S 13 RA 2575/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 2575/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 3.12.2002 ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.4.2003 wird aufgehoben, soweit hierdurch eine Übernahme von Kosten für eine behindertengerechte Zusatzausstattung des Klägerfahrzeugs abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Kosten einer behindertengerechten Zusatzausstattung seines Kraftfahrzeuges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer behindertengerechten Zusatzausstattung seines Kraftfahrzeuges durch die Beklagte.

Der am 26. Februar 1955 geborene Kläger leidet an einer Querschnittslähmung nach einer Meningomyelozele-Operation. Ferner liegt bei ihm eine doppelseitige Unterschenkelamputation sowie eine Hüftluxation vor.

Der Kläger ist gegenwärtig beschäftigt bei der AOK Berlin als Sachbearbeiter. Die Entfernung zwischen seinem Wohnsitz und seinem Arbeitsort beträgt 22 km. Er ist durchgehend auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Das Versorgungsamt I Berlin hat für den Kläger einen Grad der Behinderung von 100 v.H. anerkannt und die Merkzeichen G, aG, H und RF erteilt. Er verfügt über eine Fahrerlaubnis, die sich u.a. auf die Führung von PKW bezieht.

Hinsichtlich der vom Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Zeiten bis zum 31. Dezember 2001 wird ausdrücklich auf den maschinell erstellten Kontenspiegel der Beklagten auf B1. 13 ff. der Verwaltungsakte verwiesen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 1994 Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahr¬zeuges. Dieses Fahrzeug, ein Nissan PräriePro mit Baujahr 1992, verfügte zuletzt über einen Kilometerstand von 137.006 km. Das Automatikgetriebe des Fahrzeugs war defekt. In der Folge benutzte der Kläger den Telebus. Zeitgleich kam es bei ihm wiederholt zu Unterkühlungen mit folgenden rezidivierenden Harnwegsinfektionen.

Mit Antrag vom 16. September 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme eines Zuschusses zur Anschaffung eines neuen Kraftfahrzeuges sowie die Übernahme der Kosten einer behindertengerechten Zusatzausstattung dieses Kraftfahrzeuges. Er legte hierbei die Kostenvoranschläge des Autohauses und der Firma vor. Diese bezogen sich auf einen Gebrauchtwagen Nissan Primera 2.0 Automatik Traveller (Kombi) mit Baujahr 1998 und einem Kilometerstand von 56.000 km. An Zusatzausstattungen wurden ausweislich¬ des Kostenvoranschlages beantragt: Ein Handbedienungsgerät für Bremse und Gas, ein Lenkraddrehknopf sowie eine Schwenktür für 4-türige Fahrzeuge, hinten. Hinzu kamen die notwendigen Abnahmekosten. Die Beklagte holte zunächst einen Befundbericht des behan- delnden Internisten ein, der neben den vorstehenden dauerhaften Diagnosen das Bestehen eines ausgedehnten sacralen Decubitus sowie eines infizierten offenen Dekubitus attestierte. Wegen der Einzelheiten des Befundberichts wird auf B1. 28 der Verwaltungsakte verwiesen. Die Beklagte ermittelte ferner den Neu- sowie den Händlerverkaufspreis des anzuschaffenden Fahrzeugs auf Basis der im August 2002 geltenden Schwacke-Liste. Hierbei ging sie von einem Listenpreis des Neufahrzeugs von 18.409,00 EUR aus. Hinzu rechnete sie die Listenkosten für ein automatisches Getriebe, so dass sie den Neuwert insgesamt mit 19.421,50 EUR feststellte. Den Händlerverkaufspreis für August 2002 ermittelte die Beklagte auf Basis des in der Schwacke-Liste angegebenen Wertes von 7.750,00 EUR, einschließlich des Preises für das automatische Getriebe ergaben sich 8.176,25 EUR, wobei diesem Wert nach Schwacke-Liste eine Fahrleistung von 77.200 km zugrunde lag. Dementsprechend erhöhte die Beklagte den Wert des Fahrzeuges entsprechend der Korrekturtabelle der Schwacke-Liste um 7 % auf insgesamt 8.748,59 EUR. Wegen der Einzelheiten der von der Beklagten durchgeführten Be- rechnung wird ausdrücklich auf B1. 37 der Verwaltungsakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Verkehrswert des Wagens, dessen Anschaffung beabsichtigt sei, unterhalb von 5O % des Neuwertes liege. Damit seien die von § 6 Abs. 4 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) aufgestellten Voraussetzungen der Zweckmäßigkeit der Anschaffung des Fahrzeugs nicht erfüllt. Es entfalle daher auch die Kostenübernahme für die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen. Der Kläger erwarb den Wagen noch im Jahr 2002 nach Antragsstellung und ließ ihn entspre¬chend der Kostenvoranschläge ausrüsten.

Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies die Beklagte ohne weitere Ermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2003 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 KfzHV lägen nicht vor. Hiernach könne die Beschaffung eines Gebrauchtwagens nur dann gefördert werden, wenn sein Verkehrswert mindestens 50 % des seinerzeitigen Neuwagenpreises betrage. Dieser Wert sei anhand einschlägiger Listen zu ermitteln, dies habe die Beklagte anhand der Super-Schwackeliste getan. Hiernach betrage der Verkehrswert des anzuschaffenden Fahrzeugs nur 45,05 % des Neuwagenpreises.

Mit seiner am 16. Mai 2003 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erstattung von Kosten für behinderungsbedingte Zusatzausstattungen weiter. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übernahme eines Zuschusses zur Anschaffung des Kraftfahrzeuges.käme es im Rahmen des Anspruchs auf Übernahme der behinderungsbedingten Zusatzausstattungen nicht an. Erforderlich sei ausschließlich, dass die Zusatzausstattung behinderungsbedingt erforderlich ist.

Der Kläger beantragt,

des Bescheides vom 3. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2003 zu verurteilen, dem Kläger die Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen seines Kraftfahrzeuges zu gewähren, hilfsweise den Antrag des Klägers insoweit - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid. Aus den Anforderungen an die Förderungsfähigkeit der Beschaffung eines Gebrauchtwagens folge, dass behinderungsbedingte Zusatzausstattung und deren Einbau auch nur als förderungswürdig an ¬erkannt werden können, wenn das entsprechende Kraftfahrzeug 50 % des seinerzeitigen Neupreises erreicht. Die versicherungsrechtlichen und medizinischen Voraussetzungen des Anspruchs sowie die Notwendigkeit des Fahrzeugs zur Erreichung und damit zur Erhaltung des Arbeitsplatzes des Klägers lägen hingegen vor.

Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der ehrenamtliche Richter als langjähriger Taxiunternehmer über berufliche Erfahrung in der Bewertung von Kraftfahrzeugen verfügt.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genom¬men, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist im Hauptantrag insgesamt zulässig, sie ist jedoch nur hinsichtlich des Anfechtungsantrags begründet.

1.

Die vom Kläger ausdrücklich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zu¬lässig, obwohl Leistungen der Rehabilitationen, zu denen die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe gehört, nach § 9 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Ermessen der Beklagten stehen. Statthafte Klageart ist daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG, Urteil vom 16.11.1993 - Az.: 4 RA 22/93 =.SozR 3-2600 § 9 SGB VI Nr. 2) grundsätzlich die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist demnach jedoch nicht bereits grundsätzlich unzulässig. Soweit der Kläger sich auf den Standpunkt stellt, einen bindenden Anspruch aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null zu haben, ist auch die mit der Anfechtungsklage kombinierte Leistungsklage zulässig, soweit zumindest die Möglichkeit einer solchen Ermessensreduzierung im Raum steht. Eine solche Möglichkeit hat der Kläger hier zumindest geltend gemacht.

2.

Der Hauptantrag ist jedoch nur hinsichtlich der Aufhebung der angefochtenen Bescheide be- gründet. Die Bescheide sind rechtswidrig, weil die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten hat (§ 54 Abs. 2 SGG). Es liegt ein Fall der sogenannten Ermessensunterschreitung bzw. des Ermessensnichtgebrauchs vor, weil die Beklagte rechtsirrig davon ausging, dass die vom Kläger begehrte Leistung bereits nicht als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden könne.

