L 5 KR 2219/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3659/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2219/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beigeladenen 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.1.08 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin seit 19.10.1988 im Autohaus ihres Ehemannes (Beigeladener Nr. 1) versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1961 geborene Klägerin, gelernte Steuerfachgehilfin (SG-Akte S. 43) beantragte am 24.1.2006 festzustellen, dass sie seit 19.10.1988 im Autohaus ihres Ehemannes eine sozialversicherungsfreie selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Verwaltungsakte S. 6) gab sie unter dem 24.1.2006 an, sie sei für die Geschäftsleitung im Kfz-Bereich zuständig. Ihre Arbeitszeit (50 bis 70 Wochenstunden) könne sie nach Belieben einteilen. Ein Arbeitsvertrag sei nicht abgeschlossen worden. In den Betrieb ihres Ehemannes sei sie nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert. Würde sie nicht mitarbeiten, hätte eine andere Arbeitskraft nicht eingestellt werden müssen. An Weisungen des Betriebsinhabers (ihres Ehemannes) sei sie nicht gebunden, könne ihre Tätigkeit vielmehr frei bestimmen und gestalten. Auf Grund ihrer Fachkenntnisse wirke sie bei der Führung des Betriebs mit. Die Mitarbeit sei im Hinblick auf familienhafte Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander geprägt. Urlaubsanspruch und Kündigungsfrist seien nicht vereinbart. Bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt für eine nicht näher festgelegte Zeit fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt entspreche im Hinblick auf längere Arbeitszeiten nicht dem tariflichen bzw. ortsüblichen Gehalt; es werde regelmäßig gezahlt. Sie erhalte zusätzlich eventuell Tantiemen. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Konto überwiesen. Es werde Lohnsteuer abgeführt und das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe verbucht. Zur Frage nach der Beteiligung am Betrieb ihres Ehemannes gab die Klägerin "gesetzlicher Zugewinn" an; im Antragsschriftsatz vom 23.2.2006 (Verwaltungsakte S. 9) ist klarstellend mitgeteilt, es bestehe gesetzlicher Güterstand (vgl. auch Frage 3.6 und 3.7. des Fragebogens). Dem Betriebsinhaber seien Sicherheiten geleistet worden; Angaben zur Höhe machte die Klägerin nicht. Anlage- oder Umlaufvermögen sei nicht vorhanden.

Dem Statusfeststellungsantrag waren außerdem eine Bestätigung des Ehemannes der Klägerin vom 23.1.2006 sowie ein Sicherheitenblatt der Volksbank Emmendingen beigefügt, wonach die Klägerin am 15.3.1994 eine Bürgschaft übernommen habe.

In einem – an die Klägerin nicht abgesandten, vielmehr der Beigeladenen Nr. 2 (Rentenversicherungsträger) zugeleiteten – Bescheidentwurf (Verwaltungsakte S. 13, 14) nahm die Beklagte das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit an.

Mit Bescheid vom 16.5.2006 stellte die Beklagte – in Einklang mit der Rechtsauffassung der Beigeladenen Nr. 2 (Schreiben vom 4.5.2006, Verwaltungsakte S. 20) – das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses fest. Dafür spreche, dass das Arbeitsentgelt der Klägerin als Betriebsausgabe gebucht und Lohnsteuer abgeführt worden sei. Die Angaben der Klägerin, ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden, seien zweifelhaft, da die Finanzverwaltung für die steuerrechtliche (steuermindernde) Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Vorlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags verlange. Dass die Klägerin eine Bürgschaft übernommen habe, ändere nichts, nachdem ihr Ehemann Alleininhaber des Unternehmens sei. Eine Unternehmensbeteiligung sei der Klägerin nicht eingeräumt worden.

