Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 113/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1454/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 10.08.1952 geborenen Klägerin wurde im November 1994 nach Diagnostizierung eines Mamma-Karzinoms eine Mamma-PE links, eine Ablatio Mammae links sowie eine Lymphonodektomie Axilla Level I-II durchgeführt. Auf ihren Antrag stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29.06.1995 einen GdB von 60 ab 30.11.1994 fest. Als Behinderungen wurde hierbei der Verlust der linken Brust sowie eine Brusterkrankung im Stadium der Heilungsbewährung festgestellt.
Eine verwaltungsintern angesetzte Nachprüfung im November 1999 wurde nicht durchgeführt.
Am 06.04.2004 leitete der Beklagte eine Überprüfung ein. Die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. T. teilte mit, die Klägerin sei mit einer Hörhilfe versorgt, es bestehe ein Hörverlust rechts von 5,7 % und links von 8,7 %. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. teilte unter dem 02.09.2004 und unter Beifügung von Arztbriefen mit, die Klägerin stehe in seiner regelmäßigen ambulanten Behandlung wegen folgender Diagnosen: Zustand nach Mama-OP wegen Tumor, labiler Bluthochdruck, vegetative Herzbeschwerden, rezidivierendes Wirbelsäulen-Syndrom, Lumboischialgien, Fettstoffwechselstörung, Sarkoidose der Lunge. Der Frauenarzt Dr. G. hat mitgeteilt, bei der letzten Untersuchung am 16.08.2004 habe sich die Klägerin in einem guten Allgemeinzustand befunden, Hinweise auf ein Rezidiv oder eine Progredienz des Mamma-Karzinoms hätten nicht vorgelegen.
Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 08.11.2004 und nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte mit Bescheid vom 31.03.2005 den Bescheid vom 29.06.1995 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte den GdB ab 07.04.2005 mit 20 fest. Zur Begründung führte er aus, es sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten, wobei zu beachten sei, dass bei der früheren Festsetzung des GdB eine Heilungsbewährung berücksichtigt worden sei. Als Funktionsbeeinträchtigungen lägen nunmehr eine Sarkoidose (Teil-GdB 20), ein Verlust der Brust mit Aufbauplastik der Brust links (Teil-GdB 10) sowie Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 10) vor. Die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Schwindelerscheinungen, Schwerhörigkeit" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2005 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.01.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr sei keine ausreichende Akteneinsicht zur Fertigung der Widerspruchsbegründung gewährt worden.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Dr. D. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 ausgeführt, die von ihm festgestellten Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 08.11.2004 überein. Der Neurologe und Psychiater Hoffmann hat unter dem 26.01.2007 ausgeführt, er habe die Klägerin erstmals am 30.10.2006 und dann noch einmal am 20.11.2006 neurologisch untersucht und behandelt. Ausgehend von dem Brustkrebs und der anschließend als belastend und beeinträchtigend erlebten Chemotherapie habe die Klägerin eine anhaltende subdepressive Verstimmung entwickelt. Der Gesamtbehinderungsgrad sei mit 40 zu bewerten.
Dieser Beurteilung ist der Prüfarzt der Beklagten Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.05.2007 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 14.02.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf das Urteil wird insoweit Bezug genommen.
Gegen das am 28.02.2008 zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 25.03.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ihr Schwerbehindertenausweis sei im März 2004 bis März 2009 verlängert worden. Dies stehe einer Rücknahme nach § 45 SGB X entgegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Beklagte wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Recht den GdB der Klägerin neu festgestellt hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 03.02.2009 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten hierzu ist nicht erforderlich.
Die vorliegend erhobene Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu qualifizieren, deren Begründetheit sich nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahren beurteilt (BSG Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - SozR 3-1300 § 48 Nr. 57; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 9 SB 4/02 R - in juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 54 Rz. 33).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier der Bescheid vom 29.06.1995 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung das GdB wenigstens 10 beträgt (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP), ebenso Teil A Nr. 7 a) der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008, durch welche die AHP ersetzt werden).
