Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 147/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird ein Landwirt, dessen Hof 10,2 ha beträgt, durch die Schädigungsfolgen gehindert, neben der Landwirtschaft eine Tätigkeit als Lastwagenfahrer oder eine andere Beschäftigung aufzunehmen, steht ihm Berufsschadensausgleich zu.
Der Einkommensverlust errechnet sich aus der Gegenüberstellung des Vergleichseinkommens der Arbeiter in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 und der Wert der eigenen Arbeitsleistung, als den das Tarifgehalt der Angestellten in der Landwirtschaft anzusehen ist (so Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 1972 – 40 RV 687/71 – SozR § 30 BVG Nr. 59).
Der Einkommensverlust errechnet sich aus der Gegenüberstellung des Vergleichseinkommens der Arbeiter in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 und der Wert der eigenen Arbeitsleistung, als den das Tarifgehalt der Angestellten in der Landwirtschaft anzusehen ist (so Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 1972 – 40 RV 687/71 – SozR § 30 BVG Nr. 59).
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in den beiden Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 60jährige Kläger arbeitete nach der Schulentlassung im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Er besuchte in den Winterhalbjahren 1936/1937 die Landwirtschaftsschule in Z. und kam am 30. August 1939 zur Wehrmacht, aus der er am 05. Mai 1945 entlassen wurde. Im Januar 1949 übernahm er den elterlichen Betrieb von 6,24 ha, der ab 1963 mit von seinen Schwiegereltern gepachteten 4 ha bis 1972 einen Umfang von etwa 10,24 ha hatte. Danach verpachtete er 3 na an seine Tochter H ... Bei der Bewirtschaftung halfen ihm seine Ehefrau und seine vier Töchter, geboren 1945, 1947, 1951 und 1956, solange sie zu Hause und noch nicht verheiratet waren. Daneben führte er von 1949 bis 1972 Hausschlachtungen aus, die ihm einen jährlichen Verdienst von 600, DM bis 1.000,– DM einbrachten. Diese Tätigkeit mußte er deshalb einstellen, weil ihm wegen seines offenen Beines vom Gesundheitsamt die für Haus Schlachtungen erforderliche ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht mehr erteilt wurde. Von 1960 bis 1977 beschäftigte ihn die Agrarhandlung K. K. und Co., L. in den Sommermonaten aushilfsweise als Kraftfahrer. Während der dreiwöchigen Erntezeit führte er wöchentlich drei Fahrten aus. Im Durchschnitt machte er im Jahr etwa zwölf Fahrten. Aus den in den Verwaltungsakten befindlichen Bundesbehandlungsscheinen ergibt sich, daß der Kläger von 1959 bis 1965 wegen Varicosis, varicösen Stauungen, Ulceration, Ulcus cruris und Durchblutungsstörungen in fast ständiger ärztlicher Behandlung stand.
Durch Umanerkennungsbescheid vom 10. Dezember 1951 gewährte der Beklagte Beschädigtenrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., die er mit Bescheid vom 09. Dezember 1963 ab 01. Dezember 1963 auf 50 v.H. erhöhte.
Als Schädigungsfolgen sah er mehrere zum Teil ausgedehnte Narben an der linken Beckenseite mit Narbenbruch und Teilverlust der linken Beckenschaufel nach Dickdarmverletzung, Schwellung des linken Beines infolge erschwerter Durchblutung mit leichter Krampfaderbildung und Neigung zu Geschwürsbildung an.
Der Kläger beantragte im Januar 1969 Berufsschadensausgleich, den der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1969 deshalb ablehnte, weil der Kläger in seinem von ihm erstrebten Beruf als Landwirt auch nach dem Eintritt der Schädigung noch weiter tätig gewesen sei. Auch mit seinen Schädigungsfolgen habe er den landwirtschaftlichen Betrieb weiter ausbauen und ihn als Betriebsleiter führen können.
Den Widerspruch wies der Beklagte zurück und führte aus, der Kläger sei durch die Schädigungsfolgen nicht gehindert gewesen, den Betrieb durch Zupachtung um 4 ha zu vergrößern.
Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Marburg Klage. Während des Klageverfahrens erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 1973 die MdE auf 70 v.H., weil sich die Durchblutungsstörungen verstärkt hatten und Geschwüre aufgetreten Waren.
Das Sozialgericht Marburg verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 10. Mai 1973 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 01. Januar 1969 Berufsschadensausgleich unter Zuordnung das Durchschnittseinkommens als Arbeiter in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 zu gewähren. Es vertrat die Auffassung, daß Betriebsinhaber mit einer Fläche unter 10 ha die Landwirtschaft nicht mehr hauptberuflich, sondern nebenberuflich unter Inanspruchnahme von Familienangehörigen betreiben würden. Gerichtsbekannt sei, daß die Betriebsinhaber solcher Betriebe entweder in der Bauwirtschaft oder in der Industrie arbeiten würden. Diesen Weg hätte der Kläger auch ohne die Schädigungsfolgen beschritten. Nur die Schädigungsfolgen hätten ihn an der Ausübung einer derartigen Tätigkeit gehindert. Ohne die Schädigungsfolgen hätte der Kläger eine Tätigkeit aufgenommen, die der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter in der gesamten Industrie entspreche. Er wäre im Laufe seiner Beschäftigungszeit nicht nur als Hilfsarbeiter beschäftigt worden, sondern hätte sich zu einem angelernten Arbeiter entwickelt.
Gegen dieses am 21. Mai 1973 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 19. Juni 1973 Berufung ein, da die Akten dafür keinen Anhalt böten, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen eine Tätigkeit in der Industrie übernommen und die Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerbsstelle geführt hätte. Das Sozialgericht habe keinerlei konkrete Feststellungen darüber getroffen, daß der Kläger eine Arbeit in der Industrie oder im Baugewerbe aufgenommen hätte. Bloße Unterstellungen und Vermutungen würden jedoch nicht ausreichen.
Der Kläger legte in der mündlichen Verhandlung am 05. Februar 1974 eine Liste von Landwirten vor, die neben der Bearbeitung des landwirtschaftlichen Besitzes in der Industrie, im Forst oder in der Verwaltung arbeiten. Er ergänzte die Liste dahin, daß G. S. als Arbeiter bei den Höchstwerken in S. k., H. H. als Lagerverwalter bei der Raiffeisenkasse, H. S. als Kraftfahrer bei der Firma M. C. in S. A., G. G. als Kraftfahrer im Straßenbau, H. H. als Holzhauer bei der Forst Verwaltung, H. W. als Kraftfahrer bei einer Baufirma, H. K. als Arbeiter bei F. in S., H. H. als Raupenfahrer bei den Quarzitwerken, H. V. als Milchfuhrmann in der Molkerei und K. B. als Baggerfahrer in den Quarzitwerken beschäftigt seien. H. S. betreibe eine Landmaschinenreparaturwerkstatt. Er gab an, ein Besitzer von 22 ha landwirtschaftlicher Fläche werde bei F. als Industriearbeiter umgeschult.
