Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1d V 23/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 194/87
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. Dezember 1986 aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Januar 1980 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung des Augenleidens als Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE von 80 v.H. ab 1. Januar 1979 zu gewähren.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Kläger beantragte erstmals am 15. Juni 1951 bei der Landesversicherungsanstalt Hessen die Gewährung einer Rente nach dem KB-Leistungsgesetz wegen Rheuma im Rücken. Dies habe er sich in der Gefangenschaft zugezogen. Er gab an, er sei damals in M. im Lazarett des Lagers 404 behandelt worden. (Eine entsprechende Bestätigung des Mitgefangenen H. B. vom 20. Juni 1951 ist in der Akte des Beklagten enthalten). Zur weiteren Stützung seines Vorbringens legte er eine Bescheinigung von Dr. med. H. vom 17. Juli 1951 vor, wonach dieser ihn wegen seines Muskelrheumatismus im Rücken nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft behandelt habe.
Anläßlich einer versorgungsärztlichen Untersuchung vom 18. Mai 1954 durch Dr. med. v.H. berichtete der Kläger von einer Kohlenoxydgasvergiftung zu Beginn des Fronteinsatzes 1941. Wegen dieser Erkrankung sei er 14 Tage im Ortsrevier behandelt worden. Im April 1945 seien erstmals Schmerzen im Rücken aufgetreten, die sich in der Kriegsgefangenschaft verstärkt hätten. Weitere Beschwerden seien im Winter 1946, 1948 und 1950 aufgetreten. Damals führte der Kläger seine Beschwerden auf eine Erkältung im Felde und in der Gefangenschaft zurück, insbesondere durch das Liegen auf der kalten Erde. Dr. v.H. führte in diesem Zusammenhang aus, daß der Rheumatismus der Rückenmuskulatur mit den dargelegten Ursachen kaum im Zusammenhang stehen dürfte. Die vorliegende rheumatische Muskelerkrankung im Rücken sei vielmehr auf das schlechte Gebiß und auf den Verdacht von Herden an den Zähnen zurückzuführen. Mit Bescheid vom 28. August 1954 wies der Beklagte hierauf den Antrag des Klägers zurück. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1955).
Am 30. Januar 1979 beantragte der Kläger die Anerkennung eines Augenleidens als Schädigungsfolge. Zu dem Augenleiden sei es aufgrund einer Vergiftung bei einer Entlausungsaktion im Januar 1942 in Rußland zwischen Ch. und K. gekommen. Er sei damals ohnmächtig geworden und erst wieder im Ortsrevier aufgewacht. Ursache der Vergiftung sei nach Schilderung des behandelnden Arztes eingeströmtes Kohlenmonoxydgas gewesen. Darüber hinaus gab der Kläger an, er sei seit 1947 zweimal zur Verbesserung der Sehkraft operiert worden; bis heute sei er in unregelmäßigen Abständen in augenärztlicher Behandlung. Dies wurde durch eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen W. vom 23. Juni 1979 bestätigt. Auf Anfrage teilte der Augenarzt Dr. Sch. dem Beklagten am 6. August 1979 mit, daß beim Kläger ein beidseitiger Astigmatismus und ein einschlägiger Nystagmus mit einer Sehschärfe von beiderseits 0,5 mit Brille bestünden. Mit Bescheid vom 22. Januar 1980 lehnte der Beklagte hierauf den Antrag des Klägers ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 1. Februar 1980 beim Sozialgericht Fulda Klage.
Zur Begründung wiederholte er im wesentlichen seine schon im Vorverfahren dargelegte Auffassung. Ergänzend trug er vor, nach der Vergiftung sei ein Augenzittern zurückgeblieben. Weil er nicht mehr habe schießen und seinen Vorgesetzen von seinen Kameraden nicht mehr habe unterscheiden können, sei er als Wachmann zu den Landschützen abkommandiert worden. Wegen des Augenleidens sei er vorzeitig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Als er 1951 seine Kriegsschäden geltend gemacht habe, sei ihm gesagt worden, er könne nicht auch noch den Augenschaden geltend machen. Den Antrag habe er zu spät gestellt aus Furcht, seinen Führerschein zu verlieren. Einem Aufsatz habe er entnommen, sein Augenleiden sei möglicherweise auf eine Vergiftung zurückzuführen.
Vorgelegt wurden vom Kläger darüber hinaus eine Reihe von Bescheinigungen und eidesstattliche Versicherungen darüber, daß vor dem Krieg keine Sehschwäche bestanden habe.
Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, die Kohlenmonoxydvergiftung sei nicht bewiesen. Dagegen spreche die kurze Behandlungszeit im Ortsrevier, das Fehlen von schriftlichen Unterlagen sowie der späte Antrag des Klägers. Außerdem leide der Kläger an einer Augenerkrankung, die seit dem 17. Lebensjahr das Tragen einer Brille und 1948 eine Schieloperation erforderlich machte. Zwar habe der Kläger 1954 eine Kohlenoxydgasvergiftung erwähnt, jedoch keine Angaben zu einem hierdurch erlittenen Augenleiden gemacht. Der vorliegende Nystagmus habe sich seit 1979 erheblich verschlechtert. Dies spreche ebenfalls gegen die Verursachung vor ca. 40 Jahren.
Das Sozialgericht hat durch Einholung ärztlicher Gutachten Beweis über den Zusammenhang zwischen Wehrdienst und Augenleiden des Klägers erhoben. Der Augenfacharzt Prof. Dr. K. Universitätsaugenklinik G., stellte im Gutachten vom 14. Juni 1982 beim Kläger einen partiellen Sehnervenschwund mit herabgesetzter Sehschärfe, horizontalem Augenzittern und Auswärts-Begleitschielen fest. Diesen Befund führte er auf die angeschuldigte Kohlenmonoxydvergiftung zurück. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er mit 80 v.H.
Prof. Dr. M., Zentrum der Augenheilkunde der J.-Universität, stellte in seinem Gutachten vom 8. November 1983 eine geringgradige temporale Abblassung der Papille (Sehnervenscheibe) und einen Nystagmus beider Augen als Folge der Kohlenmonoxydvergiftung fest und bewertete die MdE mit 40 v.H. Der darüber hinaus gehörte Neurologe Prof. Dr. D. Universitätsnervenklinik G. (Gutachten vom 15. Februar 1984), führte den Nystagmus und die partielle beiderseitige Opticusatrophie auf eine Kohlenmonoxydvergiftung zurück, fand aber keine Erkrankungsursache auf neurologischem Fachgebiet. Die MdE-Bewertung überließ er einer augenfachärztlichen Begutachtung. Prof. Dr. K. von der Neurologischen Klinik D. Abteilung für Neurologie, vertrat in seinem Gutachten vom 19. März 1985 die Auffassung, daß beim Kläger wahrscheinlich ein angeborener kongenitaler Fixationsnystagmus bestehe, der durch die Vergiftung im Jahre 1942 wesentlich verschlimmert worden sei.