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2006 zurück, worauf die Klägerin am 26.7.2006 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhob. Zur Begründung trug sie vor, sie übe im Autohaus ihres Ehemannes faktisch eine Geschäftsführertätigkeit aus. Ein Arbeitsvertrag sei selbstverständlich abgeschlossen worden. Sie arbeite aber nicht als Angestellte; für ihre Geschäftsführertätigkeit gebe es keinen Vertrag. Das Autohaus gehöre zwar ihrem Ehemann allein, allerdings liege eine faktische GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) vor. Bei ihrer Tätigkeit unterliege sie keinem Weisungsrecht, sei vielmehr völlig frei. Das betreffe die Planung und Organisation der Einkaufsfinanzierung, die Personalplanung und die Planung der Liquidität des Betriebs. Sie sei auch im Übrigen für Verwaltungsarbeiten zuständig. Dafür sei sie mit einer umfassenden Handlungsvollmacht ausgestattet. Richtig sei, dass sie ein – für ihre Arbeit freilich zu geringes - festes Gehalt von etwa 2.700 EUR brutto zzgl. freiwilliger Zahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, beziehe. Ein unternehmerisches Risiko trage sie insoweit, als sie ihrem Ehemann (dem Betriebsinhaber) das Betriebsgrundstück "Am St. 5" mit Lagerhalle und Lagerflächen vermietet habe. Im September 1997 habe die Hallenfläche verkleinert und der Mietzins abgesenkt werden müssen, offensichtlich weil das Geschäft nicht gut gelaufen sei. Außerdem habe sie für ein Darlehen ihres Ehemannes eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zur Höhe von 563.080,64 EUR übernommen (SG-Akte S. 9). Diese Bürgschaft habe eine andere Bürgschaft aus dem Jahr 1994 über knapp 2.000.000 DM ersetzt. Alles in allem stünden die familiären Bindungen im Vordergrund; ein Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor.

Mit Urteil vom 29.1.2008 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 16.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.7.2006 auf und stellte fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen Nr. 1 seit dem 9.10.1988 (gemeint: 19.10.1988) nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Zur Begründung führte es (im Urteilstatbestand) aus, der Ehemann der Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung (in deren Niederschrift hierzu nichts festgehalten ist) angegeben, die Klägerin sei stets die treibende Kraft im Betrieb gewesen. Man habe mit 3 Mitarbeitern begonnen und verfüge jetzt über 10 bis 12 Mitarbeiter. Es treffe zu, dass der Betrieb "auf seinen Namen laufe", ebenso das Betriebsgebäude mit der Ausstellungshalle auf einem 3000 qm großen Grundstück. Von der Klägerin sei "ein Stück Lagerhalle" angemietet. Er führe mit der Klägerin regelmäßig Zielgespräche über die Zukunft des Betriebs. Den Urlaub verbringe man gemeinsam. Er sei gelernter Kfz-Meister und immer mehr der "Werkstattmann" gewesen. In die Chefrolle gegenüber den Beschäftigten sei er erst allmählich hineingewachsen. Die Klägerin sei gelernte Steuerfachgehilfin. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist ausgeführt, das Gericht sei auf Grund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von den Beteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin seit 1988 als selbständige Mitunternehmerin tätig gewesen sei. Die hierfür sprechenden Indizien überwögen. Ausschlaggebend sei, dass die Klägerin weisungsfrei, bei freier Zeiteinteilung und eigenverantwortlich gearbeitet habe. Wenn notwendig, leiste sie ohne gesonderte Vergütung auch Überstunden. Die Klägerin sei gleichberechtigt in die Leitung des Betriebs und in die Beschlussfassung über dessen künftiges Schicksal eingebunden; demgegenüber spiele es keine Rolle, dass der Betrieb ihrem Ehemann allein gehöre. Ohne Belang seien auch die Zahlung eines festen Gehalts, die Entrichtung von Lohnsteuer und die Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin am Jahresende Gewinnentnahmen vornehme. Wie sich in der mündlichen Verhandlung gezeigt habe, verfüge die Klägerin im Hinblick auf ihre Ausbildung zur Steuerfachgehilfin auch über die notwendigen Fachkenntnisse zur kaufmännischen Führung des Betriebs. Damit und mit dem Ausbau des Betriebs von einer freien Kfz-Werkstatt zum Honda-Vertragshändler wäre ihr Ehemann fachlich überfordert gewesen; er habe von Anfang an den Sachverstand der Klägerin benötigt. Ein etwaiges Direktionsrecht hätte er gegenüber der Klägerin im Hinblick auf die tatsächlichen "Machtverhältnisse" nicht ausüben können. Auch eine Entlassung der Klägerin als Beschäftigte wäre ohne Gefährdung des Betriebs nicht möglich gewesen. Schließlich habe die Klägerin erhebliche Bürgschaftsverpflichtungen übernommen, auf ein angemessenes Gehalt und einen regulären Urlaubsanspruch verzichtet.