Seit Erlass des Bescheides vom 29.06.1995 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dadurch eingetreten, dass hinsichtlich der Karzinomerkrankung der Klägerin eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Mit der Heilungsbewährung wird pauschalierend anerkannt, dass nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung bestimmter Krankheiten - insbesondere Tumorerkrankungen -, die zu Rezidiven (Wiederauftreten der Krankheit) neigen, bei der GdB- Bemessung eine Heilungsbewährung abzuwarten ist. In dieser Zeit, die i.d.R. fünf Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem etwa die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann, andauert, ist abzuwarten, ob sich der Zustand des Betroffenen stabilisiert oder ob neue Krankheitsschübe auftreten. Diese Zeit ist häufig durch eine außerordentliche seelische und körperliche Belastung des Erkrankten gekennzeichnet. Deshalb wird während des Zeitraums der Heilungsbewährung ein höherer GdB-Wert angenommen, als dies üblicherweise der Fall ist (BSG Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 14/94; AHP Nr. 26.1 Abs. 3). Nach Teil B Nr. 1 c) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (ebenso AHP Nr. 26.14) ist nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
Im Jahr 2004 und damit mehr als acht Jahre nach der Operation haben bei der Klägerin keine Hinweise auf ein Rezidiv oder eine Progredienz des Tumorleidens vorgelegen, wie der Auskunft des behandelnden Frauenarztes Dr. G. vom Oktober 2004 entnommen werden kann. Der Beklagte hat damit für den Verlust der Brust links und Aufbauplastik der Brust links zutreffend einen Teil-GdB von 10 festgestellt. Auch der für die Sarkoidose festgestellte Teil-GdB von 20 und der für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen festgestellte Teil-GdB von 10 sind nicht zu beanstanden. Einwände hiergegen hat die Klägerin auch nicht erhoben.
Es ist auch zwischenzeitlich, d.h. nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 12.12.2005, keine Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin dergestalt eingetreten, dass der Gesamt-GdB um mindestens 10 wieder zu erhöhen wäre. Nach Teil A Nr. 1 i) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (ebenso AHP 18 Nr. 8) sind bei der GdB-Beurteilung auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten. Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts oder Verlust der weiblichen Brust). Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen - z.B. eine Psychotherapie - erforderlich ist.
Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Dr. D. hat in seiner Auskunft vom 02.09.2004 keine entsprechenden Beschwerden genannt und in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 mitgeteilt, die von ihm erhobenen Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme von 08.11.2004 überein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Hofmann vom 26.01.2007. Danach hat er die Klägerin lediglich zweimal am 30.10.2006 und 20.11.2006 behandelt und hierbei eine chronische Anpassungsstörung aufgrund schwerer belastender Lebensereignisse mit depressiven, somatoformen und phobischen Störungen diagnostiziert. Die Klägerin habe ausgehend von der beeinträchtigend erlebten Chemotherapie eine anhaltende subdepressive Verstimmung entwickelt. Eine länger andauernde ärztliche Behandlung hat damit nicht stattgefunden, so dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zwischenzeitlich eine längere, über einen Zeitraum von wenigstens 6 Monaten bestehende psychische Störung vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Bei der am 10.08.1952 geborenen Klägerin wurde im November 1994 nach Diagnostizierung eines Mamma-Karzinoms eine Mamma-PE links, eine Ablatio Mammae links sowie eine Lymphonodektomie Axilla Level I-II durchgeführt. Auf ihren Antrag stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29.06.1995 einen GdB von 60 ab 30.11.1994 fest. Als Behinderungen wurde hierbei der Verlust der linken Brust sowie eine Brusterkrankung im Stadium der Heilungsbewährung festgestellt.
Eine verwaltungsintern angesetzte Nachprüfung im November 1999 wurde nicht durchgeführt.
Am 06.04.2004 leitete der Beklagte eine Überprüfung ein. Die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. T. teilte mit, die Klägerin sei mit einer Hörhilfe versorgt, es bestehe ein Hörverlust rechts von 5,7 % und links von 8,7 %. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. teilte unter dem 02.09.2004 und unter Beifügung von Arztbriefen mit, die Klägerin stehe in seiner regelmäßigen ambulanten Behandlung wegen folgender Diagnosen: Zustand nach Mama-OP wegen Tumor, labiler Bluthochdruck, vegetative Herzbeschwerden, rezidivierendes Wirbelsäulen-Syndrom, Lumboischialgien, Fettstoffwechselstörung, Sarkoidose der Lunge. Der Frauenarzt Dr. G. hat mitgeteilt, bei der letzten Untersuchung am 16.08.2004 habe sich die Klägerin in einem guten Allgemeinzustand befunden, Hinweise auf ein Rezidiv oder eine Progredienz des Mamma-Karzinoms hätten nicht vorgelegen.
Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 08.11.2004 und nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte mit Bescheid vom 31.03.2005 den Bescheid vom 29.06.1995 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte den GdB ab 07.04.2005 mit 20 fest. Zur Begründung führte er aus, es sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten, wobei zu beachten sei, dass bei der früheren Festsetzung des GdB eine Heilungsbewährung berücksichtigt worden sei. Als Funktionsbeeinträchtigungen lägen nunmehr eine Sarkoidose (Teil-GdB 20), ein Verlust der Brust mit Aufbauplastik der Brust links (Teil-GdB 10) sowie Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 10) vor. Die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Schwindelerscheinungen, Schwerhörigkeit" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2005 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.01.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr sei keine ausreichende Akteneinsicht zur Fertigung der Widerspruchsbegründung gewährt worden.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Dr. D. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 ausgeführt, die von ihm festgestellten Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 08.11.2004 überein. Der Neurologe und Psychiater Hoffmann hat unter dem 26.01.2007 ausgeführt, er habe die Klägerin erstmals am 30.10.2006 und dann noch einmal am 20.11.2006 neurologisch untersucht und behandelt. Ausgehend von dem Brustkrebs und der anschließend als belastend und beeinträchtigend erlebten Chemotherapie habe die Klägerin eine anhaltende subdepressive Verstimmung entwickelt. Der Gesamtbehinderungsgrad sei mit 40 zu bewerten.
