S 83 KA 74/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
83
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 74/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beschluss des Beklagten vom 24. November 2006 in der Fassung des schriftlichen Bescheids vom 17. Januar 2007 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Regress im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2000.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und nimmt als Hausarzt der vertragsärztlichen Ver-sorgung in Berlin teil. Mit Schreiben vom 5. November 2002 teilte die Geschäftsstelle der Prüfgremien bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin dem Kläger mit, dass seine Verord-nungsweise für das Jahr 2000 nach Richtgrößen von Amts wegen überprüft werde. Mit Schrei-ben vom 11. Dezember 2002 teilte der Kläger seine Praxisbesonderheiten mit. Mit Schreiben vom 2. Februar 2005, 25. Februar 2005 und 26. Oktober 2005 teilten die Beigeladene zu 2), die Beigeladenen zu 6) und der Beigeladene zu 3) mit, keinen Antrag auf Festsetzung eines sonsti-gen Schadens im Rahmen der Richtgrößenprüfung stellen zu wollen. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 setzte der Prüfungsausschuss (schriftliche Ausfertigung vom 20. Dezember 2005) einen Regress in Höhe von 60.973,03 DM (= 31.175,02 EUR) fest. Am 3. Januar 2006 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er nach Einsichtnahme in die Verordnungsdaten-sätze mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Juni 2006 begründete. Unter anderem führte er aus, dass die Richtgrößenvereinbarung 2000 wegen verspäteter Veröffentli-chung unwirksam sei und auch die Richtgrößen für das Jahr 1999 nicht anwendbar seien, weil diese wegen eines Verstoßes gegen Art. 17 GKV-SolG rechtswidrig gewesen seien. Die Regressierung zur unteren Interventionsgrenze von 15 % sei unzulässig. Der Beschluss des Prüfungsausschusses sei nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ergangen. Schließlich sei die Datengrundlage ebenso zu beanstanden wie die fehlende hinreichende Auseinandersetzung mit den Praxisbesonderheiten.

Mit Beschluss vom 24. November 2006 (schriftliche Fassung vom 17. Januar 2007) reduzierte der Beklagte den Regress auf 30.114,58 EUR, wies den Widerspruch im Übrigen aber zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die im Jahr 2002 veröffentlichten Richtgrößen für das Jahr 2000 zugrunde gelegt werden könnten, weil sie für den Kläger günstiger als die Richtgrößen des Jahres 1999 seien. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Der Erstattungsan-spruch könne erst am 1. Januar 2001 entstanden sein. In Anwendung von § 199 BGB beginne die Frist mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Erstattungsan-spruchs folge, zu laufen – hier der 1. Januar 2002 – und ende am 31. Dezember des vierten Folgejahres – hier der 31. Dezember 2005. Jedenfalls könne die Frist nicht vor dem Erhalt der Daten gem. § 296 SGB V zu laufen beginnen. Die Daten hätten am 1. Januar 2001 weder vor-liegen noch übermittelt werden können. Des Weiteren bedürfe der Kläger keines Vertrauens-schutzes, weil er mit Schreiben vom 5. November 2002 über die Richtgrößenprüfung infor-miert worden sei. Es seien weitere 1.120,47 DM für Verordnungen für Patienten, die der Klä-ger nicht behandelt habe, und als Praxisbesonderheiten weitere 1.167,84 DM in Abzug zu brin-gen. Weitere Praxisbesonderheiten bestünden jedoch nicht.

