L 5 KR 244/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 132/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 244/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.03.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:

I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) seit 01.03.1991 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
1.
Der 1946 geborene Kläger ist seit 01.05.1976 für das Foto Reformhaus R. tätig. Dieses ist ein in A-Stadt alteingesessener Familienbetrieb, der in einem in Familienbesitz stehenden rund 400 Jahre alten denkmalgeschützten Gebäude in der Altstadt A. untergebracht ist und deren handelsregisterliche Alleininhaberin die Beigeladene zu 1), die Ehefrau des Klägers, ist. Das Foto Reformhaus R. geht auf eine 1849 gegründeten Kononialwarenhandel zurück, welcher 1887 zu einem Handel mit Drogen und Chemikalien umgewandelt wurde. In ständigem Familienbesitz befindlich richtete der Vater der Beigeladenen zu 1) 1959 zusätzlich ein Fotostudio ein. Nach dem Übergang des Geschäftes auf die Mutter der Beigeladenen zu 1) übernahm wiederum diese 1989 mit notariellem Übergabevertrag einschließlich Schuldenübernahme und Leibrentenzahlung das Geschäft und führte es als Reformhaus und Fotostudio fort. Die Firma verfügt über die Internetpräsenzen r.foto.de sowie r.reform.de mit jeweils identischem Inhalt. Dort ist aufgeführt, dass die Firma weiterhin in Familienbesitz bleiben soll, der gemeinsame Sohn des Klägers und der Beigeladenen zu 1) soll als Student der Betriebswirtschaft als Nachfolger die Firma übernehmen.
2.
Einen Antrag des Klägers und der Beigeladenen zu 1) vom 24.11.2005 auf Feststellung, dass der Kläger in dem Ehegattenarbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1) nicht versicherungspflichtig beschäftigt sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2005/Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 ab. Die Tätigkeit sei dem Typus der abhängigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers zuzuordnen, weil der Kläger seit 01.05.1976 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gemeldet sei. Seine Entgelte seien seither stets sozialrechtlich verbeitragt, lohnsteuerrechtlich versteuert und als Betriebsausgaben verbucht worden. Der Kläger sei auch bei der Firmenübertragung und Neuausrichtung im Jahre 1989 Beschäftigter geblieben und nicht Inhaber oder Mitinhaber der Firma der Beigeladenen zu 1) geworden. Er trage auch kein Unternehmerrisiko. Eine Mitarbeit in der Gestalt lediglich familienhafter Mithilfe sei nicht anzunehmen, weil der Kläger ein ortsübliches Gehalt erhalten habe und damit ein wesentliches Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft erfüllt sei. Der Argumentation des Klägers, er sei durch Darlehen über insgesamt 337.900,00 EUR am Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1) beteiligt, folgte die Beklagte nicht.
3.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und geltend gemacht, er sei am Unternehmen Reformhaus Foto R. arbeitnehmeruntypisch beteiligt, weil er sehr hohe Verbindlichkeiten zu Gunsten des Unternehmens eingegangen sei. Anders als andere Angestellte sei er stets weit über die Öffnungszeiten des Geschäftes hinaus tätig gewesen. Er habe für den Bereich "Foto" die Alleinverantwortung getragen, während sich die Beigeladene zu 1) nur um den Bereich "Reformhaus" gekümmert habe. Er sei allein verantwortlich für die Warenwirtschaft im Bereich "Foto" gewesen und habe auch Fotografenarbeiten außerhalb der Geschäftszeiten z.B. samstags oder sonntags eigenständig übernommen und ausgeführt. Das gezahlte Entgelt habe seinem tatsächlichen Einsatz nicht entsprochen. Unternehmerische Entscheidungen seien stets zwischen ihm und seiner Ehefrau - der Beigeladenen zu 1) - abgesprochen worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2008 haben der Kläger und die Beigeladene zu 1) im Wesentlichen angegeben, das Foto- und das Reformhaus hätten getrennte Kassen geführt, Umbau und Umgestaltung nach der Geschäftsübernahme 1989 seien zwischen ihnen abgesprochen und abgeklärt worden, die dafür notwendigen Darlehen hätten beide Eheleute unterschrieben. Die Buchhaltung für Reformhaus und Fotogeschäft führe die Beigeladene zu 1), weil alle Ausgaben von einem Konto "weggingen", die Buchführung werde insgesamt außer Haus beim Steuerberater getätigt. Die Bilanzbesprechungen führten der Kläger und die Beigeladene zu 1) stets zusammen, Personalentscheidungen seien nur gemeinsam getroffen worden. Bis 2003 sei das Entgelt des Klägers an den Tarifvertrag gekoppelt gewesen, die Reduktion des Gehaltes ab ungefähr 2003 sei der verschlechterten Geschäftsentwicklung gefolgt. Der Kläger habe wahrscheinlich Kontovollmacht für das Firmenkonto, als alleinige Firmeninhaberin sei im Handelregister die Beigeladene zu 1) eingetragen.