Das Hessische Landessozialgericht wies mit Urteil vom 05. Februar 1974 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 zurück. Zur Begründung führte es aus, daß dem Kläger Berufsschadensausgleich zu gewähren und er in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter in der gesamten Industrie einzustufen sei. Die wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft habe sich geändert, so daß davon auszugehen sei, daß der Kläger ohne die Schädigung eine Beschäftigung in Industrie und Gewerbe aufgenommen habe, da eine Landwirtschaft von etwa 10 ha für eine bäuerliche Familie nicht mehr ausreichend sei. Die Schädigungsfolgen hätten den Kläger gehindert, eine unselbständige Tätigkeit aufzunehmen. Der Kläger sei auch in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter der gesamten Industrie einzustufen, weil er mit der Zeit wahrscheinlich eine angelernte Arbeit ausgeübt habe.
Das Bundessozialgericht hob auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 10. Dezember 1975 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück. Es führte aus, daß zunächst geprüft werden müsse, ob ein konkreter, betragsmäßig nachzuweisender wirtschaftlicher Schaden vorliege. Das Vergleichseinkommen ergebe sich nach der Einstufung in die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Kläger ohne die Schädigung angehört hätte. Dabei sei auch die Agrarstruktur der Bundesrepublik nach 1945 zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht hätte den Beginn der Entwicklung zur Übernahme von Nebentätigkeiten feststellen und außerdem prüfen müssen, ob der Beschädigte aufgrund seines Alters noch als fähig anzusehen war, eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben. Es müßte geprüft werden, ob er nach seinen persönlichen Verhältnissen jemals gewillt gewesen sei, im Baugewerbe oder in der Industrie zu arbeiten. Außerdem müsse durch Sachverständigengutachten nachgewiesen sein, daß in Hessen Kleinlandwirte in erheblichem Umfang in die Industrie abgewandert wären.
Nach Auskunft des Arbeitsamtes M. – Dienststelle S. – verringerte sich die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft von 3624 im Jahre 1961 auf 2155 im Jahre 1970. 1969 wurden in S. von den Firmen R. und F. männliche Arbeitskräfte eingestellt. Der Bürgermeister von F. gab im einzelnen an, welche Beschäftigungen die vom Kläger genannten vergleichbaren Landwirte ausübten.
Der Senat holte weiter Auskünfte beim Statistischen Bundesamt Wiesbaden, dem Landwirtschaftsamt mit Landwirtschaftsschule S. und beim Hessischen Statistischen Landesamt W. ein. Er holte weiter ein Gutachten bei Dipl. Landwirt S., W. ein. Danach gingen die Betriebsinhaber, die Hofe von 5 bis 10 ha bewirtschafteten, zunächst einem Zuerwerb nach, der später zum Nebenerwerb wurde, da durch den Maschineneinsatz die Arbeiten in kürzerer Zeit erledigt werden konnten, so daß die Landwirte weiteren Tätigkeiten nachgehen konnten. Die im gesamten Bundesgebiet auftretende Entwicklung zeigte sich auch in der Heimatgemeinde des Klägers daran, daß die überwiegende Zahl der Betriebe von 5 bis 10 ha als Nebenerwerbsbetriebe anzusehen seien. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe 1949 begonnen, sei seit 1964 statistisch nachgewiesen und sei heute noch nicht abgeschlossen. Selbst größere Betriebe würden zu Zu- oder Nebenerwerb übergehen. Es hätten auch genügend Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Die Agrarhandlung K. u. Co. in L. hätte den Kläger gerne wegen seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse als Kraftfahrer übernommen, jedoch wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung davon abgesehen. Der Kläger hatte aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten und seines Arbeits- und Ausbildungswillens ohne die Körperschädigung eine entsprechende Arbeitsstelle in L. oder in der näheren Umgebung erhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts Marburg für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1979 wurde der Kläger vor dem Senat eingehend gehört.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet, denn das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 ist zutreffend. Dem Kläger steht Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens, das dem Durchschnittseinkommen eines Arbeiters in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 entspricht, zu.
Voraussetzung für die Gewährung von Berufsschadensausgleich ist ein schädigungsbedingter Einkommensverlust. Dabei ist gemäß § 30 Abs. 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 27. Februar 1969 (BGBl. I S. 157) und den folgenden Gesetzen, die insoweit keine Änderung brachten, von dem Beruf oder der Beschäftigung auszugehen, den der Schwerbeschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher gezeigten Arbeits- und Ausbildungswillen ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte. Hierbei kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung, also im Januar 1969 an (vgl. Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) Entscheidungssammlung Band 32, S. 1, 2).
Als Arbeiter der Leistungsgruppe 2 in der gesamten Industrie hätte das Vergleichseinkommen des Klägers im Januar 1969 978,– DM betragen. Dem ist zum Zwecke der Prüfung, ob ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliegt, das Bruttoeinkommen des Klägers zuzüglich der Ausgleichsrente und der Einkünfte aus Hausschlachtungen gegenüberzustellen. Dabei ist als Wert der eigenen Arbeitsleistungen in landwirtschaftlichen Betrieben das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung anzusetzen (§ 9 Abs. 1 b Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG 1968). Mit dem Bundessozialgericht ist als Arbeitsentgelt eines Landwirts das Tarifgehalt der Angestellten in der Landwirtschaft zugrunde zu legen (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 1972 – 10 RV 687/71 – SozR § 30 BVG Nr. 59, Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit vom 01. März 1966 und Rundschreiben vom 30. April 1971). Bei einem Betrieb von etwa 10 ha ist das Angestelltengehalt A II anzunehmen. Dieses belief sich 1969 auf 932,– DM. Wegen der durch die Schädigung verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. ist dieser Betrag um 50 v.H. auf 466,– DB zu kürzen. Zu diesem Einkommen sind die Ausgleichsrente von 31,– DM (Bescheid vom 21. Januar 1969) und 50,– DM als Entgelt für Hausschlachtungen monatlich hinzuzurechnen, woraus sich daß tatsächliche Einkommen des Klägers von 547,– DM ergibt. Da sich somit ein Einkommensverlust von 431,– DM. feststellen läßt, steht dem Kläger Berufsschadensausgleich zu.
Zu der Überzeugung, daß der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen mindestens von Januar 1969 an – dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Berufsschadensausgleich – als Arbeiter in der Leistungsgruppe 2 (angelernter Arbeiter) tätig gewesen wäre, ist der erkennende Senat insbesondere aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1979 gelangt sowie der angestellten Ermittlungen. Der Senat ist der Überzeugung, daß der Kläger spätestens ab Herbst 1960 sich ohne seine Schädigungsfolgen um eine Arbeit in abhängiger Tätigkeit bemüht hätte, und er eine entsprechende Tätigkeit dann spätestens ab 01. April 1961 erhalten hätte, da sich der Arbeitsmarkt jeweils im Frühjahr nach der durch das Winterwetter bedingten Restriktion wieder belebt.
