L 3 B 530/08 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 AS 1514/08 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 530/08 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Sonderregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist auf eine Person anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages oder des Beginns des Mietverhältnisses ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II ist.
2. Die Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 1 SGB II entfällt erst bei tatsächlicher Aufnahme einer bedarfsdeckenden Beschäftigung.
3. Der Bedarf ist erst gedeckt, wenn der Lohn tatsächlich zugeflossen ist.
4. Die Vorschriften des SGB II sind nur in solchen Fällen nicht mehr anzuwenden, in denen der Hilfebedürftige seinen noch nicht beschiedenen Antrag zurücknimmt oder nach Bewilligung auf die Leistungen verzichtet.
5. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II findet auch dann weiterhin Anwendung, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nach einem nicht erforderlichen Umzug vorübergehend (hier nicht wesentlich über den Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten hinaus) aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war, danach aber erneut einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen stellt.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind auch für auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur verpflichten, die Mietkosten seiner jetzigen Mietwohnung in tatsächlicher Höhe und nicht nur in Höhe der Mietkosten für seine vorherige Wohnung zu übernehmen.

Der 1967 geborene Antragsteller, der im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin stand, bewohnte vor seinem Umzug eine 34,70 m² große Ein-Zimmer-Wohnung mit einer Kaltmiete in Höhe von 133,60 EUR. Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 5. Juli 2007 bewilligte ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. Juli 2007 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. August 2007 bis 31. Januar 2008 in Höhe von monatlich 536,53 EUR, davon 189,53 EUR für Unterkunft und Heizung.

Am 6. August 2007 nahm der Antragsteller eine Beschäftigung mit monatlichen Bruttobezügen in Höhe von 1.200 EUR auf. Die Bezüge erhielt er ausweislich einer Bestätigung seines damaligen Arbeitgebers vom 26. März 2008 ab November 2007 im Voraus. Am Folgetag, dem 7. August 2008, schloss er einen Mietvertrag über seine jetzige, eine 77 m² große Wohnung mit einer Kaltmiete von 300,00 EUR und einem Gesamtmietzins von 420,00 EUR; das Mietverhältnis begann am 9. August 2007.

Nach einem Computervermerk vom 5. September 2007 erfuhr die Beklagte an diesem Tag von der Arbeitsaufnahme des Antragstellers. Mit Schreiben vom 10. September 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass das von ihm erzielte Einkommen Einfluss auf die Höhe der Leistungsgewährung habe oder die Leistung sogar ganz wegfallen könne. Deshalb sei die Leistung bis zur endgültigen Klärung vorläufig eingestellt worden. Der Antragsteller wurde zugleich aufgefordert, das Zusatzblatt 2.2 durch den Arbeitgeber ausfüllen zu lassen und umgehend wieder einzureichen. Eine Reaktion des Antragstellers hierauf ist aus der Verwaltungsakte nicht zu ersehen. Nach einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch wurde der Antragsteller am 18. September 2007 wegen eines Postrücklaufs seitens der Antragsgegnerin zu seiner aktuellen Anschrift befragt. Die melderechtliche Anmeldebestätigung datiert vom 28. Februar 2008. Nach der Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (Zentralkasse) vom 7. September 2007 wurde ein Zahlungsrücklauf in Höhe von 563,53 EUR vereinnahmt, weil nach Mitteilung der Empfängerbank das Konto des Antragstellers erloschen sei.

Nachdem sein Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. Februar 2008 ausgesprochen hatte, beantragtes der Antragsteller am 28. Februar 2008 erneut Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 28. März 2008 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 in Höhe von monatlich 536,53 EUR, davon 189,53 EUR für Unterkunft und Heizung.