Die Übernahme von Kosten für die behindertengerechte Zusatzausstattung des klägerischen Kraftfahrzeugs ist Teil der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Kraftfahrzeughilfe, die die Beklagte nach §§ 9, 10 SGB VI, § 33 Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Verbindung mit § 7 KfzHV erbringen kann. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen sind gegeben, so dass dem Kläger gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens durch die Beklagte zusteht. Der Kläger erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen der Rehabilitation nach § 11 SGB Vl. Er hat die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt. Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Versicherungsverlauf der Beklagten über den Kläger. Von einer näheren Darstellung sieht die Kammer ab, weil auch die Beklagte selbst ausweislich der Äußerungen in der mündlichen Verhandlung und des maschinellen Prüfvermerks auf B1. 13 Rückseite der Verwaltungsakte am Vorliegen der Voraussetzungen keinen Zweifel hat.

Der Kläger erfüllt auch die sogenannten persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe nach § 10 SGB Vl. Die persönlichen Voraussetzungen erfüllen insbe- sondere Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher Behinderung erheblich gemindert ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und bei denen voraussichtlich bei teilwei- ser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 c SGB. VI). Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits dann vor, wenn der Versicherte behinderungsbedingt auf eine besondere Transportmöglichkeit zur Erreichung ei¬ nes Arbeitsplatzes angewiesen ist (BSG, Urteil vom 30.11.1977 - Az.: 4 RJ 23/77 = BSGE 45; 183). Aufgrund des vorliegenden Befundberichtes von und des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer zu der vollständigen Über¬zeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) gelangt, dass der Kläger offenkundig auf einen behindertengerechten Transport angewiesen ist. Eine Aussicht auf Besserung der insoweit in der Rollstuhlgebundenheit liegenden Erwerbsminderung ist nicht ersichtlich. Ohne die Gewährung einer Form des behindertengerechten Transportes zum Arbeitplatz ist auch die weitere Sicherung der gegenwärtigen Arbeitsstelle des Klägers nicht möglich, so dass auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 c S GB VI vorliegen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen auch die Voraussetzungen der KfzHV vor, nach der die Beklagte aufgrund der Verweisung in § 16 SGB VI und § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX Lei¬tungen erbringen kann. Die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe in Form der Übernahme von Kosten der behindertengerechten Zusatzausstattung ist zunächst nach § 33 Abs. 1 SGB IX erforderlich, um die Erwerbsfähigkeit des Klägers als behindertem Menschen im Sinne der Norm entsprechend seiner Leistungsfähigkeit herzustellen und seine Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer zu sichern. An dem hierdurch aufgestellten Merkmal der Notwendigkeit der Leistung, das sich in speziellerer Form auch in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV wiederfindet, hatte die Kammer eben so wenig wie die Beklagte Zweifel. Auch die weitere persönliche Voraussetzung für Kraftfahrzeughilfe nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 KfzHV, nämlich dass der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann, liegt vor. Der Kläger verfügt über eine Fahrerlaubnis.