Im Jahre 1960 hatte der Kläger nach seinen glaubhaften Erklärungen vor dem Senat am 26. Juni 1979 eine besonders schlechte Ernte gehabt. Die Erträge seines Hofes reichten für die Unkosten und den Unterhalt der Familie nicht aus, so daß er von seinem Konto Geld abheben mußte. Trotz seiner Schädigungsfolgen hatte er sich deshalb vorgenommen, in einem anderen Beruf tätig zu werden. Er wurde lediglich durch seine älteste Tochter, die im gleichen Jahr aus der Volksschule entlassen war, dazu bestimmt, keine Berufstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft zu suchen, weil seine Tochter in der Landwirtschaft bleiben wollte. Andererseits sah sich der Kläger wegen seiner Schädigungsfolgen nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit in abhängiger Arbeit nachzugehen und daneben seinen Hof zu bewirtschaften, weil er dann diesen Hof nach seiner Auffassung nicht ordnungsgemäß hätte führen können. Daß der Kläger auf eine solche ordnungsgemäße Führung des landwirtschaftlichen Hofes besonderen Wert legt, wird aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Scharf vom 27. November 1978 deutlich, wenn dieser landwirtschaftliche Sachverständige darauf hinweist, daß sowohl Betriebsführung als auch Betriebsorganisation und der Gesamteindruck auf einen überdurchschnittlichen Kenntnisstand des Betriebsführers schließen lassen. Dies läßt insbesondere nach dem Eindruck, den der Kläger auf den Senat gemacht hat, den Schluß zu, daß er nicht bereit gewesen wäre, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, der nicht vorbildlich oder doch mindestens durchschnittlich hätte arbeiten können.
Im Jahre 1960 wurde der Kläger auch erstmals von dem Inhaber der Firma K. K. u. Co. Agrarhandel, gebeten, ihm als Lastwagenfahrer auszuhelfen. Da der Kläger aufgrund seiner Qualifikation (Inhaber des Führerscheins der Klasse II) hierzu in der Lage war, und auch tatsächlich seinem körperlichen Leistungsvermögen entsprechende Fahrten ausgesucht und durchgeführt wurden, ist davon auszugehen, daß der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen deshalb als Lastwagenfahrer zu der Firma K. vollberuflich übergewechselt wäre, zumal diese Firma nach den Bekundungen des Klägers ständig Lastwagenfahrer sucht und diese Firma auch gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen S. wie dieser in seinem erwähnten Gutachten ausführt, zu erkennen gegeben hat, daß sie den Kläger aufgrund der für diese Sparte notwendigen agrarischen Fachkenntnisse und seiner geistigen Beweglichkeit gern eingestellt hätte und auch heute noch einstellen würde, wenn dies sein Gesundheitszustand zuließe. Da die Firma K. ihren Lastwagenfahrern auch noch jetzt zumutet, Kunstdüngersäcke, Futtermittelsäcke und Kohlensäcke auf- und abzuladen, erscheint es dem Senat nicht sicher, ob der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen diese Tätigkeit bis zum Jahre 1969 – dem Antragszeitpunkt – und darüber hinaus beibehalten hätte, wenn er auch zu der Meinung neigt, daß der Kläger sich hier in einer mit seiner Tätigkeit als Landwirt zusammenhängenden Beschäftigung wohler gefühlt hätte als sonst in abhängiger Arbeit.
Die Auffassung des Senates, daß sich der Kläger im Jahre 1960 um eine Beschäftigung in abhängiger Arbeit außerhalb der Landwirtschaft ohne seine Schädigungsfolgen bemüht hätte und er seine Landwirtschaft dann als Nebenbetrieb weitergeführt hätte, wird darüber hinaus auch durch die allgemeine Entwicklung in der Landwirtschaft bestätigt. Auf sie hat der landwirtschaftliche Sachverständige Scharf in seinem Gutachten vom 27. November 1978 hingewiesen. Dabei hat er die Entwicklung in der Landwirtschaft zwar nur pauschal seit dem Kriegsende beurteilt. Aus seinen Ausführungen ergibt sich, daß man hier eine Gesamtentwicklung seit dem Kriege sehen muß, die immer noch anhält und man nicht bestimmte Jahre herausstellen kann, in denen etwa besonders viele Landwirte, die einen Betrieb in der Größe von 5 bis 10 ha bewirtschaftet hatten, einem Zuerwerb nachgegangen sind und die Landwirtschaft dann nur noch als Nebenerwerbsbetrieb geführt wurde. Es sei deshalb nur darauf hingewiesen, daß nach Mitteilung dieses Sachverständigen im Bundesgebiet in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei 1960 noch 3.623.000 Erwerbstätige beschäftigt waren und 1976 weniger als die Hälfte hiervon, nämlich nur noch 1.114.000. Wenn auch in dieser Zeit in den größeren Betrieben über 15 ha in erster Linie Lohnarbeitskräfte ausgeschieden sind, so sind auch bei kleineren Betrieben unter 50 ha überwiegend Familienarbeitskräfte ausgeschieden, was für den Kläger zutreffen würde.
Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger ohne seine Schädigung durch Aufstockung seinen Betrieb als Vollerwerbsbetrieb geführt hätte. Auf entsprechende Schwierigkeiten hat der Sachverständige S. hingewiesen. Der Kläger hat dies bei seiner Anhörung vor dem Senat anschaulich an dem Beispiel des Kleinbauern F. aus seinem Wohnort dargestellt, der eine Aufstockung um 100 Morgen vorgenommen hatte und dem jetzt mindestens 20 Morgen Pachtland gekündigt worden sind. Hierdurch ist Herr F. wegen der von ihm gekauften Landmaschinen und des Neubaus großer Gebäude in Schwierigkeiten geraten. Es war deshalb der einfachere und wirtschaftlich sicherere Weg für die Kleinlandwirte wie den Kläger, eine Vollerwerbstätigkeit in abhängiger Arbeit außerhalb der Landwirtschaft zu suchen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Klägers des Inhaltes, daß die Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben mit 10 ha und weniger einer Haupttätigkeit außerhalb der Landwirtschaft nachgegangen sind, wird von dem Bürgermeister von F., wie die Heimatgemeinde des Klägers nach Zusammenlegung mit anderen Gemeinden jetzt heißt, in der Stellungnahme vom 31. August 1976 bestätigt. Dabei weist er darauf hin, daß die vom Kläger genannten Landwirte, die landwirtschaftliche Betriebe in ähnlicher Größe bewirtschafteten, neben der Landwirtschaft, die sie mit ihren Ehefrauen und Kindern betreiben, Beschäftigungen in der Industrie und im Gewerbe nachgehen. So arbeiten verschiedene als Kraftfahrer im Steinbruch oder bei Baufirmen, während andere als Arbeiter in der Industrie beschäftigt sind. Das Landwirtschaftsamt S. bestätigte diese Entwicklung. So sind in der Ortschaft L. die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 5 bis 10 ha von 1949 bis 1977 in etwa gleich geblieben. Es bestanden 1949 9 Betriebe von dieser Größe, während es 1977 10 Betriebe waren. Allerdings hatte sich ihre Zahl 1958 vorübergehend auf 13 und 1964 auf 14 erhöht. Von den Eigentümern der 14 Betriebe gingen 1964 nur drei kleiner Nebenbeschäftigung nach, während vier Nebenerwerbsbetriebe, d.h. mit einem Einkommen aus der Landwirtschaft unter 50 v.H. des Gesamteinkommens der Familie und sieben Zuerwerbsbetriebe, d.h. mit einem Einkommen aus der Landwirtschaft von 50 bis 85 v.H. des Gesamteinkommens der Familie, waren. 1971 gab es keine Vollerwerbsbetriebe mehr in dieser Größe. Vielmehr waren fünf Landwirtschaften Nebenerwerbsbetriebe, während vier Zuerwerbsbetriebe waren. 1977 stieg die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe auf acht, während die Zahl der Zuerwerbsbetriebe auf zwei zurückging. Dieser Umstrukturierungsprozeß ist nach Dipl. Landwirt S. noch nicht abgeschlossen, aber der Zwang zur Mechanisierung auch der kleineren Betriebe wird zur weiteren Konzentration führen. Die kleineren Betriebe sind einerseits gezwungen, zur Beschaffung von Maschinen weitere Einkünfte außerhalb der Landwirtschaft zu erzielen. Andererseits erlauben ihnen die eingesetzten Maschinen wegen der dadurch bedingten Verkürzung der Arbeitszeit solche weiteren beruflichen Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft.
Nach der Auskunft des Arbeitsamtes M. – Dienststelle S. – standen auch genügend Arbeitsplätze in der näheren Umgebung des Heimatortes des Klägers zur Verfügung, so daß er die Möglichkeit gehabt hätte, in den umliegenden Orten Beschäftigungen nachzugehen, falls er nicht bei der Agrarhandlung K. u. G Pin L. als Kraftfahrer ständig hätte arbeiten wollen.
An der Aufnahme einer solchen Tätigkeit war aber der Kläger durch die Schädigungsfolgen gehindert, denn die ausgedehnten Narben an der linken Beckenseite mit Narbenbruch und Teilverlust der linken Beckenschaufel nach Dickdarmverletzung, Schwellung des linken Beines infolge erschwerter Durchblutung mit Krampfader- und Geschwürsbildung machten dem Kläger neben seiner landwirtschaftlichen Arbeit eine weitere Beschäftigung als Kraftfahrer unmöglich. So ergibt sich aus den in den Versorgungsakten befindlichen Bundesbehandlungsscheinen, daß er von 1959 bis 1964 insbesondere wegen der Durchblutungsstörungen und der ständigen Geschwürsbildungen ununterbrochen in ärztlicher Behandlung stand, was einer Tätigkeit in abhängiger Arbeit und daneben in der Landwirtschaft entgegensteht. An der Aufnahme eines anderen Berufes nach 1960/1961 hätte ihn sein Alter deshalb nicht gehindert, weil er damals etwas über 40 Jahre alt war, so daß ein Berufswechsel noch ohne weiteres möglich gewesen wäre.
Bei der Berechnung des Berufsschadensausgleiches ist gemäß § 30 Abs. 3 und 4 BVG davon auszugehen, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen angelernter Arbeiter geworden wäre und die Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerbsbetrieb, so wie die anderen von ihm benannten Landwirte mit entsprechender Betriebsgröße, geführt hätte. Die Einstufung ist deshalb in die Leistungsgruppe 2 vorzunehmen, denn nach der Zusammenfassung der Tätigkeitsmerkmale für Arbeiter und Angestellte in der Industrie, im Handel und in der Landwirtschaft (Bundesverwaltungsblatt Nr. 11 1960 S. 152, Rundschreiben 4/1965 Nr. 20 und 12/1966 Nr. 49) gehören zur Leistungsgruppe 2 solche Arbeiter, die im Rahmen einer speziellen, meist branchengebundenen Tätigkeit gleichmäßig wiederkehrende oder weniger schwierige und verantwortungsvolle Arbeiten ausführen, für die keine allgemeine Berufsbefähigung vorausgesetzt werden muß. Es handelt sich hierbei um Arbeiter, die sich über die Hilfsarbeiter – Leistungsgruppe 3 – hinaus qualifiziert haben, aber doch den Facharbeiterstatus – Leistungsgruppe 1 – nicht erreicht haben. Bei dieser Einstufung knüpft der erkennende Senat einmal, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, an die ständige Verwaltungspraxis des Beklagten an, aus den deutsche Ostgebieten vertriebene Landwirte, die dort selbständig einen Hof bewirtschaftet haben, in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter einzustufen, da bei demjenigen, der als selbständiger Landwirt tätig gewesen ist, erwartet werden kann, daß ihm die Umsicht, die er als selbständig Tätiger zeigen mußte, und die Bereitschaft zur Arbeit die einen selbständigen Landwirt auszeichnet, dazu führen, daß er nicht auf der untersten Stufe, nämlich der der Hilfsarbeiter verbleibt, und sich darüber hinaus zum angelernten Arbeiter qualifizieren kann. Zu einer solchen Qualifizierung wäre auch der Kläger aufgrund des Eindrucks, den er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat gemacht, auf alle Fälle im Laufe von 9 Jahren in der Lage gewesen, d.h. vom Jahre 1960/1961 an (Eintritt in eine Tätigkeit in abhängiger Arbeit) bis zur Antragstellung im Januar 1969. Wäre der Kläger stets als Lastwagenfahrer tätig gewesen, hätte er ohnehin bereits von Anfang an in die Leistungsgruppe 2 eingestuft werden müssen, da er als besondere Qualifikation für diesen Beruf den Führerschein der Klasse II besaß und er über Erfahrungen als Lastwagenfahrer von der Wehrmacht her verfügte, was er glaubwürdig bekundet hat, und die Firma K. u. Co. veranlagte, ihn als Lastwagenfahrer ohne jede Einarbeitung als verantwortlich für den Lastzug zu beschäftigen. Außerdem ist bereits nach der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz der dem Kraftfahrer vergleichbare Fuhrmann (Kutscher) und sogar der Mitfahrer (Beifahrer) in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter einzustufen, was deshalb umso mehr für den Lastwagenfahrer gelten muß, als welcher der Kläger voraussichtlich ohne die Schädigungsfolgen mindestens zunächst tätig geworden wäre.