Dieser Beurteilung ist der Prüfarzt der Beklagten Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.05.2007 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 14.02.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf das Urteil wird insoweit Bezug genommen.
Gegen das am 28.02.2008 zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 25.03.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ihr Schwerbehindertenausweis sei im März 2004 bis März 2009 verlängert worden. Dies stehe einer Rücknahme nach § 45 SGB X entgegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Beklagte wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Recht den GdB der Klägerin neu festgestellt hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 03.02.2009 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten hierzu ist nicht erforderlich.
Die vorliegend erhobene Klage ist als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu qualifizieren, deren Begründetheit sich nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahren beurteilt (BSG Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - SozR 3-1300 § 48 Nr. 57; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 9 SB 4/02 R - in juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 54 Rz. 33).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier der Bescheid vom 29.06.1995 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung das GdB wenigstens 10 beträgt (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP), ebenso Teil A Nr. 7 a) der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008, durch welche die AHP ersetzt werden).
Seit Erlass des Bescheides vom 29.06.1995 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dadurch eingetreten, dass hinsichtlich der Karzinomerkrankung der Klägerin eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Mit der Heilungsbewährung wird pauschalierend anerkannt, dass nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung bestimmter Krankheiten - insbesondere Tumorerkrankungen -, die zu Rezidiven (Wiederauftreten der Krankheit) neigen, bei der GdB- Bemessung eine Heilungsbewährung abzuwarten ist. In dieser Zeit, die i.d.R. fünf Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem etwa die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann, andauert, ist abzuwarten, ob sich der Zustand des Betroffenen stabilisiert oder ob neue Krankheitsschübe auftreten. Diese Zeit ist häufig durch eine außerordentliche seelische und körperliche Belastung des Erkrankten gekennzeichnet. Deshalb wird während des Zeitraums der Heilungsbewährung ein höherer GdB-Wert angenommen, als dies üblicherweise der Fall ist (BSG Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 14/94; AHP Nr. 26.1 Abs. 3). Nach Teil B Nr. 1 c) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (ebenso AHP Nr. 26.14) ist nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
Im Jahr 2004 und damit mehr als acht Jahre nach der Operation haben bei der Klägerin keine Hinweise auf ein Rezidiv oder eine Progredienz des Tumorleidens vorgelegen, wie der Auskunft des behandelnden Frauenarztes Dr. G. vom Oktober 2004 entnommen werden kann. Der Beklagte hat damit für den Verlust der Brust links und Aufbauplastik der Brust links zutreffend einen Teil-GdB von 10 festgestellt. Auch der für die Sarkoidose festgestellte Teil-GdB von 20 und der für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen festgestellte Teil-GdB von 10 sind nicht zu beanstanden. Einwände hiergegen hat die Klägerin auch nicht erhoben.
Es ist auch zwischenzeitlich, d.h. nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 12.12.2005, keine Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin dergestalt eingetreten, dass der Gesamt-GdB um mindestens 10 wieder zu erhöhen wäre. Nach Teil A Nr. 1 i) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (ebenso AHP 18 Nr. 8) sind bei der GdB-Beurteilung auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten. Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts oder Verlust der weiblichen Brust). Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen - z.B. eine Psychotherapie - erforderlich ist.
Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Dr. D. hat in seiner Auskunft vom 02.09.2004 keine entsprechenden Beschwerden genannt und in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 mitgeteilt, die von ihm erhobenen Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. H. in der gutachtlichen Stellungnahme von 08.11.2004 überein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Hofmann vom 26.01.2007. Danach hat er die Klägerin lediglich zweimal am 30.10.2006 und 20.11.2006 behandelt und hierbei eine chronische Anpassungsstörung aufgrund schwerer belastender Lebensereignisse mit depressiven, somatoformen und phobischen Störungen diagnostiziert. Die Klägerin habe ausgehend von der beeinträchtigend erlebten Chemotherapie eine anhaltende subdepressive Verstimmung entwickelt. Eine länger andauernde ärztliche Behandlung hat damit nicht stattgefunden, so dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zwischenzeitlich eine längere, über einen Zeitraum von wenigstens 6 Monaten bestehende psychische Störung vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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