Mit Schreiben vom 31. März 2008 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Den Mietvertrag habe er erst nach der Arbeitsaufnahme geschlossen. Im könne zwar nahegelegt werden, dass er sich innerhalb einer angemessenen Frist um eine neue Wohnung bemühe oder in sonstiger Weise die Mietkosten senke. Derzeit seien jedoch die tatsächlichen Mietkosten zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2008 zurück. Die tatsächlichen Mietkosten für die neue Wohnung seien nicht zu übernehmen, weil der Antragsteller ohne vorherige Zustimmung der Antragsgegnerin umgezogen sei. Auch habe keine Pflicht des kommunalen Trägers zur Zusicherung bestanden, weil der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Schließlich seien die Unterkunftskosten für die neue Wohnung auch nicht angemessen.

Der Kläger hat am 30. April 2008 Klage erhoben, die beim Sozialgericht Leipzig unter dem Aktenzeichen S 7 AS 1517/08 geführt wird. Am selben Tag hat er ferner einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. September 2007 um die Zusendung des neuen Mietvertrages und der entsprechenden Ummeldung gebeten habe. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr bereits bekannt gewesen, dass er sich seit dem 6. August 2007 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befunden habe. Dieses Arbeitsverhältnis sei von der Antragsgegnerin durch öffentliche Mittel gefördert worden. Aus diesem Grund alleine habe die Antragsgegnerin keinen weiteren Mitwirkungsanspruch. Auch habe er letztmalig zum 31. Juli 2007 Leistungen bezogen. Die Mietaufwendungen hätten erst ab dem 1. September 2007 erbracht werden müssen. Da der Mietvertrag erst geschlossen worden sei, als er wieder selbst für seinen Unterhalt habe sorgen können, sei es der Antragsgegnerin nicht gestattet, seine Rechte aus Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einzuschränken. Die Zustimmung zum Umzug sei auch deshalb nicht einzuholen gewesen, weil inzwischen der Geltungszeitraum des Bewilligungsbescheides vom 25. Juli 2007 abgelaufen sei. Mit Schreiben vom 23. Mai 2008 trug der Antragsteller unter anderem ergänzend vor, dass er mit Datum vom 5. August 2007 durch persönlich eingeworfenes Schreiben die Antragsgegnerin über seine neue Lebenssituation informiert habe.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsteller bereits vor Ablauf der sechsmonatigen Frist aus § 22 Abs.1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) eine Kostenreduzierung möglich sei. Seine Wohnung sei nach der Größe und dem Zuschnitt geradezu zur Untervermietung geeignet, die zudem dem Antragsteller auch zumutbar sei. Ferner sei der Antragsteller noch im Leistungsbezug gestanden und hätte deshalb eine vorherige Zustimmung des Leistungserbringers einholen müssen.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 1. Juli 2008 zugestellten Beschluss am 24. Juli 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Frage eines Zustimmungserfordernisses vertritt es seine bisherige Rechtsauffassung. Der Bewilligungsbescheid vom 25. Juli 2007 sei nicht geändert worden und damit am 31. Januar 2008 ausgelaufen. Zur Frage einer möglichen Kostensenkung führt er aus, dass das Sozialgericht prinzipiell nicht falsch zu liegen scheine; es müsse aber ein passender Mieter gefunden werden, was Zeit koste. Ein Umzug sei hingegen mit Kosten verbunden, die er derzeit nicht aufbringen könne.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichtes vom 26. Juni 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung seiner jetzigen Wohnung einstweilig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, mit dem der Antragsteller die einstweilige Übernahme der vollen Mietkosten begehrt, zu Recht abgelehnt.

1. Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn die tatsächlichen Mietkosten nebst Nebenkostenvorauszahlungen ab 1. März 2008 zu leisten, ist dahingehend auszulegen, dass die beantragte einstweilige Anordnung den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 umfassen soll. Denn dies ist der Leistungszeitraum aus dem Bewilligungsbescheid vom 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2008. Da eine einstweilige Anordnung dazu dient, das Hauptsacheverfahren - hier das Klageverfahren (Az.: S 7 AS 1517/08) - zu flankieren, kann der Rechtsschutz, der mit einer einstweiligen Anordnung gewährt werden kann, nicht - auch nicht in zeitlicher Hinsicht - über das hinausgehen, was im Hauptsacheverfahren erlangt werden kann (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren [4. Aufl., 1998], Rdnr. 259, m.w.N.).