Die Berufung des Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Da der Kläger mit der Berufung Erfolg hatte, sind ihm vom Beklagten die durch die zweckentsprechende Rechtsverfolgung entstandenen Kosten beider Instanzen und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Revision war zuzulassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in den beiden Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 60jährige Kläger arbeitete nach der Schulentlassung im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Er besuchte in den Winterhalbjahren 1936/1937 die Landwirtschaftsschule in Z. und kam am 30. August 1939 zur Wehrmacht, aus der er am 05. Mai 1945 entlassen wurde. Im Januar 1949 übernahm er den elterlichen Betrieb von 6,24 ha, der ab 1963 mit von seinen Schwiegereltern gepachteten 4 ha bis 1972 einen Umfang von etwa 10,24 ha hatte. Danach verpachtete er 3 na an seine Tochter H ... Bei der Bewirtschaftung halfen ihm seine Ehefrau und seine vier Töchter, geboren 1945, 1947, 1951 und 1956, solange sie zu Hause und noch nicht verheiratet waren. Daneben führte er von 1949 bis 1972 Hausschlachtungen aus, die ihm einen jährlichen Verdienst von 600, DM bis 1.000,– DM einbrachten. Diese Tätigkeit mußte er deshalb einstellen, weil ihm wegen seines offenen Beines vom Gesundheitsamt die für Haus Schlachtungen erforderliche ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht mehr erteilt wurde. Von 1960 bis 1977 beschäftigte ihn die Agrarhandlung K. K. und Co., L. in den Sommermonaten aushilfsweise als Kraftfahrer. Während der dreiwöchigen Erntezeit führte er wöchentlich drei Fahrten aus. Im Durchschnitt machte er im Jahr etwa zwölf Fahrten. Aus den in den Verwaltungsakten befindlichen Bundesbehandlungsscheinen ergibt sich, daß der Kläger von 1959 bis 1965 wegen Varicosis, varicösen Stauungen, Ulceration, Ulcus cruris und Durchblutungsstörungen in fast ständiger ärztlicher Behandlung stand.
Durch Umanerkennungsbescheid vom 10. Dezember 1951 gewährte der Beklagte Beschädigtenrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., die er mit Bescheid vom 09. Dezember 1963 ab 01. Dezember 1963 auf 50 v.H. erhöhte.
Als Schädigungsfolgen sah er mehrere zum Teil ausgedehnte Narben an der linken Beckenseite mit Narbenbruch und Teilverlust der linken Beckenschaufel nach Dickdarmverletzung, Schwellung des linken Beines infolge erschwerter Durchblutung mit leichter Krampfaderbildung und Neigung zu Geschwürsbildung an.
Der Kläger beantragte im Januar 1969 Berufsschadensausgleich, den der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1969 deshalb ablehnte, weil der Kläger in seinem von ihm erstrebten Beruf als Landwirt auch nach dem Eintritt der Schädigung noch weiter tätig gewesen sei. Auch mit seinen Schädigungsfolgen habe er den landwirtschaftlichen Betrieb weiter ausbauen und ihn als Betriebsleiter führen können.
Den Widerspruch wies der Beklagte zurück und führte aus, der Kläger sei durch die Schädigungsfolgen nicht gehindert gewesen, den Betrieb durch Zupachtung um 4 ha zu vergrößern.
Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Marburg Klage. Während des Klageverfahrens erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 1973 die MdE auf 70 v.H., weil sich die Durchblutungsstörungen verstärkt hatten und Geschwüre aufgetreten Waren.
Das Sozialgericht Marburg verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 10. Mai 1973 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 01. Januar 1969 Berufsschadensausgleich unter Zuordnung das Durchschnittseinkommens als Arbeiter in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 zu gewähren. Es vertrat die Auffassung, daß Betriebsinhaber mit einer Fläche unter 10 ha die Landwirtschaft nicht mehr hauptberuflich, sondern nebenberuflich unter Inanspruchnahme von Familienangehörigen betreiben würden. Gerichtsbekannt sei, daß die Betriebsinhaber solcher Betriebe entweder in der Bauwirtschaft oder in der Industrie arbeiten würden. Diesen Weg hätte der Kläger auch ohne die Schädigungsfolgen beschritten. Nur die Schädigungsfolgen hätten ihn an der Ausübung einer derartigen Tätigkeit gehindert. Ohne die Schädigungsfolgen hätte der Kläger eine Tätigkeit aufgenommen, die der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter in der gesamten Industrie entspreche. Er wäre im Laufe seiner Beschäftigungszeit nicht nur als Hilfsarbeiter beschäftigt worden, sondern hätte sich zu einem angelernten Arbeiter entwickelt.
Gegen dieses am 21. Mai 1973 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 19. Juni 1973 Berufung ein, da die Akten dafür keinen Anhalt böten, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen eine Tätigkeit in der Industrie übernommen und die Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerbsstelle geführt hätte. Das Sozialgericht habe keinerlei konkrete Feststellungen darüber getroffen, daß der Kläger eine Arbeit in der Industrie oder im Baugewerbe aufgenommen hätte. Bloße Unterstellungen und Vermutungen würden jedoch nicht ausreichen.
Der Kläger legte in der mündlichen Verhandlung am 05. Februar 1974 eine Liste von Landwirten vor, die neben der Bearbeitung des landwirtschaftlichen Besitzes in der Industrie, im Forst oder in der Verwaltung arbeiten. Er ergänzte die Liste dahin, daß G. S. als Arbeiter bei den Höchstwerken in S. k., H. H. als Lagerverwalter bei der Raiffeisenkasse, H. S. als Kraftfahrer bei der Firma M. C. in S. A., G. G. als Kraftfahrer im Straßenbau, H. H. als Holzhauer bei der Forst Verwaltung, H. W. als Kraftfahrer bei einer Baufirma, H. K. als Arbeiter bei F. in S., H. H. als Raupenfahrer bei den Quarzitwerken, H. V. als Milchfuhrmann in der Molkerei und K. B. als Baggerfahrer in den Quarzitwerken beschäftigt seien. H. S. betreibe eine Landmaschinenreparaturwerkstatt. Er gab an, ein Besitzer von 22 ha landwirtschaftlicher Fläche werde bei F. als Industriearbeiter umgeschult.
Das Hessische Landessozialgericht wies mit Urteil vom 05. Februar 1974 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 zurück. Zur Begründung führte es aus, daß dem Kläger Berufsschadensausgleich zu gewähren und er in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter in der gesamten Industrie einzustufen sei. Die wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft habe sich geändert, so daß davon auszugehen sei, daß der Kläger ohne die Schädigung eine Beschäftigung in Industrie und Gewerbe aufgenommen habe, da eine Landwirtschaft von etwa 10 ha für eine bäuerliche Familie nicht mehr ausreichend sei. Die Schädigungsfolgen hätten den Kläger gehindert, eine unselbständige Tätigkeit aufzunehmen. Der Kläger sei auch in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter der gesamten Industrie einzustufen, weil er mit der Zeit wahrscheinlich eine angelernte Arbeit ausgeübt habe.