Hiergegen richtet sich die am 16. Februar 2007 erhobene Klage, zu deren Begründung der Klä-ger sich auf die Widerspruchsbegründung bezieht und des Weiteren ergänzend ausführt: Der Prüfbescheid müsse spätestens nach Abschluss des überprüften Verordnungszeitraums vorlie-gen, so dass die Frist am 31. Dezember 2004 abgelaufen sei. Dies bestätige auch die Neufas-sung des § 106 Abs. 2 S. 6 SGB V durch das GKV-WSG, wonach die Frist mit Ende des ge-prüften Zeitraums zu laufen beginne. Der letzte Honorarbescheid des Jahres 2000, der Hono-rarbescheid für das Quartal IV/2000, sei im Juni 2001 zugegangen. Es komme nicht darauf an, wann die Daten der Krankenkassen an die Prüfgremien übermittelt worden seien, weil sonst die Krankenkassen den Fristbeginn in der Hand hätten. Unter Zugrundelegung der Datenaus-tauschvereinbarung (Anlage 6 zu den Bundesmantelverträgen) müssten die Datensätze spätes-tens elf Monate nach Abschluss des Prüfzeitraums vorliegen. Wollte man dies dem Fristbeginn zugrunde legen, liefe die Frist ab dem 1. Dezember 2001 und habe am 30. November 2005 ge-endet.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 24.11.2006 in der Fassung des Widerspruchs-bescheides vom 17.01.2007 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 24.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2007 zu verpflichten, über seinen – des Klägers – Widerspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Ge-richts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Darlegungen im angefochtenen Bescheid.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- uns Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid, der nach ständiger Recht-sprechung des BSG (vgl. z. B. BSG, SozR 3 – 2500 § 106 Nr. 22; Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 95, Rn. 2b) alleiniger Gegenstand der Klage wird, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Prüfung ist § 106 Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Nach § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Ver-sorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V geprüft (Auffälligkeitsprüfung). Gem. § 106 Abs. 2 S. 5 SGB V sind die Prüfungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina für den Zeitraum eines Jahres durchzuführen.

Die dem Bescheid des Beklagten zugrunde liegende Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 5. Dezember 2005 hätte jedoch nicht mehr ergehen dürfen. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzung eines Regresses im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2000 verfristet und wegen Zeitablaufs unzulässig.

Zwar finden sich weder in der im geprüften Zeitraum oder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Prüfungsausschusses geltenden Fassung des § 106 SGB V noch im SGB X noch in der "Ver-einbarung über die Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (§ 106 SGB V)" vom 10. Januar 1994 bzw. 20. Juni 2003 Ausschlussfristen, innerhalb derer ein Prüf-verfahren wegen Überschreitung der Richtgrößen abzuschließen ist. Jedoch ist mit dem Bun-dessozialgericht aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten, rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit die Notwendigkeit der zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens herzuleiten. Danach muss der die Wirtschaftlichkeitsprüfung abschließende Bescheid über Honorarkürzun-gen spätestens vier Jahre nach der vorläufigen Honorarabrechnung (Quartalsabrechnung) durch die K(Z)V dem Arzt zugestellt werden (BSG, Urteil v. 16. Juni 1993, -14a/6 RKa 37/91-, BSGE 72, 271, 277). Diese Ausschlussfrist gilt auch für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen (BSG, Urteil v. 2. November 2005, -B 6 KA 63/04 R-, zit. n. juris, Rn. 62).