Auf das ihr am 11.4.2008 zugestellte Urteil hat die Beigeladene Nr. 2 (Rentenversicherungsträger) am 9.5.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die (langjährige) steuerrechtliche Einstufung der Tätigkeit der Klägerin als abhängige (lohnsteuerpflichtige) Beschäftigung sei auch sozialversicherungsrechtlich von Belang (BSG, Urt. v. 21.4.1993, - 11 RAr 67/92 -). Die Angaben der Klägerin seien offenbar ergebnisorientiert auf die Zurückerlangung gezahlter Sozialversicherungsbeiträge gerichtet. Über Jahre hinweg sei sowohl aus steuerrechtlicher wie aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ein Beschäftigungsverhältnis gelebt worden; jetzt erscheine im Nachhinein die selbständige Tätigkeit mit Beitragsrückerstattung attraktiver. Unbeschadet eines angeblich nicht existierenden Arbeitsvertrags seien arbeitsvertragstypische Regelungen, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die monatliche Zahlung von Arbeitsentgelt, bestätigt worden. Man habe Lohnsteuer abgeführt und das Gehalt der Klägerin (steuermindernd) als Betriebsausgabe verbucht. Die Klägerin habe im Autohaus ihres Ehemannes eine kaufmännische Tätigkeit in der Geschäftsleitung ausgeübt. Einem anhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe dies auch angesichts eines entsprechend verfeinerten Weisungsrechts des Arbeitgebers nicht entgegen. Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung (vgl. etwa LSG Bayern, Urt. v. 18.7.2007, - L 4 KR 79/06, – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG) bestünden keine Gründe dafür, rückwirkend in das jahrelang mit Billigung aller Beteiligter bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Vielmehr bleibe es beim seinerzeit Gewollten, nämlich der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Auch handwerksrechtliche Gründe stünden der Rechtsauffassung des Sozialgerichts entgegen, sofern der Ehemann als Betriebsinhaber in die Handwerksrolle eingetragen sei. Schließlich begründe die von der Klägerin übernommene Bürgschaft nicht den Status einer (Mit-)Unternehmerin (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 15.4.2008, - L 5 KR 224/07 -, Senatsakte S. 48). Eine Bürgschaft stelle keine Kapitaleinlage, sondern nur eine Sicherheit dar. Außerdem würden von Banken vielfach entsprechende (Ehegatten-)Bürgschaften verlangt. Die Vermietung von Grundstücken begründe ein Vermieter-, aber kein Unternehmerrisiko.

Die Beigeladene Nr. 2 beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.1.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt ihre Rechtsauffassung. Das Sozialgericht habe zu Recht auf die übernommenen Bürgschaften abgestellt. Eigentlich liege eine GbR mit ihrem Ehemann vor. Im Berufungsverfahren müsse ein Ermessensspielraum des Sozialgerichts bei der Bewertung der Argumente berücksichtigt werden.

Die Klägerin hat außerdem Unterlagen vorgelegt, aus denen sich nach ihrer Ansicht die Stellung einer selbständigen Unternehmerin ergebe (u. a. Mietvertrag mit dem Ehemann über eine Lagerhalle, Kontovollmacht über Betriebskonten, von der Klägerin – für das Unternehmen ihres Ehemannes - unterschriebene Geschäftsunterlagen wie Arbeitszeugnisse, Kündigungen, Verträge, die Veranlassung von Eintragungen in das örtliche Telefonbuch, Zeitschriftenabonnements, u.ä., Senatsakte S. 60 ff.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beigeladenen Nr. 2 ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses angenommen. Das Urteil des Sozialgerichts kann deshalb keinen Bestand behalten.