Das Bundessozialgericht hob auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 10. Dezember 1975 das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück. Es führte aus, daß zunächst geprüft werden müsse, ob ein konkreter, betragsmäßig nachzuweisender wirtschaftlicher Schaden vorliege. Das Vergleichseinkommen ergebe sich nach der Einstufung in die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Kläger ohne die Schädigung angehört hätte. Dabei sei auch die Agrarstruktur der Bundesrepublik nach 1945 zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht hätte den Beginn der Entwicklung zur Übernahme von Nebentätigkeiten feststellen und außerdem prüfen müssen, ob der Beschädigte aufgrund seines Alters noch als fähig anzusehen war, eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben. Es müßte geprüft werden, ob er nach seinen persönlichen Verhältnissen jemals gewillt gewesen sei, im Baugewerbe oder in der Industrie zu arbeiten. Außerdem müsse durch Sachverständigengutachten nachgewiesen sein, daß in Hessen Kleinlandwirte in erheblichem Umfang in die Industrie abgewandert wären.
Nach Auskunft des Arbeitsamtes M. – Dienststelle S. – verringerte sich die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft von 3624 im Jahre 1961 auf 2155 im Jahre 1970. 1969 wurden in S. von den Firmen R. und F. männliche Arbeitskräfte eingestellt. Der Bürgermeister von F. gab im einzelnen an, welche Beschäftigungen die vom Kläger genannten vergleichbaren Landwirte ausübten.
Der Senat holte weiter Auskünfte beim Statistischen Bundesamt Wiesbaden, dem Landwirtschaftsamt mit Landwirtschaftsschule S. und beim Hessischen Statistischen Landesamt W. ein. Er holte weiter ein Gutachten bei Dipl. Landwirt S., W. ein. Danach gingen die Betriebsinhaber, die Hofe von 5 bis 10 ha bewirtschafteten, zunächst einem Zuerwerb nach, der später zum Nebenerwerb wurde, da durch den Maschineneinsatz die Arbeiten in kürzerer Zeit erledigt werden konnten, so daß die Landwirte weiteren Tätigkeiten nachgehen konnten. Die im gesamten Bundesgebiet auftretende Entwicklung zeigte sich auch in der Heimatgemeinde des Klägers daran, daß die überwiegende Zahl der Betriebe von 5 bis 10 ha als Nebenerwerbsbetriebe anzusehen seien. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe 1949 begonnen, sei seit 1964 statistisch nachgewiesen und sei heute noch nicht abgeschlossen. Selbst größere Betriebe würden zu Zu- oder Nebenerwerb übergehen. Es hätten auch genügend Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Die Agrarhandlung K. u. Co. in L. hätte den Kläger gerne wegen seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse als Kraftfahrer übernommen, jedoch wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung davon abgesehen. Der Kläger hatte aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten und seines Arbeits- und Ausbildungswillens ohne die Körperschädigung eine entsprechende Arbeitsstelle in L. oder in der näheren Umgebung erhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts Marburg für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1979 wurde der Kläger vor dem Senat eingehend gehört.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet, denn das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Mai 1973 ist zutreffend. Dem Kläger steht Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens, das dem Durchschnittseinkommen eines Arbeiters in der gesamten Industrie, Leistungsgruppe 2 entspricht, zu.
Voraussetzung für die Gewährung von Berufsschadensausgleich ist ein schädigungsbedingter Einkommensverlust. Dabei ist gemäß § 30 Abs. 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 27. Februar 1969 (BGBl. I S. 157) und den folgenden Gesetzen, die insoweit keine Änderung brachten, von dem Beruf oder der Beschäftigung auszugehen, den der Schwerbeschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher gezeigten Arbeits- und Ausbildungswillen ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübt hätte. Hierbei kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung, also im Januar 1969 an (vgl. Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) Entscheidungssammlung Band 32, S. 1, 2).
Als Arbeiter der Leistungsgruppe 2 in der gesamten Industrie hätte das Vergleichseinkommen des Klägers im Januar 1969 978,– DM betragen. Dem ist zum Zwecke der Prüfung, ob ein schädigungsbedingter Einkommensverlust vorliegt, das Bruttoeinkommen des Klägers zuzüglich der Ausgleichsrente und der Einkünfte aus Hausschlachtungen gegenüberzustellen. Dabei ist als Wert der eigenen Arbeitsleistungen in landwirtschaftlichen Betrieben das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Stellung anzusetzen (§ 9 Abs. 1 b Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG 1968). Mit dem Bundessozialgericht ist als Arbeitsentgelt eines Landwirts das Tarifgehalt der Angestellten in der Landwirtschaft zugrunde zu legen (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Juni 1972 – 10 RV 687/71 – SozR § 30 BVG Nr. 59, Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit vom 01. März 1966 und Rundschreiben vom 30. April 1971). Bei einem Betrieb von etwa 10 ha ist das Angestelltengehalt A II anzunehmen. Dieses belief sich 1969 auf 932,– DM. Wegen der durch die Schädigung verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. ist dieser Betrag um 50 v.H. auf 466,– DB zu kürzen. Zu diesem Einkommen sind die Ausgleichsrente von 31,– DM (Bescheid vom 21. Januar 1969) und 50,– DM als Entgelt für Hausschlachtungen monatlich hinzuzurechnen, woraus sich daß tatsächliche Einkommen des Klägers von 547,– DM ergibt. Da sich somit ein Einkommensverlust von 431,– DM. feststellen läßt, steht dem Kläger Berufsschadensausgleich zu.
Zu der Überzeugung, daß der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen mindestens von Januar 1969 an – dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Berufsschadensausgleich – als Arbeiter in der Leistungsgruppe 2 (angelernter Arbeiter) tätig gewesen wäre, ist der erkennende Senat insbesondere aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1979 gelangt sowie der angestellten Ermittlungen. Der Senat ist der Überzeugung, daß der Kläger spätestens ab Herbst 1960 sich ohne seine Schädigungsfolgen um eine Arbeit in abhängiger Tätigkeit bemüht hätte, und er eine entsprechende Tätigkeit dann spätestens ab 01. April 1961 erhalten hätte, da sich der Arbeitsmarkt jeweils im Frühjahr nach der durch das Winterwetter bedingten Restriktion wieder belebt.