Auch die Voraussetzungen für die Kostenübernahme der behinderungsbedingten Zusatzausstattung nach § 7 KfzHV liegen vor. Nach dem Wortlaut dieser Regelung ist nur erforderlich, dass die Zusatzausstattung wegen der Behinderung erforderlich ist. § 7 KfzHV ist jedoch im Rahmen der Gesamtsystematik der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung und unter Berücksichtigung von § 13 S SGB VI im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots dahingehend auszulegen, dass die Anforderungen an die Förderungsfähigkeit der Anschaffung eines Gebrauchtwagens auch zu berücksichtigen sind, soweit über die Übernahme von Kosten einer behindertengerechten Zusatzausstattung für einen Gebrauchtwagen zu entscheiden ist. Die Beklagte ist daher im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Maßstab für die Übernahme der Kosten der begehrten Zusatz¬ausstattung nicht nur deren - unzweifelhaft vorliegende - Erforderlichkeit zur Kompensation der Behinderung ist, sondern darüber hinaus auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 3 KfzHV und des § 6 Abs. 4 Satz KfzHV gegeben sein müssen (vgl. Landessozialgericht Nie¬dersachsen, Urteil vom 24. Februar 2000 - Az.: L 1 RA 51/99). § 6 Abs. 4 Satz 2 KfzHV sieht vor, dass die Kfz-Hilfe nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit der Beschaffung des zuletzt ge¬förderten Fahrzeugs wiederholt werden soll. Hieraus ergibt sich unter Beachtung von § 13 SGB VI, dass förderungsfähig grundsätzlich nur Fahrzeuge sind, bei denen gerechnet vom Anschaffungszeitpunkt noch von einer fünfjährigen Nutzungsdauer ausgegangen werden kann. Eine solche Nutzungsprognose ließ sich im August 2002 für das vom Kläger angeschaffte Fahrzeug, ein japanischer Kombi mit einem Lebensalter von vier Jahren bei unterdurchschnittlichem Km¬-Stand, zur Überzeugung der Kammer ohne weiteres treffen. Der Kammer ist - vennittelt durch den einschlägig erfahrenen ehrenamtlichen Richter - bekannt, dass Limousinen dieser Marke im Taxigewerbe eingesetzt werden und dort bis zu einem Km-Stand von 300.000 km im Einsatz sind.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt jedoch auch die Voraussetzung des § 4 Abs. 3 KfzHV vor, d.h. das vom Kläger beschaffte Fahrzeug verfügte im August 2002 noch über einen Verkehrswert von mindestens 50 % des Neuwagenpreises. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass entsprechend dem Willen des Verordnungsgebers das Vorliegen dieser Voraussetzungen anhand von handelsüblichen Listen in schneller Weise und ohne übertriebenen individuellen Ermittlungsaufwand möglich sein soll. Auch nach Auffassung der Kammer ist der Ermittlung des Verhältnisses zwischen Neupreis und Verkehrswert die sogenannte Schwacke-Liste zugrunde zu legen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Schwacke-Liste sowohl den Neupreis als auch den Händlerverkaufspreis für den Gebrauchtwagen jeweils einschließlich Umsatzsteuer enthält. Diese muss bei dem nach § 4 Abs. 3 KfzHV vorzunehmenden Vergleich unbeachtet bleiben.

Nach dem Inkrafttreten des Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes am l. August 2002 war aufgrund der Änderung des § 249 Bürgerliches Gesetzbuch die Frage der Art der Besteuerung von Gebrauchtwagen Gegenstand intensiver Befassung durch die zivilgerichtliche Rechtspre¬chung und Literatur (vgl. etwa nur den kurzen Überblick bei Heinrich in NJW 2004, 1916). Nach dem nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB neuer Fassung einem geschädigten Kfz-Eigentümer nur noch die tatsächlich bei der Reparatur bzw. Wiederbeschaffung (BGH NJW 2004, 1943) angefallenen Mehrwertsteuern zu erstatten sind, war zu klären, welche Steuern bei dem Erwerbs eines Gebrauchtwagens anfallen. Nach § 25 a Umsatzsteuergesetz unterliegt bei der Veräußerung von gebrauchten Sachen durch einen Unternehmer regelmäßig nur der Differenzbe¬trag zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz. Eine genaue Ermittlung des Steueranteils am Verkaufspreis des Gebrauchtwagens ist regelmäßig nicht mög¬lich, weil nach § 25 a Abs. 6 Umsatzsteuergesetz eine Ausweisung der Mehrwertsteuer in diesem Fall ausdrücklich nicht erforderlich ist. Es entspricht mittlerweile der ganz herrschenden Auffassung im zivilrechtlichen Schrifttum und der Judikatur, dass im Verkaufspreis von Ge¬brauchtwagen, die von einem Gebrauchtwagenhändler erworben werden, eine Umsatzsteuer in Höhe von pauschalisiert 2 % berücksichtigt ist (vgl. Heinrich aa0. und für die Rechtsprechung nur OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.3.2004 - Az.: 1 U 120/03 = ZGS 2004, 395; OLG Köln, Urteil vom 29.6.2004 - Az.: 9 U 176/03 = recht+schaden 2005, 127; OLG Rostock, Urteil vom 18.2.2004 - Az.: 8 U 75/04). Im Neuwagenpreis ist hingegen eine Umsatzsteuer von 16 % be¬rücksichtigt. Für die Ermittlung des Verhältnisses von Verkehrswert und Neupreis, im Sinne des § 4 Abs. 3 KfzHV kann es nach Auffassung der Kammer nur auf die umsatzsteuerbereinigten Werte ankommen. § 4 Abs. 3 KfzHV dient der formalisierten Prüfung der auch in § 6 Abs. 4 KfzHV vorgesehenen Haltbarkeitsprognose des anzuschaffenden Gebrauchtwagens. Für dieses Regelungsziel des Verordungsgebers ist die Entwicklung der Umsatzsteuer hingegen ohne jegliche Bedeutung. Es kann insoweit ausschließlich auf den materiellen Wert der Sache selbst ohne Berücksichtigung von staatlich veranlassten Zuschlägen bei ihrer Veräußerung ankommen. Jede andere Auffassung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass die Förderungsfähigkeit von bestimmten Kraftfahrzeugen von der Entwicklung der Umsatzsteuergesetzgebung oder etwa von der Marktentwicklung in bestimmten Segmenten des Gebrauchtwagenhandels abhängig wäre. So sind aufgrund der verschärften Haftungsregelungen für Gebrauchtwagen¬verkäufer nach der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform nur noch deutlich jüngere Gebrauchtwagenjahrgänge als vorher im professionellen Gebrauchtwagenhandel zu erwerben. Nur noch privat gehandelte Fahrzeuge. sind jedoch ohne jeglichen Umsatzsteueranteil zu erwerben. Bei Berücksichtigung der Umsatzsteuer im Rahmen von § 4 Abs. 3 KfzHV wäre z.B. die Marktentwicklung nach dem 1. Januar 2002 von Einfluss auf die Förderungsfähigkeit gewesen, ohne dass sich an der tatsächlichen Haltbarkeitsprognose der Fahrzeuge etwas geändert hätte. Ebenso hätte eine Erhöhung der Steuer auf Umsätze gebrauchter Sachen (etwa durch Änderung des § 25 a Umsatzsteuergesetz) zur Folge, dass allein hierdurch vorher nicht forderungswürdige Fahrzeuge die Forderkriterien erfüllen könnten.