Die Klägerin war während des gesamten hier zu beurteilenden Zeitraums ab 19.10.1988 versicherungspflichtige Arbeitnehmerin. Die Frage, ob die Berufung der Beigeladenen darüber hinaus auch deshalb hätte (teilweise) erfolgreich sein müssen, weil das SG die Klage zu Unrecht bezüglich des Zeitraums vom 19.10.1988 bis 31.12.2001 als zulässig behandelt hat, stellt sich für die Entscheidung über die Begründetheit der Berufung somit nicht. Die in vergleichbaren Fällen aufgeworfene Problematik des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin an einer Statusfeststellung für den Zeitraum vor dem 01.01.2002 kann daher unentschieden bleiben, weswegen der Senat sich auch nicht mit der durch Gesetz vom 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) mit Wirkung ab 01.01.2008 in das SGB IV eingefügten Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV auseinanderzusetzen braucht, wonach zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten. Zwar dürfte diese Regelung - mangels gesetzlicher Rückwirkung - bei Statusfeststellungsverfahren, die vor dem 1.1.2008 anhängig geworden sind, nicht zur Anwendung kommen, indes liegt es auf der Hand, dass der Beigeladenen zu 2) im Rahmen eines eventuellen Erstattungsverfahrens bei der bisher in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Entscheidung, ob sie von der Einrede der Verjährung Gebrauch macht (vgl. KassKomm - Seewald, Sozialversicherungsrecht, § 27 SGB IV Rdnr. 17), nunmehr vom Gesetzgeber eine verpflichtende Ermessensrichtlinie vorgegeben wurde, die (von atypischen Ausnahmefällen abgesehen) wiederum zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt. Hierauf kommt es - wie eingangs bereits hervorgehoben - für die Entscheidung über die Berufung der Klägerin aber nicht ausschlaggebend an.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 24 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Letzteres besteht in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben; zu diesen gehört, unabhängig von ihrer Ausübung, auch die einem Beteiligten zustehende (nicht wirksam abbedungene) Rechtsmacht. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (zu alledem etwa BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R - m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 13.6.2007, - L 5 KR 2782/06 -; vom 25.4.2007, - L 5 KR 2056/06 -, vom 14.2.2007, - L 5 R 3363/06 -, vom 1.2.2006, - L 5 KR 3432/05 - und vom 11.10.2006, - L 5 KR 5117/04). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

Hinsichtlich des Gesamtbilds der Arbeitsleistung kann es im Einzelfall auch darauf ankommen, ob der Betreffende im Unternehmen "schalten und walten" kann wie er will, weil er die Inhaber des Unternehmens (etwa die Gesellschafter einer GmbH) persönlich dominiert oder weil diese von ihm wirtschaftlich abhängig sind (vgl. auch BSG, Urt. v. 4.7.2007, - B 11a AL 5/06 R -). In diesem Fall ist in Wahrheit er der selbständig tätige Unternehmer. Dies hat das Bundessozialgericht insbesondere für den (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbH angenommen, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden war (BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -; Urt. v. 17.5.2001, - B 12 KR 34/00 R -; Urt. v. 6.3.2003, - B 11 AL 25/02 R -; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.3.2004, - L 9 AL 150/02 -). Familiäre Bindungen können danach einerseits einen ansonsten nicht bestehenden Unternehmerstatus in Sonderfällen begründen. Andererseits schließen sie das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses aber nicht von vornherein aus. Unschädlich ist vor allem, dass die Abhängigkeit des Beschäftigten bei familiärer Verbundenheit im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und Weisungsrechte deshalb möglicherweise (nur) mit gewissen Einschränkungen ausgeübt werden (BSG, Urt. v. 17.12.2002, - B 7 AL 34/02 R - m.w.N.). Für die Abgrenzung des sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit Entgeltzahlung von der nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund familienhafter Zusammengehörigkeit sind alle Umstände des Einzelfalles maßgeblich (BSGE 3, 30, 39 ff.; 19, 1, 4 ff. = SozR Nr. 31 zu § 165 RVO; BSGE 74, 275, 278 ff. = SozR 3 - 2500 § 5 Nr. 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11 S. 30; und s. auch Urteil v. 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -). Im einzelnen (so BSGE 74, 275) kann auf die Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis zwischen nahen Verwandten zurückgegriffen werden. Diese wurde mit dem Urteil des BSG vom 5.4.1956 (BSGE 3,30,40 "Meistersohn") eingeleitet und ist sodann fortgeführt worden (BSGE 12, 153, 156 = SozR Nr. 18 zu § 165 RVO; 17, 1, 3 ff. = SozR Nr. 41 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr. 90).