Die Ausschlussfrist beginnt nach Überzeugung der Kammer mit dem Ablauf des geprüften Zeitraums und endet vier Jahre später. Für diesen (frühen) Beginn der Ausschlussfrist sprechen Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und -klarheit. Denn auf diese Weise lässt sich für alle Be-teiligten in unzweifelhafter Weise Beginn und vor allem das Ende der Frist bestimmen. Den Krankenkassen und den Prüfgremien wird ausreichend Zeit eingeräumt, die Wirtschaftlich-keitsprüfung durchzuführen, und der geprüfte Vertragsarzt kann mit größtmöglicher Rechtssi-cherheit disponieren. Für den genannten Beginn des Laufs der Ausschlussfrist spricht weiter § 84 Abs. 6 S. 4 SGB V, wonach bereits die Überschreitung des Richtgrößenvolumens für das betreffende Kalenderjahr (automatisch) eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V auslöst. Die Richtgrößenprüfung beginnt folglich von Gesetzes wegen unmittelbar mit dem Ablauf des betreffenden Jahres, wenn das Richtgrößenvolumen überschritten wird, ohne dass es einer ausdrücklichen Einleitung des Prüfverfahrens bedürfte (ebenso in Begründung und Ergebnis: Beschwerdeausschuss Niedersachsen, Beschl. v. 17. August 2005). Auch die ge-setzgeberische Wertung, wie sie in § 106 Abs. 2 S. 6 SGB V i.d.F. des GKV-WSG zum Aus-druck kommt, wonach die Regressfestsetzung innerhalb einer (nunmehr zweijährigen) Frist nach Ende des geprüften Zeitraums erfolgen muss, stützt diese Lösung. Weiter sprechen für diesen Fristbeginn Regelungen, wie sie die Vertragspartner an anderen Stellen der Prüfverein-barung getroffen haben: § 24 Abs. 2 S. 1 und 2 der Prüfvereinbarung von 2003 (zum Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens) lauten: Der Antrag ist zu begründen und muss in-nerhalb einer Frist von 9 Monaten seit Bekanntwerden des Sachverhalts beim Prüfungsaus-schuss vorliegen. Bei nicht verordnungsfähigen Präparaten beginnt die Frist mit dem Ende des Quartals, in dem die Verordnung ausgestellt wurde. § 25 Abs. 2 S. 3 der Prüfvereinbarung von 2003 zur Prüfung in besonderen Fällen lautet: Die Anträge sind innerhalb einer Frist von 9 Monaten nach Ablauf des Quartals zu stellen, in dem der vom Antrag erfasste Sachverhalt auf-getreten ist. Auch wenn eine Möglichkeit der Vertragspartner, wirksame Antragsfristen zu ver-einbaren, angesichts der hohen Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht bestehen (BSG, Urteil v. 27. Juni 2001, -B 6 KA 66/00 R-, zit. n. juris), bringen die Vertragspartner mit den ge-troffenen Regelungen zum Ausdruck, dass ihnen das Anknüpfen für den Lauf der Ausschluss-frist an den geprüften Zeitraum der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht fremd ist.

Auch in der Literatur wird die Übertragung der Ausschlussfrist auf das Prüfverfahren nach Richtgrößen – soweit ersichtlich – einhellig angenommen. Unterschiede finden sich jedoch für die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Ausschlussfrist zu laufen beginnen soll. Nach En-gelhard (in: Hauck/Noftz, SGB V, 3. Band, Stand: Erg.-Lfg. 4/08, IV/08, K § 106, Rn. 585b) soll die Frist in Anlehnung an BSG, Urteile vom 28. März 2007, -B 6 KA 22/06 R-, -B 6 KA 26/06 R- und -B 6 KA 28/06 R-, mit der Bekanntgabe des Honorarbescheids für den ersten Ab-rechnungszeitraum zu laufen beginnen. Clemens (in: jurisPK-SGB V, 1. Aufl. 2008, § 106, Rn. 153) ist der Meinung, auch für Verordnungsregresse die Vier-Jahres-Frist ab dem Erlass (= ab Bekanntgabe) des Honorarbescheids beginnen zu lassen, der dasjenige Quartal betrifft, dem die Verordnungen zuzuordnen sind. Der gleichen Auffassung ist Hartmannsgruber ("Die Aus-schlussfrist im Vertragsarztrecht – Eine Bestandsaufnahme", ZMGR 2008, 124, 128). Abgese-hen davon, dass eine Lösung, die an den Honorarbescheid für das einzelne geprüfte Quartal anknüpft, den Vorgaben des § 106 Abs. 2 S. 5 SGB V, wonach der Prüfungszeitraum für Richtgrößenprüfungen ein volles Jahr beträgt, widerspricht, kann nach Auffassung der Kam-mer die Rechtsprechung zum Beginn der Ausschlussfrist bei der Honorarprüfung nicht auf die Prüfung der Verordnungsweise übertragen werden, weil die Verordnung von Heil- und Hilfs-mitteln damit nicht vergleichbar ist. Insbesondere wird im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprü-fung der Verordnungsweise nicht über das "Behaltendürfen" bzw. die Kürzung von Honoraren für vertragsärztliche Tätigkeit, sondern über davon unabhängige Regressverpflichtungen der Vertragsärzte entschieden. Insbesondere kann mit dem Erlass des Honorarbescheids für das be-troffene Quartal kein Vertrauen des Arztes in ein Ausbleiben der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise einhergehen.