Im Jahre 1960 hatte der Kläger nach seinen glaubhaften Erklärungen vor dem Senat am 26. Juni 1979 eine besonders schlechte Ernte gehabt. Die Erträge seines Hofes reichten für die Unkosten und den Unterhalt der Familie nicht aus, so daß er von seinem Konto Geld abheben mußte. Trotz seiner Schädigungsfolgen hatte er sich deshalb vorgenommen, in einem anderen Beruf tätig zu werden. Er wurde lediglich durch seine älteste Tochter, die im gleichen Jahr aus der Volksschule entlassen war, dazu bestimmt, keine Berufstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft zu suchen, weil seine Tochter in der Landwirtschaft bleiben wollte. Andererseits sah sich der Kläger wegen seiner Schädigungsfolgen nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit in abhängiger Arbeit nachzugehen und daneben seinen Hof zu bewirtschaften, weil er dann diesen Hof nach seiner Auffassung nicht ordnungsgemäß hätte führen können. Daß der Kläger auf eine solche ordnungsgemäße Führung des landwirtschaftlichen Hofes besonderen Wert legt, wird aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Scharf vom 27. November 1978 deutlich, wenn dieser landwirtschaftliche Sachverständige darauf hinweist, daß sowohl Betriebsführung als auch Betriebsorganisation und der Gesamteindruck auf einen überdurchschnittlichen Kenntnisstand des Betriebsführers schließen lassen. Dies läßt insbesondere nach dem Eindruck, den der Kläger auf den Senat gemacht hat, den Schluß zu, daß er nicht bereit gewesen wäre, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, der nicht vorbildlich oder doch mindestens durchschnittlich hätte arbeiten können.
Im Jahre 1960 wurde der Kläger auch erstmals von dem Inhaber der Firma K. K. u. Co. Agrarhandel, gebeten, ihm als Lastwagenfahrer auszuhelfen. Da der Kläger aufgrund seiner Qualifikation (Inhaber des Führerscheins der Klasse II) hierzu in der Lage war, und auch tatsächlich seinem körperlichen Leistungsvermögen entsprechende Fahrten ausgesucht und durchgeführt wurden, ist davon auszugehen, daß der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen deshalb als Lastwagenfahrer zu der Firma K. vollberuflich übergewechselt wäre, zumal diese Firma nach den Bekundungen des Klägers ständig Lastwagenfahrer sucht und diese Firma auch gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen S. wie dieser in seinem erwähnten Gutachten ausführt, zu erkennen gegeben hat, daß sie den Kläger aufgrund der für diese Sparte notwendigen agrarischen Fachkenntnisse und seiner geistigen Beweglichkeit gern eingestellt hätte und auch heute noch einstellen würde, wenn dies sein Gesundheitszustand zuließe. Da die Firma K. ihren Lastwagenfahrern auch noch jetzt zumutet, Kunstdüngersäcke, Futtermittelsäcke und Kohlensäcke auf- und abzuladen, erscheint es dem Senat nicht sicher, ob der Kläger ohne seine Schädigungsfolgen diese Tätigkeit bis zum Jahre 1969 – dem Antragszeitpunkt – und darüber hinaus beibehalten hätte, wenn er auch zu der Meinung neigt, daß der Kläger sich hier in einer mit seiner Tätigkeit als Landwirt zusammenhängenden Beschäftigung wohler gefühlt hätte als sonst in abhängiger Arbeit.
Die Auffassung des Senates, daß sich der Kläger im Jahre 1960 um eine Beschäftigung in abhängiger Arbeit außerhalb der Landwirtschaft ohne seine Schädigungsfolgen bemüht hätte und er seine Landwirtschaft dann als Nebenbetrieb weitergeführt hätte, wird darüber hinaus auch durch die allgemeine Entwicklung in der Landwirtschaft bestätigt. Auf sie hat der landwirtschaftliche Sachverständige Scharf in seinem Gutachten vom 27. November 1978 hingewiesen. Dabei hat er die Entwicklung in der Landwirtschaft zwar nur pauschal seit dem Kriegsende beurteilt. Aus seinen Ausführungen ergibt sich, daß man hier eine Gesamtentwicklung seit dem Kriege sehen muß, die immer noch anhält und man nicht bestimmte Jahre herausstellen kann, in denen etwa besonders viele Landwirte, die einen Betrieb in der Größe von 5 bis 10 ha bewirtschaftet hatten, einem Zuerwerb nachgegangen sind und die Landwirtschaft dann nur noch als Nebenerwerbsbetrieb geführt wurde. Es sei deshalb nur darauf hingewiesen, daß nach Mitteilung dieses Sachverständigen im Bundesgebiet in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei 1960 noch 3.623.000 Erwerbstätige beschäftigt waren und 1976 weniger als die Hälfte hiervon, nämlich nur noch 1.114.000. Wenn auch in dieser Zeit in den größeren Betrieben über 15 ha in erster Linie Lohnarbeitskräfte ausgeschieden sind, so sind auch bei kleineren Betrieben unter 50 ha überwiegend Familienarbeitskräfte ausgeschieden, was für den Kläger zutreffen würde.
Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger ohne seine Schädigung durch Aufstockung seinen Betrieb als Vollerwerbsbetrieb geführt hätte. Auf entsprechende Schwierigkeiten hat der Sachverständige S. hingewiesen. Der Kläger hat dies bei seiner Anhörung vor dem Senat anschaulich an dem Beispiel des Kleinbauern F. aus seinem Wohnort dargestellt, der eine Aufstockung um 100 Morgen vorgenommen hatte und dem jetzt mindestens 20 Morgen Pachtland gekündigt worden sind. Hierdurch ist Herr F. wegen der von ihm gekauften Landmaschinen und des Neubaus großer Gebäude in Schwierigkeiten geraten. Es war deshalb der einfachere und wirtschaftlich sicherere Weg für die Kleinlandwirte wie den Kläger, eine Vollerwerbstätigkeit in abhängiger Arbeit außerhalb der Landwirtschaft zu suchen. Die wirtschaftliche Entwicklung des Klägers des Inhaltes, daß die Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben mit 10 ha und weniger einer Haupttätigkeit außerhalb der Landwirtschaft nachgegangen sind, wird von dem Bürgermeister von F., wie die Heimatgemeinde des Klägers nach Zusammenlegung mit anderen Gemeinden jetzt heißt, in der Stellungnahme vom 31. August 1976 bestätigt. Dabei weist er darauf hin, daß die vom Kläger genannten Landwirte, die landwirtschaftliche Betriebe in ähnlicher Größe bewirtschafteten, neben der Landwirtschaft, die sie mit ihren Ehefrauen und Kindern betreiben, Beschäftigungen in der Industrie und im Gewerbe nachgehen. So arbeiten verschiedene als Kraftfahrer im Steinbruch oder bei Baufirmen, während andere als Arbeiter in der Industrie beschäftigt sind. Das Landwirtschaftsamt S. bestätigte diese Entwicklung. So sind in der Ortschaft L. die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 5 bis 10 ha von 1949 bis 1977 in etwa gleich geblieben. Es bestanden 1949 9 Betriebe von dieser Größe, während es 1977 10 Betriebe waren. Allerdings hatte sich ihre Zahl 1958 vorübergehend auf 13 und 1964 auf 14 erhöht. Von den Eigentümern der 14 Betriebe gingen 1964 nur drei kleiner Nebenbeschäftigung nach, während vier Nebenerwerbsbetriebe, d.h. mit einem Einkommen aus der Landwirtschaft unter 50 v.H. des Gesamteinkommens der Familie und sieben Zuerwerbsbetriebe, d.h. mit einem Einkommen aus der Landwirtschaft von 50 bis 85 v.H. des Gesamteinkommens der Familie, waren. 1971 gab es keine Vollerwerbsbetriebe mehr in dieser Größe. Vielmehr waren fünf Landwirtschaften Nebenerwerbsbetriebe, während vier Zuerwerbsbetriebe waren. 1977 stieg die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe auf acht, während die Zahl der Zuerwerbsbetriebe auf zwei zurückging. Dieser Umstrukturierungsprozeß ist nach Dipl. Landwirt S. noch nicht abgeschlossen, aber der Zwang zur Mechanisierung auch der kleineren Betriebe wird zur weiteren Konzentration führen. Die kleineren Betriebe sind einerseits gezwungen, zur Beschaffung von Maschinen weitere Einkünfte außerhalb der Landwirtschaft zu erzielen. Andererseits erlauben ihnen die eingesetzten Maschinen wegen der dadurch bedingten Verkürzung der Arbeitszeit solche weiteren beruflichen Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft.