Danach setzt ein Beschäftigungsverhältnis neben der Eingliederung des Familienangehörigen in den Betrieb mit einem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass ein Entgelt gezahlt wird, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt. Es muss über freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgehen. Abzustellen ist weiter darauf, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Ist all das der Fall, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Familienangehörige, auch der Ehegatte, auf das Entgelt wirtschaftlich angewiesen ist, wenngleich dies die Abhängigkeit des Beschäftigten indizieren kann (vgl. BSG SozR - 2200 § 165 Nr. 90; BSG, Urt. v. 23.6.1994, - 12 RK 50/93 -). Indizwirkung kann auch der Höhe des gezahlten Entgelts zukommen (BSG, Urt. v. 17.12.2002 (- B 7 AL 34/02 R -). Allerdings schließt eine - auch erheblich - untertarifliche Bezahlung des Verwandten ein Beschäftigungsverhältnis nicht von vornherein aus (vgl. auch BSG, Urt. v. 12.9.1996 - 7 RAR 120/95 - ).

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend kann die Tätigkeit, die die Klägerin seit 19.10.1988 im Betrieb des Beigeladenen Nr. 1 ausgeübt hat, nach ihrem Gesamtbild nicht als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft werden; der Senat teilt insoweit die Einschätzung der Beigeladenen Nr. 2.

Gegen die Einstufung der Klägerin als Mitunternehmerin neben ihrem Ehemann, dem Beigeladenen Nr. 1, spricht in unternehmensrechtlicher Hinsicht zunächst maßgeblich, dass sie am Unternehmen nicht beteiligt ist und deshalb nicht über die Rechtsmacht verfügt, Unternehmensentscheidungen zu treffen oder Unternehmensentscheidungen des Beigeladenen Nr. 1 zu verhindern. Ein Unternehmerrisiko trägt sie demzufolge nicht, auch wenn der Betrieb des Beigeladenen Nr. 1 die wirtschaftliche Grundlage der Familie bildet und ihr Arbeitsplatz von dessen Fortbestand abhängt. Am Anlagevermögen des Betriebs, wie dem Betriebsgebäude mit Ausstellungshalle, ist die Klägerin nicht (dinglich) berechtigt; der Beigeladene Nr. 1 hat nur "ein Stück" Lagerhalle von der Klägerin angemietet. Eine Gütergemeinschaft mit der Zuordnung des Unternehmens zum Gesamtgut (§ 1416 BGB) ist nicht begründet worden, vielmehr leben die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, woraus der Klägerin eine Mitinhaberschaft am Unternehmen des Beigeladenen Nr. 1 nicht erwächst (vgl. § 1363 Abs. 2 BGB). Eine – so die Klägerin – "faktische GbR" – ändert daran nichts. Wie die Beigeladene Nr. 2 mit Recht angenommen hat, folgt ein für den sozialversicherungsrechtlichen Status beachtliches Unternehmerrisiko der Klägerin auch nicht aus der Vermietung (Verpachtung) "eines Stücks" Lagerhalle. Gleiches gilt für die Übernahme einer Bürgschaft für ein ihrem Ehemann gewährtes Darlehen. Als Kapitaleinlage kann die Kreditsicherung nicht gewertet werden (zu diesem Gesichtspunkt etwa LSG Bayern, Urt. v. 15.4.2008, - L 5 KR 224/07 -). Außerdem ist die gemeinsame Haftung von Ehegatten für Kredite auch außerhalb des Geschäftslebens weit verbreitet.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht hatte die Klägerin – entgegen offenbar falscher Angaben im Verwaltungsverfahren – mit dem Beigeladenen Nr. 1 (doch) einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Als Arbeitsentgelt erhielt sie ein auf ein Privatkonto gezahltes festes Monatsgehalt in Höhe von etwa 2.700 EUR brutto zzgl. Weihnachts- und Urlaubsgeld, das weder als Taschengeld noch als (bloße) Anerkennung für Gefälligkeiten abgetan werden kann und das ungeachtet dessen, ob es als ortsüblich anzusehen wäre oder dem einschlägigen Tariflohn entspräche (vgl. BSG, Urt. v. 12.9.1996, - 7 RAR 120/ 95), einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt. Dem Unternehmerstatus entsprechende Gewinnentnahmen am Jahresende tätigte demgegenüber allein der Beigeladene Nr. 1. Der Klägerin wurde zudem ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingeräumt; dabei handelt es sich um ein wesentliches Arbeitnehmerrecht. Vom Gehalt der Klägerin hat man – wie bei Angestellten üblich – Lohnsteuer abgeführt und man hat das Gehalt auch als (steuermindernde) Betriebsausgabe verbucht. Schließlich ersetzt die Klägerin eine fremde Arbeitskraft. Als gelernte Steuerfachgehilfin hat sie Aufgaben in der kaufmännischen und verwaltenden Betriebsführung übernommen, für deren Erfüllung der als gelernter Kfz-Meister insoweit offenbar nicht hinreichend sachkundige, eher technisch orientierte Betriebsinhaber andernfalls einen Angestellten hätte beschäftigen müssen. All das belegt das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Dass die Klägerin Urlaub mit ihrem Ehemann, dem Beigeladenen Nr. 1 und Betriebsinhaber, abstimmt und gemeinsam verbringt, besagt für ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts.

