L 8 Kr 739/78

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 739/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Mai 1978 wird zurückgewiesen.

2) Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1927 geborene Klägerin war aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Firma M. in E. vom 10. Februar 1969 bis 18. März 1971 gegen Krankheit versichert. Während dieser Zeit war sie – erstmals ab 11. Februar 1970 – mehrfach infolge eines Bronchialleidens arbeitsunfähig erkrankt. Fach einer weiteren Arbeitsunfähigkeit ab 17. Februar 1971 reiste sie nach Spanien zurück und legte später von dort aus eine Bescheinigung über eine erneute einschlägige Arbeitsunfähigkeit ab 30. März 1971 vor. Hierauf gewährte die Beklagte Krankengeld unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen bis zum 19. Juli 1972.

Seit Februar 1971 übte die Klägerin keine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt mehr aus. Ein Rentenantrag der Klägerin wurde mit Bescheid der LVA Rheinprovinz vom 9. Januar 1973 wegen Nichterfüllung der Wartezeit abgelehnt. Aufgrund der 2. Blockfrist ab 11. Februar 1973 gewährte die Beklagte erneut Krankengeld bis 10. August 1974.

Später legte die Klägerin eine weitere ärztliche Bescheinigung vom 11. Februar 1976 über ihre Arbeitsunfähigkeit infolge chronischer Bronchitis vor. Mit Bescheid vom 13. März 1976 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab. § 183 Abs. 2 RVO setze das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses voraus. Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Gewährung relativ kurzfristiger, nicht aber unter Umständen lebenslanger Leistungen. Mit ihres hiergegen eingelegten Widerspruch hielt die Klägerin das Vorliegen einer Kassenmitgliedschaft als Anspruchsvoraussetzung nicht für notwendig. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1976 half die Beklagte dem Widerspruch nicht ab. Die Klägerin sei zur Ausübung ihrer letzten oder einer gleichartigen Tätigkeit nicht ab 11. Februar 1976 arbeitsunfähig, zumindest sei dies nicht nachgewiesen. Ebenso fehle der Nachweis einer ununterbrochenen Behandlungsbedürftigkeit des Bronchialleidens. Die Gewährung eines ggf. lebenslangen Krankengeldes sei nicht im Sinne der Krankenversicherung.

Mit ihrer hierauf erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Gewährung von Krankengeld für 78 Wochen ab 11. Februar 1976. Entgegen dem Widerspruchsbescheid sei ihre Arbeitsunfähigkeit und ununterbrochene Behandlungsbedürftigkeit nachgewiesen. Nach § 183 Abs. 2 RVO werde Krankengeld zeitlich unbegrenzt bzw. während jeder neuen Blockfrist für 78 Wochen gewährt. Im übrigen übte sie, gestützt insbesondere auf § 311 RVO, Kritik an der neueren Rechtsprechung des BSG, nach welcher die Mitgliedschaft des Erkrankten tragende Anspruchsgrundlage für die Krankengeldzahlung ist.

Mit Urteil vom 31. Mai 1978 wies das Sozialgericht Gießen die Klage als unbegründet ab; auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.

Gegen dieses an sie mit Einschreiben am 29. Juni 1978 abgesandte Urteil legte die Klägerin am 11. Juli 1978 Berufung ein. Die Auffassung des BSG, daß nach Ablauf der Bezugsdauer von 78 Wochen nach § 183 Abs. 2 RVO die Mitgliedschaft zur Versicherung nicht mehr bestehe, widerspreche dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Dies ergebe sich aus. § 311 RVO, wonach die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibe, solange ein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Bei der Anlegung des § 183 Abs. 2 RVO sei zwischen dem Anspruch an sich und den entstehenden einzelnen Leistungen zu unterscheiden, wobei der Anspruch grundsätzlich unbegrenzt sei. Vorliegend sei nach § 183 Abs. 2 i.V.m. § 311 RVO ihre Mitgliedschaft erhalten geblieben.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Mai 1978 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juli 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheiden vom 4. Oktober 1976 zur erneuten Zahlung von Krankengeld ab 11. Februar 1976 zu verurteilen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich auf ihr bisheriges Vorbringen, die angefochtene Entscheidung sowie die Rechtsprechung des BSG. Nach letzterer soll vermieden werden, daß es trotz fehlender Rechtsbeziehungen unter Umständen zur Zahlung einer lebenslangen "Krankengeldrente” komme.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Kassenakten, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SOG) und statthaft (§§ 143, 144 Nr. 1 SOG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab 11. Februar 1976. Da die Klägerin spanische Staatsangehörige ist und ihren ständigen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat, unterliegt sie mit ihren Ansprüchen an die Beklagte den Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über soziale Sicherheit vom 29. Oktober 1959 (BGBl. 1961 II 599). Die späteren Abkommensänderungen, die a wischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien vereinbart worden sind, haben keine Bedeutung für den streitigen Anspruch, Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. Abs. 2 des Abkommens findet es Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland auf die Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung. Es gilt für Staatsangehörige der Vertragsstaaten (Art. 3 Nr. 1), die in ihrem Rechten und Pflichten einander gleichgestellt sind (Art. 4) und bewirkt, daß der Aufenthalt einer Person im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einen Inlandsaufenthalt gleichzuordnen ist, sofern es für die Leistungsgewährung darauf ankommt (Art. 5 Abs. 1). Da nach Art. 16 Abs. 3 Satz 1 Geldleistungen von dem zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften gewährt werden und das Abkommen Sonderregelungen für die Zahlung von Krankengeld – mit Ausnahme des im vorliegenden Rechtsstreit nicht eingreifenden § 214 RVO (Art. 12 Abs. 2 das Abkommens) – nicht enthält, richten sieh die Ansprüche der Klägerin nach den Vorschriften der RVO wie bei Inlandsaufenthalt.

