vom 11. Mai 2000 s. o.). Es handelte sich bei dem Ende Mai 2005 abgeschlossenen Bausparvertrag auch um Vermögen, das zur baldigen Beschaffung der Eigentumswohnung dienen sollte. Der Begriff der baldigen Beschaffung, der auch schon in § 88 Abs. 2 Nr. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG, mit Wirkung ab 1.1.1991) verwendet wurde, ist abzugrenzen, von dem im BSHG früher verwendeten Begriff der "alsbaldigen" Verwendung, der vergleichbar auch im Bereich der Arbeitslosenhilfe bis zum 31. Dezember 2001 geregelt war. Dort war die Verwertung nicht zumutbar, eines Vermögens, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines solchen Hausgrundstücks oder einer solchen Eigentumswohnung bestimmt ist" (z. B. § 6 Abs. 3 Nr. 7 AlhiV vom 7. August 1974 – BGBl. I, 1929, zuletzt geändert 21. Dezember 2000 – BGBl. I, 1983). In der Rechtsprechung wurde insoweit verlangt, dass die Umwandlung von Geldvermögen in Immobilienvermögen in naher Zukunft erfolgen müsse, bzw. Anstalten getroffen sein bzw. konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, die erkennen ließen, dass die Umwandlung in naher Zukunft geschehe (vgl. BSG vom 4. September 1979 – s. o. – bzw. vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 63/96). Der VGH Ba-Wü hielt in seinem Urteil vom 1. März 1979 (VI 3771/78 zu § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG i. d. F. des 2. Änderungsgesetzes zum BSHG vom 14. August 1969 – BGBl. I, 1153) eine alsbaldige Beschaffung einer konkreten Eigentumswohnung auch noch dann für gegeben, wenn diese innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre hätte bezogen werden können, allerdings auch nur dann, wenn das Vorhaben finanzierbar gewesen wäre. Demgegenüber hatte der Gesetzentwurf des Landes Bayern vom 1. Juni 1987 (BT Drs. 11/391) mit dem Ziel der Einfügung der Nr. 2 (zu BSHG § 88 Abs. 2) "2. eines Vermögens, das nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 7 bestimmt ist, soweit dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde;" ausweislich der Begründung (BT - Drs. 11/391 - Begründung 2.1.1) ein wesentlich weitergehendes Ziel, "Dem Hilfesuchenden muss ausreichend Zeit bleiben, die angesparten Eigenmittel etwa noch zu ergänzen, um das Bauvorhaben mit einem tragfähigen Finanzierungskonzept beginnen zu können." Vorhergehend wird ausdrücklich auf Bausparvermögen der Eltern hingewiesen, die wegen ihres Kindes ein behindertengerechtes Familienheim bauen wollen. In einer zähen Auseinandersetzung zwischen Bundesrat und Bundestag wurde letztlich durch Vorschlag des Vermittlungsausschusses (BR - Drs. 740/90 - 24. Oktober 1990) die vorgesehene Erweiterung vom Bundestag dahingehend angenommen (Sitzung am 31. Oktober 1990), dass eine weitere Einschränkung erfolgte: " 2. eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 7 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken Behinderter (§ 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2), Blinder (§ 67) oder Pflegebedürftiger (§ 69) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde.". Damit hat sich der Gesetzgeber die o. a. Begründung aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf hinsichtlich der Erweiterung der früheren Formulierung (vor Inkrafttreten des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes) zu eigen gemacht (vgl. Bericht des Abgeordneten Link in BT – Drs. 11/7928), dabei allerdings den begünstigten Personenkreis erheblich eingeschränkt. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Ausgangsvermögen von 35.000 EUR und der für drei Jahre geplanten weiteren Ansparphase (36 x 150 EUR = 4.950 EUR zuzüglich der Guthabenzinsen) auch um eine Ergänzung von Bausparvermögen im Sinne der o. a. Gesetzesbegründung. Dabei sieht der erkennende Senat die vertragliche Selbstverpflichtung der Eltern des Klägers und deren spätere – auch noch großzügigere – Unterstützung des Vorhabens des Klägers nicht als anspruchsvernichtend an, wie der Beklagte und das Sozialgericht meinen, sondern im Gegenteil als Garantie dafür, dass die Planung des Klägers auch bei – nicht erwarteten – Verteuerungen noch die Gewissheit der Umsetzung hatte und nicht im Stadium eines Gedankenspiels blieb (vgl. OLG HU. 7. Juli 2005 s. o.). Würden die Unterstützung und auch die von den Eltern eingegangene Garantieverpflichtung als anspruchsvernichtende Tatsachen gewertet, hätte dies zur Folge, dass die Eigenbemühungen des Klägers insoweit zum Scheitern verurteilt wären, als er die notwendigen – und hier streitbefangenen - Eingliederungsleistungen aus seinem Einkommen oder Vermögen zu erbringen hätte. Dies würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass die dann fehlenden Mittel (keine Ansparleistungen und teilweises Abschmelzen des Vermögens) zusätzlich von den Eltern aufgestockt werden müssten. Damit liegt auch auf der Hand, dass bei (teilweiser) Verwertung des Vermögens des Klägers gemäß § 90 Abs. 1 SGB 12, der angestrebte Zweck, der Erwerb einer Eigentumswohnung, gefährdet worden wäre (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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