Mit Urteil vom 4. Dezember 1986 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird insoweit Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 13. Februar 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. März 1987 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat er im wesentlichen seine bereits im Vor- und Klageverfahren dargelegte Auffassung wiederholt.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes den Kläger sowie den Zeugen W. W., H., zur Frage des schädigenden Ereignisses "Kohlenmonoxydvergiftung” vernommen. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Sitzungsniederschrift vom 16. August 1990 wird verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht bei Prof. Dr. med. R. M. (6. Oktober 1990, 15. Februar 1991) sowie Prof. Dr. med. W. D. (10. Dezember 1990) ergänzende Stellungnahmen zu der Frage eingeholt, ob unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom 19. März 1985 gefolgt werden könne oder andere Schlußfolgerungen zu ziehen seien. In seinen o.a. Stellungnahmen führte Prof. Dr. M. aus, er folge den Schlußfolgerungen von Prof. Dr. K. und bewerte die MdE für den zunehmenden Nystagmus mit 40 v.H. Prof. Dr. D. (a.a.O.) verwies in seiner Stellungnahme darauf, eventuell noch ein neuroophthalmologisches Gutachten hinzuzuziehen. Aus neurologischer Sicht sei die Sachlage im Gutachten von Prof. Dr. K. angemessen beurteilt und gewürdigt worden.
Durch Beweisbeschluß vom 12. August 1991, geändert durch Beschluss vom 12. September 1991, beauftragte das Gericht den Leitenden Oberarzt der Fachklinik für Neurologie D. GmbH, Akademisches Krankenhaus der Universität U. in Sch., Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen.
In seinem Gutachten vom 24. April 1992 gelangte Dr. M. zusammenfassend zu dem Ergebnis:
1) Im Bereich der Augen lägen beim Kläger ein erworbener Fixationsnystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie bds. vor.
2) Diese Gesundheitsstörungen seien unmittelbar auf den Kriegsdienst zurückzuführen.
3) Beim Kläger gäbe es kein symptomfreies Intervall. Der Eindruck eines symptomfreien Intervalls beruhe auf der Tatsache, daß der Kläger erstmals 1979 kompetent augenfachärztlich untersucht worden sei. Die Zunahme der Gesundheitsstörungen seit 1979 lasse sich aus den Unterlagen keinesfalls belegen.
4) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund seiner Gesundheitsstörungen im Bereich der Augen betrage 80 %.
Hierzu äußerte sich der Arzt des Beklagten Dr. med. P. in seiner aktenmäßigen nervenärztlichen Äußerung vom 16. Juli 1992 unter anderem dahingehend, daß der dokumentierte Ablauf der Erkrankung – im Gegensatz zu der Schlußfolgerung des letzten Gutachters, zu der Annahme zwinge, daß zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1955 und 1979 ein pathologischer Prozeß in Gang gekommen sei, der im Jahre 1979 einen feinschlägigen Nystagmus mit mäßiger Sehstörung (0,5 bds.), in den folgenden Jahren extrem zunehmend bis auf eine zentrale Sehschärfe von 0,05/0,1 mit kompensatorischen Kopfbewegungen verursachte, der sich dann etwa seit der Begutachtung in der Augenklinik F. am 8. November 1983 auf ein nun unveränderliches "Narbenstadium” mit beidseitiger Sehschärfe um etwa 0,2 mit Rucknystagmus stabilisiert habe.
Dieser Verlauf sei mit der Annahme einer ursächlichen Vergiftung im Jahre 1942 und danach abklingender Symptomatik, schlechterdings unvereinbar. Wenn auch eine MdE-Einstufung derzeit nicht sinnvoll sei, so verwies Dr. P. dennoch darauf, daß allenfalls der im Jahre 1979 festgestellte, wegen seiner Geringfügigkeit von Antragsteller und Ärzten bis dahin unbemerkte Augenbefund mit einer Intoxikation 1942 in Verbindung gebracht werden könne (MdE 10 v.H.), nicht aber eine Jahrzehnte später aus unerklärten Gründen plötzlich zwischen dem 6. August 1979 und dem 16. Juli 1980 eingetretene Verschlechterung.
Hierzu meinte Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 1992 zusammenfassend, daß er auch nach Kenntnis der Stellungnahme von Dr. P. bei seiner gutachterlichen Aussage bleibe, daß es beim Kläger als Folge einer gesicherten Kohlenmonoxydvergiftung 1942 zu einem erworbenen Fixationsnystagmus und einer linksbetonten Opticus-Athrophie beiderseits gekommen sei. Ein Kernspintomogramm des Gehirns, wie von Dr. P. angeregt, werde beim Kläger nicht zur weiteren Klärung der Zusammenhangsfrage beitragen können. Im einzelnen führte der Gutachter aus, daß das Auftreten eines Fixationsnystagmus ein ausgesprochen seltenes Ereignis sei und nur wenig Ursachen hierfür in Frage kämen. Besonders sei nochmal zu betonen, daß arteriosklerotische Gefäßveränderungen im Rahmen eines normalen Alterungsprozesses nicht ausreichten, um solch ein komplexes Schädigungsmuster hervorzurufen. Dr. P. könne als Alternative lediglich eine multiple Sklerose anführen. Für diese gäbe es jedoch beim Kläger keinerlei Anhalt. Andererseits gehöre eine Kohlenmonoxydvergiftung gerade zu den typischen Ursachen eines erworbenen Fixationsnystagmus, so daß dieser charakteristische Schädigungsmechanismus alle Unklarheiten in der Vorgeschichte bezüglich der Zusammenhangsfrage überwiege.
Dieser Auffassung widersprach Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 23. November 1992. Es treffe zwar zu, daß nach Aktenlage keine plausible Erklärung für den aktenmäßig gut dokumentierten Verlauf der Erkrankung des Klägers angegeben werden könne. Andererseits sei nun aber angesichts dieses aktenmäßig dokumentierten Verlaufes die Deutung der nach 1979 erstmals erwähnten Sehstörung als Folge einer 1942 eingetretenen Schädigung unwahrscheinlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. Dezember 1986 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Januar 1980 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung des Augenleidens als Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE von 80 v.H. ab 1. Januar 1979 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Deshalb hätte das Sozialgericht diesen Bescheid aufheben und der Klage stattgeben müssen.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Schädigungsfolgen ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG): Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach dieser Vorschrift wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
Nach dieser Bestimmung genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, wobei jedoch die anspruchsbegründende Tatsache des schädigenden Vorganges erst bewiesen sein muß (BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 – 9 RV 174/58 in KOV Rspr. 1963 Nr. 1410). Dies ergibt sich daraus, daß auch in der Kriegsopferversorgung die Anspruchsvoraussetzungen festgestellt werden müssen, d.h. die anspruchsbegründenden Tatsachen bedürfen grundsätzlich des vollen Beweises, sofern nicht aufgrund ausdrücklicher Ausnahmevorschriften geringere Beweisanforderungen, wie etwa die Wahrscheinlichkeit, die Glaubhaftmachung oder die Vermutung genügen (vgl. Rohr-Strässer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Handkommentar § 1 Anm. 10). Hierbei erfordert der Beweis eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit; eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, daß alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 in SozR 3900 zu § 40 VfG/KOV Nr. 9, Seite 24).