Im Ergebnis stützen aber auch die genannten Literaturstimmen die Entscheidung der Kammer: Der letzte Honorarbescheid für das Jahr 2000, der Honorarbescheid für das Quartal IV/2000, ist im Juni 2001 zugegangen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Somit war nach allen Stimmen in der Literatur die Ausschlussfrist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Prüfungsaus-schusses abgelaufen.

Die Rechtsansicht des Beklagten in seinem angegriffenen Beschluss überzeugt dagegen nicht. Die Vier-Jahres-Frist ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch auf das Prüfungsverfahren nach Richtgrößen zu übertragen (BSG, Urteil v. 2. November 2005, a.a.O.), weil der geltend gemachte anderweitige Ablauf des Prüfverfahrens nichts am Bedürfnis des Vertragsarztes nach Rechtssicherheit ändert. Soweit zum Beginn der Ausschlussfrist Regelungen des Verjährungs-rechts fruchtbar gemacht werden, ist dies schon deshalb abzulehnen, weil die Wirtschaftlich-keitsprüfung gerade nicht der Verjährung unterliegt (BSGE 72, 271, 272 ff. und eindeutig im 1. Leitsatz). Auch die entsprechende Anwendung von Regelungen des Verjährungsrechts zum Beginn der Verjährungsfrist, insbesondere § 199 BGB i.d.F. des SchuMoG, kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Lebenssachverhalte. Denn vorliegend ist streitig die Ausübung des Prüfungsrechts – das der genannten rechtsstaatli-chen Ausschlussfrist unterliegt –, nicht aber ein Regress- bzw. Rückzahlungsanspruch. Dieser besteht nicht bereits mit Ablauf des Prüfzeitraums, sondern entsteht erst mit dem Ausspruch im Prüfbescheid (BSGE 72, 271, 274). Soweit sich der Beklagte auf die gesetzlichen und vertrag-lichen Regelungen zur Datenübermittlung (§ 296 SGB V, Datenaustausch-Vereinbarung als Anlage 6 zu den Bundesmantelverträgen) beruft, so ist dem entgegen zu halten, dass hier ledig-lich Teile des Verwaltungsverfahrens ausgestaltet werden. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass das Prüfverfahren nicht unmittelbar am Tag nach Ablauf des Prüfungszeitraums aufge-nommen werden kann. Jedoch schließen die Regelungen den Abschluss des Verfahrens inner-halb von vier Jahren nicht aus. Im Gegenteil dienen sie mit ihren knapp bemessenen Fristen der zügigen Durchführung des Verfahrens und der Einhaltung der Ausschlussfrist. Sie ist in Anbet-racht der genannten Regelungen ohne weitere Probleme einzuhalten, da selbst bei vollständiger Ausschöpfung der Fristen zur Übermittlung der Verordnungsdaten, der Entscheidung der Ge-schäftsstelle über die Anforderung der Arzneimittelstatistik und deren Übermittlung nach § 8 der Datenaustauschvereinbarung von insgesamt elf Monaten noch drei Jahre und ein Monat für die Entscheidung verblieben. Entscheidend ist aber letztlich, dass es sich bei der Vier-Jahres-Frist nicht um eine Entscheidungsfrist des Prüfungsausschusses nach Erhalt aller für die Prü-fungen notwendigen Unterlagen und Erkenntnisse, sondern um eine materielle Ausschlussfrist zum Abschluss des Prüfverfahrens mit dem Ziel der Gewährung von Rechtssicherheit für die betroffenen Vertragsärzte handelt.