Die gesetzliche Regelung des vorliegend streitigen Krankengeldanspruchs hat ihren Ausgangspunkt in § 182 Nr. 2 RVO, wonach Krankengeld gewährt wird, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Den seitlichen Umfang des Anspruchs regelt § 183 Abs. 2 RVO, wonach Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung gewährt wird, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wagen derselben Krankheit jedoch für höchstens 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren, gerechnet vom Tage das Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Aus dieser Regelung ergibt sich insgesamt eindeutig, daß als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Krankengeld das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses bzw. die Mitgliedschaft bei dem in Anspruch genommenen Versicherungsträger vorausgesetzt wird.

Ein Versicherungsverhältnis der Klägerin zur Beklagten hat aber bei Beginn der vorliegend in Frage kommenden 3. Blockfrist ab 11. Februar 1976 nicht mehr bestanden. Vielmehr war die Klägerin mit dem Ende ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Firma M. am 18. März 1971 zugleich auch als, Mitglied der Beklagten ausgeschieden und diese Mitgliedschaft war nach § 311 Nr. 2 RVO während der beiden späteren Krankengeldzahlungen nur vorübergehend wieder aufgelebt. Auch ein sog. nachgehender Anspruch – etwa nach § 214 RVO – kommt vorliegend nicht in Frage. Auch das BSG (vgl. die beiden Urteile vom 5. Oktober 1977 in BKK 1978, S. 42 sowie das Urteil vom 15. Februar 1978 in BKK 1978, S. 178) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Voraus Satzung des Krankengeldanspruchs das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses ist, soweit nicht das Gesetz ausdrücklich Ausnahmen vorsieht. Der mit Ablauf einer Bezugsperiode endende Krankengeldanspruch entstehe nach Ablauf der Blockfrist von 3 Jahren (§ 183 Abs. 2 Satz 1 RVO) nur dann neu, wenn eine Mitgliedschaft als tragende Rechtsgrundlage des Anspruchs vorhanden sei. Dieser überzeugend begründeten Rechtsprechung hat sieh der Senat ebenso wie schon früher auch vorliegend angeschlossen, zumal der Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles für sich allein – ohne Mitgliedschaft – die Wiederentstehung das Krankengeldanspruchs nicht zu tragen vermag (BSG a.a.O.).

Die Klägerin stützt sich auch zu Unrecht auf § 311 KVO, da diese Vorschrift offensichtlich den Krankengeldanspruch schon voraussetzt, ihn nicht aber – zusätzlich – begründete Vielmehr finden sich die entsprechenden und vorliegend nicht erfüllten Anspruchsvoraussetzungen in den §§ 182 Nr. 2, 183 Abs. 2 RVO, wie dies schon oben dargelegt wurde.

Auch der Sinn des Gesetzes spricht trotz Wegfall der früheren "Aussteuerung” nicht für die Auffassung der Klägerin. Wie das BSG a.a.O nämlich zutreffend ausgeführt hat, hätte die von der Klägerin letztlich begehrte zeitlich unbegrenzte Intervallzahlung rentenähnlichen Charakter und stünde schon deshalb mit dem Leistungscharakter der gesetzlichen Krankenversicherung in dem gegliederten System der sozialen Sicherheit nicht im Einklang. Gleiches gilt auch von der Unterscheidung dar Klägerin zwischen einem seitlich unbegrenzten Krankengeldanspruch an sich und den einzelnen hieraus resultierenden Leistungen.

Nach alledem war unerheblich, ob bei der Klägerin seit dem Versicherungsfall eine ununterbrochene Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit bestanden hat.

Die unbegründete Berufung war, wie geschehen, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SOG.

Die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG kam nach der Sachlage nicht in Betracht.
Rechtskraft
Aus
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