Der Nachweis des schädigenden Ereignisses, nämlich der am 2. Januar 1942 anläßlich einer Entlausungsaktion erlittenen Kohlenmonoxydvergiftung, wird von dem erkennenden Senat durch die Aussage des Zeugen W. W. in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 1990 als erbracht angesehen. Überzeugend und für den Senat nachvollziehbar hat W. W., der bei der Kompanie des Klägers die Tätigkeit als Hufbeschlagsschmied ausübte, ausgeführt, daß an dem fraglichen Tag der Stabswachtmeister der Kompanie ihm zugerufen habe, er solle sofort mitkommen, in der Sauna lägen zwei tote Kameraden. Er sei hierauf sofort mit zur Sauna gegangen.
Dort hätten zwei Soldaten gelegen, die ihm als Angehörige der Kompanie dem Namen nach bekannt gewesen seien. Es seien dies der Kläger und der Soldat B. gewesen, der auch der Friseur der Kompanie war. Als er mit dem Stabsfeldwebel in die Sauna gekommen sei, habe bereits ein Arzt mit einem Sauerstoffgerät Wiederbelebungsversuche gemacht. Bei dem Soldaten B. habe dies keinen Erfolg mehr gehabt. Bei dem Kläger jedoch hätten die Versuche dazu geführt, daß er die Augen aufmachte und mit dem Gesicht und vor allem mit den Augen stark zuckte. Der Arzt habe gesagt, Gott sei Dank, wir haben einem das Leben gerettet. Er habe dann geholfen, den Kläger in das Ortslazarett zu schaffen. Der Arzt, der die Wiederbelebungsversuche gemacht habe, sei mitgegangen. Bereits bei den Wiederbelebungsversuchen habe der genannte Arzt gesagt, es habe sich um eine Kohlenmonoxydvergiftung gehandelt. Diese Worte habe er gut verstanden. Er könne sich an diese Umstände noch genau erinnern, weil er ja bei den Wiederbelebungsversuchen zugegen war. Deshalb habe sich ihm die Sache eingeprägt. Zu der Kohlenmonoxydvergiftung sei es gekommen, als der Kläger und der Soldat B. in der Sauna badeten. Es habe sich um eine Zweimann-Kabine gehandelt, die mit Holz beheizt wurde. Die Sauna sei von Zivilisten geheizt worden, die der russischen Bevölkerung angehörten. Er wisse, daß bei der Befehlsausgabe bekanntgegeben worden sei, wer baden wolle, könne diese Sauna benutzen. Der Arzt habe auch noch gesagt, die Vergiftung sei dadurch entstanden, daß der Kamin des Heizofens der Sauna einen Riß gehabt habe und dadurch das Kohlenmonoxyd in die Sauna gelangt sei. Er selbst habe die Sauna nicht benutzt. In der Sauna hätten seiner Erinnerung nach zwei Badewannen gestanden. Darüber hinaus habe die Sauna aus mehreren Kabinen bestanden. Wenn Soldaten damals zum Baden gehen wollten, hätten sie sich beim Vorgesetzten abmelden müssen. Er könne sich noch erinnern, daß der Kläger ihm vor dem Ereignis gesagt habe, er wolle baden gehen, als er an der Scheune, in der er selbst tätig war, vorbei kam.
Durch diese Aussage ist zur Überzeugung des erkennenden Senats bewiesen, daß der Kläger durch einen Unfall während der Ausübung militärähnlichen Dienstes durch die Kohlenmonoxydvergiftung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Denn zum militärähnlichen Dienst zählt auch das bei der Befehlsausgabe bekanntgegebene Baden und Benutzen der Sauna (vgl. Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 6. Auflage 1987, § 1 BVG, Rz. 31). Hinzu kommt, daß sich die Soldaten, wenn sie zum Baden gehen wollten, beim Vorgesetzten abmelden mußten. Durch diesen Unfall (schädigendes Ereignis) wurde zur Überzeugung des erkennenden Senates auch das vom Kläger geltend gemachte Augenleiden, der Fixationsnystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG verursacht. Denn nach dieser Vorschrift genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese Wahrscheinlichkeit ist zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (a.a.O. Rz. 31).
Aufgrund des schlüssigen, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren nervenärztlichen Gutachtens von Dr. M., Akademisches Krankenhaus der Universität U., vom 24. April 1992 steht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, daß das Augenleiden des Klägers "Fixationsnystagmus, linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits” unmittelbar auf den Kriegsdienst zurückgeführt werden muß und somit als Schädigungsfolge anzuerkennen ist. Überzeugend verweist der Gutachter darauf, daß es beim Kläger seit dem schädigenden Ereignis, der Kohlenmonoxydvergiftung, kein symptomfreies Intervall gegeben habe. Der Eindruck eines symptomfreien Intervalles beruhe vielmehr auf der Tatsache, daß der Kläger erstmals 1979 kompetent augenfachärztlich untersucht worden sei. Eine Zunahme der geltend gemachten Gesundheitsstörungen lediglich seit 1979 lasse sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen keinesfalls belegen. Ausgehend von der Kohlenmonoxydvergiftung am 2. Januar 1942, bei dem ein Kamerad des Klägers ums Leben gekommen sei, sowie den Aussagen des Klägers selbst, daß sich die akuten Vergiftungssymptome, wie Benommenheit, Verwirrtheit und Sprachstörungen damals rasch gebessert hätten, führt Dr. M. überzeugend weiter aus, daß die ebenfalls unmittelbar nach der Vergiftung aufgetretenen Sehstörungen noch fortbestünden und sich bis heute allenfalls leicht gebessert hätten. Die Ursachen der geklagten Sehstörungen hätten sich anläßlich der Untersuchung objektivieren lassen. So sei ein ausgeprägter Spontan-Nystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits festzustellen gewesen. Bereits bei der Betrachtung des Augenhintergrundes sei eine Abblassung der Sehnervenpapille links aufgefallen. Die visuell evozierten Potentiale hätten verlängerte Latenzzeiten beiderseits gezeigt, deutlich linksbetont, was gut zu dem klinischen Untersuchungsbefund gepaßt habe. Die visuell evozierten Potentiale seien eine objektive, willkürlich nicht beeinflußbare Untersuchungsmethode zur Bestimmung der Leitgeschwindigkeit des Sehnerven. Verlängerte Latenzzeiten wiesen dabei auf eine Leitungsstörung des Nerven hin, wie sie vor allem bei einer Sehnervenatrophie vorkomme. Unter Hinweis auf die augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. M. verweist der Gutachter darauf, daß diese Ärzte in ihren Untersuchungen ebenfalls übereinstimmend eine Sehnervenatrophie beiderseits festgestellt hätten. Für die Verminderung der Sehkraft des Klägers spiele allerdings die leichte Opticus-Atrophie nur eine untergeordnete Rolle. In erster Linie würde die Visusminderung durch den ausgeprägten Spontan-Nystagmus mit überwiegender Schlagrichtung nach links verursacht. Sowohl die gutachterliche Untersuchung in der Klinik aus dem Jahre 1985 als auch die jetzige Untersuchung hätten beim Kläger den Befund eines Spontan-Nystagmus erbracht. Dieser komme am häufigsten bei einer Schädigung des peripheren Gleichgewichtsorgans vor. Eine solche Schädigung hätten jedoch die Vorgutachter bereits 1985 durch die kalorische Vestibularisprüfung und die akustisch evozierten Potentiale 1985 ausgeschlossen. Auch bei der nunmehr durchgeführten Untersuchung hätte sich keinerlei Anhalt für eine periphere Schädigung des N. stato-acusticus ergeben. Gerade aufgrund des Richtungswechsels bei Blickbewegungen und der Verstärkung des Nystagmus durch Fixation sei in Übereinstimmung mit Prof. Dr. D. Diagnose eines Fixationsnystagmus zu stellen gewesen. Auszuschließen sei dagegen ein angeborener Fixationsnystagmus, der durch das schädigende Ereignis 1942 erst wesentlich verschlimmert worden sei. Zwar sei der angeborene Fixationsnystagmus am häufigsten. Andererseits gebe es aber auch den erworbenen Fixationsnystagmus aufgrund von Schädigungen in den Zentren der Blickmotorik des Hirnstammes. Weiter führt Dr. M. aus, daß nach dem ebenfalls gehörten Prof. Dr. K. diese Hirnstammläsionen zu einer Enthemmung der Blickbewegung führten, weshalb bei jeder Blickintention konjugierte rhythmische Augenbewegungen im Sinne eines Nystagmus in der Ebene der Blickrichtung aufträten. Verursacht werden könnten solche Hirnstammläsionen durch Raumforderungen, wie z.B. der Syringobulbie, durch Entzündungen, wie bei der Multiplen Sklerose oder durch Intoxikationen und hier vor allem durch Kohlenmonoxyd. Überzeugend führt der Gutachter weiter aus, daß der angeborene Fixationsnystagmus in der Regel zu keinen Sehstörungen führe und daher keinen Krankheitswert besitze. Außerdem imponiere er meist als reiner Pendelnystagmus. Im Gegensatz dazu führe der erworbene Fixationsnystagmus zu erheblichen Sehstörungen, wie man sie sehr häufig bei Multiple-Sklerose-Kranken beobachten könne. Im Falle des Klägers seien jedoch diese hypothetischen Konstruktionen nicht wahrscheinlich. Bereits Prof. Dr. K. habe in seinem Gutachten 1982 darauf hingewiesen, daß der Unfallhergang sowie die erhobenen augenärztlichen Befunde durchaus mit Schäden im Einklang stünden, wie sie nach einer abgelaufenen Kohlenmonoxydvergiftung beschrieben würden. Auch nach der nervenärztlichen Literatur gehöre eine Kohlenmonoxydvergiftung zu den häufigsten Ursachen eines erworbenen Fixationsnystagmus. Früher sei es insbesondere bei Bergarbeitern aufgrund schlechter Belüftung häufig zu dieser Vergiftung gekommen mit dem Auftreten eines zentralen Fixationsnystagmus. Man spreche deshalb in den Lehrbüchern auch von "Bergarbeiter-Nystagmus”. Die hierbei auftretenden kleinen Erweichungsherde im Hirnstamm, die die Störung auslösten, seien in der Regel so klein, daß sie sich mit der Computer-Tomografie nicht darstellen ließen. Aufgrund dieses Schädigungsmechanismus würde auch verständlich, warum es ansonsten praktisch nur noch bei der Multiplen Sklerose zu einem erworbenen Spontan-Nystagmus komme. Bei der Multiplen Sklerose führe eine chronische Entzündung zu kleinen disseminierten Schädigungsherden im Zentralnervensystem. In diesem Zusammenhang wies Dr. M. nochmals ausdrücklich darauf hin, daß für die Entstehung eines erworbenen Fixationsnystagmus ein sehr komplexes Schädigungsmuster erforderlich sei. Der Fixationsnystagmus trete keinesfalls im Rahmen des üblichen Alterungsprozesses auf oder werde hierdurch verstärkt. Sogar eine ausgeprägte Arteriosklerose führe niemals zu einem zentralbedingten Spontan-Nystagmus. Für den Senat überzeugend legt Dr. M. weiter dar, daß es in der gesamten Anamnese des Klägers außer der Vergiftung kein so gravierendes Ereignis gebe, das einen erworbenen Nystagmus erklären könne. Außerdem habe sich der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung insgesamt durchaus in einem altersentsprechenden Gesundheitszustand dargestellt. Nachvollziehbar weist der Gutachter darauf hin, daß, wenn auch durch unterschiedliche Argumente, so doch sämtliche Vorgutachter übereinstimmend der Ansicht seien, daß die beim Kläger bestehenden Sehstörungen auf eine Kohlenmonoxydvergiftung zurückgeführt werden müßten. Übereinstimmung bestehe auch darin, daß die ausgeprägte Sehminderung ausschließlich auf dem ausgeprägten Nystagmus und der Opticus-Atrophie beruhe. Die Tatsache, daß der Nystagmus den Hauptanteil an der Sehminderung trage, erkläre die stark unterschiedlichen Befunde bei der Visusprüfung.
Entgegen der Auffassung von Dr. P. (16. Juli 1992), der beim Kläger das Vorliegen einer monosymptomatischen oculären Form einer Multiplen Sklerose für nicht hinreichend ausgeschlossen hielt, verweist Dr. M. überzeugend darauf, daß die Durchführung einer Kernspintomografie, wie sie von Dr. P. angeregt wurde, zum Nachweis multipler Schädigungsherde im Gehirn bei einem 71jährigen differentialdiagnostisch nicht weiterhelfen würde. Untersuchungen hätten ergeben, daß sich kernspintomografisch bei über 50 v.H. vollkommen gesunden über 60 Jahre alten Personen diese beschriebenen Herde im Gehirn nachweisen ließen. Diese würden sich morphologisch nicht von den Herden einer Multiplen Sklerose unterscheiden. Hinzu komme, daß bei der Multiplen Sklerose typischerweise ein schubförmiger Verlauf vorliege. Hiervon könne jedoch beim Kläger aufgrund der vorliegenden Krankheitsgeschichte nicht ausgegangen werden.