Der Lauf der Ausschlussfrist ist auch nicht unterbrochen oder gehemmt worden. Eine rechtser-hebliche Unterbrechung bzw. Hemmung der Ausschlussfrist kann lediglich durch Tatbestände der §§ 203-206 BGB i.d.F. des SchuModG, die analog angewendet werden können, insbeson-dere durch die Erhebung einer Untätigkeitsklage gem. § 88 SGG durch die Krankenkassen und der Zustellung des Beiladungsbeschlusses an den Vertragsarzt, eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1995, -6 RKa 40/94-, BSGE 76, 285; hier zit. n. juris, Rn. 21 u. 24). Eine Untä-tigkeitsklage haben die Beigeladenen oder eine andere Krankenkasse nicht erhoben. Für das Vorliegen sonstiger Hemmungstatbestände gem. §§ 203-206 BGB bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Beim Schreiben vom 5. November 2002 handelt es sich lediglich um die Mit-teilung, dass ein Verfahren von Amts wegen durchgeführt wird, und damit um ein Anhörungs-schreiben gemäß § 24 Abs. 1 SGB X. Dieses hat auf den Lauf der Ausschlussfrist keinen Ein-fluss. Gleiches gälte für den Fall, dass eine Aussetzung des Verfahrens durch den Prüfungsaus-schuss am 13. Dezember 2004 stattgefunden hat. Eine solche Aussetzung wird in der Verwal-tungsakte nur indirekt dokumentiert, nämlich im Schreiben der Beigeladenen zu 6) vom 25. Februar 2005. Eine weitere Aufklärung konnte aber unterbleiben, weil die Aussetzung keine andere Bewertung zur Folge hätte. Denn zum einen findet sich für die (einseitige) Aussetzung des Prüfverfahrens weder im SGB X (vgl. von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 8 Rn. 5: Aussetzen nur im Einvernehmen mit den Beteiligten) noch in der hier gemäß ihres § 28 Abs. 1 heranzuziehenden Prüfvereinbarung vom 20. Juni 2003 eine Rechtsgrundlage, insbesondere nicht in § 18 Abs. 4 c) der Prüfvereinbarung, wo das Verhältnis des sonstigen Schadens zur Richtgrößenprüfung geregelt wird. Zum zweiten ist die Aussetzung dem Kläger jedenfalls nicht bekannt gegeben worden. Zum dritten entspricht die Aussetzung keinem der in §§ 203-206 BGB geregelten Tatbestände, insbesondere weder schwebenden Verhandlungen (§ 203 BGB) noch dem Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB) noch der Einreichung eines Antrags bei einer Behörde (§ 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB), so dass eine Un-terbrechung bzw. Hemmung der Ausschlussfrist damit nicht einhergehen kann.

Schließlich kann sich der Beklagte nicht auf die Urteile des BSG vom 14. Dezember 2005, u.a. -B 6 KA 17/05 R-, dokumentiert bei juris, und die darin genannten Voraussetzungen zum Ver-trauensschutz eines Vertrags(zahn)arztes berufen. Zum einen war dort die Vier-Jahres-Frist nicht einschlägig (BSG a.a.O., Rn. 18), zum anderen geht aus dem Urteil hervor, dass weitere Vertrauenstatbestände zugunsten des Vertragsarztes neben die Vier-Jahres-Frist treten können, der Lauf der Frist aber nicht von weiteren – Vertrauensschutz begründenden oder ausschlie-ßenden – Voraussetzungen abhängig ist.

Nach alledem gilt hier Folgendes: Die Frist zur Festsetzung des Regresses für die Wirtschaft-lichkeitsprüfung der Verordnungsweise nach Richtgrößen im Jahr 2000 begann am 1. Januar 2001 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2004. Der mit Schreiben vom 20. De-zember 2005 bekannt gegebene Beschluss des Prüfungsausschusses vom 5. Dezember 2005 wahrt diese Frist nicht, weshalb der streitgegenständliche Beschluss des Beklagten rechtswid-rig und aufzuheben ist. Über die weiteren zwischen den Beteiligten im Streit stehenden Fragen brauchte nicht mehr entschieden zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Saved