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

Ein Anordnungsanspruch ist hierbei glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 152, 338; jeweils m.w.N.).

Hieran gemessen war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Denn die Klage wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben, weil der Antragsteller nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nur Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten in Höhe der zuvor für die frühere Wohnung getragenen Aufwendungen und nicht in Höhe der von ihm für die neue Wohnung geltend gemachten 413,47 EUR (Miete abzüglich Warmwasserpauschale) hat.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Ausnahmsweise sind nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II die zu übernehmenden Unterkunfts- und Heizungskosten der Höhe nach begrenzt. Nach dieser Regelung werden, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen, die Leistungen weiterhin nur in der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht.

Der Anspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf Erbringung der vollen tatsächlichen Unterkunftskosten scheitert vorliegend nicht bereits daran, dass der Antragsteller vor Abschluss des Mietvertrages über die neue Wohnung nicht die Zustimmung der Antragsgegnerin nach § 22 Abs. 2 SGB II eingeholt hat. Denn die in dieser Vorschrift vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen vor dem Umzug in eine neue Wohnung ist im Gegensatz zu der des § 22 Abs. 3 SGB II keine Anspruchsvorsaussetzung (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 27 = JURIS-Dokument Rdnr. 27, m.w.N.). Das Zusicherungsverfahren hat lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion; ein Verstoß gegen die Obliegenheit schränkt die Verpflichtung zur Übernahme angemessener Aufwendungen nicht ein (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 - L 7 AS 1300/08 - JURIS-Dokument Rdnr. 32).

Der Anspruch des Antragstellers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung ist jedoch gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II der Höhe nach begrenzt.

Die Sonderregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist auf den Antragsteller anzuwenden. Denn er war sowohl zum Zeitpunkt, als er den Mietvertrag für die neue Wohnung abschloss (7. August 2007), als auch zum Zeitpunkt, als das Mietverhältnis begann (9. August 2007), noch ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Sinne des SGB II, der im Leistungsbezug stand. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob für § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, in dem auf den Umzug und nicht wie in § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf den Abschluss des Mietvertrages abgestellt wird, auf den Zeitpunkt, zu dem der Mietvertrag abgeschlossen wird oder zu dem das Mietverhältnis beginnt, abzustellen ist. Unerheblich ist nach dem Wortlaut von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hingegen, wann die erste Mietzahlung zu erfolgen hat. Damit kann § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch zur Anwendung kommen, wenn die Mietvertragsparteien den Beginn der Mietzahlungspflicht ausgehend vom Beginn des Mietverhältnisses zeitlich nach hinter verlegt haben, weil beispielsweise der Mieter im Gegenzug zu selbst durchzuführenden oder finanziell zu tragenden Renovierungsarbeiten zeitweise mietkostenfrei wohnen darf.

Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nummer 1) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nummer 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Hilfebedürftigkeit entfällt erst bei tatsächlicher Aufnahme einer bedarfsdeckenden Beschäftigung (vgl. Berlit, info also 2003, 195 [198]; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 9 Rdnr. 14). Der insoweit notwendige Lebensunterhalt ist aber nicht bereits gedeckt, wenn auf Grund der aufgenommenen Beschäftigung, gegebenenfalls auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages, ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Der Bedarf ist vielmehr erst gedeckt, wenn der Lohn tatsächlich zugeflossen ist. Erst dann ist der Hilfebedürftige in der Lage, seine Aufwendungen für den Lebensunterhalt, wie die Ausgaben für Lebensmittel, Bekleidung, Unterkunft oder Fahrkosten zum Arbeitsplatz, aus eigenen Mitteln zu bestreiten und ist nicht mehr auf Leistungen der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen. Entsprechend hat das Bundessozialgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung bei der Feststellung der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit der Einkommensermittlung nach § 11 Abs 1 SGB II nicht darauf abgestellt, ob und gegebenenfalls wann ein Anspruch bestand, sondern zu welchem Zeitpunkt die Zahlung, in den zu entscheidenden Fällen das Arbeitsentgelt, tatsächlich zugeflossen ist (vgl. Nummern 1 und 2 des Terminberichts Nr. 38/08 zu den Verfahren Az.: B 14 AS 26/07 R und B 14 AS 43/07 R). Da der Antragsteller nach den Angaben seines damaligen Arbeitgebers erst ab November 2007 das Arbeitsentgelt im Voraus erhalten hatte, mithin das erste Arbeitsentgelt nicht bereits mit der Aufnahme der Beschäftigung am 6. August 2008 gezahlt worden war, war der Antragsteller sowohl am 7. August 2007 als auch am 9. August 2007 noch hilfebedürftig.

Da es nach den vorstehenden Ausführungen auf den Zufluss des Arbeitsentgeltes und nicht auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers ohne Bedeutung, ob der Antragsgegnerin die Arbeitsaufnahme bekannt war oder ob sie diese im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung sogar mit bewirkt hatte.

Es ist ferner unerheblich, ob der Hilfebedürftige die bewilligte Leistung tatsächlich erhält. Denn wenn die zuständige Behörde die bewilligten Leistungen nicht erbringt - wie vorliegend die Leistungen ab Oktober 2007 in Folge der Stornierung - oder der Hilfebedürftige die angewiesene Zahlung aus anderen Gründen nicht erhält - wie vorliegend die Leistungen für September 2007 wegen der Kontoauflösung und damit verbunden der Rückbuchung durch seine Bank -, betrifft dies lediglich den Vollzug einer Bewilligungsentscheidung oder, wenn im Einzelfall in der Stornierung eine konkludente Bewilligungsaufhebung zu sehen sein sollte, den Fortbestand der Bewilligungsentscheidung, lässt jedoch die materiellen Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 1 SGB II nicht entfallen.

Die Anwendbarkeit der SGB II-Vorschriften einschließlich des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf den Antragsteller ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen. Die Vorschriften des SGB II sind vielmehr nur in solchen Fällen nicht mehr anzuwenden, in denen der Hilfebedürftige seinen noch nicht beschiedenen Antrag zurücknimmt oder nach Bewilligung auf die Leistungen verzichtet. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Antragsteller hat nach Aktenlage weder bis zum 7. August 2007 noch bis zum 9. August 2007 auf die ihm bewilligten Leistungen verzichtet. Zwar hat er mit Schreiben vom 23. Mai 2008 im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass er der Antragstellerin am 5. August 2007 mitgeteilt habe, ab 6. August 2007 eine neue Arbeit aufzunehmen und deshalb nicht mehr auf die Leistungserbringung durch die Antragsgegnerin angewiesen zu sein. Ein Nachweis für den Zugang des Schreibens vom 5. August 2007 bei der Antragsgegnerin findet sich jedoch nicht in deren Verwaltungsakte. Der erste Beleg für die Kenntnis der Antragsgegnerin über die Arbeitsaufnahme des Antragstellers ist vielmehr erst in dem Computervermerk vom 6. September 2007 enthalten.

Der Antragsteller trägt aber nach den allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], § 103 Rdnr. 19a, m.w.N.), vorliegend für den sinngemäß behaupteten Verzicht auf SGB II-Leistungen. Diese Beweislastregeln gelten entsprechend im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, wo die Glaubhaftmachung ausreicht. Den Zugang seines Schreibens vom 5. August 2007 bei der Antragsgegnerin hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Er hat vielmehr nur die Kopie eines an die Antragsgegnerin adressierten Schreibens vom 5. August 2007 vorgelegt, welches ausweislich eines darauf angebrachten handschriftlichen Vermerkes am 5. August 2007 eingeworfen worden sein soll. Dies ist aber für die Glaubhaftmachung, dass das Schreiben in den Briefkasten der Antragsgegnerin oder in sonstiger Weise dergestalt in ihren Verfügungsbereich der Antragsgegnerin gelangt ist, dass sie von dem Schreiben Kenntnis nehmen konnte, nicht ausreichend. Für die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller behauptete Aktenmanipulation gibt es keine Anhaltspunkte.