Was die MdE-Bewertung anbetrifft, so hat der Gutachter die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung auch unter Zugrundelegung der "Anhaltspunkte 1983” für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht (Seite 50 f.) für den Senat nachvollziehbar mit einer Gesamt-MdE von 80 v.H. bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Kläger beantragte erstmals am 15. Juni 1951 bei der Landesversicherungsanstalt Hessen die Gewährung einer Rente nach dem KB-Leistungsgesetz wegen Rheuma im Rücken. Dies habe er sich in der Gefangenschaft zugezogen. Er gab an, er sei damals in M. im Lazarett des Lagers 404 behandelt worden. (Eine entsprechende Bestätigung des Mitgefangenen H. B. vom 20. Juni 1951 ist in der Akte des Beklagten enthalten). Zur weiteren Stützung seines Vorbringens legte er eine Bescheinigung von Dr. med. H. vom 17. Juli 1951 vor, wonach dieser ihn wegen seines Muskelrheumatismus im Rücken nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft behandelt habe.
Anläßlich einer versorgungsärztlichen Untersuchung vom 18. Mai 1954 durch Dr. med. v.H. berichtete der Kläger von einer Kohlenoxydgasvergiftung zu Beginn des Fronteinsatzes 1941. Wegen dieser Erkrankung sei er 14 Tage im Ortsrevier behandelt worden. Im April 1945 seien erstmals Schmerzen im Rücken aufgetreten, die sich in der Kriegsgefangenschaft verstärkt hätten. Weitere Beschwerden seien im Winter 1946, 1948 und 1950 aufgetreten. Damals führte der Kläger seine Beschwerden auf eine Erkältung im Felde und in der Gefangenschaft zurück, insbesondere durch das Liegen auf der kalten Erde. Dr. v.H. führte in diesem Zusammenhang aus, daß der Rheumatismus der Rückenmuskulatur mit den dargelegten Ursachen kaum im Zusammenhang stehen dürfte. Die vorliegende rheumatische Muskelerkrankung im Rücken sei vielmehr auf das schlechte Gebiß und auf den Verdacht von Herden an den Zähnen zurückzuführen. Mit Bescheid vom 28. August 1954 wies der Beklagte hierauf den Antrag des Klägers zurück. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1955).
Am 30. Januar 1979 beantragte der Kläger die Anerkennung eines Augenleidens als Schädigungsfolge. Zu dem Augenleiden sei es aufgrund einer Vergiftung bei einer Entlausungsaktion im Januar 1942 in Rußland zwischen Ch. und K. gekommen. Er sei damals ohnmächtig geworden und erst wieder im Ortsrevier aufgewacht. Ursache der Vergiftung sei nach Schilderung des behandelnden Arztes eingeströmtes Kohlenmonoxydgas gewesen. Darüber hinaus gab der Kläger an, er sei seit 1947 zweimal zur Verbesserung der Sehkraft operiert worden; bis heute sei er in unregelmäßigen Abständen in augenärztlicher Behandlung. Dies wurde durch eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen W. vom 23. Juni 1979 bestätigt. Auf Anfrage teilte der Augenarzt Dr. Sch. dem Beklagten am 6. August 1979 mit, daß beim Kläger ein beidseitiger Astigmatismus und ein einschlägiger Nystagmus mit einer Sehschärfe von beiderseits 0,5 mit Brille bestünden. Mit Bescheid vom 22. Januar 1980 lehnte der Beklagte hierauf den Antrag des Klägers ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 1. Februar 1980 beim Sozialgericht Fulda Klage.
Zur Begründung wiederholte er im wesentlichen seine schon im Vorverfahren dargelegte Auffassung. Ergänzend trug er vor, nach der Vergiftung sei ein Augenzittern zurückgeblieben. Weil er nicht mehr habe schießen und seinen Vorgesetzen von seinen Kameraden nicht mehr habe unterscheiden können, sei er als Wachmann zu den Landschützen abkommandiert worden. Wegen des Augenleidens sei er vorzeitig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Als er 1951 seine Kriegsschäden geltend gemacht habe, sei ihm gesagt worden, er könne nicht auch noch den Augenschaden geltend machen. Den Antrag habe er zu spät gestellt aus Furcht, seinen Führerschein zu verlieren. Einem Aufsatz habe er entnommen, sein Augenleiden sei möglicherweise auf eine Vergiftung zurückzuführen.
Vorgelegt wurden vom Kläger darüber hinaus eine Reihe von Bescheinigungen und eidesstattliche Versicherungen darüber, daß vor dem Krieg keine Sehschwäche bestanden habe.
Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, die Kohlenmonoxydvergiftung sei nicht bewiesen. Dagegen spreche die kurze Behandlungszeit im Ortsrevier, das Fehlen von schriftlichen Unterlagen sowie der späte Antrag des Klägers. Außerdem leide der Kläger an einer Augenerkrankung, die seit dem 17. Lebensjahr das Tragen einer Brille und 1948 eine Schieloperation erforderlich machte. Zwar habe der Kläger 1954 eine Kohlenoxydgasvergiftung erwähnt, jedoch keine Angaben zu einem hierdurch erlittenen Augenleiden gemacht. Der vorliegende Nystagmus habe sich seit 1979 erheblich verschlechtert. Dies spreche ebenfalls gegen die Verursachung vor ca. 40 Jahren.
Das Sozialgericht hat durch Einholung ärztlicher Gutachten Beweis über den Zusammenhang zwischen Wehrdienst und Augenleiden des Klägers erhoben. Der Augenfacharzt Prof. Dr. K. Universitätsaugenklinik G., stellte im Gutachten vom 14. Juni 1982 beim Kläger einen partiellen Sehnervenschwund mit herabgesetzter Sehschärfe, horizontalem Augenzittern und Auswärts-Begleitschielen fest. Diesen Befund führte er auf die angeschuldigte Kohlenmonoxydvergiftung zurück. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er mit 80 v.H.
Prof. Dr. M., Zentrum der Augenheilkunde der J.-Universität, stellte in seinem Gutachten vom 8. November 1983 eine geringgradige temporale Abblassung der Papille (Sehnervenscheibe) und einen Nystagmus beider Augen als Folge der Kohlenmonoxydvergiftung fest und bewertete die MdE mit 40 v.H. Der darüber hinaus gehörte Neurologe Prof. Dr. D. Universitätsnervenklinik G. (Gutachten vom 15. Februar 1984), führte den Nystagmus und die partielle beiderseitige Opticusatrophie auf eine Kohlenmonoxydvergiftung zurück, fand aber keine Erkrankungsursache auf neurologischem Fachgebiet. Die MdE-Bewertung überließ er einer augenfachärztlichen Begutachtung. Prof. Dr. K. von der Neurologischen Klinik D. Abteilung für Neurologie, vertrat in seinem Gutachten vom 19. März 1985 die Auffassung, daß beim Kläger wahrscheinlich ein angeborener kongenitaler Fixationsnystagmus bestehe, der durch die Vergiftung im Jahre 1942 wesentlich verschlimmert worden sei.