Das Ziel des Verordnungsgebers, eine einfach handhabbare Prüfungsmöglichkeit zu öffnen, wird auch durch die Rechtsauffassung der Kammer nicht gefährdet. Zu den umsatzsteuerbereinigten Werten gelangt man, indem man die von der Beklagen zutreffend aus der Schwacke¬Liste errechneten Preise durch 1,16 (Neuwagenpreis) bzw. 1,02 (Verkehrswert) teilt. Auf diese Weise errechnet sich ein hälftiger Neuwert von 8371,34 EUR und ein umsatzsteuerbereinigter Verkehrswert von 8577,05 EUR. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 KfzHV sind daher erfüllt.

Nach den unstreitigen Angaben des Klägers über den Zustand seines 1994 erhaltenen Fahrzeuges bestand schließlich auch die Notwendigkeit einer Neuanschaffung.

Da die Beklagte das ihr eröffnete Ermessen nicht ausgeübt hat, waren die Bescheide aufzuheben, soweit hierdurch über den Antrag auf Übernahme von Kosten der behindertengerechten Zusatzausstattung entschieden worden ist.

Der Leistungsantrag ist hingegen unbegründet, weil der Beklagten noch ein wenn auch enger Ermessensspielraum verbleibt. So obliegt es insbesondere ihrem Ermessen, zu entscheiden, ob die Zusatzausstattung genau in den begehrten Ausführungen und Typen zu bezuschussen ist. Nur dieses sehr begrenzte Auswahlermessen steht einer Ermessensreduzierung auf null entgegen.

2.

Der zulässige Hilfsantrag ist begründet. Wie bereits dargelegt steht dem Kläger ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung durch die Beklagte nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu, weil die Vorausssetzungen der §§ 9, 10, 11, 16.SGB VI, § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX in Verbindung mit § 7 KfzHV vorliegen. Diesen Anspruch hat die Beklagte durch die vorliegenden Bescheide nicht erfüllt. Sie war daher zur erneuten Bescheidung zu verpflichten.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz und folgt der. Entscheidung in der Hauptsache. Dabei hat die Kammer im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der im Vorverfahren erhobene Widerspruch insgesamt im Sinne eines Neubescheidungsanspruchs begründet war. Dem abgewiesenen Teil kommt eine eigene wirtschaftliche Bedeutung nicht zu.

Rechtsmittelbelehrung:
Rechtskraft
Aus
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