Mit der eigenverantwortlichen Erledigung der ihr aufgetragenen Arbeit (Verwaltung, Planung und Organisation der Einkaufsfinanzierung, Personalplanung u.ä.) hat die Klägerin Aufgaben einer leitenden Angestellten in der Geschäftsführung des Unternehmens ihres Ehemannes wahrgenommen, die im Rahmen dienender Teilhabe am Arbeitsprozess (BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R) naturgemäß weitgehend frei von Einzelweisungen des Unternehmers erfüllt werden. Dass sie hierfür – und sei es als einzige im Unternehmen - über die notwendigen Kenntnisse verfügen muss, versteht sich von selbst und ist für leitende Angestellte typisch. Von diesen wird auch erwartet, dass sie selbständig arbeiten (können). Der Status eines Mitunternehmers erwächst ihnen daraus ebenso wenig wie aus der Erteilung der im Einzelfall notwendigen Vollmachten. Über die Befugnis, nach außen für das Unternehmen auftreten und Rechtshandlungen vornehmen zu dürfen, verfügen leitende Angestellte regelmäßig, sofern dies zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung erforderlich ist. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist es für den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin als abhängig beschäftigte (leitende) Angestellte nicht von Belang, dass sie die "treibende Kraft" im Unternehmen des Beigeladenen Nr. 1 gewesen ist und dass der Betriebsinhaber mit ihr regelmäßig Zielgespräche über die Zukunft des Betriebes geführt hat. Das trägt die Annahme, die Klägerin sei auch ohne Unternehmensbeteiligung neben ihrem Ehemann gleichberechtigte Mitunternehmerin gewesen, nicht.

Schließlich soll - auch wenn es für den Senat entscheidungserheblich darauf nicht mehr ankommt - im Hinblick auf das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass die Tätigkeit der Klägerin gegenüber den Sozialversicherungsträgern durchweg über lange Jahre als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung behandelt worden war. So wurde sie von Anfang an als abhängig Beschäftigte angemeldet und man hat neben der Lohnsteuer regelmäßig den Gesamtsozialversicherungsbeitrag abgeführt. Der Senat verkennt nicht, dass die tatsächliche Beitragsabführung Rückschlüsse auf das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erlaubt (BSG, Urt. v. 4.7.2007, - B 11a AL 5/06 R -). Gleichwohl tritt in der langjährigen Handhabung der Tätigkeit, die die Klägerin im Unternehmen des Beigeladenen Nr. 1 ausgeübt hat, eine Selbsteinschätzung des sozialversicherungsrechtlichen Status hervor, die das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses jedenfalls unterstreicht, mag es hierauf für das Gesamtbild der Arbeitsleistung auch nicht mehr ausschlaggebend ankommen. Das Unterfangen, nunmehr im Nachhinein die Sozialversicherungsbeiträge von der Solidargemeinschaft der Versicherten wieder "zurückzuholen", kann damit nicht gelingen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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