Mit Urteil vom 4. Dezember 1986 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird insoweit Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 13. Februar 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. März 1987 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat er im wesentlichen seine bereits im Vor- und Klageverfahren dargelegte Auffassung wiederholt.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes den Kläger sowie den Zeugen W. W., H., zur Frage des schädigenden Ereignisses "Kohlenmonoxydvergiftung” vernommen. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Sitzungsniederschrift vom 16. August 1990 wird verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht bei Prof. Dr. med. R. M. (6. Oktober 1990, 15. Februar 1991) sowie Prof. Dr. med. W. D. (10. Dezember 1990) ergänzende Stellungnahmen zu der Frage eingeholt, ob unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom 19. März 1985 gefolgt werden könne oder andere Schlußfolgerungen zu ziehen seien. In seinen o.a. Stellungnahmen führte Prof. Dr. M. aus, er folge den Schlußfolgerungen von Prof. Dr. K. und bewerte die MdE für den zunehmenden Nystagmus mit 40 v.H. Prof. Dr. D. (a.a.O.) verwies in seiner Stellungnahme darauf, eventuell noch ein neuroophthalmologisches Gutachten hinzuzuziehen. Aus neurologischer Sicht sei die Sachlage im Gutachten von Prof. Dr. K. angemessen beurteilt und gewürdigt worden.
Durch Beweisbeschluß vom 12. August 1991, geändert durch Beschluss vom 12. September 1991, beauftragte das Gericht den Leitenden Oberarzt der Fachklinik für Neurologie D. GmbH, Akademisches Krankenhaus der Universität U. in Sch., Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen.
In seinem Gutachten vom 24. April 1992 gelangte Dr. M. zusammenfassend zu dem Ergebnis:
1) Im Bereich der Augen lägen beim Kläger ein erworbener Fixationsnystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie bds. vor.
2) Diese Gesundheitsstörungen seien unmittelbar auf den Kriegsdienst zurückzuführen.
3) Beim Kläger gäbe es kein symptomfreies Intervall. Der Eindruck eines symptomfreien Intervalls beruhe auf der Tatsache, daß der Kläger erstmals 1979 kompetent augenfachärztlich untersucht worden sei. Die Zunahme der Gesundheitsstörungen seit 1979 lasse sich aus den Unterlagen keinesfalls belegen.
4) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund seiner Gesundheitsstörungen im Bereich der Augen betrage 80 %.
Hierzu äußerte sich der Arzt des Beklagten Dr. med. P. in seiner aktenmäßigen nervenärztlichen Äußerung vom 16. Juli 1992 unter anderem dahingehend, daß der dokumentierte Ablauf der Erkrankung – im Gegensatz zu der Schlußfolgerung des letzten Gutachters, zu der Annahme zwinge, daß zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1955 und 1979 ein pathologischer Prozeß in Gang gekommen sei, der im Jahre 1979 einen feinschlägigen Nystagmus mit mäßiger Sehstörung (0,5 bds.), in den folgenden Jahren extrem zunehmend bis auf eine zentrale Sehschärfe von 0,05/0,1 mit kompensatorischen Kopfbewegungen verursachte, der sich dann etwa seit der Begutachtung in der Augenklinik F. am 8. November 1983 auf ein nun unveränderliches "Narbenstadium” mit beidseitiger Sehschärfe um etwa 0,2 mit Rucknystagmus stabilisiert habe.
Dieser Verlauf sei mit der Annahme einer ursächlichen Vergiftung im Jahre 1942 und danach abklingender Symptomatik, schlechterdings unvereinbar. Wenn auch eine MdE-Einstufung derzeit nicht sinnvoll sei, so verwies Dr. P. dennoch darauf, daß allenfalls der im Jahre 1979 festgestellte, wegen seiner Geringfügigkeit von Antragsteller und Ärzten bis dahin unbemerkte Augenbefund mit einer Intoxikation 1942 in Verbindung gebracht werden könne (MdE 10 v.H.), nicht aber eine Jahrzehnte später aus unerklärten Gründen plötzlich zwischen dem 6. August 1979 und dem 16. Juli 1980 eingetretene Verschlechterung.
Hierzu meinte Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 1992 zusammenfassend, daß er auch nach Kenntnis der Stellungnahme von Dr. P. bei seiner gutachterlichen Aussage bleibe, daß es beim Kläger als Folge einer gesicherten Kohlenmonoxydvergiftung 1942 zu einem erworbenen Fixationsnystagmus und einer linksbetonten Opticus-Athrophie beiderseits gekommen sei. Ein Kernspintomogramm des Gehirns, wie von Dr. P. angeregt, werde beim Kläger nicht zur weiteren Klärung der Zusammenhangsfrage beitragen können. Im einzelnen führte der Gutachter aus, daß das Auftreten eines Fixationsnystagmus ein ausgesprochen seltenes Ereignis sei und nur wenig Ursachen hierfür in Frage kämen. Besonders sei nochmal zu betonen, daß arteriosklerotische Gefäßveränderungen im Rahmen eines normalen Alterungsprozesses nicht ausreichten, um solch ein komplexes Schädigungsmuster hervorzurufen. Dr. P. könne als Alternative lediglich eine multiple Sklerose anführen. Für diese gäbe es jedoch beim Kläger keinerlei Anhalt. Andererseits gehöre eine Kohlenmonoxydvergiftung gerade zu den typischen Ursachen eines erworbenen Fixationsnystagmus, so daß dieser charakteristische Schädigungsmechanismus alle Unklarheiten in der Vorgeschichte bezüglich der Zusammenhangsfrage überwiege.
Dieser Auffassung widersprach Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 23. November 1992. Es treffe zwar zu, daß nach Aktenlage keine plausible Erklärung für den aktenmäßig gut dokumentierten Verlauf der Erkrankung des Klägers angegeben werden könne. Andererseits sei nun aber angesichts dieses aktenmäßig dokumentierten Verlaufes die Deutung der nach 1979 erstmals erwähnten Sehstörung als Folge einer 1942 eingetretenen Schädigung unwahrscheinlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4. Dezember 1986 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Januar 1980 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung des Augenleidens als Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE von 80 v.H. ab 1. Januar 1979 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Deshalb hätte das Sozialgericht diesen Bescheid aufheben und der Klage stattgeben müssen.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Schädigungsfolgen ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG): Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach dieser Vorschrift wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
Nach dieser Bestimmung genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, wobei jedoch die anspruchsbegründende Tatsache des schädigenden Vorganges erst bewiesen sein muß (BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 – 9 RV 174/58 in KOV Rspr. 1963 Nr. 1410). Dies ergibt sich daraus, daß auch in der Kriegsopferversorgung die Anspruchsvoraussetzungen festgestellt werden müssen, d.h. die anspruchsbegründenden Tatsachen bedürfen grundsätzlich des vollen Beweises, sofern nicht aufgrund ausdrücklicher Ausnahmevorschriften geringere Beweisanforderungen, wie etwa die Wahrscheinlichkeit, die Glaubhaftmachung oder die Vermutung genügen (vgl. Rohr-Strässer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Handkommentar § 1 Anm. 10). Hierbei erfordert der Beweis eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit; eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, daß alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 in SozR 3900 zu § 40 VfG/KOV Nr. 9, Seite 24).
