L 7 B 1032/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 923/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 1032/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) greift mit der Beschwerde einen Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27.11.2008 an, mit dem sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.

Der Bf. hatte sich an das Sozialgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gewandt, weil die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) die Bewilligung von Leistungen wegen einzusetzendem Vermögen abgelehnt hatte. Dem Bf. waren Ende September 2008 Teile einer Abfindung seines ehemaligen Arbeitgebers zugeflossen, wobei diese Zahlung auf einem Konto seiner Schwester gutgeschrieben wurde.

II.

Der Bf. hat in seiner Beschwerdeschrift zum Ausdruck gebracht, das Sozialgericht habe zu lange für seine Entscheidung gebraucht. Unabhängig davon, dass der Senat diese Ansicht nicht teilt - das Verfahren hat gerade zehn Tage gedauert -, folgert er daraus, dass dem Bf. an höchster Eile gelegen ist. Um dem entgegen zu kommen, entscheidet der Senat über die Beschwerde, ohne die Stellungnahme der Bg. abzuwarten. Das ist auch nicht notwendig, da allein aufgrund der Einlassungen des Bf. die Beschwerde nach den rechtlichen Maßstäben des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidungsreif ist.

Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zurecht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Bedürftigkeit abgelehnt.

Indes vertritt der Senat die Meinung, dass die im Steuerrecht (z.B. für die Bewertung von Gesellschaftsverhältnissen oder Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen) entwickelten Prinzipien zum so genannten Fremdvergleich nicht unbesehen auf die vorliegende Konstellation übertragen werden können. Es liegt generell nicht fern, dass Verwandte zur Überbrückung von Notlagen oder bei besonderen Bedarfssituationen unverzinsliche Darlehen gewähren. Auch wenn solche Darlehen dem Fremdvergleich nicht standhalten mögen, so darf dennoch eine zivilrechtliche Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers nicht von vornherein negiert werden.

Zwar hat sich das Sozialgericht in seiner Begründung maßgeblich auf den Gesichtspunkt des Fremdvergleichs gestützt. Dennoch ist seine Entscheidung richtig. Zunächst verkennt der Bf., dass es an ihm ist, alle Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft zu machen. Entgegen seiner Ansicht trifft die Bg. keine Beweispflicht.

Unabhängig von Fragen der objektiven Beweislast lässt allein der sich nach Aktenlage und vor allem aus dem Vortrag des Bf. ergebende Sachverhalt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu. Mit Ablauf des Monats September 2008 hat der Bf. seinen Arbeitsplatz verloren. In diesem Monat hat er das reguläre Arbeitsentgelt, eine geringe Sonderzuwendung sowie eine Abfindung in Höhe von 30.000 EUR brutto erhalten. Letztlich sind ihm davon 15.134 EUR ausbezahlt worden. Offenbar ist das Geld - ebenso wie bereits vorherige laufende Gehaltszahlungen - auf ein Girokonto der Schwester des Bf. (W) geflossen. Schenkt man dem Vortrag des Bf. Glauben, so hatte W für ihn im April 2008 ein Darlehen bei einer Bank aufgenommen, auf das monatlich 290,13 EUR zu zahlen waren; als Darlehensnehmerin war W aufgetreten. Um Sicherheiten zu haben - so jedenfalls der Bf. -, hat W veranlasst, dass alle Gehaltszahlungen für den Bf. auf ihr Konto liefen. Dementsprechend wurde auch die Zahlung im September 2008 auf ihr Konto überwiesen. Ein unverzinsliches Darlehen über 4.000 EUR hätte er, so sagt der Bf., von seiner Mutter erhalten.

In einer Bestätigung vom 29.10.2008 hat W vorgetragen, sie hätte aus dem auf ihrem Konto eingegangenen Gehalt des Bf. jeweils die Darlehenraten in Höhe von monatlich 290,13 EUR gezahlt und den Restbetrag dem Bf. ausgekehrt. Von dem großen Betrag im September hätte sie 5.500 EUR für sich als Teilrückzahlung des Kredits einbehalten und weitere 4.000 EUR der Mutter als Darlehensrückzahlung gegeben.

Wenn dieser Sachverhalt zutrifft, hätte der Bf. gegen W einen zivilrechtlichen Anspruch auf Auszahlung des größten Teils des vom ehemaligen Arbeitgeber im September gezahlten Betrags. W hätte weder 5.500 EUR (zur Soforttilgung) einfach für sich behalten noch 4.000 EUR der Mutter auszahlen dürfen, wenn der Bf. ab Oktober 2008 ohne jedes Einkommen dastehen würde. Dafür gibt es keine rechtliche Befugnis. Da der Bf. und W ja offenkundig gut miteinander auskommen, Letztere ihn sogar verköstigt, muss dieser Anspruch als zeitnah realisierbar eingestuft werden.

Sollte W dagegen nicht eigenmächtig gehandelt, sondern der Bf. diese Zahlungsflüsse vielmehr gebilligt oder gar initiiert haben, dann muss er sich fragen lassen, warum er seiner Mutter ausgerechnet Ende September 2008, also unmittelbar vor seiner sich überdeutlich abzeichnenden Einkommenslosigkeit, ein Darlehen zurückgezahlt hat, für das allem Anschein nach keinerlei stringente Rückzahlungsbedingungen vereinbart worden waren. Weiter muss er sich fragen lassen, warum er ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt eine teilweise Soforttilgung des Bankkredits betrieben hat, obwohl W lediglich monatliche Zahlungen von nur 290,13 EUR erbringen musste. Der zeitliche Zusammenhang dieser finanziellen Transaktionen mit dem Beginn der Einkommenslosigkeit sowie ihre wirtschaftliche Unsinnigkeit sind frappierend. Der Senat ist davon überzeugt, dass - sollte nicht W, sondern der Bf. selbst "treibende Kraft" gewesen sein - die Zahlungen zu dem Zweck erfolgten, einem Leistungsanspruch entgegen stehendes Vermögen "beiseite zu schaffen". Der Bf. hatte sich sehenden Auges in die unmittelbar bevorstehende Mittellosigkeit begeben. Derartige Rechtsgeschäfte zum bewussten Nachteil eines Sozialleistungsträgers sind sittenwidrig und damit nichtig; möglicherweise handelt es sich auch um nichtige Scheingeschäfte. Auch im vorliegenden Fall liegt ein Nichtigkeitstatbestand außerordentlich nahe, was ggf. auch eine Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Klärung strafrelevanten Verhaltens nach sich ziehen müsste. Das bedeutet, dass das Vermögen weiterhin in der Rechtsherrschaft des Bf. stünde; auch wäre ein sofortiger Zugriff darauf von Seiten des Bf. sicherlich möglich.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der Senat dahin stehen lassen, ob und, wenn ja, ab wann der Bf. Arbeitslosengeld nach dem SGB III erhält oder erhalten hat. Immerhin hat er anscheinend längere Zeit in einem Arbeitsverhältnis gestanden; die Höhe seiner Abfindung spricht dafür. Möglicherweise ist der Bf. ab Oktober 2008 lediglich von einer Sperrzeit betroffen gewesen. Offen bleiben kann auch, ob das "Restvermögen", welches dem Bf. nach seiner Schilderung verblieben ist, eine gegenwärtige dringliche Notlage ausschließt; nur dann, wenn eine solche gegenwärtige dringliche Notlage gegeben ist, besteht überhaupt Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dass der noch vorhandene Betrag den materiell-rechtlichen Vermögensfreibetrag nicht überschreiten würde, würde an dieser Stelle keine Rolle spielen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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