Nach der Auskunft des Arbeitsamtes M. – Dienststelle S. – standen auch genügend Arbeitsplätze in der näheren Umgebung des Heimatortes des Klägers zur Verfügung, so daß er die Möglichkeit gehabt hätte, in den umliegenden Orten Beschäftigungen nachzugehen, falls er nicht bei der Agrarhandlung K. u. G Pin L. als Kraftfahrer ständig hätte arbeiten wollen.
An der Aufnahme einer solchen Tätigkeit war aber der Kläger durch die Schädigungsfolgen gehindert, denn die ausgedehnten Narben an der linken Beckenseite mit Narbenbruch und Teilverlust der linken Beckenschaufel nach Dickdarmverletzung, Schwellung des linken Beines infolge erschwerter Durchblutung mit Krampfader- und Geschwürsbildung machten dem Kläger neben seiner landwirtschaftlichen Arbeit eine weitere Beschäftigung als Kraftfahrer unmöglich. So ergibt sich aus den in den Versorgungsakten befindlichen Bundesbehandlungsscheinen, daß er von 1959 bis 1964 insbesondere wegen der Durchblutungsstörungen und der ständigen Geschwürsbildungen ununterbrochen in ärztlicher Behandlung stand, was einer Tätigkeit in abhängiger Arbeit und daneben in der Landwirtschaft entgegensteht. An der Aufnahme eines anderen Berufes nach 1960/1961 hätte ihn sein Alter deshalb nicht gehindert, weil er damals etwas über 40 Jahre alt war, so daß ein Berufswechsel noch ohne weiteres möglich gewesen wäre.
Bei der Berechnung des Berufsschadensausgleiches ist gemäß § 30 Abs. 3 und 4 BVG davon auszugehen, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen angelernter Arbeiter geworden wäre und die Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerbsbetrieb, so wie die anderen von ihm benannten Landwirte mit entsprechender Betriebsgröße, geführt hätte. Die Einstufung ist deshalb in die Leistungsgruppe 2 vorzunehmen, denn nach der Zusammenfassung der Tätigkeitsmerkmale für Arbeiter und Angestellte in der Industrie, im Handel und in der Landwirtschaft (Bundesverwaltungsblatt Nr. 11 1960 S. 152, Rundschreiben 4/1965 Nr. 20 und 12/1966 Nr. 49) gehören zur Leistungsgruppe 2 solche Arbeiter, die im Rahmen einer speziellen, meist branchengebundenen Tätigkeit gleichmäßig wiederkehrende oder weniger schwierige und verantwortungsvolle Arbeiten ausführen, für die keine allgemeine Berufsbefähigung vorausgesetzt werden muß. Es handelt sich hierbei um Arbeiter, die sich über die Hilfsarbeiter – Leistungsgruppe 3 – hinaus qualifiziert haben, aber doch den Facharbeiterstatus – Leistungsgruppe 1 – nicht erreicht haben. Bei dieser Einstufung knüpft der erkennende Senat einmal, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, an die ständige Verwaltungspraxis des Beklagten an, aus den deutsche Ostgebieten vertriebene Landwirte, die dort selbständig einen Hof bewirtschaftet haben, in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter einzustufen, da bei demjenigen, der als selbständiger Landwirt tätig gewesen ist, erwartet werden kann, daß ihm die Umsicht, die er als selbständig Tätiger zeigen mußte, und die Bereitschaft zur Arbeit die einen selbständigen Landwirt auszeichnet, dazu führen, daß er nicht auf der untersten Stufe, nämlich der der Hilfsarbeiter verbleibt, und sich darüber hinaus zum angelernten Arbeiter qualifizieren kann. Zu einer solchen Qualifizierung wäre auch der Kläger aufgrund des Eindrucks, den er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat gemacht, auf alle Fälle im Laufe von 9 Jahren in der Lage gewesen, d.h. vom Jahre 1960/1961 an (Eintritt in eine Tätigkeit in abhängiger Arbeit) bis zur Antragstellung im Januar 1969. Wäre der Kläger stets als Lastwagenfahrer tätig gewesen, hätte er ohnehin bereits von Anfang an in die Leistungsgruppe 2 eingestuft werden müssen, da er als besondere Qualifikation für diesen Beruf den Führerschein der Klasse II besaß und er über Erfahrungen als Lastwagenfahrer von der Wehrmacht her verfügte, was er glaubwürdig bekundet hat, und die Firma K. u. Co. veranlagte, ihn als Lastwagenfahrer ohne jede Einarbeitung als verantwortlich für den Lastzug zu beschäftigen. Außerdem ist bereits nach der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz der dem Kraftfahrer vergleichbare Fuhrmann (Kutscher) und sogar der Mitfahrer (Beifahrer) in die Leistungsgruppe 2 der Arbeiter einzustufen, was deshalb umso mehr für den Lastwagenfahrer gelten muß, als welcher der Kläger voraussichtlich ohne die Schädigungsfolgen mindestens zunächst tätig geworden wäre.
Die Berufung des Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Da der Kläger mit der Berufung Erfolg hatte, sind ihm vom Beklagten die durch die zweckentsprechende Rechtsverfolgung entstandenen Kosten beider Instanzen und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Revision war zuzulassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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