Der Nachweis des schädigenden Ereignisses, nämlich der am 2. Januar 1942 anläßlich einer Entlausungsaktion erlittenen Kohlenmonoxydvergiftung, wird von dem erkennenden Senat durch die Aussage des Zeugen W. W. in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 1990 als erbracht angesehen. Überzeugend und für den Senat nachvollziehbar hat W. W., der bei der Kompanie des Klägers die Tätigkeit als Hufbeschlagsschmied ausübte, ausgeführt, daß an dem fraglichen Tag der Stabswachtmeister der Kompanie ihm zugerufen habe, er solle sofort mitkommen, in der Sauna lägen zwei tote Kameraden. Er sei hierauf sofort mit zur Sauna gegangen.
Dort hätten zwei Soldaten gelegen, die ihm als Angehörige der Kompanie dem Namen nach bekannt gewesen seien. Es seien dies der Kläger und der Soldat B. gewesen, der auch der Friseur der Kompanie war. Als er mit dem Stabsfeldwebel in die Sauna gekommen sei, habe bereits ein Arzt mit einem Sauerstoffgerät Wiederbelebungsversuche gemacht. Bei dem Soldaten B. habe dies keinen Erfolg mehr gehabt. Bei dem Kläger jedoch hätten die Versuche dazu geführt, daß er die Augen aufmachte und mit dem Gesicht und vor allem mit den Augen stark zuckte. Der Arzt habe gesagt, Gott sei Dank, wir haben einem das Leben gerettet. Er habe dann geholfen, den Kläger in das Ortslazarett zu schaffen. Der Arzt, der die Wiederbelebungsversuche gemacht habe, sei mitgegangen. Bereits bei den Wiederbelebungsversuchen habe der genannte Arzt gesagt, es habe sich um eine Kohlenmonoxydvergiftung gehandelt. Diese Worte habe er gut verstanden. Er könne sich an diese Umstände noch genau erinnern, weil er ja bei den Wiederbelebungsversuchen zugegen war. Deshalb habe sich ihm die Sache eingeprägt. Zu der Kohlenmonoxydvergiftung sei es gekommen, als der Kläger und der Soldat B. in der Sauna badeten. Es habe sich um eine Zweimann-Kabine gehandelt, die mit Holz beheizt wurde. Die Sauna sei von Zivilisten geheizt worden, die der russischen Bevölkerung angehörten. Er wisse, daß bei der Befehlsausgabe bekanntgegeben worden sei, wer baden wolle, könne diese Sauna benutzen. Der Arzt habe auch noch gesagt, die Vergiftung sei dadurch entstanden, daß der Kamin des Heizofens der Sauna einen Riß gehabt habe und dadurch das Kohlenmonoxyd in die Sauna gelangt sei. Er selbst habe die Sauna nicht benutzt. In der Sauna hätten seiner Erinnerung nach zwei Badewannen gestanden. Darüber hinaus habe die Sauna aus mehreren Kabinen bestanden. Wenn Soldaten damals zum Baden gehen wollten, hätten sie sich beim Vorgesetzten abmelden müssen. Er könne sich noch erinnern, daß der Kläger ihm vor dem Ereignis gesagt habe, er wolle baden gehen, als er an der Scheune, in der er selbst tätig war, vorbei kam.
Durch diese Aussage ist zur Überzeugung des erkennenden Senats bewiesen, daß der Kläger durch einen Unfall während der Ausübung militärähnlichen Dienstes durch die Kohlenmonoxydvergiftung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Denn zum militärähnlichen Dienst zählt auch das bei der Befehlsausgabe bekanntgegebene Baden und Benutzen der Sauna (vgl. Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 6. Auflage 1987, § 1 BVG, Rz. 31). Hinzu kommt, daß sich die Soldaten, wenn sie zum Baden gehen wollten, beim Vorgesetzten abmelden mußten. Durch diesen Unfall (schädigendes Ereignis) wurde zur Überzeugung des erkennenden Senates auch das vom Kläger geltend gemachte Augenleiden, der Fixationsnystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG verursacht. Denn nach dieser Vorschrift genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese Wahrscheinlichkeit ist zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (a.a.O. Rz. 31).
Aufgrund des schlüssigen, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren nervenärztlichen Gutachtens von Dr. M., Akademisches Krankenhaus der Universität U., vom 24. April 1992 steht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, daß das Augenleiden des Klägers "Fixationsnystagmus, linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits” unmittelbar auf den Kriegsdienst zurückgeführt werden muß und somit als Schädigungsfolge anzuerkennen ist. Überzeugend verweist der Gutachter darauf, daß es beim Kläger seit dem schädigenden Ereignis, der Kohlenmonoxydvergiftung, kein symptomfreies Intervall gegeben habe. Der Eindruck eines symptomfreien Intervalles beruhe vielmehr auf der Tatsache, daß der Kläger erstmals 1979 kompetent augenfachärztlich untersucht worden sei. Eine Zunahme der geltend gemachten Gesundheitsstörungen lediglich seit 1979 lasse sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen keinesfalls belegen. Ausgehend von der Kohlenmonoxydvergiftung am 2. Januar 1942, bei dem ein Kamerad des Klägers ums Leben gekommen sei, sowie den Aussagen des Klägers selbst, daß sich die akuten Vergiftungssymptome, wie Benommenheit, Verwirrtheit und Sprachstörungen damals rasch gebessert hätten, führt Dr. M. überzeugend weiter aus, daß die ebenfalls unmittelbar nach der Vergiftung aufgetretenen Sehstörungen noch fortbestünden und sich bis heute allenfalls leicht gebessert hätten. Die Ursachen der geklagten Sehstörungen hätten sich anläßlich der Untersuchung objektivieren lassen. So sei ein ausgeprägter Spontan-Nystagmus und eine linksbetonte Opticus-Atrophie beiderseits festzustellen gewesen. Bereits bei der Betrachtung des Augenhintergrundes sei eine Abblassung der Sehnervenpapille links aufgefallen. Die visuell evozierten Potentiale hätten verlängerte Latenzzeiten beiderseits gezeigt, deutlich linksbetont, was gut zu dem klinischen Untersuchungsbefund gepaßt habe. Die visuell evozierten Potentiale seien eine objektive, willkürlich nicht beeinflußbare Untersuchungsmethode zur Bestimmung der Leitgeschwindigkeit des Sehnerven. Verlängerte Latenzzeiten wiesen dabei auf eine Leitungsstörung des Nerven hin, wie sie vor allem bei einer Sehnervenatrophie vorkomme. Unter Hinweis auf die augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. M. verweist der Gutachter darauf, daß diese Ärzte in ihren Untersuchungen ebenfalls übereinstimmend eine Sehnervenatrophie beiderseits