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers sei in einer Gesamtschau der praktizierten Rechtsbeziehungen dem Typus der abhängigen Beschäftigung zuzuordnen. Gegen bloße familienhafte Mitarbeit spreche die beitragsrechtliche und lohnsteuerliche Behandlung des Entgeltes, welches auf ein privates Girokonto ausgezahlt worden sei. Der Kläger habe ein Angestelltengehalt entsprechend dem einschlägigen Entgelt-Tarifvertrag einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten. Er sei nicht als Betriebsinhaber im Handelsregister eingetragen oder anderweitig aufgetreten. Die Ehe mit der Beigeladenen zu 1) widerlege nicht das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Dies gelte ebenso für die familienhaften Absprachen von Unternehmensentscheidungen. Faktisch sei der Kläger im Standort S., A-Stadt in einen fremden Betrieb eingegliedert tätig. Er sei insbesondere zu den Öffnungszeiten des Geschäfts tätig; dass er außerhalb der Öffnungszeiten und auch bei Fototerminen auswärts tätig sei, widerlege die Eingliederung in einen fremden Betrieb nicht. Seine Tätigkeit sei durch vorgegebene Abläufe bestimmter Arbeiten geprägt. Daran ändere auch nichts die Übernahmen von Darlehen, weil diese in erster Linie zur Abfederung des finanziellen Risikos des Kreditgebers erfolgt seien, nicht jedoch zur Übernahme von firmenspezifischen Risiken. Zudem widerspreche es einer Mitunternehmereigenschaft, dass der Kläger auch bei der Betriebsumgestaltung im Jahre 1989 nicht Mitinhaber geworden sei. Zusammenfassend bestehe somit kein Anlass, eine jahrelang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Beschäftigung rückwirkend aufzulösen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen mit einem fehlenden Direktionsrecht seiner Ehefrau, dem Nichtbestehen einer Eingliederung in den Betrieb, dem Fehlen einer angemessenen Vergütung insbesondere für die überpflichtgemäßen Arbeitszeiten, einer Mitsprache- und Entscheidungskompetenz sowie mit einer Darlehensaufnahme für den Betrieb begründet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.03.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) seit 01.03.1991 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung des Senats, die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, gehört. Die Beklagte und der Kläger haben damit ihr Einverständnis erklärt.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber unbegründet.
1.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006, mit welchem diese entschieden hat, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom 26.03.2008 zutreffend entschieden hat.

2.
In Anwendung der einschlägigen Rechtsgrundlagen ist das Sozialgericht nach einer Gesamtabwägung zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt ist im Sinne des § 7 Abs.1 SGB IV. Der Senat schließt sich den zutreffenden und ausführlichen Gründen der Entscheidung an und weist die Berufung aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs.2 SGG).
In Bezug auf das Berufungsvorbringen ist lediglich zu ergänzen, dass auch im vorliegenden Fall arbeitnehmeruntypische Elemente vorhanden sind, die gegen eine abhängige Beschäftigung des sprechen. Hierzu zählen das tatsächlich reduzierte Direktionsrecht der Beigeladenen zu 1), die überpflichtgemäße Einbringung der Arbeitskraft, die Entgeltanpassung an die geschäftliche Entwicklung ab 2003, eine faktische Mitsprache bei Entscheidungsprozessen und auch die Aufnahme von Darlehen zu Gunsten des Betriebes der Beigeladenen zu 1). Diese Argumente sind jedoch zu gewichten und vor dem Hintergrund zu bewerten, dass es sich bei der Firma der Beigeladenen zu 1), die nach wie vor in ihrer Alleininhaberschaft steht, um einen alteingesessenen Familienbetrieb handelt, der auch künftig in Familienbesitz bleiben soll. Die innerbetrieblichen Strukturen sind deshalb zwangsläufig geprägt von familienhaften Rücksichtnahmen und dem Vertrauen, das sich langjährige Eheleute wie der Kläger und die Beigeladene zu 1) naturgemäß entgegenbringen. Diese Tatsachen prägen zwar das Beschäftigungsverhältnis des Klägers, widerlegen es jedoch nicht. Nach wie vor führt die Beigeladene zu 1) den Kläger als Arbeitnehmer, dessen Entgelt verbeitragt und verlohnsteuert und als Betriebsausgabe behandelt wird. Der Kläger ist noch immer ausschließlich und im wesentlichen höchstpersönlich im Unternehmen der Beigeladenen zu 1) ortsgebunden tätig und sorgt dafür, dass die Leistungen der Fotoabteilung zu den Öffnungszeiten der Firma der Beigeladenen zu 1) deren Kunden zur Verfügung stehen.
Die Mitübernahme von Darlehen wie vorliegend widerlegt die Beschäftigteneigenschaft nicht. Zum einen kann die Darlehensmitzeichnung zurückgehen auf ein rein steuerrechtliches Ziel, Zinsleistungen als Betriebsausgaben einerseits zu verbuchen zu können, andererseits als Einnahmen privilegiert oder nur mit einem geringeren Steuersatz versteuern zu müssen. Zum anderen kann dies in eigenwirtschaftlichen Interessen der Darlehensgeber begründet sein, Risiken zu minimieren oder wenigstens als minimiert darstellen zu können, ohne dass sich dabei an der betrieblichen Einordnung und Stellung des Mithaftenden etwas änderte.
Die Berufung war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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