Die Voraussetzungen für die nach alledem anzuwendende Ausnahmereglung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind erfüllt. Die angemessenen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und Heizung haben sich in Folge des Umzugs erhöht, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Der Umzug des Antragstellers war auch nicht erforderlich. Ein Umzug ist als erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II anzusehen, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist; es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist (so zur Erforderlichkeit im Sinne von § 22 Abs. 2 SGB II: SächsLSG, Beschluss vom 16. April 2008 - L 3 B 136/08 AS-ER - JURIS-Dokument Rdnr. 7. Vgl. auch Berlit, in: Münder, SGB II [2. Aufl., 2007], § 22 Rdnr. 76, m.w.N.; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 47d). Gründe, die in diesem Sinn für die Erforderlichkeit des Umzugs des Antragstellers sprechen könnten, hat der Antragsteller weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

Der Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II steht nicht entgegen, dass der Antragsteller zwischenzeitlich aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war und die Aufwendungen für die neue Wohnung zeitweilig aus eigenen Mitteln finanzierte. Denn weder in § 22 SGB II noch an anderer Stelle im SGB II ist geregelt, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die der Kostensteigerung entgegenwirken soll (vgl. Lang/Link, a.a.O., § 22 Rdnr. 47a), nicht mehr weiterhin zur Anwendung kommen kann, wenn die Hilfebedürftigkeit, nachdem § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II anzuwenden war, für eine gewisse Zeit entfallen, danach aber wieder eingetreten ist. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Zeitraum der fehlenden Hilfebedürftigkeit nicht wesentlich über den in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten hinausgeht, ist deshalb § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch bei einem neuen Leistungsantrag nach erneut eingetretener Hilfebedürftigkeit anzuwenden. Die Gründe, weshalb das Arbeitsverhältnis nur eine kurze Zeit angedauert hat, sind in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Denn wenn zum Zeitpunkt des Umzuges der Erwerbsfähige noch hilfebedürftig war, mithin § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Anwendung kommen konnte, war sein etwaiges Vertrauen, künftig die höheren Unterkunfts- und Heizungskosten aus eigenem Einkommen tragen zu können, noch nicht schutzwürdig.

Die befristete Bestandsschutzregelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II findet auf den Antragsteller keine Anwendung. Nach dieser Regelung sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt grundsätzlich nur für die Fälle, in denen der Hilfebedürftige bei Leistungsbeginn in einer unangemessen teueren Unterkunft lebt, oder in denen während des Leistungsbezuges eine zunächst kostenangemessene Unterkunft ohne Wohnungswechsel unangemessen teuer wird (vgl. Berlit, a.a.O. § 22 Rdnr. 58, m.w.N.). Sie gilt hingegen nicht in den Fällen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Aus diesem Grund kommt es für die Höhe der dem Antragsteller zu bewilligenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht darauf an, ob es ihm, wie das Sozialgericht ausgeführt hat, möglich und zumutbar ist, einen Teil seiner Wohnung unterzuvermieten.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers verletzt die versagte Übernahme der vollständigen tatsächlichen Kosten für die neue Mietwohnung auch nicht sein Grundrecht auf Freizügigkeit aus Artikel 11 Abs. 1 GG. Denn die Entscheidung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben aus § 22 SGB II. Dafür, dass gegen die hier maßgebenden Regelungen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, ist weder etwas vorgetragen noch etwas ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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