festgestellt hätten. Für die Verminderung der Sehkraft des Klägers spiele allerdings die leichte Opticus-Atrophie nur eine untergeordnete Rolle. In erster Linie würde die Visusminderung durch den ausgeprägten Spontan-Nystagmus mit überwiegender Schlagrichtung nach links verursacht. Sowohl die gutachterliche Untersuchung in der Klinik aus dem Jahre 1985 als auch die jetzige Untersuchung hätten beim Kläger den Befund eines Spontan-Nystagmus erbracht. Dieser komme am häufigsten bei einer Schädigung des peripheren Gleichgewichtsorgans vor. Eine solche Schädigung hätten jedoch die Vorgutachter bereits 1985 durch die kalorische Vestibularisprüfung und die akustisch evozierten Potentiale 1985 ausgeschlossen. Auch bei der nunmehr durchgeführten Untersuchung hätte sich keinerlei Anhalt für eine periphere Schädigung des N. stato-acusticus ergeben. Gerade aufgrund des Richtungswechsels bei Blickbewegungen und der Verstärkung des Nystagmus durch Fixation sei in Übereinstimmung mit Prof. Dr. D. Diagnose eines Fixationsnystagmus zu stellen gewesen. Auszuschließen sei dagegen ein angeborener Fixationsnystagmus, der durch das schädigende Ereignis 1942 erst wesentlich verschlimmert worden sei. Zwar sei der angeborene Fixationsnystagmus am häufigsten. Andererseits gebe es aber auch den erworbenen Fixationsnystagmus aufgrund von Schädigungen in den Zentren der Blickmotorik des Hirnstammes. Weiter führt Dr. M. aus, daß nach dem ebenfalls gehörten Prof. Dr. K. diese Hirnstammläsionen zu einer Enthemmung der Blickbewegung führten, weshalb bei jeder Blickintention konjugierte rhythmische Augenbewegungen im Sinne eines Nystagmus in der Ebene der Blickrichtung aufträten. Verursacht werden könnten solche Hirnstammläsionen durch Raumforderungen, wie z.B. der Syringobulbie, durch Entzündungen, wie bei der Multiplen Sklerose oder durch Intoxikationen und hier vor allem durch Kohlenmonoxyd. Überzeugend führt der Gutachter weiter aus, daß der angeborene Fixationsnystagmus in der Regel zu keinen Sehstörungen führe und daher keinen Krankheitswert besitze. Außerdem imponiere er meist als reiner Pendelnystagmus. Im Gegensatz dazu führe der erworbene Fixationsnystagmus zu erheblichen Sehstörungen, wie man sie sehr häufig bei Multiple-Sklerose-Kranken beobachten könne. Im Falle des Klägers seien jedoch diese hypothetischen Konstruktionen nicht wahrscheinlich. Bereits Prof. Dr. K. habe in seinem Gutachten 1982 darauf hingewiesen, daß der Unfallhergang sowie die erhobenen augenärztlichen Befunde durchaus mit Schäden im Einklang stünden, wie sie nach einer abgelaufenen Kohlenmonoxydvergiftung beschrieben würden. Auch nach der nervenärztlichen Literatur gehöre eine Kohlenmonoxydvergiftung zu den häufigsten Ursachen eines erworbenen Fixationsnystagmus. Früher sei es insbesondere bei Bergarbeitern aufgrund schlechter Belüftung häufig zu dieser Vergiftung gekommen mit dem Auftreten eines zentralen Fixationsnystagmus. Man spreche deshalb in den Lehrbüchern auch von "Bergarbeiter-Nystagmus”. Die hierbei auftretenden kleinen Erweichungsherde im Hirnstamm, die die Störung auslösten, seien in der Regel so klein, daß sie sich mit der Computer-Tomografie nicht darstellen ließen. Aufgrund dieses Schädigungsmechanismus würde auch verständlich, warum es ansonsten praktisch nur noch bei der Multiplen Sklerose zu einem erworbenen Spontan-Nystagmus komme. Bei der Multiplen Sklerose führe eine chronische Entzündung zu kleinen disseminierten Schädigungsherden im Zentralnervensystem. In diesem Zusammenhang wies Dr. M. nochmals ausdrücklich darauf hin, daß für die Entstehung eines erworbenen Fixationsnystagmus ein sehr komplexes Schädigungsmuster erforderlich sei. Der Fixationsnystagmus trete keinesfalls im Rahmen des üblichen Alterungsprozesses auf oder werde hierdurch verstärkt. Sogar eine ausgeprägte Arteriosklerose führe niemals zu einem zentralbedingten Spontan-Nystagmus. Für den Senat überzeugend legt Dr. M. weiter dar, daß es in der gesamten Anamnese des Klägers außer der Vergiftung kein so gravierendes Ereignis gebe, das einen erworbenen Nystagmus erklären könne. Außerdem habe sich der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung insgesamt durchaus in einem altersentsprechenden Gesundheitszustand dargestellt. Nachvollziehbar weist der Gutachter darauf hin, daß, wenn auch durch unterschiedliche Argumente, so doch sämtliche Vorgutachter übereinstimmend der Ansicht seien, daß die beim Kläger bestehenden Sehstörungen auf eine Kohlenmonoxydvergiftung zurückgeführt werden müßten. Übereinstimmung bestehe auch darin, daß die ausgeprägte Sehminderung ausschließlich auf dem ausgeprägten Nystagmus und der Opticus-Atrophie beruhe. Die Tatsache, daß der Nystagmus den Hauptanteil an der Sehminderung trage, erkläre die stark unterschiedlichen Befunde bei der Visusprüfung.
Entgegen der Auffassung von Dr. P. (16. Juli 1992), der beim Kläger das Vorliegen einer monosymptomatischen oculären Form einer Multiplen Sklerose für nicht hinreichend ausgeschlossen hielt, verweist Dr. M. überzeugend darauf, daß die Durchführung einer Kernspintomografie, wie sie von Dr. P. angeregt wurde, zum Nachweis multipler Schädigungsherde im Gehirn bei einem 71jährigen differentialdiagnostisch nicht weiterhelfen würde. Untersuchungen hätten ergeben, daß sich kernspintomografisch bei über 50 v.H. vollkommen gesunden über 60 Jahre alten Personen diese beschriebenen Herde im Gehirn nachweisen ließen. Diese würden sich morphologisch nicht von den Herden einer Multiplen Sklerose unterscheiden. Hinzu komme, daß bei der Multiplen Sklerose typischerweise ein schubförmiger Verlauf vorliege. Hiervon könne jedoch beim Kläger aufgrund der vorliegenden Krankheitsgeschichte nicht ausgegangen werden.
Was die MdE-Bewertung anbetrifft, so hat der Gutachter die beim Kläger vorliegende Sehbehinderung auch unter Zugrundelegung der "Anhaltspunkte 1983” für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht (Seite 50 f.) für den Senat nachvollziehbar mit einer Gesamt-MdE von 80 v.H. bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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